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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.11.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111115026
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911111502
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911111502
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-15
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
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Der lürkilch-italleuMe Krieg. - Ueber die Stimmung in Italien in bezug auf die durch den Krica hervorgerufenen allgemeinen politischen Verhältnisse schreibt «ns unser ständiger römischer Mitarbeiter: Rom, 14. November. Wer heute einem Italiener saaen wollte, er habe Ursache, an die von den italie nischen Truppen in Tripolis verübten Ereueltaten zu glauben, riskiert Kopf und Kragen. Jede Nus- einandcrsetzung über diesen heiklen Punkt verbietet sich in einem Lande, dessen Volk nur an das glaubt, was die vorsichtige Regierung zu glauben für gut befindet. Und die Regie rung selbst glaubt ja nur das, was der Oberkomman dierende von Tripolis an Rapporten nach Nom schickt. Ich habe Gelegenheit gehabt, in der Consulta und im Ministerium des Innern, dessen Chef der Mi nisterpräsident Giolitti ist, Einsicht in die Original depeschen des Generals Cancoa zu nehmen und habe in langen Unterredungen mit Vertretern der deut schen amtlichen Stellen den Eindruck gewonnen, daß jede bewußte Irreführung des Volles von feiten der Regieruno so gut wie ausgeschlossen erscheint. Än der Gutgläubigkeit der letzteren braucht unter diesen Umständen nicht gezweifelt zu werden. Aber .... Es gibt so viele Aber inmitten dieser Irrungen uno Wirrungen, und wer sich vermessen wollte, der Wahr heit auf die Spur zu kommen, dürfte alsbald mit einem Sack voll Enttäuschungen umlehren. Wer nicht mit einstimmt in die Siegcsfanfaren und die italie nischen Krieger anders als „i >-r^i" nennt, ganz gleich, ob er diese Helden ii seinem ganzen Leben noch nie zu bewundern Gelegenheit hatte, wird zum Verräter an -em „patriotischen Unternehmen" Italiens gestempelt, das keine Kritik verträgt. Er mühte sich denn als unbedingter Anhänger der sozialistischen Partei genügend aus weisen können. Ihr allein gewährt man Ausnahme rechte. Der Sozialist aber, wenn er einmal zu einem Protest sich aufschwingt, — oft kommt es nicht vor - müßte sich schon wie einst der heilige Franziskus, an Fisch und Vögel wenden, um gehört zu werden. Steht man gar im Verdacht, ein guter Deutscher zu sein, dann tut man allemal gut, aus seinem Herzen eine Mördergrube zu machen. Im Frühjahr war's umgekehrt. Da schloß man die Deutschen ins Herz, weil sie der Jubilars Italia angenehme Dinge sagten. Alles, was in Deutschland unbefangen denkt und spricht, gilt als Freund der Türken und damit auch als Feind Italiens. Wie ist dieser Zustand zu erklären? Unsere amtlichen Stellen geben sich heute die er denklichste Mühe, den über die deutsche Presse ver ärgerten Dreibundgenossen bei Laune zu halten. Ich habe im Laufe mehrfacher Gespräche mit maßgeben den Persönlichkeiten die feste Ueberzeugung ge wonnen, daß nicht nur Deutschland, sondern fast mehr noch Oesterreich, soweit die Regierungen der beiden Reiche in Frage rammen, alles daran setzen. Italien nicht aus dem Dreibund zu entlasten. Und Herr Giolitti. der gegenwärtige Kabincttsches, betont es immer lauter.'daß der Dreibund gestärkt aus den Kriegswirrcn hcrvorgehen wird. Das Wie und Warum? bleibt sein Geheimnis. Ich habe endnch auch den Eindruck davongetragen, daß sich in allerjüngster Zeit auch Fürst Bülow um die Stärkung der Dreibundidee, wenn