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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.05.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140526011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914052601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914052601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-26
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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ZSWNWN Kunst unct wissenseliaff Naturtheater -er deutschen Heimatspiele. Unser Berliner Schauspielreferent schreibt: Die Heimatspiele auf dem Brauhausberge bei Potsdam, die die Schriftsteller Axel Delmar und Hartenau ins Lebm gerufen haben und leiten, setzten sich in den vier Jahren ihres sommer lichen Bestandes besser durch, als viele andere Naturtheater, die bald ebenso still verschwanden wie sie mit Lärm ins Leben getreten waren. Wenn das laute Geschrei den Reformator machte, hätte das Naturaposteltum Brettern und Soffitten längst den Garaus bereitet. Doch es bleibt dabei: das Frei lufttheater ist nur eine von unendlich vielen Formen der dramatischen Kunst und eine sehr engbegrenzte Spezialität. Wo man versuchte, seine Fähigkeiten über ein Minimum von geeigneten Theaterstücken hinaus zu erweitern, erreichte man höchstens ein mattes Surrogat für die konzentrierten künstlerischen Wirkungen der geschlossenen Jllnsionsbühne. Ich denke z. V. an die vorjährige Aufführung von Grill parzers „Medea" am kleinen Wannsee. Sie war schauspielerisch nicht übel vorbereitet; doch alle Mühe gipfelte nur in der Anerkennung des Zuschauers, daß es „immerhin" und „trotzdem" gelang, einen Hauch der Dichtung festzuhalten, obwohl das Wort oft unverstanden verhallte und die Nebelhorndeklamation die feineren Tönungen der Sprache vernichtete: und obwohl der deutsche Wald die griechische Szene Lügen straft«. Man wird mit einigem Recht für die Natur theater, wenn sie weite Schauplätze haben, nur Tat- sachenstllcke wählen, allenfalls Pantomimen, Stücke mit großen Aufzügen, Kavalkaden, Schlachten. Würde man es etwa mit Grabbes „Napoleon oder Die hundert Tage" wagen, so stünde dem sicheren Verlust dichterischer Feinheiten der Gewinn entgegen, die großzügigen Massenbewegungen in diesem Drama, die der Bühne im gemauerten Haus inotten, fast un geschmälert darstellen zu können. Oder findet sich ein lauschiges Plätzchen im Garten, im Wald, das der Szenerie einer dramatischen Idylle wohlangepaßt wäre, dann auch sind die lebenden Kulissen will kommen. Am ehesten gewähren Goethes Singspiele, von denen einige für die Parktheater von Tiefurt und Belvedere geschrieben wurden, diese Möglich keit. Jedes Schauspiel will die Bühne, für die es sein Dichter — unwillkürlich — geschrieben hat. Den Potsdamer Heimatspielen kommt es zu statten, daß ihre Feld- und Wald-Dichter die Stücke dem vorbestimmten Schauplatz andichten. Da wird keine Szene für den besonderen Zweck „adaptiert", jede ist vielmehr auf der kleinen Waldlichtung ent standen, wo ein niedliches Häuschen den Hintergrund und alte Eichen die malerische Staffage bilden. In den früheren Jahren gab man patriotische Stücke, historische Vorgänge, deren Ausläufer sich in die Waldeinsamkeit geschickt verirrt hatten. So hatte in einem Walde bei Leipzig der Marschall Vorwärts vor und während der Völkerschlacht Raft gehalten, und die Reflexe großer Begebenheiten mischten sich in das Idyll. Diesmal versuchte man es mit einem un kriegerischen Heimat- und Liaderspiol, das doch auch eine Art von geschichtlicher Perspektive