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BezugS-PreiS jAr Lelprig und Tjororl« durch unser« Trager und Spediteure 2mal täglich in» Hau» gebracht SV Ps. monatl., L7U Mk. vierteljährl. ««» unsern Filialen u. An- nahmestellen adgeholt 75 Pi. monatl, r.N Pit. oierteliätzru Durch »i« Poft: innerhalb Deutschland, und der deutschen Kolonien vierteljährl. 5.« Vit., monatl. ILvMk. auilchl. Poftdeltellaeld. Ferner tu Belgien, Dänemark, den Donauftaaten, Italien. Lurrindura. Niederlande, Nor wegen, Österreich-Ungarn. Ruhland, Echweden, Schwei» u. Spanien. In allen übrigen Staaten nur direkt durch die Geschält,stelle de» Blatte» erhältlich. Da, Leipziger Tageblatt «rjcheint 2mal täglich. Sonn- u. Feiertag» nur morgen». Ldonnements.Slnnahme : Iohaanivgall« 8, bei unseren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briesträgrrn. <ktn»«lorrkauf»pret, 10 Ps. Morgen-Ausgabe. MpWcr TagtblM » . s 14 8S2 lRochtanIchlu» LL , s " 6S2 (N-chtaaschluh) Irl..IMI.!»M .^anoels^etrnttg. rei.-AnMi.(»M Amtsblatt des Aales «nd des Nolizeiamtes der Ltadt Leipzig. Anzeigen-Prei- iilr Inserate aus Leipzig und Umgebung die lloaltige Petitzeile 25 Pf., dir Reklame» »eile l Mk.' von auswärt» 3V Pf., Reklamen I^V M.' Inserate von Behörden im amt lichen Teil die Petitreile 50 Pf Eeschastsanzeigen mir Platzoorschriften im Preise erhöht Rabatt nach Tarif. Beilagegedühr Gesamt auslage 5 Mk. p. Tausend erkl. Postgebühr. Teilbeilag« Höher. Festerteilt« Auftrage können nicht zurück gezogen werden. Für das Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. Anzeigen«Annahme. Iobanni»gast» 8, bei sämtlichen Filialen u. allen Annoncen» Erpeditionen des In- und Auslandes. Druck und Verlag von Fischer L Kürst«» Inhaber: Paul Rürjten. Redaktion uud Geschäftsstelle: Johannisgasse 8. Haupt-Filiale Dresden: Ceestrasj« t. 1 (Telephon 4621». Nr. 280. Montag, »en S. Dkmber lSll. 1V5. Zahrgsng. Die vorliegende Ausgabe ilmiaßt 12 Leiten Vas Wichtigste. * In Harmiegnics (Hennegau), ist ein Per - sonenzug entgleist. 21 Reisende wurden mehr oder weniger schwer verletzt. * Bei dem Gordon Ben nett fliegen, das in Amerika zum Austrag kam, siegte der deutsche Ballon „Berlin II", dessen Führung In genieur Hans Ger icke-Berlin hatte. (Siehe des. Art.) * Bei dem 100 Km-Fahren in Frankfurt am Main stellte der Leipziger Ebert mit 1 Stunde 9 Minuten 13,3 Sekunden einen neuen Weltrekord puf. (Siehe Sport.) * Den Prix du Conseil Municipal l 100 000 Fr.) gewann Paris Longchamp Mons. E. de St. Alarys „Basse Pointe" unter Jockey W. O'Connor. — Im Ladis- lauspreiS (42000 Kr.) in Pest siegte Hrn. L. Berchtolds „Lord Firebrand" unter Jockey Varga. (Siehe Sport.) Unbegrenzte Möglichkeiten. Der Gang der weltpolitischen Ereignisse jüngsten Datums hat das eine erwiesen, daß man in weiten Kreisen des deutschen Volkes endlich angefangen hat, zu lernen, nicht nur zu kannegießern, sondern wirk lich weltpolitisch zu denken. Durch die während des Marokkohandels gemachten Beobach tungen einigermaßen geschult, erkannte man aller orten mit seltener Einhelligkeit beim ersten Auf tauchen der Nachrichten von Italiens Vorgehen gegen die Türkei, daß in diesem tripolitanischen Abenteuer unbegrenzte Möglichkeiten einer schweren Beeinträchtigung der deut schen Interessen und deutschen Weltstellung, unbegrenzte Möglichkeiten eines europäischen Krieges oder auch Weltenbrandcs stecken; und mit gleicher Einhelligkeit wurde instinktiv wieder auf England als eigentliche Triebkraft, als Vater aller Schwierig