Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.11.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111115010
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911111501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911111501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-15
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
KezvflS-Prei- lür Leiv»«, and P,i»n« dvrch ««)«» Iköaei und Soedtt«»» r»«> ««»lick tu» Pau» ,»draai >v VL «»natL r.7b ML »lenelZahrl. Bei unier» 8>Uai«, » Ln» nähmest«»«» «daedoil » PL «vvatL, LL M«. oi«N«l1sthkL P»rck »», V»st: tnnerdald Deuilchtand» und d«, devllchei» tcolonien viekleliüdrl. >.eu Mt> «onati. l.SlMr au»sihi V«stdeft«llaeid g«rnrr in Belgien, Doneinoel den Donaustaalen, Italien. Luiemduiu. ittiebeiland«. iX,r» wegen i?«zlen»ick. Unaoi» Budland, Schweden vckwei«» Spanien. An allen udrigrn Siaoirn nui »nett duich die <belchalt»n»ll» oe» Blatte» «Hattuch. Da» L«»p,i,e, Tagedlan »ttcheini rmal tiglich Sonn» » ttexrtag» nut inorgrn». Bdonn«m»ni»»Bnnadm» 2»h»»»i»a«st« >L bei «niee», Lragern Utlialen.Sprditeuk«« >»d lllnnatzmeltellen. lowi« P»stoml«ra a»d Bnesttagern. St»t»Io,ita»t»»««t, lll VL Morgen-Ausgabe. KWigtr T Utli l all s 14 Mr t«acht«lchl»t) - s 14 «sr lN«»lanIchl«»r «el.-^llschl! >4 8SS Ltl.-Anschj.i 14N3 Amtsblatt -es Aales und -cs Notizeiamtes -er Lta-t Leipzig. Anzeige« Preis flie Inteeat, an» Letpzta und Umgeban, dl« IIvaltige Petlttetl« LPs dteXeName» »etle l E o»n a»»wäN»j0vt. BeNamen U0 ML Anleeat« von Behörden »m amt lichen Teil dl» Petitieil» S0 Bi L«Ichlisr»an»,tg»n mit Plailvorschrtste» im Breil« erhöht. Rabatt nach Tarik. Bella,«gebllkr Telamt- aullag« L Mk. p Tanienb erkl. Postgebühr. Tetlbetlag» höher. Feftettetlt« lllutträa« können nickt «urüS» arz-gen «erden. <»llr da» Erlcheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein« lbarantl« üb«rnomm«n. tzln»etg«n-Bnnadin«: 2»ha»ui»,oli« 8, d«t lämllichen gitlalen a. allen Bnnonc«n« rrv«ditt»n«n t>«» 2n- und Bu»land«» »euer NN» Beel», »», gstlch«« ch Mlirsto» 2nhad«r V«»l kklirsten. Uidoktl«, ,,» G,IchtIt»st»I«: 2odannt»galk« L Haupt»^iliol« De«o»«n: Seeftratz« < t iTelephoa 4SAl. Ar. 317. Mittwoch, den >S. Nooemder iSll. 105. Zshrgsny. Die vorliegende Ansgade nmsaßt 20 Setten. Dss Wichtigste. * Der Reichstag beschäftigte sich am Dienstag mit dem Gesetz über kleine Aktien. (S. bes. Art. und Neichstagsber.) * Die Budgetkommission beschäf tigte sich am Dienstag mit dem deutsch-fran zösischen Abkommen. (S. bes. Art.) * Im 23. ländlichen Landtagswahlkreis wurde ein Wahlverband nationaler Vereine gegründet. (S. Leipzig und Umgeb.) * Wie nunmehr feststeht, ist der Hamburger Dampfer „Carrara" untergegangen. Die 27 Mann starke Besatzung ist ertrunken. (S. Letzte Dep.) * Die Mandschurei hat sich für auto nom erklärt. (S. bes. Art.) * Ein kaiserliches Edikt unterstellt Juanschikai alle Divisionen in und um Pe king, über deren Verwendung er sich mit General Zintschang beraten soll. (S. bes. Art.) Vie Asse ües Srlegslchsuplstzes. Die italienische Bureaukratie wird der des befreundeten Rüglands mit ihrem Gemisch von Willkür und Schlendrian immer ähnlicher. Öffenbar hatte auch im Kriegsamte St. Bureau- kratius einen Kriegsplan dis in alle Einzel heiten ausaearbeilet. Bis zum 5. November sollten in Tripolitanien so viele und so große Siege erfochten sein, daß man mit leidlichem Anstande an diesem Tage die Einverleibung verkündigen konnte. Leider blieben die Siege aus. Der Kalender der Bureaustube aber mußte innegehalten werden, und so machte man sich vor der Welt unsterblich lächerlich