hat. „Alt- Potsdam" oder „Die erste Eisenbahn" heißt die Harmlosigkeit von Axel Delmar, und sie -pielt Anno 1838. Der Kampf für und gegen die Loko- inotioe wird in der deutschen Kleinstadt (Potsdam) geführt, die Männer sind fortschrittliche Aktionäre der ersten Eisenbahn, ihre Ehehälften, die Mitglieder des vaterländischen Frauen- und Jungfrauenvereins, leisten konservativen Widerstand. In diese Klein- städterei sind manche Witze (und auch Namen) mit Haut und Haaren aus Kotzebues „Deutschen Klein städtern" herübergezogen. Aus dem Zeitereignis hätte sich viel mehr machen lassen. Es wird im Ver laufe des Stückes zurückgedrängt von der Figur des einst sehr populären Berliner Komikers Fritz Beck mann, der als „Ausreißer" dem Theater entfloh und ün Walde bei Potsdam Schmetterlinge fängt. Ein guter Komiker (Walter Ruh tisch) gab den be rühmten Kollegen, und seine das mittelmäßige Ensemble überragende Spielsicherheit lenkte erst recht das Interesse von der Eisenbahn auf die Episode ab. Von den übrigen Mitwirkenden verdiente nur Ma rietta Horak, «in Küken mit viel Temperament, Beachtung. Diesem Stücke stand die freie Natur nicht im Wege. Ob auch nicht das Stück der Natur? Als die Sonne sank und die Nachtigallen schlugen, wirkten die banalen Witze ein wenig quälerisch. Man sehnte sich nach ein bißchen Poesie im poetischen Walde. llvrmaiur Lieruck. * „Bürger Schippet" von Carl Sternheim und „Der erste Liebhaber" von Fritz W. Stark oder Das „gute" und das „böse" Prinzip in den Münchner Kamm erspielen. Die Kam- merspiele Haven zwei Direktoren, einen künstlerischen und einen geschäftlichen. Der „Geschäftliche" hat die Aufgabe. Publikum und Aufsichksrat zu erfreuen und die Presse mißmutig zu stimmen, der „Künstlerische" die mißmutige Presse wieder zu erheitern und die Vorwürfe des Aufsichtsrates entgegenzunehmen. So wäre alles in schönster Ordnung, wenn, ja wenn die Kammerspiele nicht in München ständen. Hier hat nämlich der „Geschäftliche" unter der Konkurrenz des Schauspielhauses und des Volkstheaters zu leiden, die ihm einfach die schlechten Stücke wegsprelen, soweit sie amüsant sind. Er muß sich demgemäß an die schlechten und langweiligen Stücke halten, durch die er außer der Presse niemanden ins Theater lockt. — Das zu erheiternde Publikum bleibt aus und der Aufsichtsrat jammert. Der „Geschäftliche" wird zum bösen Prinzip der Kammerspiele. Die Leitung dieses Theaters wird sich nach dem Kassenrapport der letzten Wochen nicht weiter der entsetzlichen Wahrheit verschließen können, daß sie nur mit guten und literarisch einwandfreien Stücken Geschäfte machen kann — einfach aus dem Grunde, weil auf diesem Gebiete in München nur eine ganz geringe Konkurrenz vorhanden ist. — Der „Künstlerische" könnte, wenn er von der hiesigen Presse etwas mehr gestützt würde, zum guten Prinzip der Kammerspiele werden. Das gute Prinzip brachte z. B. in voriger Woche den „Bürger Schippel" von Sternheim (man kennt ihn in Leipzig), eine Komödie, über deren absoluten Wert man verschiedener Meinung sein kann, die aber ent schieden Niveau hat. Die Aufführung mit Erich Ziegel als Schipvel und Paul Marx als Krug war ausgezeichnet und der Erfolg groß. Nun kam allerdings ein Zensurverbot, das gute Pläne lHinnerks „Mürrische Welt") umwars. Aber auch als Lückenbüßer „geht dieser „Erste Liebhaber" von Fritz W. Stark nicht. Es ist ein Stück, das unter gar keinem Vorwande aufgeführt werden durfte. Nicht deshalb, weil es dumm ist, auch nicht deshalb, weil es sträflich langweilig ist, sondern weil es mit dem mittleren Talent