keiten gewiesen. Wir wollen einmal der langen Kette von Kriegs möglichkeiten, die auch heute noch in dem tripolitani schen Abenteuer stecken, klar ins Auge sehen, nicht um bange zu machen, sondern um verständlich zu machen, was es zu verhindern gilt und welche Kraft anstrengung es wert ist. Noch ist die Gefahr eines allgemeinen Wirrwarrs auf dem Balkan nicht über Thester. Leipzig, 9. Oktober. Neues Theater. Es verhält sich wirklich so, wie es der Theaterdirektor im ersten Faust-Prolog aus spricht. Charles Gounod schont in seiner Oper „Margarethe" „Prospekte nicht und nicht Maschinen". Es ist ein Schaustück, ein Werk im Sinne der Pariser Großen Oper, das durchaus eine Beurteilung von national-französischem Standpunkte aus verlangt und mit dem Eoetheschen „Faust" nur die Personen und die rein äußerlich genommene Handlung gemein hat. Bezeichnend genug ist der Umstand, daß dieses Bühnenwerk Len Namen der Heldin, nicht aber jenen des Grüblers und Magisters Faust trägt. Vom Weibe kommt, zum Weibe drängt sich alles. So ist es eben eine an sich einfache Liebes tragödie, nur mit mancherlei sagenhaftem Einschlag vergehen, eine Geschichte von der Gasse, wie sie -- leider — nicht die letzte bleiben wird. Unfraglich aber tut hier die Musik ein übriges. Sie ist wohl des französischen Meisters hervorragendste Leistung, besonders ausgezeichnet durch die fein gezogene melodische Linie, Lurch die sinnliche Fülle und große Mannigfaltigkeit aller Gebilde, zudem auch eigen- artig genug durch scharfe Charakterisierung der ein zelnen Personen. Die enge Vertraulichkeit aber mit dem Stoff trug dazu bei, gerade dieses Werk in Deutschland beinahe volkstümlich zu machen, es eine Popularität erlangen zu lassen, deren Gounods andere Bühnenwerke, „Romeo und Julia", „Philemon und Baucis" u. a., niemals teilhaftig werden konnten. Die gestrige, mit großem Beifall entgegen- genommene Aufführung der Oper hielt sich hoch über dem Niveau approbierter Alltäglichkeit. Herrn Marions Regie leistet« Hervorragendes, wehrte nach aller Möglichkeit das rein Theatralische ab, ver- setzte die meisten Szenen in das Gebiet der schönen Wahrscheinlichkeit. Man erinnere sich z. B. des ver träumten Gärtchens hinter Gretchens Hause und dann als eines starken Gegensatzes der so fein an gelegten Szene vor dem romanischen Kirchenportal mit dem Seitenblick in die Gaste und dem alten Straßenaltar Unserer Lieben Frau mit dem Rosen schmuck, und dazu der außerordentlichen Belebung der Volksmenge, die weit mehr als bloße Staffage war, vielmehr am Gange der Handlung regsten Anteil nabm: alles mit malerischem Blick erschaut und künstlerisch zu täuschend echtem Dasein erweckt. Im Amcbluß hieran sei der Mitregie Frl. Grondonas gedacht. Wie sich der Tanz unterm Lindenbaum frei aus dem Volkstreiben entwickelte und fern hielt vom wunden. Die der Türkei benachbarten Königreiche bleiben auf dem Sprunge, sich auf Kosten des ander- weit engagierten osmanischen Reiches zu bereichern. Das aber kann Oesterreich-Ungarn nicht dulden. Insbesondere der bei Fortgang des Krieges zu ge wärtigende Versuch einer Ausdehnung der serbischen Grenze müßte die Donau-Monarchie sofort auf dem Kriegsfelde sehen. Das nächste Glied in der logischen Kette der Kriegsmöglichkeiten wäre sodann die Ein mischung Rußlands zugunsten der befreundeten Balkankönigreiche, sowie im eigenen Interesse. Der daraus entstehende russisch-österreichische Krieg ließe die Bündnisverpflichtungen Deutschlands in Wirk samkeit treten. Dies