durch die Proklamierung der Annexion eines Landes von ein paar hunderttausend Quadratkilometern, in dem jenseits der städtischen Weichbilder von sechs Küstenorten kein italienischer Soldat steht, in ihnen aber die ausgeschistten Divisionen alle Leiden des Belagerungskrieges durchzu kosten haben. Von dem völkerrechtlichen Wider sinne wollen wir gar nicht einmal reden, daß Italien jetzt also sein eigenes Land blockiert; oder gar von der Albernheit, daß man das türkische Heer zu „Rebellen" stempeln will, weil es in einem italienisch gewordenen Lande weiter kämpfe! Der tripolitanische Krieg ist hoffnungslos langweilig geworden. Die erwarteten Ver stärkungen werden ja wohl ausreichen, die kleine Oase von Tripolis endlich zu säubern und den Feind in die Wüste zu treiben. Der srische Elan aber, der die Anfänge eines Er oberungsfeldzuges zu begleiten pflegt, dem ein- sallenden Heere erne Stoßkraft gibt, die es rasch zur Mitte seiner Siegesbahn treibt, während das Selbstvertrauen des Geg ners Zug um Zug um seinen besseren Teil vermindert wird, ist längst ver flogen. Schon heißt es, daß der Zug ins Innere zum Frühjahre verschoben sei, weil die Regenzeit einjetze. In dem afrikanischen Wüsten lande gilt bekanntlich jeder Regensall als ein besonderes Geschenk des Himmels. Kürzlich mußten die italienischen Kanonen drei Kilo meter hinter Tripolis umkehren, weil sie den Sand nicht zu durchdringen vermochten. Das bißchen Regen, das letzt gefallen ist, wird den Boden einigermaßen befestigt haben. Und diese Gunst der Jahreszeit will man ungenützt lasten? 2m Frühjahr«, also im Mär-, dürfte der be, ginnende Sonnenbrand ein weit schlimmeres Hindernis darstellen als die paar Pfützen des November. Man erkennt deutlich das Suchen nach den dümmsten Vorwänden und Aus flüchten. Also in Tripolis kommt man nicht vom Flecke. Da heißt es, sich nach einem anderen Kriegsschauplätze umsehen, auf dem be quemere Lorbeeren winken. Möglichst nach einem solchen, auf dem der halsstarrigen Türkei die Abtretungsurkunde abgerungen werden kann, von deren Unterzeichnung sie jetzt weiter entfernt ist als vor Monatsfrist. Das ließe sich ja nun am besten dadurch er- reichen, daß die Flotte die Dardanellen forciert und dann vor Konstantinopel den Frieden er- zwingt. Nur schade, daß diese einfache Strategie das Fragezeichen hinter sich hat, das man den militärischen Kanne gießereien von Veteranen anzuhängen pflegt. Die Dardanellen find nun einmal befestigt, wenn die Werke auch ein bißchen alt sein sollen. Dazu sind sie viel schmaler als der Abstand von Szylla und Lharybdis im heimischen Lande, der nach dem alten Sprichwort leine Horazische „goldene Mittelstraße" übrig läßt. Durch das Doppelfeuer dürfte Herr Admiral Aubry seine Schiffe so wenig hindurchschicken wollen, wie Jason die Argo durch die symplegadischen Felsen, solange sie zusammenschlugen. Die türkischen Kastelle müßten vielmehr erst von rückwärts eingenommen werden, durch Landungen auf der Westseite des Chersones und in Tröas. Es fragt sich aber sehr, ob dann die Türken nicht schneller Nachschübe aus dem so nahen Reichs zentrum entsenden könnten als die Angreifer trotz ihrer Seebeherrjchung. Bei den angeblichen Plänen auf die Inseln des Aegäischen Meeres braucht man sich nicht länger aufzuhalten. Dagegen können freilich die Türken nicht viel machen. Aber entscheidende Bedeutung käme einer solchen Diversion durch aus nicht zu; und bei einer Verwertung der Inseln als Faustpfand würden mindestens Eng land und Rußland ein Wort mitsprechenwollen. Bemerkenswerter ist, daß viel von einer Ver