eines Operettenlibrettisten verfertigt, in unangenehmer Weise Possenmotive mit heimlich einge schmuggeltem Gefühl verquickt, weil sich hier ein Mensch als Libertin gebärdet, der, von der gütigen Natur zum Biedermann bestimmt, durch unglückliche Zufälle in den Besitz einer „freien Weltanschauung" gelangt ist. — Das Publikum zeigte sich, trotzdem ein Alt (wie interessant!) hinter den Kulissen eines Theaters spielte, müßig ergötzt. — Mein Wunsch: Der Kassenerfolg möge so hundeschlecht sein, daß das „böse" Prinzip sich dem „guten" Prinzips nähert, in der Erkenntnis: „Auch mit schlechten Stücken macht man zuweilen schlechte Geschäfte und es soll ganz normale und billettbezahlende Menschen geben, die auch mal ein wertvolles Drama sehen möchten." iValter vou Uollaaäer. * * Städtische Theater. Für die Erstaufführung von Paul Graeners Musi korama „Don Juans letztes Abenteuer" gibt sich in der musika lischen wie literarischen Welt ein gleich starkes Interesse kund, insbesondere, da das Buch von Otto Anthee als Schauspiel mit stärkstem Erfolg über die deutfchen und ausländischen Bühnen ging. Die musikalische Leitung des Werkes hat Herr Opern direktor Lohse, die szenische Dr. Leit. Die Haupt partien sind mit Frau Sanden, Fräul. Flaünitzer, den Herren Possony, Schroth, Jäger und Voigt besetzt. * Ein Roman Karl Frenzels. Karl Frenzel, der Nestor der deutschen Journalistik, der 1914 sein 87. Lebensjahr vollendet, läßt soeben einen Roman erscheinen, der den Titel führt „Dunst". * Die Schriften und Tagebücher I. PK. Fall- merayers erschienen soeben in zweibändiger Ausgabe unter Leitung Hans Feigls und Ernst Wölbens (Verlag Georg Müller, München). Diese Neuausgabe gilt dem Andenken des großen Tiroler», jenes klassischen Prosaisten, der Land und Leute des Orients und Okzident» fast unvergleichlich zu schildern verstand. Er war vornehmlich bekannt durch seine Fragmente aus dem Orient und seine kulturhistorischen Aufsätze über das byzantinische Mittelalter, die in den 30er und 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts seinen Ruhm begründeten. Einen besonderen Vorzug weist diese Neuausgabe durch die Aufnahme der Tagebücher Fallmerayers auf, die bisher noch nicht abgedruckt waren. * Musikchronik. Hugo Kaun hat soeben die Komposition seiner dritten Sinfonie (E-Moll) be endet. Das Werk ist Artur Nitisch gewidmet und erscheint Ende August im Verlage von 2ul. Heinr. Zimmermann in Leipzig. * Bom Mozarteum in Salzburg. Als Nachfolger des verstorbenen Dr. Robert Hirschfeld wurde zum Direktor des Mozarteums der Musikschriftsteller und Privatdozent an der Münchener Universität Dr. Eugen Schmitz gewählt. * Karl Attenhofer gestorben. In Zürich ist am Freitag der bekannte, über die Schweiz hinaus ge schätzte Musikdirektor Karl Attenhofer im Alter von 77 Jahren gestorben. Er war vor allem als Dirigent von Männergejangvereinen und als Musik lehrer tätig. Seine Kompositionen auf dem Gebiete des Männergesangs sind sehr beliebt. Die Universi tät Zürich hatte ihn zum Ehrendoktor ernannt. * Eine Ausstellung deutscher Zeichenkunst Die bereits im vorigen Herbst geplante, aber verschobene Große Zeichentun st aus st ellung der Allge meinen Deutschen Kunstgenossenschaft wird im Okto ber und November d. I. unter dem Titel: „Fünfzig Jahre Deutsche Zeichenkunst" in Berlin statt- flnden. Zusagen der bedeutendsten Künstler für diese Ausstellung sind bereits erfolgt. Es dürfte ein glück licher Gedanke sein, die Entwicklung der Zeichenkunst von einem Führich, Preller, Richter, Steinte, Schwind u. a. zu