auch nicht in direktem amtlichen Auftrage, so doch aus gewissc deutsche Einflüsse hin bemüht, und dabei auch einen ganz offensichtlichen Erfolg zu er zielen gehabt hat. Ich kann hinzufügen. daß die italienische Regierung ihre: Presse in diesen Tagen < Winke gegeben hat, altes zu vermeiden, was die Smpfiudlichkeit -er DreshpirdAenossen jrzrftitL , Alpen verletzen könnte. Fragt man nach dem Grunde für diese Haltung, so erhält man die stereotype Ant wort: „Staatliche Notwendigkeiten! Italien braucht uns. Und wir brauchen Italien!" Nun ist es an den Regierten, sich aus diesen geheimnisvollen An deutungen einen Vers zu machen. vom krielkSlülrruplLtze. Die Lage in Tripolis. Konstantinopel, 15. November. (Eig. Drahtmeld.) Montag abend griffen die Türken das von den Italienern neu besetzte Fort Hamidie bei Sarraschat an. Die Angreifer wurden nach heftigem Gefecht zurückgcschlagcn. Die italienischen Verluste be trugen neun Tote und zwanzig Verwundete. Dienstag morgen erfolgte ein neuer türkischer Angriff gegen den Brunnen Bumeliana, wobei die noch immer nicht entdeckte türkische Gebirgsbatterie schwere Geschosse über die Kavallcriekascrne hinwegsandte. Die Verluste bei diesem Gefecht sind bisher noch unbekannt. Zuverlässig scheinende Informa- I tionen bestätigen den nahen Zuzug von 10000 j Fessanegern, nach deren Eintreffen ein neuer Angriff gegen Tripolis unternommen werden soll. Die Cholera macht immer größere Fortschritte, i Die von der italienischen Regierung gegen da« Um sichgreifen der Seuche getroffenen Maßnahmen erweisen sich als vollständig ungenügend. Die Haus suchungen seitens der italienischen Behörde nehmen ihren Fortgang. Die Disziplin der italienischen Truppen ist gelockert. In mehreren Vororten wurden Plünderungen von italienischen Sol daten vorgenommea. Dre Abreise des ameri kanischen Konsul« wurde bis auf weitere« ver schoben. Zusammentritt de« italienischen Parlamente». Rom. 15. November. Bekanntlich bestand die Absicht, die Kammer in der zweiten Novemberhälste ejnzuberufen. Wie jetzt offiziell bekanntgegeben wurde, wird da« Parlament erst in der ersten Dezemberwoche zusammentreten. Die Session wird 4—5 Tage dauern, und in deren Verlauf wird die Proklamation der Annexion rati fiziert werden. Tine Debatte über den Krieg wird nicht stattfinden. Oie Äemllutimt in Etzins. Wie schon gemeldet, ist Puanschikai auf Befehl des Kaisers wieder in Peking eingezogen, um dort als allmächtiger Minister die Zügel der Regierung in die Hand zu nehmen und den verfahrenen Karren wieder in das rechte Gleis zu bringen. Puanjchikai ist der Mann, auf dem alte Hoffnungen des chinesischen Reichs zurzeit beruhen. Ob er sie wird erfüllen können? Nun, de: Anfang war ihm nicht ungünstig. Nach Depeschen aus dem Norden bat sich die unsichere Lage Nordchinas durch das Nachgeben des aufsässigen Militärs gebessert. Die Neutralitätserklärungen der Provinzen werden meist als Manöver zur Ver meidung der Unordnung betrachtet und sind kaum ernst zu nehmen. Ueber den Einzug des „mächtigen Mannes" in Peking liegt folgende Meldung des ,/L. L.-A." vor: Loudon, 15. November. Mit grogem Pomp ist Puanschikai gestern in Peking eingezogen. Seinem Excrazuge gingen andere Züge voraus, die seine Leib garde, 2000 Mann stark, brachten. Alle Zugänge zum Bahnhose und der Nachbarschaft waren der unge heuren Volksmenge, die sich angesammclt hatte, ver schlossen. Die Dächer der benachbarten Gebäude aber waren schwarz von Menschen. Viele Europäer und Mandarinen hatten. Zutritt erhalten. Der „starke Mann" grüßte die Europäer mit einem freundlichen Lächeln, schenkte dem unterwürfigen Gebaren der