legung des Kriegsschauplatzes in das östlichste Becken des Mittelmeeres, in den Golf von Jskenderum, die Rede ist. Mersina in Zilizien undBeirut inPhönizien werden als möglichsteAn- griff'sziele genannt, außerdem Jskenderum selbst. Dieser wichtige Platz spielt nun aber eine Rolle in dem deursch - türkischen Bagdad-Abkommen des letzten Frühjahres. Nach dem zukunfts reichen, leider vulkanischen Erschütterungen stark ausgesetzten Hafen soll ein Absenker der großen vorderasiatischen Zentralbahn gerichtet werden. Wie dort aber also deutsche und daneben eng lische, so würden in Mersina, wo der öster reichische Levante-Handel eine große Rolle spielt, die Interessen der Donau-Monarchie angetastet. Denn gleichgültig können den handeltreibenden Nationen italienische Gastbesuche nach Art des tripolitanischen nicht sein, der in sechs Wochen dortzulande die Früchte einer jahrzehnte langen Arbeit vernichtet und den ganzen Fana tismus des alten Christenhasses von frischem entfacht hat. Den Versuchen aufPrevesa, Alessia und andere Punkte der albanischen Küste hat Oesterreich durch ein pünktliches: Hände weg! halt ge boten. Es könnte nichts schaden, wenn auch für die anderen Kricgstheater, die die Herren vom italienischen Kriegs- und Marineamte auftun möchten, ein kräftiges „tabu!" erschölle. Sollte wirklich ein Vorstoß gegen die Darda nellen erfolgen, so wäre es wohl so gut wie sicher, da kriegerische Unternehmungen an jener Stelle z. B. den russischen Handelsweg einfach verschlössen, im Falle des Erfolges aber ein Angriff auf Konstantinopel gar nicht auszu denkende Gefahren drohte, die nicht allein auf das Haupt der schuldigen Nation fielen. Wie Rußland ferner über Lesbos denkt, hat es vor bald einem Jahrzehnt gezeigt, als es dem französischen Verbündeten eine gewaltige Ohr feige haute, weil er das Zollhaus von Myti- lene mit Beschlag belegt hatte, ohne in Petersburg anzusragen. Sollen wir allein nicht oas Recht haben, unserem „Freunde" un geschminkt die Meinung zu sagen, wenn er in unseren Kontoren Fenster einschlägt? Die Lage in Tripolis. Die „Agenzia Stesani" meldet aus Tripolis: In der Nacht zum 13. November gab die feindliche Artillerie Schüsse gegen Sidi Mesri ab, denen ein Kleingewehrfeuer folgte. Die Italiener erwiderten. Einige Zeit später sah man hier und dort Araber truppen sich nähern. Dies ließ auf eine Vorbereitung zu einem Nachtangriff schließen, der aber ausblieb. Der Feind war überwiegend auf der Seite von Sidi Mesrr tätig, wie wenn er beabsichtige, die linke Flanke zu umzingeln. Am 13. November mittags kam es zwischen der feindlichen Artillerie bei dem kleinen Fort Mesri und der italienischen Stellung bei Sidi Mesri zu einem Feuergefecht. Eine Kompanie Infanterie, die zum Schutze der Aufräumungsarbeiten aus dem Schußfelde Srdi Mesris auseinandergezogen war, wurde unter lebhaftes Feuer genommen, das aus einem gegenüberliegenden Gebäude kam. Das Ge bäude wurde von der italienischen Artillerie zerstört. Auf italienischer Seite gab es zwei Ver wundete. Trotz der unaufhörlichen Regengüsse hält die gute Gesundheit bei den Truppen an. In Benghasi, Derna, Tobruk und Homs ist die Lage unverändert. Verhaftete Türken. Syrakus, 14. November. (»Agenzia Stefani.") An Bord des von Tripolis kommenden Dampfers „Aaadi" zeigten drei Personen türkischer Natio nalität eine verdächtige Haltung. Auf Befragen behaupteten sie zuerst, Kaufleute zu sein, gaben sich aber schließlich als Divisionsgeneral Eben Mucktl Bei, Stabsarzt Ahmed Tewfik Abdullah und Jnsanterieoberst MohammedTewfik Abdullah zu erkennen. Sie erklärten, aus