wiederum hätte zur notwendigen Folge, daß auch die Bündnisverpflichtungen Frank reichs gegenüber Rußland wirksam würden; und so hätte auf dem Umwege über Tripolitanicn England uns endlich hineinbugsiert in den Krieg gegen zwei Fronten, auf dessen Entfachung mit direkten Mitteln es zurzeit weniger denn je hoffen konnte. Inzwischen wäre für England der Zeitpunkt gekommen, seine Beute in Arabien und Mesopota mien heimzuholen und das Gebiet der deutschen Bagdadbahn unter englischen Einfluß zu bringen. England liebt ja nun einmal die Methode der in direkten Kriegführung, die auf diesem weiten Wege der Verwickelung Deutschlands in einen Krieg mit zwei Fronten ihre höchsten Triumphe raffinierter diplomatischer Technik feiern würde. Ueber solche Absichten hinaus, deren das Insel reich verdächtigt ist, liegen in dem tripolitanischen Abenteuer auch die Möglichkeiten nicht nur eines europäischen, sondern eines Weltkrieges. Es sei daran erinnert, daß die Vereinigten Staaten von Nordamerika sich schon wiederholt für einen Flottenstützpunkt im Mittelmeer interessiert und sich auch ganz neuerdings wieder mit der Cyreneika be schäftigt haben. — Ferner würde Japan sich die Ge legenheit eines allgemeinen europäischen Krieges kaum entgehen lassen und den Versuch einer Anglie- perung der niederländischen und deutschen Inseln an sein Reich unternehmen. — Nordamerika wiederum könnte dieser Umklammerung der Philippinen durch Japan nicht ruhig zuschauen; und so hätte der tri- politanische Funke denn auch im Stillen Ozean ge zündet. Diese letzteren Aussichten freilich sind eben nur Möglichkeiten, wogegen jene ganze Kette europäischer Kriegsverwickelungen zur größten Wahr scheinlichkeit wird, sofern es nicht gelingt, den Brand zu lokalisieren, Und das mögen diese Ausblicke er weisen: Einmal, wie sehr auf unsere Lage das Wort von dem Besten paßt, der nicht in Frieden leben kann. Zweitens, daß wir trotz des Potsdamer Ab kommens und trotz unserer bis zum äußersten er wiesenen Friedfertigkeit in den Marokkoverhand lungen nach wie vor mit der Möglichkeit eines Zwei-Frontenkriegcs zu rechnen haben. Endlich aber, welche Kraftanstrengnng aller kontinentalen Staaten, vor allen Deutschlands, es wert ist, auf die Lokalisierung des tripolitanischen Abenteuers hinzu wirken, und zu verhindern, daß aus seinen unbe grenzten Möglichkeiten rauhe Wirklichkeiten werden! v. Der Krieg um Tripolis. Seit Freitag ist die ganze Küste von Tripolis in der Gewalt der Italiener; dem: auch die fünf Hafen plätze der Cyrenaika, nämlich Bcnghafi, Derna, Bomba, Tobruk und Urrca, sind von den italienischen Kriegsschiffen bombardiert und von Landungstrup pen der Kreuzer besetzt worden. Der erste Ab schnitt der Tripolisexpedition ist damit abge schlossen. Der zweite wird in der militärischen Durchdringung des ganze» tripolitanischen Gebietes bestehen. Der Anfang dazu wird schon in den aller nächsten Tagen gemacht werden. Man hofft in Nom, daß die militärische Besetzung Tripolitanicns sich evenso unblutig vollziehen werde, wie die Beschießung von Tripolis und der Häfen der Kckyrenaika, die, wie gemeldet, verhältnismäßig wenig Opfer gefordert hat. Der Rückzug der Türken aus Tripolis. Mailand, 8. Oktober. „Corriere della Sera" mel- det aus Malta: Die Türken haben in Tripolis die Hauptkaserne auf dem Marktplatz ver lassen. Der Gouverneur, der Bürgermeister sowie die Behörden und Truppen haben sich in die Targa- resch-Eärten zurückgezogen. Man befürchtet Plün derungen durch die ausgehungerten