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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.11.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111107028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911110702
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911110702
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-07
-
Monat
1911-11
-
Jahr
1911
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ZezugS-Prei» ssir Letvita »nd P,,,«, Snrch m«I«« Iröaer und 6p«dtt«»r, r««l täZNch tn, »au» ,«diacht « VI. «,natü t.7v Ml. »t«tt«Uakkt. B«> »nl«kn ßcttat«» n. >n- aahm«ft«Üen «Laeh.tt 7» PI. «»all, r» VN. ,t«tt<li»hrL Durch »t« V»r tnnerhald D«ut>chland» und drr deutschen N»l»nt«n »teNrlISdrl. »»„ «enaL t^U Ml. an.jcht. PoftdrftrUarld Ferner tn Belatrn, Danemart. den Donauftaaten. Italien. iru,kmduia. üttederland«. Rer- «rgen. Leftrrret«» Ungarn. Xudiand. Schweden Lchwete n Epanten. In allen übrigen Staaten nur direkt durch di« Lelchältelrell« de» Via«,» «rtzäittich. Da, L«tp,i„, Da,«blatt «Icheint »nral tiglrch. Sonn» ». Feiertag, nur morgens Adonnemenr.-illanahin« I,h,«t„«Ii» bet unteren Trägern. Filialen. Spediteure» und Annahmestellen, sowie Postämtern und Briefträgern. Vt»,,l,,rta»f,»r»t, 10 P» Abend-Ausgabe. KipMerTagMalt Lrl.-Avlchl. s 14 882 lVachtaischl«») i 14 883 (14634 Handelszeitung. Lel.-^nschl. 14 «82 (Nnchtauschlub) 14 «83 14 884 Amtsölalt des Aates und des Nokizeiamtes der Ltadt Leipzig. Lnzeigen-Prei- für Inserat* au» L«tp,tg und Umgeb«, bi« lspalttg»Petit,eile LPf-dta««Nam». »eil, l Ml. »an au»«ärt, R Ps, SleNamen llv LL. Inserat« von Vehärden im amt. lich«, lell di» Petttjeile « Vf S«lchäst»aneetg«n mU Pla»oorschrift«r t«n Preis» «rhäht. Rabatt nach Taris. Betlagegedllbr Sesams auslag» L lvck. o Tausend ertl. Postgebühr, leildetlag, duher. Festerteilt, Aufträge kännen nicht «urück. aerogen werden. Für da. Erscheinen «r vefttmmten Tagen und Plätzen wirb kein« Garantie übernommen. Anzeigen-Annahme: Iotzanni^ass« 8, bei sämtlichen Filialen w allen Ann«,«»» Eipedittone» de» In- und Au,lande» »ruck nn» Verlag »«» Fisch« « Kürstu" Inhaber: Paul Kürsten. Nedattio, nnd itzeschäst.ftellet Iohanniegass» L Haupt-Filiale Dre,d«ui Seestrog» ch 1 (Telephon *Ü2U. Nr. 309. vienslag, aen 7. Naoember !S>l. t0S. Istürgsng. IW- Unsere heutige Morgenausgabe umfaßt 18 Seite«, di« Abendausgabe 8 Seiten, zusammen 26 Seiten. Das Nngeltelltenveriilt'.erungsyLletz nach üer erven KommlMonslelu g. Ganz außergewöhnlich glatt ist bisher die Be ratung Les um,angreict)en Gesetzentwurfs über die Angestelltenversiä>erung verlausen. Zwei Sitzungs tage nahm die erste Plenarlesung in Anspruch, und in weiteren sieben Sitzungen hat die Kommission die erste Lesung beendet. Alle Befürchtungen, daß das Gesetz bcsoirdere Sclßvierigkciten machen werde, haben sich mithin nicht bestätigt, da zu erwarten ist, daß auch im weiteren Verlaufe der Verhandlungen im Reichstage keine erheblichen Hindernisse mehr ent stehen werden. In den wichtigsten Punkten hat bisher die Vor lage in der Fassung der Regierung Billigung ge funden. Von den seitens der rloinmission vorgenom- menen Veränderungen wollen wir erwähnen, daß ein Antrag, auch Bureauauaestellte in das Gesetz ein- -uschließen, gegen den Widerspruch der Regierung an genommen wurde. Jedocb wird hierüber die defini tive Entscheidung erst noch in einem späteren Sta- dium der Beratung fallen. Weiter hat die Kom mission beschlossen, daß Personen, die in ihrem Be triebe selbst Angestellte beschäftigen, dem Versiä)e- rungsgesetze nicht unterliegen. Die Befreiung der Aerzte und