Tyre- naika ausgewiesen zu sein, weil sie Parteigänger des alten Regimes gewesen seien. Da sie weder im Besitze von Pasten noch anderer Legitimationspapiere waren, werden sie bis zum Eintreffen weiterer An ordnungen überwacht. Beschießung von Mytilene. Wie die „Tribuna" meldet, entbehrt die Nach richt von einem Bombardement auf Mytilene jeg licher Begründung. Di« Beschießung von Mytilene wird erst wahrscheinlich in nächster Woche ihren Anfang nehmen. Die Dardanellenfrage. „Jeune Turce" meldet, der englische und der russische Botschafter in Konstantinopel hatten ausgedehnte Unterredungen mit dem Großwesir und dem Minister des Aeußern. Beide Botschafter hätten wichtige Erklärungen abgegeben des Inhalts, daß ihre Regierungen gegen eine italienische Blockade der Dardanellen Stellung genommen und ihre Hal tung dem römischen Kabinett zur Kenntnis gebracht haben. Das Fehlen türkischer Nachrichten vom Kriegs, jchauplatze. 8t. Konstantinopel, 14. Nov. lTel.) Seit einigen Tagen fehlen aus Tripolis und Lyrenaika direkte Nachrichten der dortigen Truppenchess. Diese gehen überhaupt vollkommen selbständig vor. Das Fehien der 'Nachrichten liegt n cht allein an den maneel- haften Verbindungen, sondern es scheinen auch poli tische Motive die Haltung der beiden Führer zu beeinflussen. Lin „Eener Brief" sn unlre tückischen Lreunüe. Unter diesem Titel veröffentlicht der Organisator und Leiter der türkischen Srudienkom- mission in Deutschland, Chefredakteur Dr. Jäckh, in der türkischen Presse einen Artikel, der auch in Deutschland interessieren kann. Dr. Jäckh schreibt: Ihr fragt in vielen Briefen an, wie die Stim mung des deutschen Volkes im Tri polis! lieg ist. Ich kann mit einem Wort er widern: turkophil. Zu Beginn des Krieges hat mancher noch ge schwankt und hat bange gefragt, ob ein großer Moment ein kleines Geschlecht bei euch findet, und ob ihr wißt, was das heißt: Und setzet ihr nicht das Leben ein, nie wird auch das Leben gewonnen sein. Langsam, aber klar ist eure Antwort gekommen: Nichtswürdig ist die Nation, die nicht ihr Alles setzt an ihre Ehre! Jetzt mehrt sich euer Prestigegewmn und eure moralische Eroberung von Tag zu Tag, von Tat zu Tat, und wenn wir heut« in Deutschland neben dem „Roten Kreuz" für die tapferen Opfer dieses blutigen Krieges einen „Roten Halbmond" organisieren, so wird sich bei uns viel hilfsbereiter Wille zusammenfinden. Wohl hat schon eure jungtiirkische Revolution das Bismarcksche Wort bewährt und bestätigt, daß der Türke der einzige Gentleman des ganzen Orients ist. Aber Las Glück, staunender Zeuge dieser geschicht lich einzigartigen Größe sein zu können, haben nur lvenige unter uns gehabt. Wohl hat auch die türkische Studienreise durch Deutschland unseren Landsleuten eine gute, gerne genommene Anschauung und Belehrung vermittelt. Aber den Zufall, so von der Kraft und der Tüchtig keit eures Wesens sich selbst überzeugen zu können, haben nicht all« Städte bei uns gehabt. Jetzt hat der Tripoliswind vollends euro päische Vorurteile und Falschurteile weggeweht und weggefegt, und das Kriegsschau- spiel hat für all« Welt jetzt Wahrheiten und Offen» barungen enthüllt — weiter und rascher, als hundert Vorträge und Bücher solche Aufklärung Hütten wirken können. Alles sieht fitzt und erlebt es selbst, was die deut schen Zeitungen als „türkische Kultur und italieni'che Barbarei" bezeichnen und was auch deutsche Pfarrer so empfinden und so aus.sprechen. Der römische „Christ" massakriert; ein Schlachten ist's, nicht eine Schlacht zu nennen. Der türkisch-moham medanische Geistliche aber predigt in der