Mandarinen aber nur wenig Beachtung. Er sah überraschend krisch aus, erschien sehr zuversichtlich und trug die gelbe Jacke, die höchste Auszeichnung, die der Kaiser zu vergeben hat. Sobald er in die auf ihn wartende Kutsche gestiegen war, setzte sich seine Leibwache in Bewegung und geleitete ihn durch die von Polizisten und Militär gesperrten Straßen nach der Kaiserstadt, wo er vorläufig in einem Tempel wohnen wird. Weiter wird an demselben Tage gemeldet: Noch am Abend des Einzugstages wurde ein kaiser licher Erlaß bekanntgemacht, der Puanschikai zum Oberbefehlshaber aller Truppen im ganzen Lhineienreiche ernennt und ihn tatsächlich zum Diltator macht. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung sind strenge Maßnahmen ergriffen worden. Das Pekinger Komitee erhält von verschiedenen Organisa tionen und einzelnen Personen zahlreiche Glück wünsche zu dem Umschwung. Der Vor kämpfer der Konstitution Liantsirschao ist in Peking eingetroffen. Unter seinem Vorsitz finden Be ratungen der Delegierten der Konstitutionspartei über die Maßnahmen zur Aufhebung der Re volution ohne Blutvergießen und zum Schutz« -er Dynastie statt. Man nimmt an, daß Lrantst- - rschao schließlich an die Spitze der Regierung treten Md PtzKMMkaj etsetzxm werde. Nach diesen Darstellungen erledigen sich auch die (tzerüchte. daß die kaiserliche Familie nach der Man dschurei geflüchtet sei. 36enn dann noch weiter von „Reuter" gemeldet wird: Schanghai, 15. November. Der republikanische Minister des Aeußern W u t i n g fa n ähat an die Fremden, die er als „ausländischen Freund" be zeichnet, eine Kundgebung gerichtet, in der er auf die Notwendigkeit der Abdankung der Man- dschudynastie besteht und den Schutz rechtmäßig be gründeter Ansprüche und die Erfüllung der aus wärtigen Verpflichtungen Chinas seitens der Re publikaner Zusichert. so kommt auch dieser Nachricht kein großer Wert zu. Tatsache scheint es zu sein, daß mit Puanschikais Ein zug in Peking, d. h. mit seinem Eintritt für die Sache Les kaiserlichen Hofes die Revolution in der Haupt sache beendet sein dürste. — ()ni vivru, verra! In llcbcrcinstimmung mit den vorstehend wieder- g'gebenen Berichten würde auch nachstehende Mel dung stehen: Friedensvorschläge in China. Peking, 15. November. (Eig. Drahtmeldung.) Puanschikai wurde gestern in längerer Audienz vom Regenten empfangen. Er legte thm hi« Maß- nahmen dar, di« er zur Niederwerfung der Revo- lution in China zu ergreife« gedenkt. Zn Peking ist es seit der Ankunft Puanfchikai» bedeutend ruhi- ger geworden. Die hauptstädtische Bevölkerung rechnet bestimmt damit, daß es thm in allerkürzester Zeit gelingen wird, der Revolution Herr zu werLen. Der revolutionäre General Li-Huen-Hung hat an einen Führer der kaiserlichen Truppen, General Pan«, ein Schreiben gerichtet, in dem er diesem ge wisse Vorschläge zum Friedensschluß macht, um wei teres unnützes Vergießen van Bürgerblut zu ver meiden. Freilich ist die Ruhe noch nicht allenthalten her gestellt; so heißt es: Blutige Schlacht bei Nanking. New Pork, 15. November. (Eig. Drahtmeld.) Nach hier «ingetroffenen Meldungen aus Peking ist es gestern bei Nanking zwischen Revolutionären und kaiserlichen Truppen zu einer blutigen Schlacht ge kommen. Die Kaiserlichen wurden auf -er ganzen Linie zurückgeschlagen. Die Verluste beider Gegner sind bisher noch unbcckannt. politische Nachrichten. Aus dem Bundesrate. Der Bundesrat wird in den nächsten Tagen mit den Etatsberatungen beginnen und dieselben bis Mitte Dezember abschließen. Verschiedene Einzel- eiats sind dem Bundesrate vor einigen Tagen zuge- gangen, eine Reihe anderer Etats werden dem Bunoesrat