Tierärzte von der Versicherung wurde ausdrücklich festgestellt. Bezüglich der freiwilligen Versicherung einigte man sich dahin, daß derjenige, welcher aus der versicherungSpflichtigcn Beschäfti gung ausscheidet und mindestens 6 MouatSsätze (statt 60 nach dem Rcgierungsentwurfe) entrichtet hat, die Versicherung freiwillig fortsetzen kann. Ferner soll die freiwillige Versicherung auch Personen bis zu 10 000 Einkommen gestattet sein, sofern sie im ersten Jahre der Geltung des Gesetzes ausgenommen wird. Hinsichtlich der Wartezeit nahm die Kommission einen Zusatz an, wonach von den Beitragsmonaten mindestens 60 auf Grund einer versicherungspflich tigen Beschäftigung zurückgelegt sein müssen, ev soll sich die Wartezeit auf IbO BeitragSmonate erhöhen. Als letztere gilt auch die Zeit der beruflichen Fort bildung in einer staatlich anerkannten Lehranstalt. Bei dem Kapitel „Leistungen" wurde die Bestim mung, daß die Witwenrente neben dem Bezüge von Einkommen aus einer gewinnbringenden Beschäftig ruhen soll, soweit Witwenrente und Arbeitsverdienst der Witwe denJahrcsarbeitSverdienst des verstorbenen. Ehemannes übersteigen, gestrichen. Sonst wurden Leistungen und Höhe der Beiträge nach den Regie- rungsvorschlägen festgesetzt. Eine längere Debatte entstand bei der Frage der Organisation und der Ersatz- und Znschußkassen. Einern Anträge, die vorgesehenen Schiedsgerichte an die Oberversicherungsämter und die OberschicdSge- richte an das Neichsversicherungsamt anzulehnen, widersprach die Regierung ganz entschieden, letztere war aber mit der grundsätzlichen Zulassung von Er- satzkasscn einverstanden, jedoch sollen solche nur ge nehmigt werden, wenn sie vor dem 1. Oktober 1911 vorhanden und bei der Stellung des Antrages auf Zulassung rechtsfähig waren. In einer Resolution wird die Regierung ersucht, spätestens nach Ausstellung der ersten, am 31. De ¬ zember 1919 fälligen Bilanz eine Denkschrift über das Geschäftsergebnis und die Finanzlage vorzu legen und wegen Gewährung von Kinder-Zuschuß- reuten nach dem Vorbild der NeichsversichcrungSord- uung LaS Erforderliche in die Wege zu leiten. Am Donnerstag wird die zweite KommissiouS- lesuna beginnen, in welcher noch verschiedene Anträge und Bedenken, die zurückgclegt worden waren, er ledigt werden sollen. Stimmen zum üeutlch- krsnMMen Abkommen. Ter bekannte Montanindustriclle Kommerzienrat Klöckner-Duisburg äußerte sich auf unsere Frage über das Marokko-Abkommen unserem —t.-Mitarbeiter gegenüber wie folgt: Für ihn sei in der ganzen Angelegenheit die Hauptsache gewesen, daß die augenblickliche groß artige wirtschaftliche Entwicklung nicht durch einen Kriegsfall gestört worden sei. Bezüg lich der von der Regierung erreichten Politik der offenen Tür ist Klöckner der Ansicht, daß Deutschland recht wohl auf dieser Basis arbeiten könne. Er halte es für wichtig, daß Marokko aus den Händen des Sultans unter die Kontrolle einer zivilisierten Macht komme, und er glaube, daß die Deutschen später dort ebenso ihre Geschäfte entwickeln könnten, wie sie dies seit Jahren in Frankreich zu tun gewöhnt seien. Dem Erz vorkommen in Marokko mißt er nicht die große Bedeutung bei, wie es von manchen Sei ten geschieht. Er stellt dasselbe in Parallele vielleicht mit den spanischen Gruben, glaubt aber, daß für die nächste und weitere Zukunft Deutschland auch weiterhin hauptsächlich für seinen Erz bezug aus Lothringen, Schweden und Norwegen angewiesen sei. Mit Schweden und Norwegen hätten sich die deutschen Merke durch Ver träge auf längere Zeit hinaus verständigt, und was Französisch-Lothringen anbetreffe, so hoffe man auch