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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.05.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-05-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140526011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914052601
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914052601
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-05
- Tag 1914-05-26
-
Monat
1914-05
-
Jahr
1914
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Jahrgang stnzelaenpreist: L' von au»wärt» ZS Pf., Neklamrn 1.SS m., Klein« stnzetgra Siepetitzetl» nur SSpf.d.wlrSerbol Kab.,Znserat« vonSebSr-en im amtlichenTeil Sl» Petit zeil« » Pf. Geschäftsanzeigen mit plohvorschrift im Preise erhöht. Nodat» nach Tarif. Seilagea: G«samtaufl.rM.Sa»Tauf«nS ausschl-postgedäh». ftnzrigen-stnnabme: Zohannlsgajse«, bei sämtlichen Malen Se» Leipziger Tagrdlotte» uns allen sinnoncen-EepeSttlonrn Se» In- un» stuslanSe». Geschäftsstelle für Verlln u.Sie pr.SranSenburg: virektlon Walter Zlirgel, Serlln w. I», Margarrthenstraft« ». Zerosprech. stnschluft: Lühow »471. Nr. 2S3. Viens»»-, üen 2ö. Mei. 1914. Das Wichtigste. * Das preustischc Herrenhaus nahm den Kideikommistgesetz-Entwurs fast ein stimmig an. (S. Ber.) * Im preußischen Abgeordneten haus wurde die Beratung der Besoldungs - Novelle nach längerer Diskussion unterbrochen und sodann das (L i s e n b a h n a n le i he g e s e ß in dritter Lesung angenommen. Das Fischereigesetz wurde einer besonderen Äom- mission überwiesen. (S. Ber.) * Bei der gestrigen Stichwahl im Reichstagwahl- treise Stendal-Ö st erburg siegte der National liberale Wachhorst de Wente mit 14338 Stim men über den Konservativen Hoesch, der 11 581 Stim men erhielt. (S. Letzte Depst * Die Forderungen der Aufständischen in Albanien lauten aus Schutz der muselmanischen Religion und des Muselmanentums, sowie auf Wie derherstellung der ottomanischen Herrschaft. Zn Kawana hißten etwa 58V Aufständische die tür kis ch e F a h n e. (S. des. Art.) * Aus Niagarafalls verlautet, das; die Forderung der amerikanischen Dele gierten von den Mexikanern für unan nehmbar erklärt worden ist. (S. Pol. Uebers.) kossuth -er Jüngere. 2. Wenn eine Partei sich nach einem Per sonennamen benennt, Pflegt man vorauszusetzen, daß es sich um ihren geistigen Führer handle, oder auch um eine außerhalb ihrer engeren Kreise stehende hervorragende Persönlichkeit, mit deren Namen sich gute politische Geschäfte machen ließen. Den Namen der ungarischen Kos- suth-Partei wird niemals ein kundiger auf den soeben verstorbenen ehemaligen Handels minister Franz Kossuth bezogen haben. Na türlich war der Bater gemeint, als die „U n- a b h än gi g k e i t s p a r tei" sich mit dem be rühmten Namen schmückte. Und doch: wie un vollkommen deckte er die Ware! Als Politiker möchte man sich ausdrücken, daß diese die bessere war. Denn der alte Kossuth Lajos (Lud wig) ist ein großer Rebell gewesen, und weiter gar nichts. Daß er am 14. April 1849 den Kaiser Franz Joseph und sein ganzes Haus des ungarischen Thrones entsetzt erklären ließ, war keine große, sondern eine freche und sehr unbesonnene Tat; eine Ausschreitung des Freu denrausches über einen strategischen, gar nicht einmal auf einem großen Schlachtfelde errun genen Augenblickserfolg des Könners Gör gey gegen den unfähigen Windischgrätz. Und der dumpfe Trotz, mit dem der im Bilde Gehängte später die Amnestie verschmähte und selbst dem damals vielleicht noch politisch lei