Feuerbach, Menzel, Knaus, Geselschap, von Werner, Lenbach, Ed. von Gebhardt dis hin zu den Zeichnern der Neuzeit vorzuführen Die Ausstellung, für deren Vorbereitung eine große Kommission sich vor längerer Zeit konstituiert hat, ist als Wander ausstellung geplant. * Eine Einladung Professor Blaschkas nach Eng land. Professor Blaschko, der bekannte Spczialarzt für Hautkrankheiten, ist von der Kgl. Kommission zur Bekämpfung der venerischen Krankheiten in England aufgefordert worden, über die Verbrei tung und Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten in Deutschland, sowie über Organisation und Arbeits weise der Deutschen Gesellsckmft zur Bekämpfung der Geschlechtskrankheiten einen Bericht zu erstatten. Man hat die Absicht, in England eine ähnliche Ge sellschaft ins Leben zu rufen. * Funkentelegraphische Zeitsignale im Museum für Meereskunde. Die Direktion des Königliä;en Museums für Meereskunde hat sich das Verdienst er worben, die moderne Erfindung der drahtlosen Zeit- übertvagung in den Dienst der Allgemeinheit zu stellen. Jeder Museumsbesucher ist jetzt imstande, in einem dem Küsten- und Hafenwesen gewidmeten Saal an einem hörbaren Signal auf die Sekunde genau festzustellen, in welchem Moment das inter nationale Zeitsignal des Greenwicher Mittags abge geben wird, nach dem sich alle Schiffe in den deutschen Gewässern richten können. Vom Dach des Museums ziehen sich quer über die Dorotheenstraße hinüber nach dem neuen Gebäude der Königlichen Bibliothek jene sogenannten Antennen, Drahtleitungen, die elek trische Wellen auffangen, die von der in der Luft linie etwa 400 Kilometer entfernten funkentele graphischen Station Norddeich an der ostfriesländi schen Nordseeküste ausgesandt werden. In der letzten halben Minute vor 1 Uhr ertönt an fünf hinter einander folgenden Sekunden je ein Signal, dem wieder Pausen von je fünf Sekunden Dauer folgen. Das letzte Sekundensignal fällt dann genau auf 12 Uhr mittags Greenwicher Zeit oder 1 Ühr mittel europäischer Zeit. * Neues von der alten Schackgalerie. Professor Franz Naager eröffnet am 20. Mai vormittags 10 Uhr seine Ausstellung in seinem Hause, dem „Palais Alte Schackgalerie". Der östliche Flügel enthält im Parterre die Sonderausstellung von Prosessor Naaaers eigenen Arbeiten, Architekturen, künstlerischen Industrien, Gemälden usw., und in den oberen Räumen ist dessen Privatgalerie venezianischer Meister des Cinquecento und «eine Barocksammluna untergebracht. Den Westflügel hat Professor Naager der Münchner Künstlergruppe „Die Freien" für ihre erste Sommerausstellung zur Verfügung gestellt. * Gaston Masperos Rücktritt. Der berühmte Archäologe Gaston Maspero, der seit 34 Jahren Di rektor des Museums der ägyptischen Altertümer in Kairo und Leiter der Ausgrabungen in Aegypten ist, tritt, wie uns aus Paris gemeldet wird, dem nächst von seinem Posten zurück. Maspero erklärte in einer Unterredung, er habe während der langen Dauer seiner Tätigkeit in Aegypten weniger gegen die Elemente als gegen die Menschen zu kämpfen gehabt, um die Kostbarkeiten vor Plünderung und Verschleppung ins Ausland zu schützen. Nunmehr tritt er in den Ruhestand. In Deutschland wird man den berühmten Gelehrten, der sich durch seine Tätigkeit als „Dirccteur Gt'm'ral du Service des Antiquit^s de l'Egypte" und durch eine große Reihe ausgezeichneter Werke um die Erforschung der ägyptischen Geschichte und Kunst die höchsten Ver dienste erworben hat, mit aufrichtigem Bedauern scheiden sehen. Hat sich doch Maspero in seinem lang jährigen Wirken stets als aufrichtiger