in den nächsten Tagen zugehen. Die Arbeitsdispositionen de« Reichstags für den Schluß der Tagung sind folgende: In dieser Woche sollen die zweiten Lesungen des Schiffahrtsabgabengesetzes und des Hausarbeitsgesetzes vorgenommen werden. Man hofft diese beiden Lesungen in vier Tagen er ledigen zu können. Die Tage vom 20. dis 23. ein schließlich bleiben sitzungsjrei, um den Fraktionen Gelegenheit zu geben, zu dem Berichte der 16. Kom mission über das Privaibeamtenversicherungs- aesetz, das am 18. d. M. festgestellt werden soll, Stel lung zu nehmen. Am 23. und 24 d. M. soll die zweite Leiung des Privatbeamtenpensionvgesetzes, am 25. d. M. soll die zweite Lesung des Hilfs- tassengesetzes auf die Tagesordnung gesetzt werden. In der letzten Novemberwoche sollen die An- träge der Budgetkommission zum Marokkoab kommen beraten werden und im An chiuß hieran die dritten Lesungen aller noch zu verabschiedenden Gesetze vorgenommen werden. Der Schluß der Tagung wird al,o am 30. November oder am 1. Dezember stattfinden. Zur Einberufung des preußischen Landtags. In parlamentarischen Kreisen verlautet, daß sich das Staatsministeriuin für eine Einberufung auf den 16. Januar n. I. ausgesprochen haben soll. Eine Einberufung des Landtags drei Tage vor den Hauptwahlen zum Reichstage wurde als unzweck mäßig berrachtet. Pfarrer Traub. Breslau, 15 November. lE. D.) Die erste Ver nehmung des Pfarrers Traub vor dem Konsistorium soll am 24. d. M. stattfinden. Wieder ein deutscher Spion? ?. 0. Paris, 1L Nov. (E. D.) Au» Nancy wird gemeldet: Lebhaft erörtert wird hier die in der Nacht zum Sonntag bei . den. Besestigungen vom Frouard, erfolgte Verhaftung eines angeblichen Spions deutscher Narionalität, dessen Name bisher noch nicht bekannt geworden ist. Auf Veranlassung eines Wachtpostens wurde der Mann, der sich in der Nähe der Forts umhertrieb, sestgenommen. Die Behörden bewahren über den Fall strengstes Schweigen. Begrüßung de» englischen Königspaare«. Konstantinopel, 15. November. iE. D.) Zur Be grüßung des Königs uno der Königin von England auf ihrer Reise nach Indien ist eine be sondere Kommission nach Aegypten abge- aangen, an der auch der Sohn des Sultans Ziaeddin teilnimmt. Englisches Unterhaus. >2? London, 15. November. (Eig. Drahtmeld.) Douglas Hall (Unionist) fragte im Unterhaus, ob die deutschen Untertanen nach dem französisch deutschen Vertrage in Marokko Vorteile Haven würden, deren die britischen Untertanen sich nicht erfreuen würden. Grey erwiderte: Wir erfahren, daß die britischen Untertanen auch fernerhin in Marokko dieselben wirt schaftlichen Vorteile haben werden, wie die- ienigen anderer Nationen einschließlich Deutschlands. Minister de Selo es und der französisch« Kammer- a-ssch-h. O Pari», 15. November. (Eia. Drahtmeld.) Die Enthüllungen über di« Anarchie, die im hiesigen Aus wärtigen Amt herrschte, haben den Kammerausschuß für die auswärtigen Angelegenheiten ungemein miß trauisch gemacht. Er begnügt sich mit allgemeinen Redensarten nicht mehr, mit denen Minister de Selo«« auf Anfragen der Ausschußinitglieder obenhin antwortete, sondern fordert urkundliche Be Ie g « für all« erteilten Auskünfte. Gestern wollte der Ausschuß wissen, ob in den verantwortlichen Briefen zur Erläuterung des französisch-deut schen Vertrages vom 4. November nicht zwei Absätze fehlen, di« den Verzicht Frankreichs auf ein Vorkaufsrecht für Spanisch-Guinea und eine Erklärung Deutschlands, sich in di« künftigen französisch - spanischen Verhandlungen nicht einzumischen, betreffen. Andere Redner ver langten die Vorlage aller Depeschen, die zwischen dem Pariser und Madrider Kabinett seit dem