dort auf eine dauernde Sicherung des Erzbczuges, zumal, da Deutschland als Druckmittel Frankreich gegenüber immer die Kokslieferung in den Händen habe. Daneben erachte er die Erzfrage in Marokko für eine pekuniäre. Imübrigenhat Klöckner, so weit man das Abkommen schon überblicken könne, das Vertrauen, daß die Regierung bei den Ver handlungen herausgeholt habe, was zu er reichen gewesen ist. Französische Preßstimmen. * Paris, 7. November. Die Veröffentlichung des Wortlautes des deutsch-französischen Abkommens bietet den Blättern Anlaß zu sehr eingehenden Er örterungen. Der „Temps" schreibt: Alle diejenigen, welche diesen Vertrag mit dem deutschen Weißbuch von 1905 vergleichen, dürften zu der Ansicht kommen, daß Frank reich, ohne seine Würde und seine Interessen zu ver letzen, Deutschland für seine Zustimmung ebenso ent schädigen konnte, wie es vorher England entschä digt hat. Das „Journal des Debats" meint: Dem Abkom men fehle es an Klarheit, Bestimmtheit und Offen heit. Allee zeuge davon, daß jeder Artikel das Er gebnis eines mühseligen Ausgleichs sei. Besonders bedauerlich sei die Fassung der beiden ersten Artikel, wonach Frankreich sich vorher mit der marokkanischen Negierung verständigen müsse. Ministerpräsident Caillaux hätte diese Klausel niemals annehmen dür fen. Er glaubte offenbar, daß der gegenwärtige Sultan und seine Nachfolger niemals imstande sein werden, eine etwaige Meinungsverschiedenheit zu äußern. Wer verbürgt das? Frankreich könnte sich eines Tags einem übelgesinnten oder Übelbeeinfluß. ten Sultan gegcnüberstehen. Frankreich ist also er mächtigt, eine politische Schutzherrschaft auszuüben unter dem Vorbehalt der ständigen Zustimmung des Schützlings. Was Französisch - Aequatorial - Afrika anlangt, so geht es aus dem Abkommen verstümmelt hervor. Unsere Folgerung ist auch heute die, daß wir be schränkte Rechte sehr teuer bezahlen, Rechte, welche uns keineswegs vor Ueberraschungen in der Zukunft schützen. Wir haben einen hartnäckigen, diploma tischen Kampf kämpfen müßen, um zu einem mittel mäßigen Ergebnis zu gelangen. Dieser Kampf darf nicht erneuert werden, er könnte den Frieden gefähr den. Darum muß das Parlament das Abkommen genehmigen ohne Zögern, aber auch ohne Be geisterung. Italiens Zustimmung. Paris, 7. November. (Eig. Drahtmeld.) Der italienische Botschafter Tittoni erschien gestern abend im Quai d'Orsay und teilte dem Minister de Sclves mit, daß die italienische Regierung dem deutsch-fran- zösischen Abkommen ihre Zustimmung erteilt habe. Oer Krieg um Tripolis. Vom Kriegsschauplätze liegen heute sehr wenig Meldungen vor. Es scheint aber, daß man auf beiden Seiten sich zu entscheidenden Schlägen vorbereitet, denn was bis jetzt geschehen ist, kann als nicht von Entscheidung angesehen werden, ebensowenig wie die von italienischer seit« erfolgte Annexion von Tri polis, die zwar den Mächten notifiziert worden ist, von Liesen aber lediglich nur zur Kenntnis genommen. Daß unsere Ansicht in bezug auf bevorstehende größere Kämpfe zutreffen dürfte, zeigt, daß man gegenwärtig möglichst Verstärkungen heranzuziehen sucht. Die italienischen Verstärkungen. Tripolis, 7. November. Verstärkungen an Mann schaften und Material treffen ständig «in. Die Stadt nimmt wieder ihr normales Aussehen an. Auf Grund eines Dekrets der Regierung wurden am 4. November die Zivil- und Handelsgerichte wieder hergestellt. Einige Regengüße kündigten den Ein tritt der Regenzeit an. Die Generale Frugoni und Dechaurand sind in Tripolis angekommen. General Frugoni hat das Kommando des 1. Armeekorps über nommen. General Taneva behält seine