Freund deutscher Wissenschaft erwiesen und die Ar beiten der deutschen Forscher auf ägyptischem Boden, frei von nationaler Engherzigkeit, in jeder ihm mög lichen Weise unterstützt und gefördert. Zu seinem Nachfolger ist sein bisheriger Mitarbeiter, der Di rektor am französischen Institut für ägyptische Alter tumskunde in Kairo, Pierre Lacan, ausersehen. * Hochfchulnachrichten. Die Berufung des Pro fessors Eß len in Zürich auf den Lehrstuhl der Volkswirtschaft an der Berliner Handelshoch schule ist von dem Handelsminister bestätigt und damit perfekt geworden. Professor Eßlen wird daher seine Lehrtätigkeit an der genannten Hochschule mit dem nächsten Wintersemester beginnen können. — Wie die Straßburger Post aus zuverlässiger Quelle vernimmt, hat Geh. Archivrat Prof. Dr. W. Wie gand, der Lehrer der Neueren Geschichte an der Straßburger Universität, aus Gesund heitsrücksichten sein Gesuch um Emeritierung zum 1. Oktober d. I. eingereicht. 2n Petersburg ist der weit über die Grenzen Rußlands bekannte Physiker Professor Ivan Jvanowitsch Borgmann, Mitglied der russischen Akademie der Wissenschaften, im Alter von 85 Jahren gestorben. Vor einigen Jahren war er Rektor der Petersburger Universität. — Aus Freiburg i. Br. verlautet, daß dem a. o. Professor der Rechte Dr. H. Kantorowicz ein dauernder Lehrauftrag für Rechtsphilosophie und Rechtswissenschaft erteilt worden ist. An den deutschen Universitäten ist bisher über Rechtsphilo sophie nur selten und vereinzelt, über Geschichte der Rechtswissenschaft überhaupt nicht gelesen worden. — Dem Vernehmen nach haben die Professoren Dr. Hans von Arnim (Klassische Philologie) in Wien, Dr. Eduard Hermann (Vergleichende Sprach forschung) in Kiel und Dr. Hans Schrader (Archäologie) in Wien den Ruf an die Uni versität Frankfurt am Main angenommen. — Für das Fach der englischen Sprache und Literatur habilitierte sich inEreifvwuld Dr. phil. Charles Macpherson, Lektor der englischen Sprache da selbst, mit einer Antrittsvorlesung über „Modernste Richtungen in der englischen Literatur". — Exzellenz Dr. jur Eugen von Jage mann, ordentlicher Honorarprofessor in der Heidelberger Juristen fakultät, vollendet am 25. d.M.seinOö Lebensjahr. Sein Lehrfach umfaßt Staatsrecht und Politik, kriminali stische Nebenfächer. von Jagemann mar von 1893—1903 badischer Gesandter und Bundesratsbevollmächtigter in Berlin. — Ter Privatdozent mit dem Titel eines a. o. Professors Dr. med. Hans Spitzy in Graz wurde als Privatdozent für orthopädische Chirurgie in der medizinischen Fakultät der Wiener Univer sität zugelassen — Der a. o. Professor für neuere Geschichte an der Universität in Graz Dr. Kurt Kaser wurde zum Ordinarius der allgemeinen Geschichte an der Universität in Czernowitz ernannt. kva Maria. 37j Von Margarete Richter. (Nachdruck verboten.) Sie waren ausgestiegen, trotz des Staubes vie uralte Straße entlang gegangen, vorder an dem zertrümmerten Saum der Wasserleitungen, der Kirche rechts und dem Kirchlein links, den vereinzelten Grabmälern und Ruinen, die im Sonnenglanz aussahen wie von Mehl betaut. Ein Flimmern und Glühen auf der gelb braunen Heide, aus der sichtbar die brodelnde Luft aufstreg und srch als glimmernder Schleier auf die Ferne legte, da, wo man nach den Al baner Bergen steht. Der Himmel blau, bis auf ein paar blendende Ringelwölkchen, eine zitternde Brise über den graugrünen Pinien und Zypressen, die ab und zu dem Blick ein ».weinendes Ziel setzten, wenn er seitwärts schweifte. Das war die Campagna. Da war ihr bei nahe froh zumute gewesen. Als ob die