Sommer dieses Jahres über die Marokko-Angelegenheit aus- qetauscht wurden. Der Ausschuß scheint einstimmig der Meinung zu sein, daß der französisch-deutsche Ver trag Frankreich die Schutzherrschaft über ganz Marokko zugesteht, und daß, von den ge schichtlich begründeten Besitzungen Spaniens in Nordmarokko abgesehen, kein anderer Teil von dieser Schutzherrschaft ausgenommen bleiben darf. De Selves versprach dem Ausschuß, ihm alle ver langten Schriftstücke zugängig zu machen, und will sie ihm heute persönlich überbringen. Die neuen Duma-Vizepräsidenten. Petersburg, 15. November. lE. D.) Zu Vize präsidenten der Duma sind Fürst Wolkonsky und Professor Kapustin wiedergewählt worden. ' Letzte Nachrichten. Reichstagswahloorbereitungeu. O-i. Breslau, 15. November. (Priv.-Tel.) Für den Reichstagswahlkreis Glatz-Habelschwerdt, den bisher Graf Oppersdorf vertreten hat» hat das Zentrum Landgerichtspräsidenten a. D. Sper- lich - Schweidnitz aufgestellt. Die meckleiburgische Lerfassuugsreform. Schwerin, 15. November. (Eig. Drahtmeld.) Die „Mecklenb. Ztg." meldet: Die Strelitzer Re gierung unterbreitet dem Landtag vorläufig keine Vorlage betreffend Aenderung der Ver fassungsentwürfe. Die Strelitzer Minister werden gemeinsam mit den Schweriner Ministern an den Verhandlungen über die von der Schwe riner Regierung .eingcbrachte Vorlage teil nehmen, die anberaumt werden, wenn die Stände sich bereit erklären, die Vorlage als Grundlage für weitere Verhandlungen anzunehmen. Zur bayrischen Landtagsauflösung. I. München, 15. November. (Priv.-Tel.) Die bayrische Regierung beschäftigte sich noch im Laufe des gestrigen Nachmittags mit den Vor- arbeiten für die bevorstehenden Landtags- Neuwahlen in Bayern. Es heißt, daß der 3. Januar 1912 als Wahltag festgesetzt werden soll. Interessant ist, daß sofort nach der Landtagsauflösung der Ministerpräsident dem Prinzregen ten Vortrag erstattete. Der Prinzregent ist über dte Stimmung im Lande und in der Presse genau unterrichtet worden. Im Laufe des heutigen Vor mittags fanden sich die vier Fraktionen im Landtagsgebäude zu politischen Besprechungen und eventuell Wahlbündnissen zusammen. Es scheint, daß allerdings die ehemalige Freie Vereinigung sich einem Großblock nicht anschließen wird, daß aber Bauern-ünd- ler von Fall zu Fall Wahlbündnisse ab schließen werden. Sozialdemokraten und Liberale wollen unter allen Umständen ge meinsam« Sache machen und glauben, dem Zentrum 20 Lis 25 Mandate ckbringen und es so aus der Mehrheit hinausdrängen zu können. Das Zentrum ist weiter optimistisch. Nachklänge zu den französischen Teuerungskrawallea. Paris, 15. November. (Eig. Drahtmeld.) Aus Douay wird gemeldet: Der wegen seiner Teil nahme an den Teuerungsunruhen verhaftete Revo lutionär Broutchoux erscheint heute vor dem Schwurgericht. Da aus diesem Anlaß seine Genossen große Kundgebungen vorbereiten, wurden aus Ersuchen der Staatsanwaltschaft mili tärische Vorsichtsmaßregeln getroffen, um Ruhe störungen zu verhindern. Znüien in Ermattung keines Sailers. Während König Georg unter dem donnernden Salut seiner Flotte zur Fahrt nach Indien England verlassen hat, Haden auf der weiten Ebene vor Delhi die Dorbereitungen zum glanzvollen Empfange Kaiser Georgs nayezu ihren Abschluß gefunden. Denn in Indien legt Englands Herrscher den Königstittel ab. »st er Kaiser von Indien, und wahrhaft kaiierlich wird er auch begrüßt werden. Wenn man heute von der verfallenen Moschee am Außenrande von Delhi den Blick in die Weite schweifen läßt, sieht das Auae nichts als ein end loses, gewaltiges Meer von schneeweißen Zelten: fern im Horizont scheinen sich die Formen vieler