stungsfähigen Sohne ihren Gebrauch verwehrte, war weder groß, noch patriotisch, noch väterlich. Jene Unabhängigkeitspartei aber, die sich 1807 der Deäk-Partei gegenüber auf den Namen Kossuth taufte, bat sich nicht einmal auf den Boden jener 1849er Losreißungsabsichten des äußersten Radikalismus gestellt, sondern sich aus- drücklich als die 1848er bezeichnet, die in der reinen Personal-Union das Ziel ihrer Wünsche erblickten und den Gedanken von 1849 einer anderen Gruppe (Ugro n) überließen. Gin Bekenntnis zu neuen Plänen eines gewaltsamen Aufruhrs unterließen natürlich 49er so gut wie 48er — schon weil es die Polizei nicht erlaubte: eine Rücksicht, die den alten Herrn in Turin nicht fesselte. Welches Verdienst, abgesehen von dem für ungarische Ohren klangvollen Namen des Vaters, berief nun aber Kossuth den Jüngeren zur Führerrolle in der Partei, nachdem der Tod des 90jährigen ihn von der Fuchtel des ver bitterten Greises befreit hatte? Man hat keine Ursache zu einem den Menschen schroff ver werfenden totenrichterlichen Urteile über Franz Kosfuth. Eine allgemein verbindliche Bürger pflicht zu staatsmännischer Befähigung existiert nicht. Kossuths Sohn soll ein ganz tüchtiger Ingenieur bei der Mont-Cenis und der Gotthardbahn gewesen sein. Woraus vielleicht aber nicht notwendig zu schließen ist, er würde auch als Politiker in jenen Lebensjahrzehnten zwischen 1867 und 1894 etwas geleistet haben, wenn der Vater ihm damals erlaubt hätte, seine Kräfte dem Vaterlande unter dessen neuer Verfassung zur Verfügung zu stellen (1841 war er geboren). Aber 1894 war er bereits eine halbe Ruine. Cs mag sein, daß Hans sein politisches Handwerk ein bißchen besser verstan den hätte, wenn Hänschen eher in die Lehre gekommen wäre: die R e b e l l e n n a t u r des Vaters hatte er auf keinen Fall geerbt. Viel leicht nicht, weil sie auch diesem noch nicht im Blute lag, als Franz geboren wurde: sonst hätte der Schriftleiter des „Pesti Hirlap" wohl nicht dem Sprößling einen so habsburgisch lothringischen Namen gegeben! Und daß der Alte aus dem Jungen, der nicht als eine Kampfnatur auf die Welt ge kommen war, durchaus einen Menschen nach dem Bilde seiner Greisenjahre formen wollte: das ist das Verhängnis gewesen, das auf Franz Kossuths politischer Laufbahn gelastet, das sein ursprünglich gesundes, schlicht menschenverstän diges Empfinden geradezu verkrüppelt hat. Mag sein, daß es in London und Turin im Hause Kossuth häufig Streitigkeiten gegeben, daß der Jüngling sich öfters mU dem Bekenntnisse her vorgewagt hat, ihm scheine doch Deäk richtiger zu urteilen als der Vater wenn ec die aus der Wiener Hofburg zur Versöhnung cuigegenge- streckte Hand anzunehmen rate; daß aber die Leidenschaft des alternden Radikalen die Ein wände regelmäßig niederschrie, und nicht bloß Pietät den jüngeren schließlich schweigen hieß, sondern er auch innerlich allmählich mürbe wurde. Und diese jahrzehntelange Gewohnheit des Nachgebens und des Autoritätsgehorsams hat denn der als 53jähriger endlich äußerlich selbständig Gewordene nicht wieder überwinden können. Jene Art der ganz „Zielbewussten" steht außerhalb der Parlamente ja nicht im aller besten Ansehen, für die die andern, und seien cs die Erfahrensten und Geschicktesten, vergebens viel sprechen, um zu begründen, da sie bei allem nur das „Nein" ihres Parteidogmas das Entscheidungswort sprechen hören. Aber es war doch auch wiederum ein vernichtender Spott, wenn Kossuth nachgesagt wurde, er habe regel mäßig die Ansicht