Helle und der Glanz die drückende Hülle zersprengt hätten, die ihr den freien Ausblick in diesen Lagen gewehrt hatte. Das war die Straße der großen Toten, auf der ihre Ruhmestaten ausklingen bis auf den heutigen Tag . . . Die feierlich-sonnige Ruhe da draußen, inmitten der weiten Ebene, sie hätte sie nicht vertauschen mögen mit dem schattigen Platz eines der romantischen Gärten . . . Nein, nein, man hatte kein Recht, unglücklich zu sein in Rom. Es ist Sünde, sich die Augen mit einem Trauerflor zu umhüllen, der alles grau in grau -färbt! Hüns für eine jämmerliche, weh leidige Figur spielte sie da inmitten all der Pracht, wo einem die pralle Sonne munternd ins Herz lacht! Ziellos war sie den Tiber cntlanggcwan- dert, bis zur Synagoge Drüben auf der an dern Leite lviniU San Pietro in Montorio her- unter. Bon da oben sollte man eine töftlickze Aussicht aus die Stadt haben, die Gegenansicht des Monte Pineio. Eva schritt über die nächste Brücke durch wintligc, kinderreiche alte Gassen die Stufen hinauf zur Passeggiata Margherita. Dann bog sie um die Kirche herum nach dem basteiarttgen Platz, der eine weite Aussicht ge stattet über das tiefliegende Rom mit den Ber gen als. Abschluß. Langsam bereitete die Sonne sich vor, ihr allvergoldendes Füllhorn auSzugicßen über die Dächer und den tlarblauen, Hellen Himmel. Ein >lranz von Wölkchen hatte sich zusammengcfun- den und fing die Strahlen auf, die die tief stehende Sonne noch versandte. Das blendende, luftige Weiß ging allmählich ins Gelbliche über, neben dem der Himmel beinahe blaßgrün er schien, wie durchsichtig kristallnes Gebirgswasser. Langsam — aber sichtbar von Minute zu Mi nute — wurden die Wolken dunkler in ihrer Farbe unter dem Widerschein ihrer purpurnen Quellen, bis sie sich in flammendes Qrangerot wandelten. Als ob auch die Sonne mit ihrer Tages arbeit zufrieden sei, verweilte sie sorgfältig eine Zeitlang noch vor ihrem Spiegelbild. "Dann blichen die Töne ins Rosige ab, und die Luft nahm langsam ihre blaue Färbung wieder an. Immer duftiger rötlich, verschwommener, ein töniger, grauer — grau in grau und kalt . . . Wie das Leben! Eva stampfte energisch mit dem Fuß auf und wandte sich heimwärts. Nein! man muß nicht alles auf sich beziehen. Das sind die jun gen Menschen, die unreifen, die über sich nicht hinauskommcn! ES war Zeit, daß sic damit brach. Das Leben war doch schön! Tausend andere durften ihr die reichen Gaben neiden, die es ihr schon gespendet hatte. War cs nicht gerecht, wenn nach der Ueberfülle in der einen Schale manch schwerer, bitterer Tropfen in die andere siel, um sie nicht übermütig zu machen auf der Höhe? . . . Noch lag das längere Leben vor ihr. Noch lag s in ihrer Hand, sich aufzuschwingcn... oder in der Masj'e zu versinken! Warum wartete sie auf ein Großes von Außen? Es mußte von innen kommen! Fröhlich sein von innen, nicht von außen, — damit nur kann man den andern geben und damit sich! Noch war ihr die Zlugkraft nicht gebrochen. Sie konnte ja noch wollen. Sollte es nicht sein, daß man sich mit fünfundzwanzig fahren noch einen Beruf schasst, der einen befriedigt? Ihr heißes, festes und starkes Wollen mußte das zuwege bringen! Die Welt ist doch schön!! Ah, endlich waren ihr die Muskeln wieder straff geworden, das Rückgrat wieder aufrecht. . . . Der Wind blieS kühlend durch das dünne Sommerkleid. Heia! Das befreite die Seele! Wirklich, da war sie schon im Hotel. Mit eineM-kurzeu Gruß ging sie am Portier vorbei zum Schlüsselbrett. Ein flüchtiger Blick galt der alphabetisch geordneten Korrespondenz, die