Mosch:«, keinen Racheakt an schuldlosen Italienern auszuüben, und der türkisch-mohammedanische Kriegsminister er läßt einen Armeebeiehl, nicht Gleiches mit Gleichem zu vergelten, sondern wohltuende Humanität zu be tätigen. Türkische Beherrschtheit und Besonnenheit vergreift sich an keinem der 60 WO Italiener in der Türkei; und türkische Menschlichkeit und Kultur ver zichtet darauf, diese italienische Maste ins Elend hin- auszujagen. Das ist eine „moralische Er oberung in Europa". Alles sieht fitzt und erlebt es selbst, daß der tür kische Soldat den Ruhmestitel verdient, den ihm deutsche Offizier« geben: daß er der beste Soldat der Welt ist. Innerliche Religiosität und persönliche Bravour der kampffrohen Trupp« und das Impro visation»- und Organisationstalent der klugen Führer erzwingen überraschend« Erfolge gegenüber einer numerisch und technisch überlegenen Armee. Alles sieht jetzt und erlebt es filbst, daß eine weite und tiefe Begeisterung das ganze osmanische Volk einigt und daß selbst die türkischen Frauen und Mädchen ihren Schmuck und ihr Ge schmeide dem Vaterland opfern — so wie wir Deutsche solchen Patriotismus auch in unseren Be freiungskriegen erfahren haben. Und wie ein frecher Eindringling in Deutschland 1870 all« Stämme um Las Haus der Hohenzollern geschart und vereinigt hat, so -winat d«r italienische lleberfall fitzt in der Tütkei alle Nationalitäten um das Banner der Osmanen zusammen. Das ge meinsame Vaterland siegt über den trennenden Par- tikularismus d«r Parteien und der Völker. Das ist eine „politische Eroberung" in Europa. Da wird uns an 1870—71 erinnern — das ist jenes Ereignis, das den großen türkischen Staatsmann Ali Pascha vorahnen und aussprechen läßt: „oaß Preußen-Deutschland in Oesterreich einen Verbün deten gewinnen wird, und daß für die P f o r t e e i n deutsch-österreichischer Schutz sich ent wickeln wird . Ich weiß wohl, ihr habt das auch geglaubt, ihr seid aber fitzt mißtrauisch. Ich hoffe aber auch, daß wiederum nüchterne Jntereßenberechnung eure Sen timentsstimmung überdauern wird. Es ist eine aktenmäßige Tatsache, daß Berlin vom Tripolisraubzug der Italiener nichts erfahren und nichts gewußt hat, daß aber Lon - don und Paris durch Italien verständigt worden sind. Nicht Berlin, sondern London und Paris tragen die Verantwortung des Hehlers für den Stehler. Es ist eine sichtbare Tatsache, daß Oesterreich und Deutschland der Türkei jetzt den Balkan- fr jeden bewahren helfen, sogar gegenüber Italien. Es ist eine geschichtliche und geographische Tat sache, daß Deutschland die einzige Macht ist, die kein mohammedanisches Volk vergewaltigt und kein mohammedanisches Land sich aneignet — auch in Marokko nicht. Frankreich hat das getan und Italien ist diesem Beispiel gefolgt; und Rußland bedrängt 30 Millionen Mohammedaner, und England zwingt 150 Millionen Mohammedaner, in Aegypten und in Indien, auf den früher türkischen Inseln Cypern und Malta, und England hat in Arabien und Mesopo tamien egoistische Pläne. Warum hat die Türkei das deutsche Ange bot, euch noch mehr deutsch« Kriegs schiffe zu verkaufen, im vorigen Winter nicht an genommen? Ihr habt geglaubt, auf England Rück sicht nehmen zu sollen, und ihr habt in England Schiffe bestellt, auf die ihr jetzt noch Jahre warten müßt. Die deutschen Kriegsschiffe wären sofort euer Eigentum geworden — geradeso wie die zwei deut schen Schiffe vor einem Jahr, und ihr hättet jetzt fertige, brauchbare und gute Schiffe, auch gegen Italien. Beschleunigt die Bagdad bahn, bewilligt das Militärbudget und rüstet eine Flott« gleich eurer guten