Volltext Seite (XML)
Süchsifche Volkszeitung 1? g««l >»»2 Schlußstrich oder Mißerfolg? Die Be-eulung von Lausanne Zum Beginn -er neuen Konferenz über die Reparationen n. Heute beginnen im Ouchy-Palacc und in den Hotelzimmern am blauen Genfer See die Schickjalsver- chandlungen über die deutle Tributfrage. In ganz großer Äejetzuna sind die Delegationen der Mächte aufmarschiert, die englische und die französische Delegation zählen an nähernd hundert Köpfe, Deutschland hat das halbe Reichs kabinett entsandt, 600 Journalisten, mehr als zur Eröff nung der Genfer Abrüstungskonferenz, werden dem Gang der Ereignisse folgen. Trotz aller Kombinationen und vor eiligen Prophezeiungen vermag niemand vorauszusagen, welches das Ergebnis der vielleicht nur kurzen Unterhand lungen sein wird. Eines aber ist gewitz, daß von dem Ausgang der Lausanner Konferenz das wirtschaftliche und politische Schicksal der Weltnationen, nicht zuletzt auch der Ausgang der Verhandlungen in Genf, in Ottawa und auf der geplanten Weltkrisenkonferenz bestimmt werden wird. Die Reparationsfrage ist die Angel, um die sich im Augen blick die Weltgeschichte dreht, und wem das nicht recht ist, der mag sich bei denen bedanken, die diesem Problem in leichtfertiger oder böswilliger Weise seine zentrale Bedeu tung eingeräumt haben, nämlich bei den reichen Gläubi gern eines armen Mannes, die auf ihrem Shylock-Schein bestanden haben, solange, bis es zu spät war. Gerade drei Jahre sind es her, da kämpfte eine deutsche Delegation unter Führung des damaligen Reichshankprü- sidenten Dr. Schacht in Paris um die Herabsetzung der untragbaren Annuitäten des Dawesplanes. Damals war die Weltkrise kaum in ihren ersten Anfängen sichtbar, und lener Dr. Schacht glaubte noch mit gutem Gewissen eine Jahressumme von 1,1 Milliarden als tragbar bezeichnen zu können. Die Bedingungen sind, wie man weist, im Haag noch schwerer geworden, unter dem Druck der franzö sischen Maschinengewehre am Rhein, der innerdeutschen Finanzkrise und der Isolierung, in der sich das Reich in Paris und im Haag befand. Auch der Poungplan blieb ein Diktat der Not und des politischen Druckes, ein aualvolles weiteres Sichlosringen aus den Klammern der Versailler Kautschuckbestimmungen, nicht ein Akt der politischen Ver nunft nnd der wirtschaftlichen Weitsicht. Deutschlands Zu stimmung zum Poungplan stand unter dem Vorbehalt der Zahlunasmöglichkeit und geschah unter Voraussetzungen, die im Poungplan und seinen Annexen ihren Niederschlag fanden und später sämtlich mißachtet wurden. Mihrend man sich noch in den Gläubigerländern die Hände rieb über das geniale Finanzwerk, in das man Deutschland einge sponnen hatte, griffen die übersehenen Gesetze der Wirt schaft mit rauher Hand in dieses feine Gespinnst und heute ist davon nichts mehr übrig als ein paar zerrissen« Fäden, die niemand mehr zu kniwren vermag. Aian kann heule von mancher Seite die vorwurfsvoll« Frage hören, warum Deutschland nicht bereits wesentlich früher mit dem Unsinn der Reparationen von sich aus ein Ende gemacht habe. Die Wortführer einer Reparations verweigerung haben von jeher ihre Rechnung ohne die Mentalität der Siegerstaaten gemacht, wie die Vorgänge des Jahres 1023 und die Rückwirkungen des bevorstehen den Pariser Verhandlungsabbruches noch im Jahre 1929 gezeigt haben. Es scheint geistige Epidemien zu geben, die sich ausrasen müssen, damit die Menschheit von ihnen ge sunden kann, und der inzwischen eingetretene Gesundungs- prozest auf reparationspolitischem Gebiete scheint die Rich tigkeit dieser Erfahrung zu bestätigen. Milliardenwerte wurden aus Deutschland in Geld und Naturalleistungen herausgeprestt, Milliarden mustte Deutschland zur Auf rechterhaltung des Devifenumlaufes in sich hineinpumpen, bis das Weltiibel handgreiflich genug geworden war, um auch von den wirtschaftlich blindesten Staatsmännern langsam begriffen zu werden- Die Gefährdung der Mil liardenanlagen in Deutschland durch di« Finanzkrise war das erste Signal, welches die Finanzleute und mit ihnen die Politiker alarmierte, und di« Gefährdung der Sväh- und der Goldbasis in den mellten Ländern war ein Ankunft in Lausanne. Links Finanzminister Graf Schivarin - Krosigk, Mitt«: Kanzler von Papen dahin hinter: Innenminister von Gayl, rechts: Austenmini ster von Neurath. Walter Rathenau, der vielseitige Staatsmann und Wirtschaflspolitiker, starb vor 10 Jahren, am 2-1. Juni 1922, durch ein Attentat. Er führte die AEG. zu einem Unternehmen von Weltruf, gründete und leitete im Weltkrieg die Nohstofsabteilung des preussischen Kriegsministeriums, war 1921 Reichsminister für Wiederauf bau und vom Februar 1922 bis zu seinem Tode Reichsausten minister. In dieser Eigenschaft schlost er mit Russiand den be kannten Nückversicherungsvertrag von Rapallo ab. starker Anstost. um dem Unheil endlich auf den Grund zu gehen. Deutschland hat in diesen entscheidenden Tagen einen Staatsmann besessen, der mit minitiöser Kenntnis wirtschaftlicher und sinanzpolitifcher Dinge politischen Takt und menschlich« Uebcrredungsgabe verband, und der es fertig brachte, vor aller Welt den wirklichen Nebeltäter dingfest zu machen, nämlich den Widersinn politischer Schuldenzahlungcn. War Brüning schon an dem Zustande kommen des Hoovermoratoriums nicht unbeteiligt, besten sofortige volle Annahme eine wesentliche Erleichterung dargestellt haben würde, so ist das Zustandekommen d«r londoner Konferenz, der Stillhalteabmacüunaen und der verschiedenen Basier Berichte >m wesentlichen seiner Ini tiative und seinen Vorschlägen zuzuschrciben, die dem Tempo der Krise vorauseiltcn, während die meisten in politischen Eedankengüngen befangenen Staatsmän ner Europas weit hinter ihrem Geschwindschritt zurück blieben. Als Brüning am 10. Januar 1932 die Feststel lung machte, „dast Deutschlands Lage ihm die Fortsetzung politischer Zahlungen unmöglich mache", und als er weiter hin am 6. Mai seftstelltc, „daß die Zahlungen entscheidend dazu beigetragen haben, den wirtschaftlichen Wirrwarr in der Welt herbeizuführe», ihn bis ins Unerträgliche zu ver- gröstern und bei ihrer Fortdauer jede Möglichkeit der^ Besserung auszuschalten", da gab es kaum noch einen ein sichtsvollen Menschen, der an der Unwiderlegbarkeit dieser beiden Feststellungen gezweifelt Hütte, die »och ein Jahr zuvor für Heisssporne auf der anderen Seite den Vorwand für den Ruf einer action ckirecto geliefert habe» würde.' DicReparationsfragc ist reif, und wen» die Konferenz von Lausanne nicht nur die fiinfund- dreistigstc, sondern sogleich die letzte Tributkonfe renz jein wird, so ergibt sich dies folgerichtig aus einer Lage, die keine andere Lösung als den Schlussstrich ver trügt. Seitdem man in Frankreich zu der Einsicht gelangt ist. das; sich der Poungplan in seinen bisherigen Formen nicht halten lässt, versucht man in steigendem Maste Stimmung für den sogen. „Nettosaldo" zu machen, den sich Frankreich — und wahrscheinlich auch Belgien — für seine eigenen Taschen Vorbehalten müsse. Die englische Haltung zu diesem Gedanken ist niemals ganz klar gewesen, und wenn sich gerade in diesem Auaenblick wieder zwei iübrendo Kabale und Liebe Neueinstudierung im Staatlichen Schauspielhaus. Von allen Stücken des jungen Schiller wird wohl „Kabale und Liebe" neben den „Räubern" das erfolgreichste bleiben. Es ist bezeichnend für die Qualität der Theaterzcichnung und für die Wucht der dramatischen Episoden, dast man darüber gern alle Schwachen vergistt und sich willig in den Bann des Dichters und seines Worts begibt. Schiller, der später an seinen Cha rakteren meistclte wie ein zweiter Aristoteles, mismchlet hier noch häufig die Gesek« des grasten Griechen. Fast mutet das Ganze wie eine Schicksalstraaödie an. Die Fabel von Luisens Brief, der mit den unglaubhaftesten Mitteln zur Wirkung ge bracht wird, das Fehlen der tragischen Schuld bei Luise, die Voraussetzungen, die die Jntrigenhandlung und die drama tische Verbindung Skalier—Wurm—Ferdinand überhaupt er möglichen, das seltsame Spiel der Lady, all das würde man heutzutage als „Konstruktion" bezeichnen, die nur durch den 'Wunsch einer gervaltigen Katastrophe, also nur der Schürzung des Knotens wegen, nicht aber aus rein dichterischem Selbst zweck gefunden wurde. So wird das Schicksal der Liebenden in „Kabaie und Liebe" mehr grästlich als tragisch. Trotzdem must man aber der Tendenz des Stückes manches zugute halten. Die Tyrannei und die