da neben in dem Glaskasten untcrgebracht war: „Fräulein Eva Horn." Kein Zweifel, — Se balds Handschrift. Eva Keß sich den Brief aus- händigen, während eine Flut von Gedanken ihr Gehirn durchkreuzten. Was hatte er ihr zu schrei ben? Sie hatte absichtlich ihre Latzwendungen so abgefaßt, daß sie keine Antwort heraus- forderten. Sollte es Frau Eckart schlecht gehen? Ulla schrieb gestern, Großmama befände sich leider nicht wohl . . . Oder war etwas mit dem Kind? . . . Ohne Grund pflegte er nicht zu schreiben. Eilig verließ sie den Lift und ging in ihr Zimmer, unterwegs den Brief umschlag öffnend. „Liebe Eva!" — was war das? Mit an- gehaltenem Atem verfolgte sic Zeile um Zeile — dann brach sie ächzend zusammen. Jetzt — jetzt kam er, nachdem alles zu spät war!! Mein Gott, warum muß ich den Kelch bis auf die Neige leeren! . Sie sind die einzige, die mir wert erscheint, Ulla eine zweite Mutter werden zu können." wert!" An diesem Wort scheiterte ihre Zukunft. Wenn er das nicht gesagt hätte!! Eva hätte ausschreien können vor Weh. Tas sagte er ihr, die ihm und sich die Treue ge- vrochcn hatte . . . Es war, als ob die neue Kraft, die sic heute beseelte, sich zu diesem Letzten in ihr auf gespeichert hätte. Sie hatte keinck Wahl. Sie griff nach Tinte und Papier und eilte in hastigen Zügen über den Bogen: „Sehr geehrter Herr Professor! Bor mir liegt Ihr Brief. Er hat mich aufs trefste erschüttert. Er kommt zu spät. Fragen Sie nicht danach — ich kan^ es nicht sagen. Ich kann niemals Ihre Frau — niemals Ullas Marter werden. Begnügen Sie sich damit, und versuchen Sie nicht, meinen Entschluß zu ändern. Eva." Sie schloß den Bogen in den Umschlag ein niid übergab ihn dem Kellner, um ihn sofort zur Post bringen zu lassen. Keine Minute durfte er in ihren Händen bleiben, als ob sic fürchtete, ihren Sinn noch zu ändern. Tann kleidete sie sich um zur Abendtafel. Während sie mit dem Geheimrat unter den essen den und schwatzenden Menschen saß, fiel ihr ein, das; sie kein Wort des Dankes geschrieben hatte für seine Liebe. Und dann — er mußte unglück lich sein über ihre Antwort. Aus seinem Brief sprach solch eine leuchtende Zuversicht . . . nicht auszudenken!! Ihr Brief war sinnlos, verrückt. Er konnte ihn gewiß gar nicht verstehen. . . . Aber es kam ja nicht auf die Worte an. Der Sinn mußte immer derselbe bleiben und den Grund — nein, nie würde sie es ihm iggen können! „Wert!"... Und sie mußte essen, mußte plaudern, wäh rend ihr der Bissen im Halse quoll. Immer wie der stand cs ihr feucht in den Augen, und sie mußte sic ganz weit aufmachen, damit es keine Tränen gab. Und ihr Herz krampfte sich zu sammen, daß cs schmerzte. Endlich stand man ans, und sic durfte weinen in ihrem Bett. Lautlos und unaufhaltsam ström ten die Tränen zu beiden Seiten über die Wan gen in ihr Kissen. Wie innig lieb hatte er ihr geschrieben von seinen plötzlich erwachten Ge fühlen, von Ulla.... „Die einzige, die mir wert erscheint, Ulla eine zweite Mutter werden zu können!" Das — das!! Damit war alles — alles zu Ende! Verzweifelt bäumte sich ihre Seele auf. G^b es denn keinen Ausweg . . . Nein, nein! Sie durfte cs ihm nicht sagen. Sie konnte nicht. Das hieß sein Vertrauen für immer verlieren, ihr Bild, das er in sich trug, unwiederbringlich vernichten. Und das Geheimnis für sich be- halten, ein ganzes, langes Leben — neben ihm, vor seinen klugen, reinen, forschenden Augen? Unmöglich!! ,,Vater im Himmel, gib d u mir die Kraft, daß lch'S trage!" (Fortsetzung in der Abendausgabe.)
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