wunder lichen Quartiere und,.Prunt'yatten" zu verlieren, und man hat dac Gefühl, als setze ncy dieseZeltstadt ins Un ermeßliche fort. Um den Fernbierbenden einen Eindruck von der Ausdehnung dieses kaiserlichen Lagers zu geben, ist es vielleicht nützlich, zu er zählen, Laß man nur in einem Marsche von nicht weniger als sieben Stunden diese Zeltstadt umkreisen kann, die insgesamt rund .'L <,km Flächcnraum für sich beanspruch:. Jin westlichen Teil dieser An häufung von schnccweißdUnkendcn Leinenhäusern liegen die Zelte des Königs und die großen Prunk zelte, in denen sich die Hauptsctern des Durbar von Delhi abjpielen werden. In ihrer Mitte erhebt sich das für den Durbar von 1903 erbaute stattliche Circuit House, wohl das einzige massive große Ge bäude in dieser Metropole von Tuch und Linnen. König Georg und seine Gemahlin hoben es vor gezogen, gleich ihren reichen indischen Vasallen, in Zelten zu leben und nur bei besonders schlimmer Ungunst der Witterung werden sic vielleicht unter dem Dache des Circuit House Quartier nehmen. Unmittelbar vor diciem Bau erheben sich die Wohn zelte des Kaisers und der Kaiserin; sie unterscheiden sich äußerlich nur durch ihren größeren Umfang von den Nachbarzelten, aber im Inner« hat man mit Luxus und Komfort nicht gegeizt. Prachtvolle Teppiche und « Vorhänge sind eigens für die Feier gewoucn worden, i Gemälde, Stickereien und reiche alte Dekorations- ! stücke wurden von den Besitzern üereitwilligst ge liehen, um die Kcnserzelte zu schmücken. Neben ibnen erheben sich nach dem Berichte eines englischen Korre spondenten die mächtigen Zelthallen, die zu Emp fängen und Banketten dienen werden, und vor ihnen steht das wichtigste Zelt des ganzen Laders, die riesige Lchamiana, in der am 12. Dezember alle Fürsten und Würdenträger Indiens dem neuen Kaiser ihre Huldigung darbringen werden. Dieier Zeltbau bedeckt für sich allein eine Grund fläche von rund 25000 Quadratsuß. Daneben liegt das Zelt des Vizekönigs von Indien. Die Vor bereitungen nähern sich ihrem Ende, heute liegt das endlose Meer der Zelte verlassen und still, denn bei der Ausdehnung des Lagers sieht man kaum etwas von den paar tausend Arbeitern, die noch damit beschäftigt sind, die letzte Hand anzulegen, yier und dort sieht man Tapezierer und Gipsnrbeiter in Tätig keit, im Hauptzelte werden bereits die unschätzbaren, wundervollen großen Samtoorhänge aufgehängt, die in allen Farben schillern und von deren leuchtend rotem Grundton goldene Ornamente und Stickereien sich strahlend abhebcn. Aber hier, wo jetzt nur hin und wieder ein vereinzelter letzter Ochjenkarren Batten und Stangen heroeischleppt, werden in drei oder vier Wochen Hunderttausende von festlich ge schmückten Menschen zujammenströmcn, und voll Stolz schließt der englische Berichterstatter seine Schilderung mit den Worten: „Man kann ruhig Vorhersagen, daß der Augen blick, da der Kaiser und die Kaiserin sich am 12. De zember den Fürsten, Völkern und Stämmen Indien zeigen werden, nicht nur an Prachr und Macht alle groyen Zeremonien unserer eigenen Geschichte über treffen wird; er wird in der Weltgeschichte seines gleichen nicht haben, auch nicht in den prunkvollen Tagen der alten Mongolenkaijer." Die Ltrolers In üer Türkei. Während die Cholera in Tripolis durch die Ita liener erst ihren Einzug gehalten hat, war sie in Konstantinopel selbst sowie in einigen andern Teilen des Türkischen Reichs bereits früher einqebrochen. Dafür aber ist sie jetzt in der türkischen Hauptstadt seit Ende Oktober scheinbar erloschen. Wenigstens ist in der letzten Oktoberwoche kein Todesfall mehr zur Anzeige gelangt. Daß man aber der