zivilen Funktionen und d«n Oberbefehl des qesamten Okku pationsheeres. General Pecorigiraldi behält das Kommando der 1. Division des 1. Armeekorps und General Dechaurand hat das Kommando der 2. Di vision übernommen. Türkische Vorbereitungen für einen Sturm auf Tripolis. London, 7. November. lEig. Drahtmeld.) Wie der „Standard" über Malta aus Tripoli» berichtet, soll Li« Lage der Italiener dort geradezu verzweifelt sein. Die Türken treffen die letzten Vorbereitungen um die italienische Besatzung aus Tripolis vollständig zu werfen. Wie der Korrespondent des Blattes ver sichert, find die italienischen Soldaten stark demorali, fiert, so daß es den vereinten Krästen der Türken und Araber nicht schwer fallen wird, Tripolis ganz zurückzuerobern. General Caneoa, der bisherige Obrrkommandierende der italienischen Laudtruppeu, soll zurückberusen worden sein, da die italienische Ne gierung mit seiner Kriegführung nicht zufrieden war. Die englische Regierung beabsichtigt, englische Schiffe nach Tripolis zu entsenden, sobald die Einnahme der Stadt durch die Türken bekannt geworden ist, da sie Gewalttaten der Araber befürchtet, die sich für die ihnen gewordenen Unbilden rachen werden. Zurückeroberung von Tripolis durch die Türken? London,?. November. (Eig. Drahtmeld.) Ans die Nachricht, die gestern englische Blätter aus Tripo lis brachten, daß sämtliche Jnnenforts sich in den Hän den der Türken befinden, hat der italienische Botschaf ter in London ein amtliches Kommunique veröffent lichen lassen, in dem er diese Nachrichten entschieden in Abrede stellt und behauptet, daß die Italiener nach wie vor in Tripolis siegreich sind. Demgegenüber geben verschiedene englische Zeitungen heute noch einmal die Nachricht heraus, daß die Meldungen ihrer Kriegs korrespondenten, die von dem steten Vordringen der Türken in Tripolis berichten, durchaus zuverlässig sind und daß sie gestern noch einmal die Nachricht er halten haben, daß die Türken tatsächlich immer wei tere Fortschritte in der Zurückeroberung von Tripoli» machen. Zur See scheint ebenfalls sich etwas vorzubereiten; die italienische Flotte versteht es meisterlich, ihre Manöver zu verdecken. Heute meldet der Telegraph: Flottenoperation oder Flottcnvemonstration? Paris, 7. November. sEig. Drahtm.) Verschie denen hiesigen Blättern wird von ihren röschen Korrespondenten berichtet, daß Italien nicht die Ab sicht Habs, eine kriegerische Aktion im Aegäischen Meere durchzuführen, sondern, daß eine Ausreise der Flotte nach dem Aegäischen Meer nur als Demon stration gedacht ist, um der Türkei die verderblichen Folgen ihrer Unnachgiebigkeit vor Augen zu führen. Zur Flottenaktion im Aegäischen Meer. Konstantinopel, 7. November. (Eig. Drahtm.) Aus Beirut wird gemeldet, daß die Nachricht von einer beabsichtigten oder bereits einaeleiteten Flotten operation Italiens im Aegäischen Meere in der Stadt ungeheure Aufregung hervorgcrufcn hat. Die musel manische Bevölkerung verlangt Waffen und nimmt eine Haltung ein, die leicht für Fremde bedrohlich werden kann. so) Ääln, Hochgebirgsroman von Adolf Ott. (Nachdruck verboten.) Wie einen Schlag empfand sie das: wie den Donner Les Gerichts, vor dem der, Sünder zittert und bis in die Erundvesten seines Wesens erbebt. Ihr zur Abwebr emporgeftreckter Arm sank kraftlos herab, der keuchenden Brust entrang sich ein stöhnen des Aechzen; dann sank sie, willenlos geworden, in sich zusammen. Der, d«r sie vor der unseligen Tat bewahrt hatte, war Hans Greiner, der Forstgehilfe, ihr Schwager. Auf einem seiner viel«n WaLdgänge begriffen, war er in di« Nähe L«s tiefen Gumpens