Mätresfenwirtsck»ast der deutschen Fürsten soll ten an den Pranger gestellt werden. Die Ehrlosigkeit der Hof schranzen und Dünkel und Moral des Adels sollte gebrand- markt werden. Im ausgehenden Rokoko, da gleichzeitig in Frankreich die große Revolution tobte, eine Aufgabe, wohl wür dig eines solchen Feuerkopfes wie Schiller. Das Stück hat nun länger« Zeit im Spielplan gefehlt und einer prachtvollen Aufführung von groster Ausgeglichenheit folgte diesmal unter Gielen eine Aufführung von Virtuo sen, di« nicht immer ganz zusammenkamen. Jede Ein,zelleistung, das bewies äußerlich schon der wiederholte Szenenbeifall, war bewundernswert, aber der Weg zur gerundeten Dichtung klaffte von Spalten, die nicht leicht zu überbrücken waren. Das Unzu längliche in Schillers Dichtung lag dadurch stellenweise offen zu tage, dm schlimmsten beim Wüten des Präsidenten In Millers Haus« und bei der ganzen Wurmschen Intrige. Virtuos schon Lindner als Walter. Groster Verbrecher in steinerner Maske, ohne Mätzchen, grausige Persönlichkeit. Stetnböck als Ferdinand verlegt« sich auf di« Steigerung bis zum Schluß. In der großen Auseinandersetzung mit Walter hielt er stark zurück, sprach mitunter kaum verständlich. Dann aber als die Tragödie sortschreiret, wächst dieser Ferdinand fast zum alleinigen Helden empor. Virtuos auch die Lady Milford der Verden. In ihren beiden großen Szenen technisch kaum noch zu überbieten. Am besten aber zuerst! als sich der Ferdinand ossenbart. Wer interpretierte an diesem Abend den Dichter gleich großartig? Eine Charaktcrstudic von Rang schuf auch Hoffmann als Wurm mit stark betonter Feigheit und sicht bar gespielter Bescheidenheit. Lotte Meyer rvar die Luise. Johannes Sckstas, einer der Vorkämpfer des Naturalismus in der deutsck>en Dichtung, begeht am 81. Juni seinen 70. Geburtstag. Bon sei nen Werken wurde der Novellenband „Papa Hamlet", das Drama „Familie Selicke" und der Roman „Das drille Reich" am bekanntesten. Gefühl allein, das ist Luise. Und das trifft die junge Darstel lerin. Die Persönlichkeit, um die es sich für Ferdinand lohnt, alles aufzugeben, trisst sie indessen noch nicht ganz. K o It c n - kamp gibt den Miller mit derbem, echt volkstümlich»«»! Akzent und starken .zeichnerisch»«» Strichen. Aber auch in den Episoden: Virtuosen! So R a i n c r als alberner, geckenhaster Hosmar- schall von Kalb und Stella David als spicsterliche, dumme Mutter Beide erfreulicherweise aus richtiges Augenmaß siir die künstlerisch»« Wirkung eingestellt, srei von jeden. Zuviel. Er schütternd dann noch Klciiioschegg als aller Kammer diener. Das Publikum war von dieser glänzenden Aisembl.'e pro minrntcr Darsteller begeistert und bereitete der Neueinstudie rung einen großen Premiörencrsolg. Franz Zickler. Mozart-Serena-e im Zwmgerhof Schon im Vorjahre zeigte sich großes Interesse für die Se- renadenavende des M o z a r t v e re i n - O r ch e ste r s im Zwin ger. Galten die vorjährigen Veranstaltungen der Hassner- Serenade, jo kam diesmal die Serenade 'Nr. 9 in D-Dur zur Wiedergabe. Das Werk ist 1779 komponiert, zeigt also den 2:ljährigcn 'Mozart. Die zierlich»?, melodisch entzückende Arbeit besticht durch die klargesiigte, vornehme und kammermusilalijch meisterlmfte Instrumentation. Die au; sechs Sätz-en lwstehende Serenade gibt im Eoncertante je 2 Flöten. Oboen und Fagotten und im zweiten Menuetio einer Flöle und einem Posthorn Ge legenheit zu einem graziösen Musizieren. Unter der scinnrusita- lischen Stabsührung von Erich Schneider fesselten die In- strumenlalsolistcn und das Orchester durch slüssige und klang schöne Interpretation. Eingelcitet wurde der Abend durch den Marsch in C-Dur (K. V. 108/IIiz. Einen SondergeMlst vermit telte die Mitwirkung von Frau Elsa Wieder »on^r Staats oper, die an Stelle von Liesel von Schuch die Schlummcrarie a. d. Oper „Zaide" sang. Die lieblich»«, silbrige und süße So pranstimme gab der stimmungsvollen architektonischen Umrah mung noch einen besonderen Reiz. Die liebenswürdige Künst lerin. sowie das Mozarivcrein-Orchester mit seinem trefflichen Dirigenten sanden lebhaften Beifall Der Besuch mar sehr stark. Schabe, daß der 'Wettergott mit sommerlicher 'Ikärme mehr als sparsam war. —Ist—