dessen, der zuletzt mit ihm geredet habe: sei es Herr v. Justh, der Führer der radikalen Dränger in seiner Fraktion, sei es — der Kaise r. Denn der 23. September 1905 war der große Tag, an dem endlich die äußeren und die inneren Bedingungen für den ersten Hof gang des Rebellensprüßlings geschaffen schie nen. Vor allem die inneren: daß Kossuth Tere- nez sich der Knechtschaft des Vatertrotzcs und der Scheu vor dem Hohne lebender „Unent wegter" soweit entwunden hatte. Und — der alte Herr in der Wiener Hofburg soll ihm im poniert haben! Daß es daneben allerhöchste Zeit wurde, wollte er noch einmal Minister werden, sei beiläufig bemerkt: das Altern machte damals schon erschreckende Forischritte. Auch auf der anderen Seite waren bekanntlich die frühen Jahrzehnte des ganz selbstsicheren Ziel bewußtseins längst dahin. Es danerte nach der Audienz der Oppositionsführer noch bis zum 8. April 1906, bis in der allerletzten Minute der verfassungsrechtlichen Möglichkeit die Entschei dung fiel, daß nicht das Kabinett Fejer- v a r y — Kr i st o s f y über den Burggraben des 1876er Versassungssriedens wieder zurücksprin gen, sondern eine leidliche Kapitulation abge schlossen werden solle. Es kam das K o a l i t i o n s k a b i n e t t. Es war wohl Kossuths Glück, daß Wekerle, der schon einmal Ministerpräsident gewesen, sich an die Spitze drängte, und nicht ihn, der jeweilig den größeren Haufen kommandierte, die Ver antwortung zu übernehmen zwang: Kossuth, dem so alle Eigenschaften zum wirklichen Partei führer gebrachen!' Und schließlich hatte das Portefeuille des Handels bei der auch poli tischen Wichtigkeit der schwebenden Bank- und ähnlichen Wirlschaftsfragen doch auch keine ganz untergeordnete Bedeutung. Wenn wirklich et was erreicht wurde, erreicht besonders für die Herstellung eines festen Friedens mit Oesterreich, mochte man die stille Römer größe des Patrioten achten, der sich als Sohn eines gefallenen ungekrönten Königs mit dem zweiten Platze zu bescheiden verstand. Aber cs wurde eben weder nach der einen noch nach der anderen Seite hin etwas erreicht, und es ivar wohl hauptsächlich Kossuths persönliche Schuld, daß die Koalitionsregierung gerade über die von ihm persönlich zu behandelnde Bank frage zusammenbrach, weil er seinen Friedens willen nicht gegen Herrn v. Jusths streberischen Radikalismus und des Grasen Apponiyi völlig haltlos schaukelnden Ehrgeiz zu behaup ten vermochte. Die geradezu ins Bösartige und Gemein- gefährliche sich Überschlagende Opposition gegen die Mehrheit der „Arbeitspartei" hat der Ge stürzte nicht mehr mitgemacht. Vielleicht bloß wegen seiner Kränklichkeit nicht. Vielleicht aber auch aus persönlichem Widerwillen und weil der Patriot in ihm denn doch zu mächtig war, um sich schließlich sogar den Russen, Un- garns verhaßtesten Feinden in der Erinnerung von 1849, in die Arme werfen zu ^vollen. Eia englisch-russisches Zlotten- adkommen! Bon Konteradmiral a. D. Kalau vom Hose. Nach anstrengenden Manöverübungen werden in der zweiten Hälfte des Monats Juni die Kriegs schiffe L«er englischen Nordseeflotte sich zerstreuen und in mehr oder minder großen Kruppen dänische, deutsche, norwegische und russische Häfen zur Erholung anlaufcn. Zn den ersten Tagen des Monats Juli sollen diese Schiffe zur Fortsetzung ihrer Ucbungen wieder in der Nordsee versammelt werden. Dieser Vorgang, welcher in ähnlicher Weise unter Anlaufen von Ruhehäsen sowohl bei der englischen als auch bei der deutschen Flotte sich Jahr für Jahr