gekommen, wo sich an moorigen Stellen, an warmen Herbsttagen, häufrg auch die Brunsthirsche suhlten. Der Ort war zwar unweit der letzten Wohnstätten, aber dem frechen Wilderer, der im Revier sein Un wesen trieb, war schon zuzutrauen, daß er auch hier auf ein Opfer lauern könnte, um so mehr, als die Jäger vor einiaen Tagen in dieser sonst sehr einsamen Gegend verdächtige menschliche Fußspuren wahrge nommen hatten. Von den Zweigen einer alten Fichte gut ver borgen, hatte sich der Jäger, die Suhlplätz« wohl im Auge habend, oberhalb des tiefen Gumpens an gesetzt und wartete geduldig auf das, was etwa kom men würde. Es ging gegen Abend, schon durchzogen die Schat ten der Dämmerung den Wald und das vor ihm liegende wild« Gelände. Tiefe Stille, kaum unterbrochen durch das ferne Anschlägen eines Hundes oder das Aufrrellchen der Amseln und Drosseln, di« sich um die Schlafplätze stritten. Da vernahm da, scharfe Oho de» Jägers einen Ton, der ihn die schußbereite Büchse fester fassen ließ: den Schall von hastigen, schnellen Schritten, die sich anscheinend dem Wasser zuwendeten. Hans schüttelt« d«n Kopf und lächelte unwiMür- lich. Das waren keine Mannestritte, so geht nie- mackd, der sich einem Ort mit Iaadaedanken nähert, denn er würde damit bezwecken, vag tieferstehendes Wild sofort flüchtig würde. Und trotzdem war es auffallend. Wer konnte Lier, wo nur «in schlechter Steig hevaufMrt, zu solcher Stunde etwa, -u suchen haben? Da vernahm er deutlich da« änDltche Weinen des Kinde». Den Steig, der zum Wasser führte, vermocht« er von seinem Platz au» nicht zu überblicken, deswegen stieg er tiefer hinab und konnte bald, wenn auch undeutlich, ein Weib erkennen, das ein Kind auf dem Arm trug und rasch an die Eumpe herankmn. Heber den Rücken des Forstgehilfsn lief ein kalter Schauer. Plötzlich kam ihm die feste Ueberzeugung, daß sich hier etwas Schauerliches begeben würde. Ohne sich weiter zu besinnen, eilte er abwärts; der hier dicht mit Fichtennadeln bestreute Waldbod«n dämpfte den Schall seiner Schritte, und er kam g«- rade noch richtig an, um die Lebensmüde und das weinend« Kind vor dem Tod«ssprung in das tiefe Wasser zu bewahren. Daß er hier Anna-Marie vor sich batte, erkannte er mit doppeltem Entsetzen im allerletzten Augenblick. — Hans batte das aufschreiende Mädchen unter der niedergesunkenen Mutter heroorgezogen, beruhigt und nebenan auf ein Felsstück gesetzt. Dann erst be- schäftigte er sich mit der halb Ohnmächtigen, die lang- sam zu sich kam und ihn mit wirren, erschrockenen Augen anstarrte. Plötzlich schien sie begriffen zu haben, aber der Ausdruck ihres Gesichtes war hart und trotzig. Jede Hilfe, durch eine Handbewegung zurückweisrnd, stand sie auf, blickte finster zu Bod«n und stieß fast zornig heraus: ,Was geht's dich an, was ich tun will? Jetzt wär's längst votbei. Du hast kein Recht auf mich!" In seinem innersten Wesen erschüttert, trat der Forstgehilfe an sie heran und faßte nach ihrer Hand, die sie ihm zu entwinden suchte, was ihr jedoch nicht gelang. „Anna-Marie", sagt« er mit weichem, zusprechen dem Klang in der Stimme: „Anna Marie, es muß «in jed's mit sich ausmach'n, wie weit's gehen kann. Ich bin nicht der, der richten will. Aber ich glaub' fest und heilig, daß wir das Leben, das uns Gott geben hat. nicht eigenmächtig wegwerfen dürfen. Aber! Was weiß ich. Möglich, daß es doch sein kann. Doch, was g'wiß und sicherlich eine schwere Sünd, eine Untat ist, die kein Gott uns verleiht, Las ist, wenn wir «in anderes, unschuldig'» G schöpf — bet dir da« eigen«, einzige Kind, — mitnebmen wollen auf d«n schwarzen Weg, auf dem s keine