Araber. Die türkischen Truppen lagern unter Zelten, die die fünf kleinen Forts, fünf Meilen von der Stadt entfernt, umgeben. Man glaubt aber, daß sie sich, entmutigt durch das Aus bleiben von Lebensmitteln, Munition und Verstär kungen, bald ergeben werden. „Secolo" will wissen, daß die Abfahrt des ersten Teiles der Expeditionstruppen unmittelbar bevor st ehe. Die erste Divi sion unter dem Kommando des Generals Pecori werde nach Tripolis gerichtet sein, um dort die tür kische Garnison zu ersetzen. Das Generalkommando werde erst mit dem zweiten Teil der Expedition ab gehen. Rußland als Vermittler? Der österreichische Botschafter wurde am Sonn abend vom Sultan in Audienz empfangen. Der erste Dragoman der russischen Botschaft konferierte lange mit dem Großwesir. Es wird behauptet, Ruß land habe der Pforte einen Interventionsvor- schlag unterbreitet. Ausweisung der Italiener aus der Türkei. Konstantinopel, 8. Oktober. Der Ministerrat hat die Ausweisung der in der Türkei ansässigen Italiener beschlossen. Diese müssen das Land innerhalb dreier Tage verlassen. Wie verlautet, soll der Ministerrat auch einen Zollkrieg mit Zöllen bis zu 100 Prozent beschlossen haben. Mirsa Tobruk von den Italienern besetzt. Rom, 8. Oktober. („Agencia Stefan»".) Italienische Kriegsschiffe haben Mtrsa Tobruk beschossen. Die türkische Besatzung leistete nur ge ringen Widerstand und wurde bald über, wunden. Einige Kompanien Soldaten sind an Land gegangen. (Mirsa Tobruk ist ein unbe deutender Hafen von Cyrenaika. Die Red.) DentlHIrmü Lieger im Lorinm-Semien-Megen. Ani vergangenen Donnerstage begann znin sechsten Male der Kampf um den klassischen Gor don Benncttprcis der Lütte. Der Auf stieg erfolgte in Amerika, dem Vaterlande des vorjährigen Liegers, und zwar im Herzen der Vereinigten Ltaaten, in Cansas City. Deutschland, Frankreich und Amerika waren durch sechs Teilnehmer vertreten. Die vorher erfolg ten Au?schcidungsiayrtcu bieten Gewähr, daß eae der drei Nationen ihre besten und erprobtesten Ballonführer ins Treffen sandte. Ilm so erfreu licher ist die Nachricht, die den Lieg des d e u t- schen Ballons „Berlin II" meldet. Wir er halten darüber folgenden Drahtbericht: Cansas City, 8. Oltober. Der Ballon „Ber lin II" ist am Sonnabend irüh 440 Meilen von Cansas City entfernt mitten in der Wildnis, unweit Holco m b e in Wiskonsin ge landet. Da er vor dein nächsten Bewerber 70 Meilen voraus ist, gilt er als Lieger. Füh rer und Begleiter sind wohlauf. Ter Batton „Berlin II" hat 2200 Kubikmeter Rauminhalt und wurde geführt von dem Ber liner Ingenieur Hans Gerickc, der als letzter Teilnehmer am Donnerstagabend 6 Uhr aus stieg. Nach den vorläufigen Berechnungen Hal er in dec Luftlinie über 700 Kilometer zurück gelegt. Bereits im vergangenen Jahre beendete (Keri cke als Führer des Ballons „Düsseldorf II" die Fahrt nm den Bcnuettpreis als Zweiter und stellte dabei die Höchstleistung für die Dauer mit 42 Ltundcn auf. Die bisherigen Sieger des viclumworbenen Preises verteilen ;ich auf folgende Länder: I. Fahrt im September 1906, Sieger Amerika, Ballon „United Sta tes" (Führer Leutnant Lahm). 2. Fahrt am 21. Oktober 1907, Lieger Deutschland, Bal lon „Pommern" «Oskar Erbslöh). 3. Fahrt am II. Oktober 1908, Lieger Schweiz, Ballon „Helvetia" (Oberst Lchaeck). 4. Fahrt am 3." Oktober 1909, Lieger Amerika, Ballon „Amerika II" (Edgar Mix). 