abspielt, bietet an sich keinen Anlaß zu hochpolitischen Be trachtungen, indessen Lars man den Kieler Besuch des zweiten englischen Schlachtschiffgeschwaders, be- stehend aus vier Schlachtschissen und drei Kreuzern, in der Zeit vom 23. bis 30. Juni, während der An wesenheit des Kaisers bei den Regatten des Kaiser- lick>en Jachtklubs, als ein Symptom für den erfreu lichen Wandel ansehen, der in den deutsä)-englischen Beziehungen eingesetzt hat. Als gänzlich verfehlt muß dagegen das Unter nehmen gewisser politischer Sensationsmacher be zeichnet werden, den gleichzeitigen Besuch englischer Kriegsschiffe in russischen Häfen in Verbindung zu bringen mit angeblichen Bestrebungen des russischen Botschafters, in Paris ein englisch-russisches Flotten abkommen abzuschließen. Herrn Jswoljti soll es, obwohl man ihn zu der offiziellen Besprechung der Politik gelegentlich des Besuches des englischen Königspaares in Frankreich nicht hinzugezogen hatte, doch gelungen sein, einen auf die Kooperation der englischen und russischen Flotte abzielenden Vorschlag zu machen. Man läßt durchblicken, daß diesem mari timen Abkommen — wenn es erst fertig sei — ein höherer Wert zukäme als gelegentlichen Flotten besuchen, und daß daraus sich der künftige englisch- franto-russische Bündnisvertrag entpuppen könnte! Wennschon der russischen Diplomatie, und beson ders ihrem Pariser Vertreter, jede Unverfrorenheit zu getraut werden kann, so darf man doch nicht so weit gehen, anzunehmen, daß er die Gefahr der Lächer lichkeit eines solchen Unterfangens übersehen könnte. Es ist nicht angängig, daß das französisch-russische Flottenabkommen, welches der russische Admirals stabschef seinerzeit gelegentlich seines Erholungs urlaubs in Frankreich abgeschlossen hatte und das sich im wesentlichen auf Beschaffungen, Lieferungen usw. bezog, zum Vergleich heranzuziehen; es hatte zunächst rein wirtschaftlichen Charakter; erst das Tamtam, welches darüber gemacht wurde, und die hohe Befrie digung, die der französische Nationalstolz aus dieser Stärkung der herzlichen Beziehungen zu saugen für nötig erachtete, gaben -em Abkommen einen poli tischen Beigeschmack. Ganz anders ist natürlich das russisch-englische Abkommen gedacht Hier soll die russische Flotte, soweit sic schwimmfüßig ist, Mit wirken zur Niederwerfung des Dreibundes. Das könnte die russische Flotte vielleicht auch. Wer hätte aber heute schon vergessen, wie wenig diese Flotte trotz des ungeheuren Aufwandes und des großen In teresses der Regierenden für ihre Kriegsbereitschaft zu leisten imstande war? Sollten die Engländer sich nicht selbst bedauern, wenn sie gegenüber Lieser Flotte die geringste Verbindlichkeit eingehen und von ihr die beiläufigste Hilfe erwarten müßten? Von Zeit zu Zeit werden kleine und große Flotten programme aus Rußland bekannt, man hört von ge wattigen Aufwendungen für Kanonen und Panzer plattenfabrikanten, Kricgswerften im Norden und im Süden, es laufen auch Kricgssch.ffc vom Siapel, werden dann aber lange nicht fertig, weil immer etwas fehlt; man hört auch von heilsamen Er.ah rungen, welche die Russen im letzten Kriege m Japan gemacht Hütten, daß ein frischer Wind allen Schlendrian fortgefegt hätte; trotzdem wird alles beim alten bleiben, werden die Russen fortfahren, ihr Geld in das Wasser zu werfen. Sollten sie es w rk- lich wieder zu einem beachtenswerten Lchckfsb.stc.iide gebracht haben, so würde doch die Erinnerung an die Vorgänge auf der Nordsee im Jahre 1!