Seuche noch nicht Herr geworden ist, beweist die gleichzeitige Nachricht von einem Choleraausbruch in dem großen Irrenhaus in Skutari. An der Identität der Krankheit mit der astati schen Cholera ist nicht zu zweifeln, und man ver mutet, daß sie durch Injektion des Trinkwassers herbeigeführt worden ist. DerLancet-Korrespondent in Konstantinopel, der seine ärztliche Hilfe den städtischen Behörden während der schlimmsten Cholera dieses Jahres angeboten hatte und in dem am meisten heimgesuchten Stadtteil am Goldenen Horn angestellt worden war, beschreibt jetzt seine dort gesammelten Erfahrungen. Die Bekämpfung der Seuche war besonders schwierig wegen des ver kommenen Zustands und des Aberglaubens der Bevölkerung. Gute Erfolge wurden meist da durch erzielt, daß schon bei den Merkmalen der ersten Erkrankung Opium und Milch säure verabreicht wurden. Bei späterer Entwicklung halfen ani besten Thymol und Einspritzungen von Morphium. Die Türken erwiesen sich übrigens als «benfo schlechte Patienten wie die Inder, Haupt- sächlich dadurch, daß ihnen durchaus nicht klar zu machen war, welche Wichtigkeit die sofortige Anzeige einer verdächtigen Ertränkung für die Allgemeinheit besitzt. Außerdem wurden die Kranken oft von ihren Verwandten aufs äußerste vernachlässigt. Die Abneigung gegen den Arzt nahm hauptsächlich die Form des Aberglaubens an, daß die Kranken vergiftet werden sollten, um so die Epidemie schneller auszurotten. Deshalb dokterte man lieber selbst mit allerhand unsinnigen Hausmitteln an dem Kranken herum, ehe man einen Arzt herbei rief. Mehrmals fand man nachts eine Leiche, die auf die Straße geworfen war, und es war unmöglich, festzustellen, woher sie kam, da alle Be wohner der Straße ein verabredetes unverbrüchliches Schweigen einhielten. In einigen Stadtteilen von Konstantinopel hatte das Volk sich geradezu gegen die Eesundheitsbeamten und die Aerzte verschworen und verflieg sich zu persönlichen Beleidigungen gegen sie. Vor der Impfspritze hatten die Leute eine Herl- lose Angst und setzten sich dagegen oft heftig zur Wehr. Auch die Aufsichi über ein verseuchtes Haus traf auf einen zähen Widerstand beim Volk. Die Insassen veriuchien auf jede Weise aus dem Haus zu entkommen und überfielen zuweilen die Wachen, schlugen sie nieder und rannten fort, um die Seuche nun weiter zu verschleppen. Einmal wurde ein solcher Flüchtling freilich von der Wache einfach niedergeschoßen, ein harter, aber für die übrige Be völkerung wirksamer Denkzettel. Die Heilmittel, die von den Türken selbst gegen die Cholera angewandt wurden, bestanden zuweilen in merkwürdigen Dingen. Am harmlosesten war ein Abguß von Wacholderbeeren. Ferner wurde emp fohlen, einen Achat bei sich oder einen Hyazinth um den Hals oder auch den Knochen von ernem toten Kind in der Tasche zu tragen. Fest überzeugt sind die Türken davon, daß die Cholera durch den Mond veranlaßt wird, und deshalb halten sie einen Absud von Lorbeersrüchten, die beim Aufgang der Planeten Mars oder Merkur gekocht wurden, für ein vorzüg liches Mittel, da diese Planeten als Feinde des Mondes gelten. In den türkischen Provinzen find auch tolle Dinge im Gefolge der Cholera verübt worden, wozu der große Mangel an Aerzten weientlich beigetragen hat. indem alte Weiber deren Rolle zu übernehmen pflegten. In einem Fall wurde eine junge Lhotera- kranke von einer Horde solcher Megären in einen heißen Ofen gesteckt, wo sie denn auch richtig erstickte. Uebrlgens schreibt man den ungünstigen Verlaus der Epidemie dem Kriege da dieser dte gan^ Aufmerksamkeit der Türket in Anspruch genommen hat.
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