5. Fahrt am 17. Ok tober 1910, Sieger Amerika, Ballon „Amerika II" (Hollney). modernen Walzer, so war das walpurgisnächtliche Bachanale ein Kabinettstück, weniger ein Ballett als eine große, poetisch komponierte Szene von Eigen art, Farbenpracht und -Harmonie und ein Stück Pro grammkunst im Geschmack« Hans Makarts. — Herr Kapellmeister Porst sorgte für vorwiegend feines Musizieren, hielt auch im zweiten Akte ein anti musikalisches Rcvolutiönchen des Chors stark da nieder. Der Chor selbst hielt sich sonst sehr brav, müßte aber noch stärker sein, wenn an einzelnen Stellen großen Opernstils im Orchester alle Kräfte entfesselt werden. Trefflich war Frl. Marx; ihr Gretchen «ine Rückübersetzung des Französisch-Opernhaften ins Deutsch-Tragische, daher auch die Schmuckarie nicht wie manchmal virtuos herausgepfiffen, sondern nur als Medium anmutiger Freude gegeben ward, sonst aber schwere Gefühlstöne Bevorzugung erhielten. Größtenteils sehr Sympathisches gab Herr 2 chroth; ohne Zweifel ist er lieber der verjüngte Faust als der alternde, den wir gern den langen Haus- und Studierrock mit dem Ritterwams vertauschen sahen. Der Sänger leistete sehr Beträchtliches, wenn auch einige Stellen sverql. Falsett) noch weit mehr Aus feilung vertragen und auch dann und wann vor ton- licher Uebertreibung gewarnt werden muß. Herr Rapp war gestern auffallend gut stimmlich dis poniert und spendete oft prachtvollen Wohlklang. Sein Mephisto war am glaubhaftesten in der Garten szene, entbehrte jedoch diesmal im übrigen gar zu sehr des infernalischen Charakters und des stark auf tretenden ironischen Zuges. Gewiß ist der Teufel der Dolkssage oft beinahe gutmütig, aber keiner wird am Schluß das „Gerichtet!" so mild und sanft aussprechen wie eben dieser. Man muß doch immer den Pferde fuß spüren. Ausgezeichnet war Herr Buers: dieser Valentin war ein unleugbarer Kraftmensch, ein wahrer Held, der nur das Opfer der Verruchtheit wird. Glücklich fand Frl. Schläger den Ton der alten Kupplerin Frau Marthe, und ein zierlich ver liebtes Studentlein stellte Frl. Fladnitzer hin, die das Siebel-Lied sehr erfreulich wiedergab, während Herrn Staudenmeyers Brander zuvor ein kräftig Wörtlein zum Trinkgelege beigesteuert hatte. üup-en Ermin Guiüo AMenheyer. Von Julie Adam. iNachdru-t »erboicn.l Der junge Wiener Schriftsteller, einer der tief gründigsten unter den vielen, die heute genannt wer den, stammt aus einem evangelischen Pfarrhaus. Sein Großvater, Senior der evangelischen Gemeinde , in Oedenburg, ein Freund Hebbels, war Schriftsteller. ! Von ihm mag er das Talent gelernt haben. Erwins Vater, der Architekt war, starb frühzeitig, und die Mutter zog mit den Kindern in die Heimat, Karls bad, wo Erwin seine Kindheck verbrachte und Lis Volksschule besuchte. Mit elf Jahren kam er in das Gymnasium von Eger, einer der ältesten deutschen Städte, was viel zur Verfeinerung oes ihm ange borenen historischen Sinnes b-eigetrazen haben mag. Jedenfalls bot sich ihm dorr Gelegenheit genug, sich in die Vergangenheit zurückzulräumen. Es sind ja noch Reste der kaiserlichen Burg, der schwarze Turm und der Rittersaal, in dem 16114 Wallensteins Ge nossen niedergemetzelt wurden, bis auf unsere Tage erhalten geblieben. Uud ein Haus, in dem er wohl täglich vorübergekommen sein mag, trägt die Gedenk tafel an Schiller, der an Ort und Stelle die Studien zu Wallenstein machte. Dabei ist sowohl Karlsbad, als auch das nordböhmische Städtchen am Abhang des Fichtelgebirges in eine Landschaft eingebettet, die gewiß nicht ohne Einfluß auf den heranreifenden jungen Menschen blieb. Wer weiß, ob Kolbenheyer ohne diese stille ver träumte Jugend ein reicher Schaffender geworden wäre, wie er es ist und sein muß. Seine Art verlangt nach Konzentration. Inmitten des Gesellschafts lebens könnte er unmöglich arbeiten. — Im Jahre 1900 bezog der Zweiundzwanzigjährige die Wiener Universität, wo er Philosophie und Na turwissenschaften studierte: Erkenntnistheorie, Psy chologie und Zoologie, Psychologie als Hauptsache. 19O.'> promovierte er zum Doktor der Philosophie und lebte seitdem als Schriftsteller in Wien. Kolbenheyers erstes Buch erschien schon 1903 bei L. Rosener: „Giordano Bruno", ein Drama, in dem Gedenken einer großen wundervollen Zeit in schöne klangvolle Verse gebracht. Das Landestheater in Prag nahm es zur Aufführung an, und die Proben für das Vorspiel waren schon festgesetzt, als das Zensurverdot kam. — Im Jahre 1905 gab Kolbenheyer eine wissenschaftlich: Arbeit heraus: „Die sensorielle Theorie der optischen Raumempfin- Lung" und 1908 und 1910 seine beiden historischen Ro mane: „Amor Dei" und „Meister Joachim Panse wang".*) Zwei moderne Novellen erschienen in der „Deutschen Arbeit" und einige Gedichte in verschie denen Blättern. *) Bei Georg Müller, München. Der Spinozaroman „Amor Dei" begründete Kolben- Heyers Ruhm: Ein breites, mit kräftigen Strichen ge- zeia netes Zeitbild aus den Tagen, da Amsterdam di« ochlagader der Alten Welt war. Ein Geschichtsbild, zu dem ein Dichtcrphilosoph mit unermüdlichem Fleiß uns großer Liebe Studien an Ort und Stelle machte. In der „Münchner Allgemeinen" heißt cs wörtlich: Nur alle Jubeljahre findet sich ein Dichter, der diese geniale künstlerische Phanlasie hat, und nur dann kann es einer, wenn er reinen Herzens ist. Dabei prunkt Kolbenheyer nie mit seinem Wißen, sondern es wird zu intuitiver Erkenntnis und setzt sich als solche gleich in blühendes Leben um. Ein seiner Faden verbindet „Giordano Bruno" mit „Baruch Spinoza". Wer beide Werke aufmerksam liest, begreift, daß Kolbenheyers Weg von dem einen zum andern führen mußte. Eine gewisse Analogie läßt sich ja nicht leugnen: Giordano Bruno rang sich als Mönch zu einer Erkenntnis durch, die hoch über den Ideen seiner Zeit stand. Und Giordano Bruno kam aus den dunklen Gaffen des Amsterdamer Ghetto, aus der Enge in die lebendige Ewigkeit, aus der Be schränktheit des Raumes in die Räume der Unend lichkeit. Auch Rembrandt und Urvel da Costa greifen in dir Handlung ein, und die weite holländische Land schaft bildet den stimmungsvollen Hintergrund des besten Spinozaromanes, der je geschrieben wurde. An Spinoza wagte sich bekanntlich schon Berthold Auer bach mit Glück heran, doch war die Spinozaforschung damals noch nicht so weit gediehen als heute. „Meister Joachim Pansewang" spielt zu einer Zeit, wo in deutschen Landen das Frührot schon deutlich fördert worden. „Hafts eilig zum Gesell'n gehabt." Er würd' rot und verzog die Brauen finster. „Auf Iosefi werd' ich fufgehen." Bald hält' ich gelacht, denn wir standen nit weit hinter Ostern, und auf Iosefi fehlet fchier ein Jahr. Allein er sähe mich mit großen trutziqen Augen an und sein Mund war so ernst gekniffen, daß mir'» Lachen verging. „Mein Vater ist ein Bauer. Ich hab viel Ge schwister," saget er mit einer tiefen, verhallenen Stimm, griff nach Bündel und Nacken und stand auf, willens auch ohn' mich weiter zu wandern. „Ei, sollst nit warten können, bis ich zuge schnürt hab?" Er ging auf die Straß', blieb dort stehn und luget über des Tales Weite hin, wo sich ein müßig Wasser zwischen Weidengestrupp und Erlengehölz