Armee — und die Türkei wird unangreif bar werden. Heute schafft der Tripoliskrieq euch den großen Gewinn eines guten Prestiges. Auch fernerstehende Zuschauer kernen und misten fitzt, daß sie in türkischen Dingen umlernen müssen wie einst in japanischen Fragen — zu euren Gunsten. Die englisch italienische Vorstellung vom „erlöschen den Halbmond" erlischt, und die deutsche Gewißheit vom „aufsteigenden Halbmond" steigt auf: er steigt und leuchtet . . . und läuft den Weg gleich als «in Held. Dazu beglückwünschen wir euch und damit be grüßen wir euch in aufrichtiger Freundschaft. Aktien zu 200 Mark. (Stimmungsbild aus dem Reichstage.) <1. Berlin, 14. November (Telegramm). Der gegenwärtige Reichstag hat das kleine Aktien gesetz, als es ihm zum ersten Male vor gelegt wurde, abgelehnt. Die allgemeine Annahme geht dahin, daß der neue Entwurf die Billigung des Parlaments finden wird. Die Regierung hat der Volksvertretung das Umfallen dadurch erleichtert, daß sie den Entwurf etwas abgeändert hat. Die Hauptsache bleibt, daß für die deutschen Kon- julargerichtsbezirke und für das Schutz gebiet Kiautschau der Nennbetrag der auszu gebenden Aktien unter die für das Deutsche Reich vor geschriebene Mindestsumme von 1000 -tl herunter gehen darf bis auf 200 »il. Die höhere Summe mag an sich den Vorzug verdienen, aber was hilft das, wenn die deutschen Gesellschaften in Ostasien unter englisches Recht abwandern. Staatssekretär v. Kiderlen konnte in der heu tigen Sitzung mitteilen, daß seit der Ablehnung des ersten Entwurfs wieder eine bisher deutsche Gesell schaft englisch geworden sei. Deutschland will aber Loch nicht seine Kaufleute verlieren. So hatten denn die Regicrungsoertreter, außer dem Staatssekretär noch der Vizepräsident der Rcichsbank von Elä se na pp und der Korvettenkapitän Brüning- haus, ziemlich leichtes Spiel. Es scheint nach Aeußerungen des Abg. Belzer, daß der weit überwiegende Teil des Zentrums für die ab geänderte Vorlage zu haben ist. Die beiden liberalen Parteien billigen sie ebenfalls, dazu ein Teil der Konservativen und die Reichspartei. Ihr Redner Arendt hat den hauptsächlichen Widerstand auf gegeben, nur inbezug aus Währungsfragen war er noch mißtrauisch. Der Staatssekretär des Reichs justizamts Lisco gab die bündige Erklärung ab, daß an eine Durchbrechung der heimischen Ge- setzgebung nicht gedacht werde. An eine Durch brechung zugunsten der anderen deutschen Schutz gebiete, etwa Südwestafrika, denkt man im gegenwärtigen Augenblick auch nicht. Ob sich dort vielleicht nicht eine ähnliche Entwicklung voll ziehen wird, kann niemand verschwören. Sicherlich soll man die kleinen Leute nicht in Versuchung führen und die Spielwut nicht fördern, aber wenn di« Leute dann in ausländischen Aktien spielen, so ist der Scha- d«n vom Standpunkt ihres Geldbeutels mindestens ebenso groß, und vom Standpunkt der nationalen Wirtschaft kommt ein weiteres Bedenken hinzu. Am schroffften in der Ablehnung bleibt die Sozial demokratie, die in der Vorlage nur ein Ent gegenkommen gegen einzeln« Kapitalisten sieht. Die abgünsttgen Wort des Aba. Raab (Wirtsch. Dgg.) klangen nicht ebenso apodiktisch. Er sprach den Wunsch aus, di« Vorlage möge aus der Budgetkommission nicht wiederkehren. Wahrscheinlicher ist aber, daß dies« Kommission, neben dem deutsch-französischen Ab- kommen und den damit zusammenhängenden An trägen, auch noch diese Arbeit erledigen wird. Der Schluß der Sitzung brachte die Fort setzung der Besprechung über Li« Koalitions freiheit der Reichseilenbahnarbeiter.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite