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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.11.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111108029
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911110802
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911110802
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-08
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
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HE" Unsere heutige Morgenausgabe umfaßt 29 Seiten, die Abendausgabe 8 Seiten, zusammen L-» Leiten. Die prsliüentenwstli in üer Zweiten Sammer. (:) Dresden, 8. November (Priv.-Tel.). Ter sächsische Landtag hielt heute vormittag seine zweite öffentliche Präliminar sitzung ab. Am M i n iste r t i s ch e bemerkte man die Staatsminister Dr. Beck und von Seyderoitz, später auch Dr. von Otto. Präsident Dr. Vogel eröffnete die Sitzung und machte zunächst auf die einschlägigen Bestimmungen des Landtagsgesetzes betr. die Präsidentenwahl auf merksam, um dann die Präsenzliste durch Namens aufruf festzustellen. Abg. Hettner (Natl.) schlug dem Hause die Wiederwahl des bisherigen Präsidenten Dr. Bogel vor, der sich in der letzten Landtagssession außer ordentlich bewährt habe. Bei der Wahl fielen auf Dr. Vogel 35 Stimmen, aus' den Abgeordneten Fräßdorf (Soz.) 25 Stimmen, während 28 weiße Zettel abgegeben wurden. Dr. Vogel war somit zum ersten Präsidenten der Zweiten Kammer gewählt. Präsident Dr. Vogel dankte allen denen herzlich und aufrichtig, die ihm bei seiner Wahl das volle Vertrauen entgegengebracht haben. Trotz der großen Schwierigkeiten der Lage sehe er es als seine Pflicht an, das gewiß nicht leichte Amt zu über nehmen und die Wahl anzunehmen. Er werde cs auch für seine Pflicht halten, die Würde und Ehre des Hauses zu wahren, strengste Unparteilichkeit walten zu lassen und nach besten Kräften bemüht sein, die der Zweiten Kammer gestellten Aufgaben nach Möglichkeit einem günstigen Ende zuzuführen. Wenn diese Ziele erreicht werden sollten, dann bedürfe er auch der Unterstützung aller und richte deshalb die dringende Bitte an die Kammermitglieder, ihm ihre Unterstützung und Nachsicht zuteil werden zu lassen. Wohl alle, die hier im Hause versammelt seien, seien es den Interessen des Landes und der Kammer schul dig, daß die Aufgaben ordnungsmäßig gelöst werden. (Lebhaftes Bravo.) Hierauf schritt die Kammer zur Wahl des ersten und des zweiten Vizepräsidenten. Abg. Hettner (Natl.) schlug den bisherigen ersten Vizepräsidenten Geh. Hofrat Opitz und den bis herigen zweiten Vizepräsidenten Kaufmann Baer zur Wiederwahl vor. Nach allgemein parlamenta rischer Sitte würde für den einen Posten des Vize präsidenten auch die sozialdemokratische Fraktion mit in Frage kommen. Diese sei befragt worden, ob sie alle verfassungsmäßigen Verpflichtungen der Mit glieder des Präsidiums erfüllen wollte. Ueber diese Frage besiehe eine Meinungsverschiedenheit zwischen ter nationalliberalen und der sozialdemokratischen Fraktion. Die nationalliberale Fraktion stehe auch heute noch auf dem gleichen Standpunkt wie vor zwei Jahren, und auch die Sozialdemokraten hätten erklärt, daß sie auch heute noch bei ihren früheren Ansichten beharren. Abg. Schultz (Soz.): Die sozialdemokratische Fraktion beansprucht wie vor zwei Jahren einen der beiden Vizepräsidentensitze und ist auch bereit, alle hiermit verbundenen verfassungsmäßigen Verpflich tungen zu übernehmen mit Ausnahme derjenigen, die soeben vom Abg. Hettner interpretiert worden sind. Er schlage deshalb den Abg. Fräßdvrf als zweiten Vizepräsidenten vor. Die nun erfolgte Wahl ergab 33 Stimmen für den bisherigen Vizepräsidenten Opitz, 27 Stimmen für den Abg. Fräß darf und 28 weiße Zettel. Präsident Dr. Vogel konstatiert, daß der bis herige Vizepräsident wiedergewählt sei und fragte denselben, ob er bereit sei, die Wahl anzunehmen. Abg. Opitz (Kons.) dankt allen denen, die ihre Stimme für ihn abgegeben haben, er sei jedoch nicht in der Lage, das Amt anzunehmen, weil die konservative Fraktion nach einem ein mütig gefaßten Beschluß daraufverzichtct habe. Abg. Günther (Vpt.) beantragt angesichts der Lage, die Sitzung auf eine halbe Stunde zu unter brechen, damit sich die Parteien besprechen könnten. Abg. Hettner bedauert den Entschluß des Abg. Opitz. Die nationalliberale Partei habe durch ihre Abstimmung bekannt gegeben, daß si» ge sonnen sei, in ein freundschaftliches Ver hältnis mit der konservativen Partei zu treten, doch habe die konservative Partei dies nicht akzep tiert. Im Interesse einer gedeihlichen Zusammen arbeit der Kammer sei dies lebhaft zu bedauern. Abg. Opitz bemerkt, die nationalliberale Frak tion Hütte diese Freundschaft für die Kon servativen dadurch betätigen können, daß sie der stärksten Fraktion des Hauses den ersten Präsidentensitz zugebilligt hätte, da dies allgemein parlamentarischer Brauch sei. Abg. Hettner entgegnet, daß von einem all gemeinen parlamentarischen Brauch nach die er Rich tung hin teine Rede sein könne. Dies sei auch den Konservativen bereits nachbewiesen worden, es be stehe aber der parlamentarische Grundsatz, daß man Männer, die sich in ihren Äemtern bewährt haben, nicht aus diesen vertreibe, es würde eine allgemeine Mißstimmung hervortzerusen haben, wenn der bis herige verdiente Präsident Dr. Vogel nicht wieder gewählt worden wäre. Abg. Günther bedauert gleichfalls die Er klärung des Abg. Opitz und konstatiert, daß eine Be ratung überhaupt nicht stattgcfunden habe. Abg. Opitz bezweifelt, daß die von dem Abg. Hettner verlangte Beratung überhaupt einen Zweck habe. Auch die konservative Fraktion habe stets den Grundsatz hoch gehalten, verdiente Männer nicht von ihren Plätzen zu verdrängen. Dies habe sie in früheren Sessionen bewiesen. Die konser vative Partei wolle auch durchaus nicht die Verdienste des bisherigen Präsiden ten schmälern, doch müsse sie darauf bestehen, daß der stärksten Fraktion des Hauses auch der 1. Prä sidentensitz zugebilligt werde. Hierauf vertagt sich das Haus auf eine halbe Stunde. Oer lpsnjsch-frsnMlche Grlierm- vertrag. Der „Matin" veröffentlicht den Wortlaut des spanisch-französischen Gehet in Vertra ges über Marokko, der am 3. Oktober 1904 in Paris von dem damaligen Minister des Auswärtigen Delcasso und dem spanischen Botschafter Castillo unterzeichnet wurde. Der Vertrag, dessen Inhalt übrigens im wesent lichen bereits seit langem in die Oefscntlichkeit ge drungen ist, umfaßt 16 Artikel. In Artikel 1 erteilt Spanien der französisch englischen Erklärung vom 11. Avril 1904 über Marokko und Aegypten seine Zu stimmung. Artikel 2 bestimmt die spanische Ein flußsphäre, die durch eine der Küste fast parallel von Larrasch und Elksar zum Mulujafluß laufende Linie begrenzt ist. Spanien verpflichtet sich, eine Aktion in dieser Einflußsphäre nur nach vorherigem Einvernehmen mit Frankreich innerhalb einer 15 Jahre nicht zu überschreitenden Periode auszu üben. Während dieser Periode verpflichtet sich Frankreich, über seine etwaigen Aktionen beim Sultan von Marokko betreffs der spanischen Einflußsphäre vorher die spanische Regierung zu verständigen. In Artikel 3 heißt es: Für den Fall, daß der politische Zustand Ma rokkos nicht mehr fortbestehe oder durch die Schwäche der scherifischen Reaierung die Ordnung nickst aufrecht erhalten werden könnte, oder Frankreich aus irgendeinem andern Grunde die Aufrecht erhaltung des Statusquo unmöglich würde, könnte Spanien seine Aktion in seiner Einflußsphäre frei ausiiben. Artikel 4 und 5 be stimmen, daß das Territorium der im Jahre 1860 von Marokko an Spanien abgetretenen Niederlassung von Ifni den Lauf des Tazcronaltflusfes nicht überschreite, und daß Spanien sich daselbst nur nach vorherigem Einvernehmen mit dem Sultan niederlassen könne. In Artikel 7 verpflichtet sich Spanien, sich keiner der Territorien auch nur vorüber gehend, unter welcher Form cs auch sei, zu ent äußern. In Artikel 9 heißt es, die Stadt Tanger wird ihren besonderen Charakter behalten, den der Aufenthalt des diplomatischen Korps sowie ihre munizipalen und sanitären Einrichtungen ihr ver leihen. Die übrigen Artikel enthalten Bestimmungen über Bergbau. Schiffahrt, Fischerei, Geld umlauf usw., durch die die bezüglichen Renten der Spanier gewährleistet werden. Oer Krieg um Tripvlis. Italienische Wünsche. Lehr befriedigt über die Verkündigung der Annexion von Tripolis durch Italien, bezeichnen italienische Blätter diese Verkündigung als einen „prächtigen Ausgangspunkt" für eine Aktion der Mächte, falls letztere auf die Türkei einen Druck ausüben sollten. Damit wird den Mächten das Heraustreten aus ihrer neutralen Haltung unter er schwerenden Umständen nahegelegt. Die Ausübung jedes Druckes auf die Pforte würde mit einer Ver letzung der Neutralität gleichbedeutend sein. Er folgte aber die Ausübung des Druckes im Anschluß an Italiens Annerionserklärung, so müßte die Türkei dieses Heraustreten aus der Neutralität be sonders bitter empfinden. Denn ganz abgesehen da von, daß nach den neuesten Meldungen vom Kriegs schauplatz die Annexionserklärung mit den Tatsachen nach wie vor im größten (Gegensätze steht, ist es notorisch, daß die Pforte die Abtretung von Tripolis an Italien von vornherein abgelehnt hat, sie heute noch ablchnt und jetzt entschlossener als je ist, für die Behauptung Tripolitanicns zu kämpfen. Wie könnten angesichts solcher allgemein bekannten Um stände die Mächte in der Annexionserklärung einen „prächtigen Ausgangspunkt" für irgendwelche diplo matische Aktion erblicken'? Gibt man sich in Italien der entgegengesetzten Hoffnung hin, so ist das ein Standpunkt, der außerhalb Italiens nirgendswo geteilt werden wird. Hierüber sollten sich jene italienischen Blätter um so schneller klar werden, je näher die Erwägung liegt, daß selbst der Beschluß der türkischen Regierung, aus Tripolis zu verzichten, unter den obwaltenden Verhältnissen ohne praktische Folgen bleiben würde. Denn wie die Dinge liegen, muß damit gerechnet werden, daß die auf tripoli- tanischem Boden im Kampf stehenden Türken und Araber den Kampf auf eigene Faust fort setzen würden, wenn die türkische Regierung plötzlich ohne Grund die Flinte ins Korn würfe. Auch aus diesem Gesichtspunkt ergibt sich die Haltlosigkeit der Wünsche, die italienische Blätter an die Verkündigung der Annexion anknllpfen. Daß die Pforte keineswegs gewillt ist, die Annexion zur Basis von Verhandlungen zu machen, darüber liegt noch folgendes Telegramm vor: Konstantinopel, 8. Nooember. Die Pforte, die bereits in den letzten Tagen bei den Mächten gegen die Absicht Italiens, Tripolitanien zu annek tieren, mit der Erklärung p r o t e st i e r t e, sie würde niemals die Annexion akzeptieren, bereitet einen neuerlichen P rote st gegen die Notifikation Ser Annexion vor. Wie überall, wo die Sache nicht klappen will, man nach bekannten Vorbildern einen Sündenbock braucht, jo auch in Italien. Der Oberbefehlshaber Eaneva wird gehen, sein Nachfolger fall dann mit größerer Energie den Kampf aüfnehmen. Rücktritt des Oberstkommandierenden Eaneva. Rom, 8. November. Wie es an gutunterrichteter militältzcher Quelle heißt, sind die Tage des Ober» kommandos Canevas gezählt. Die Attachierunz de» Generals Frugoni beim Oberstkommandierenden in ' Tripolis leuet danach nur die A b g a b e de s Ober- ko m ma n d o s an General Frugoni «in. Eaneva wird noch jo lange das Oberkommando bei behalten, bis insgesamt weitere 100 000 Mann ita lienischer Truppen in Tripolis gelandet sind, um dann seine Rückbcrufung zu erbitten. Mit den neu ein- getroffenen Mannschaften soll dann Frugoni so fort die Offensive erweisen, um einige durch die Türken besetzte Außensorts von Tripolis wieder in Besitz zu bekommen. Das soll unter allen Umständen noch vor dem in den nächsten Tagen zu erwartenden Eintritt der Regenperiode erfolgen, weil diese mit starken und lang anhaltenden Regengüssen einsetzt, somit größere Operationen er schwert. Die Lage in Tripolis. Nom, 8. November. Wie aus Tripolis gemeldet wirb, unternahmen die Italiener am Dienstag einen Vorstoß, der von Erfolg begleitet war. Sie eroberten das Fort Hameüieh und brachten das Feuer der geg nerischen Artillerie zum Schweigen. n Sain. Hochgebirgsroman von Adolf Ott. (Nachdruck verboten.) Hans stieg in großer Erregung, aber mit an- gespannten Sinnen aufwärts. Es war kein leichtes Fortkommen, da die schmalen Iägerpfade teils durch Eis, teils durch Schneewehen sehr unwegsam und ge fährlich geworden waren. An manchen Stellen würde schon ein einfaches Ausgleiten verhängnisvoll ge worden sein. Dazu mußte er die größte Vorsicht anwenden, um möglichst gedeckt zu bleiben. Wie ein Raubtier, das die Beute beschleicht, strebte er weiter, immer auf- und dann seitwärts, den Steilhängen nach, wo er wußte. Laß zu dieser Zeit die Gemsen stehen, weil sie dort auf geschützten Grasbändern noch spärliches Futter finden. Befand sich der Wilddieb wirklich im Revier, so wird auch er diese Stellen aufsuchen. Es war ein Vorwärtsbewegen auf Leben und Tod. Bei jedem Schritt drohten diz grüßten Ge fahren, manchmal kroch der Jäger auf Händen und Füßen über abschüssige, vereiste Steinbänder; wenige Zoll neben sich einen Abgrund von Hunderten von ,zuß. Ging es um scharfe Ecken, mußte er auf den schmalen Rändern sich oft am Fels oder trügerischen Eisbildungen anklammern, während die Füße kaum einen festen Halt hatten und der Oberleib nach rück wärts, gegen den Abgrund zu, überhing. Oder er mußte ein Latschendickicht durchqueren, über besten Wurzelwerk hoher, lockerer Schnee lag, der alles ausgeglichen hatte: Zweige, die sich am Boden hinzogen, das Wurzelgewirr, Steinbrocken und kleinere Felsspalten. Keuchend vor Anstrengung ichob sich der Forstgehilfe vorwärts, immer mit dem Gefühl, als würden seine Füße, die sich fortwährend verfingen, von tausend tückischen Fußangeln gehalten. Dann galt es, tief eingeschnittene Gräben zu durch queren, ebenfalls entweder mit Eis oder noch lockerem Schnee gefüllt. Gewöhnlich war auf der Sonnenseite die Seitenwand wie vergletschert, und es brauchte aanz besonderer Kraftanwendung und tollkühnen Mut, dort hinauf oder hinab zu klettern. Das Schneien hatte aufgehört, der Wind schien mehr nach Süden umgesprungen zu sein. Ueber das majestätisch« Felsenrund spannte sich jetzt ein tief blauer, fast wolkenloser Himmel, über den vereinzelte grau« Wolkenfetzen wie flüchtend« Wölfe -inzogen. Auch der Einfluß der Sonn« machte sich dadurch be merkbar, daß üöerhängende Schneelasten sich ab lösten und mit dumpfem Aufschlag in die Tiefe fielen. Peinigend für die Augen lag das blendende Licht auf dem weißen Schnee und erzeugte ein Funkeln und Flimmern, was das genaue Erkennen entfernterer Gegenstände sehr schwer machte. Hans hatte sich in den Schatten eines Felsblocks gedrückt und überschaute mit freiem Auge oder seinem Glase das vor- und seitwärts liegende, wildroman tische Hochgebirgsbild. Ueber ihn weg flogen mit gellendem Ruf ein paar Aasraben. Sie hatten ihn bemerkt, trotz der guten Deckung. Das war ihm unangenehm, ließ sich aber nicht ändern. Raben schreien auch oft aus andern Gründen. In einer Entfernung von ungefähr fünfhundert Schritten, was Lurch die klare Luft viel näher aus sah, äst« an einer Wand, zu der sich «in tiefer und breiter Graben hinauszoq, an besten Ausgang und etwas höher hinaus, wo sich noch dürftiges Grün zeigte,, ein Rudel Eemswild. Zu allen andern Zeiten würde er deren Verhalten nur mit dem Auge des Weidmanns gesehen und sich b«n stärksten dabeistehenden Bock als Beute ausgesucht haben. Heute galt die Jagd einem besonderen Wilde: einem menschlichen Raubtiere, das ohne Sinn und Verstand, aus Leidenschaft und Gewinnsucht mordet und metzelt. Aber die Gemsen, die sich sehr vertraut zeigten, hatten doch ein großes Intereste für ihn. Ihren un gemein scharfen «innen kann cs nicht entgehen, wenn sich ein Mensch ihnen auf Schußweite zu nähern sucht. Sie werden es sehr früh merken, wenn der Wind von ihm hcrweht: etwas später, wenn ihr ungemein scharfes Gehör den Schall seiner vorsichtigen Tritt« oder sonst das unbedeutendste Geräusch vernimmt. So war es hier, weil die Tiere ganz frei standen, und es deshalb nur möglich war. auf größere Schuß entfernung an sie heranzukammen. Hans wartete geduldig: es hätte keinen Sinn ge habt, weiter oorzudringen: damit würde er nur das Wild rege gemacht und einem andern den untrüg lichsten Beweis geliefert, daß dieser sich nicht mehr allein und möglicherweise beobachtet hier befand. Ein Teil der Gemsen äste sich an dem dürftig vorhandenen Grünzeug, etwelche lagen in Ruhe stellung. während «in ungewöhnlich starker Bock es sich angelegen sein ließ.'einige schwächere, die sich mit allerlei List an Las Rude! heranmachen wollten, sehr energisch abzutreiben. Plötzlich warf die alte Lcitgais den Kopf auf und trippelte mit vorgebogenem Hals unruhig hin und her, eine bestimmte Richtung fest im Auge behaltend. Was sie sah öder hörte, mußte ihr sehr verdächtig Vorkommen, denn sie ließ als Warnungssigual jenen eigentümlichen Pfiff vernehmen, den diese Tiere aus stoßen, wenn sie eine Gefahr zu erkennen glauben und bevor sie flüchtig werden wollen. Hans hatte die Gemsen scharf beobachtet. Bei dem ersten Anzeichen ihres Unruhigwerdens zuckte er zusammen und griff nach der schußfertigen Büchse. Noch ein paar Augenblicke, und es mußte sich ent scheiden. Denn weiter nach rückwärts war der Berg völlig ungangbar: tiefer hinab ist der Weg durch den Forstgehilfen verlegt: hier zur Seit« befand er sich selbst. Ter Wilddieb ist regelrecht eingekreist und wird gut tun, sich zu ergeben. Eine kurze Flucht der Gemsen in der Richtung auf den Jäger zu, der vollständig unter Wind saß, dann hielten sic an und schienen sich wieder zu beruhigen. Jede Muskel, jeder Nero des Forstgehilfen war angespannt, als er mit fast verhaltenem Atem das vor ihm liegende Gelände nach einem sich bewegen den Punkt absuchte. Lang- konnte er nichts Verdächtiges wahrnehmen. Der Wilderer verstand sein Handwerk, lag jedenfalls vorzüglich gedeckt hinter einem großen Stein und wartete geduldig, bis sich die Tiere vollständig be ruhigt hatten und er es deshalb unternehmen konnte, sich näher an sie heranzuschleichen. Die Aufregung des Jägers steigerte sich zur Un geduld, da er weder mit freiem Auge noch mit dem Glase etwas bemerken konnte, d«nn ihm schien un möglich, baß der Wilderer den Weg durch den stark vereisten Graben genommen haben sollte. Dann hatte er sich getäuscht: er hatte den Mut und die Gewandtheit des Raubschützen unterschätzt. — Ein scharfer Knall — eine der Gemsen, die sich bis zu der etwas verflachten Ausmündung des Grabens vorgewagt hatte, überschlug sich, sprang wieder auf die Läuse, brach aber zusammen und kollerte, ver endet, ein gutes Stück nach abwärts. Hans war, das Gewehr schußbereit haltend, auf gefahren und stand sprungbereit, um sich aus den Wilderer, der sich wohl gleich zeigen würde, zu stürzen. Aber er mußte wieder warten, denn der Mann verstand sein Handwerk und blieb wahrscheinlich in seiner Deckung, bis er sich überzeugt glaubte, un beobachtet geblieben zu sein. Als sich nach ungefähr fünf Minuten noch nichts zeigte, mußte Hans einsehen, daß er einen Fehler ge macht hatte, sich bloßzustellcn und etwas beschämt zog er sich wieder hinter den schirmenden Stein zurück. Möglicherweise hatte ihn auch der Wilderer be merkt und war, ungesehen wie er gekommen, den Graben hinabgeglitten, obgleich das noch ungleich gefährlicher war, als diesen zu erklimmen. Der Widerhall des Schußes, das Gepolter der Steinschläge, die durch die flüchtenden Gemsen veran laßt waren, war längst verhallt und es lagerte auf der wiiuerlichen Hochgebirgsöde eine Stille und ein Schweigen, daß der Jäger hinter dem Steine das Klopfen des eigenen Herzens vernehmen konnte. Die Ungewißheit der ganzen Sachlage, die Zwei fel, die er in sein eigenes Verhalten setzte, peinigten den jungen Mann. Eine Reihe von Plänen, was er tun, wie er jetzt Vorgehen soll, blitzte in ihm auf, die er aber ebenso rasch verwarf, denn bei der bar barischen Gewohnheit der Wilderer hätte das nur geheißen, sich, ohne den Zweck zu erreichen, in eine Todesgefahr zu begeben. Manch ein anderer an seiner Stelle würde sich wahrscheinlich nicht besinnen, die gleiche Regel zu be folgen: „Wer den Gegner zuerst erblickt, schießt zu erst." Das ging dem Hans gegen die Natur, das will er nicht. Wenn es möglich ist, sucht er den Mann zu überraschen. Gelingt das nicht, kommt es zum Kampf, dann gilt freilich das eiserne Gesetz der Selbsterhaltung, der Vernichtung des Feindes. Eine halbe Stunde mochte vergangen sein, de glaubt der Forstgehilfe am obersten, ihm zugekehrten Grabenrand eine unbedeutsame Bewegung gesehen zu haben. Vorsichtig erhebt er sein Glas und erkennt wirk- lich die Hälfte eines weißbehaarten Kopfes, der nach und nach das vor ihm liegende Gelände scharf abäuat. Jetzt wußte der Hans, woran er war: In wenig Minuten wird der Wilderer an den Eemsbock Heran gehen, um ihm mindestens die Grannenhaare, den Gcmsbart, auszureißen. Er hatte richtig gerechnet, denn gleich darauf wurde ein weißhaariger, buckliger Mann auf der Grabensohle, das Gewehr unter dem Arm, sichtbar, der. langsam und vorsichtig sich gegen das erlegte Wild zu bewegt«. (Forts, m der Morgenausgabe.)
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