>04 äufleben und ernste Bedenken gegen ein Bündnis mit Lyren Seehelden wachrufen. Als sich die russische Armada dort abteilungsweise aus Furcht vor gespenstigen japanischen Torpedobooten durch uschieichcn trachtete, gerieten in der Dunkelheit zwei russi'che Schiffs gruppen ineinander, während eine cngli che Fischer flotte sich in der Nähe befand. Obwohl die Fisch dampfer die üblichen Signallichtcr führten, wurden sic von den Russen für die gefürchteten japanischen Torpedoboote gehalten, mit Scheinwerfern beteachtet und beschossen. Ein russischer Pope, der friedlich in seiner Koje auf einem der Kriegsschiffe schlummerte, wurde getötet, so heftig war das russische Feuer nach allen Seiten. Es ist zunächst wenig Aussicht, daß die Russen cs in absehbarer Zeit zu einer Kriegs flotte bringen könnten, die es einer großen Seemacht ratsam erscheinen lassen könnte, mit ihren Diensten zu rechnen. Nach allem ist cs unwahrscheinlich, daß die Engländer Herrn Iswolski aus den Leim gehen könnten, vorausgesetzt, daß der Vorschlag zu einem englisch-russischen Flottenabkommen nicht eine Vor frucht der Sauerengurkenzeit ist. Vie wirren in Albanien. Die italienischen Meldungen aus Albanien stellen sich immer deutlicher als tendenziös aufgemachte Alarmnachrichten heraus. Das geht auch aus fol gender Mitteilung unseres Berliner D-Muarbciters hervor: Gegenüber den tendenziösen Schilderungen der albanischen Zustände durch die italienische Presse meint der „Berl. Lok.-Anz.", daß diese Auffassung bei keiner der Londoner Konferenzmächte bestünden, und daß sowohl der Fürst selbst als auch die Kabinette die gegenwärtige Situation in Albanien zwar als schwierig, aber in keinem Falle als für die Dauer uichaltbar ansehen. Dann heißt es weiter: „Als durchaus falsch und irreführend muß die Nachricht, die gleichfalls von italienischen Korrespon denten verbreitet wird, bezeichnet werden, der Fürst habe fluchtartig die Stadt verlassen, um auf dem italienischen Kriegsschiff« Schutz zu suchen, während de: Fürst tatsächlich nur den Wunsch gehabt habe, seine Familie dorthin zu begleiten und nach Durazzo gurückzukehren, was ja bald darauf auch geschehen ist und somit nichts Ueberraschendes an sich hat. Ileberra scheu kann diese tendenziöse Be richter st aitung nur angesichts der Tatsache, daß es gerade der italienische Gesandte ist, der den Fürsten zur Uebersiedelung auf das italie nische Kriegsschiff überredet hat, ein Ratschlag, der im gegebenen Moment vielleicht durchaus an gebracht gewesen jein mag, der italienischen Bericht erstattung aber merkwürdigerweise entgangen ist." Neuere Nachrichten, die wir zum Teil bereits im Depeschenteil der gestrigen Abendausgabe Wieder gaben, berechtigen zu der Hoffnung, daß in Durazzo die Ruhe bald wieder hergcstellt sein wird. Fürst Wilhelm hat sich in Begleitung seines Hofmarschalls von Trorha zu den Vorposten begeben und die Ver schanzungen besichtigt, wobei der Fürst Gegenstand freundlicher Kundgebungen gewc en ist. Auch haben die Verhandlungen der Mitglieder der nationalen Kontrollkommission mit den Aufständischen in sofern einen Erfolg gehabr, als sie die Freilassung der Gefangenen, die bereits ihre letzte Stunde ge kommen sahen, erreichten. In ganz Mittelalbanien jedoch l-errscht noch immer große Unzufriedenheit. In Kawaja haben die Aufständischen die türkische Fahne gehißt und die Autonomie ihres Bezirks proklamiert. Unter den vorliegenden neuen Drahtmeldungen zeichnen sich einige wiederum Lurch eine deutliche Tendenz gegen den Fürsten Wilhelm aus. sie ent stammen natürlich wieder einer italienischen Quelle. Die Forderunlien der Aufständischen. Durazzo, 25. Mai. l„Agenzia Stefan»".) Ueber die Unterhandlungen der Mitglieder der Inter nationalen Kontrollkommission mit den Aufständi schen, die am Sonnabend nachmittag stattgefunden haben, wird noch mitgeteilt: Die von den Aufständischen aufgestellten For derungen betrafen den Schutz der musel manischen Religion und des Muselmanen tums sowie die Wiederherstellung der ottomanischen Herrschaft, insbesondere teshalb, weil die jetzige Regierung die Musel manen mit Kanonenschüssen angegriffen habe. Falls di« Rückkehr zur Türkei nicht möglich sei, möchte d«s Land sein Schicksal wieder in die Hände Europas zurücklegen. Unter den Insurgenten, di« keinem bestimmten Führer zu ge horchen schienen, hatte vor den Vorgängen vom 18. und IS. Mai die Meinung geherrscht, daß Essad Pascha von ihnen als DcUüger anzusehen sei. Die Beschießung Les Hauses Essad Paschas hotte jedoch einen völligen Umschwung herbeigesührt. Jetzt betrachten viele Lieser fanatischen Bauern, die, wie Essad Pascha, von den Nationalisten und den hol ländischen Kanonen angegriffen worden sind, Essad Pasch« als unschuldiges Opser und wünschen ihn zuiückzuruftu. Die Forderungen der Bauern, die von ihnen in verworrener, tumul» tuarijchrr Weise vorgebracht wurden, waren in einem Schriftstück zusammengesetzt, über welches eine allgemeine Diskussion stattfand. Hreilajsttttst der (Hesangeneil. Durazzo, 25. Mai. s„Agcnzia Stcsani.") Wäh rend der Verhandlungen der Mitglieder der Inter nationalen Kontroll.ommission mit den Insurgenten bemühte sich der italienische Gesandte m.t dem italienischen Diagoman, die an gesehensten Führer der Aufständischen dazu zu be wegen, die Gefangenen, von denen eine große Anzahl verwundet war, f r e i z u l a j s e n. Die Ge fangenen glaubten bereits ihre letzte Stunde gekom men, und die hollündljchcn Qssiziere hatten schon dem italienischen Gesandten ihr Geld übergeben und ihre letzten Wünsche übermittelt. Die Unterhandlungen, die besonders dadurch erleichtert wurden, daß der italienische Dragoman ein guter Kenner der alba nischen Sprache und Sitten ist, endeten schließlich mit der F r e i l a s j u n g der Gefangenen. Der italienische Gesandte brachte in sei nem Au tcmobil vier Verwundete nach der Stadt, darunter den rumänischen P r i n z e n L h i k a. Die aufständische Bewegung ist jedoch noch nicht erloschen, und die Unzufriedenheit dehnt sich in ganz M i l t e l a l b a n i e n aus. Hissung der türkischen Fahne in Kawaja. Wien, 25. Mai. Lin verspätet eingetrofsenes, am 23. d. M., nachmittags in Durazzo ausgegebenes Telegramm meldet, daß etwa fünfhundert Aufständische in Kawaja die Regierungsbehör den vertrieben und die türkische Fahne ge» hißt haben, nachdem sie di« albanische Fahne zer, rissen und zu Boden getreten hatten. Die Aufstän dischen haben einen Mufti und einen 8>ou» verneur ernannt und di« Autonomie ihre« Bezirkes proklamiert unter dem Rufe: „Es lebe Essad, der König Albanien »!- Eine der gestern abend wicdergegebenen jtalie- nischen Tcndenzmeldungcn wird bereits von zustän diger stelle dementiert. Keine mohammedanisch« Ihronkandidatur. Rom, 25. Mai. Die Nachricht aus Konstanti nopel, wonach der italienische Botschafter Marquis Garroni bei der Pforte wegen Besetzung des albanischen Thrones durch einen Moham medaner Vorbesprechungen gehabt hat, ist voll ständig falsch.
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