Umkehr mehr gibt." Bei der Erinnerung an das Kind zuckt« die Hand des Werb«, in der seinen. Das gab ihm Mut, weiter- zusprecken. „Ich geb'» gern zu, du trägst schwer an dei'm Leben. Mit oder ohne Schuld! Auch darüber steht mir kein Urteil zu. Geht ja den MeNfch'n soviel net 'naus, was sie sich gut und schön denkt hab'n." Ein tieker Seufzer hob die Brust des Jägers, aber er fuhr fort: „Man beißt' die Zähn' zs'amm' und tut seine Pflicht." „Hans, wenn du wüßtest, was ich trag'u muß!" schrie sie gequält auf. Er schüttelte aber den Kopf. „Mußt du wohl mit dir alleinig ausmach'n, Anna- Marie; tät dir gar nix helfen, wenn du mir alles er zählen wolltest. Selber mußt du die Kraft finden zum Durchleben. Da gidc's nir anders, als entweder Len Herrgott oder — die Pflicht. Glaub mir, ich hab's probiert und es geht, wenn man auch so die- mal meint, man müßte ausspannen und Len ganzen Karr'n stehen lass'n. Denn du bist reich gegen so viele andere; du hast dein Kind, das dich braucht, für das du weitersorg'n mußt." Der Klang der Stimme, die guten, so aus vollem Herzen kommenden Worte, fingen an, den Trotz des Weibes zu brechen. Aber die Last, die sie sich selbst auserlegt hatte, blieb auf ihr liegen. Mäg sein, daß ein Zufall oder der Selbstoerrat an den Tag bringt, daß ihr Mann zum Brandstifter und Wild dieb geworden ist. Ihr «tolz bäumt sich dagegen auf, zu seinem Ankläger zu werden, wenn er al'eich ihr ganzes Leben verdorben hat. Ja, der Hans, gegenüber dem auch sie sich schuldig fühlt, der hat das Richtig« gesagt: „Der Herrgott! — oder die Pflicht." Jetzt Icef ein Zittern und Beben durch ihren Kör per; das Gesicht zuckte unter der gewaltigen Aus- regung, und plötzlich warf sie sich, mit dem Ausruf: ,^Du bist gut, viel zu gut!" an die Brust des Jägers. Was Hans in diesem Augenblick empfand, glich in nichts dem Gefühle eines Mannes, der das Weib im Arme hält, das er einst so innig liebte, dessen Einfluß so stark gewesen war, ihn selbst und sein ganzes Schick sal in neue Bahnen zu lenken. Nur ein unendliches Mit leid durchwogte sein« Brust und ließ ihn so zu ihr sprechen, wie man ein liebes weinendes Kind be ruhigt. Als er merkt«, daß sie ruhiger wurde, löste er sanft ihr« Arme von seinem Hals und sagte schlicht und einfach: „So. Jetzt woll'n wir heimaeh'n", nahm das kleine Mädel auf den Arm und begann bergab zu steigen. Leise weinend, aber willenlos geworden, folgte ihm Änna-Marie. Sie sprachen nichts weiter. Jedes war zu sehr mit den eigenen Gedanken beschäftigt. Am Eingang zur Hofreite setzte er da» Mädel nieder, reichte der Frau die Hand, nickte lächelnd und ermunternd mit dem Kopf und ging still dann seiner Wege. Kilian, der ges;h«n hotte, daß sein Weib von dem Bruder begleitet worden war, trat ihr auf der Hausschwelle schimpfend entgegen. Da blickte er aber in ein Paar so merkwürdig hart und drohend auf ihn gerichtete Augen und be merkte in ihrem Mesen etwas so Festes und Ab weisendes, daß er unwillkürlich schwieg und fluchend die Treppe zu seiner Kammer hinaufstieg. * * * Dem Forstaehilfen war es schon zur Gewohnheit geworden, so oft es ihm möglich war, bei der Afra vorzusprechen. Der Hans verstand zwar ihr Wesen nicht ganz, wenn er an die Nacht vor seiner Wanderung in die Fremde dachte, aber trotzdem stieg das Mädels das so ernstlich bemüht war. ihren einstigen Fehltritt nicht zu wiederholen, unausgesetzt in seiner Ächtung. In gleichem Maße wurde ihm aber Afra und ihr Bub. die einzigen Menschen, an denen er mit wirk licher Freundschaft hing unentbehrlich. Wie oft kam es vor, daß er sich jetzt dachte: „Das muß ich de» Afra saq'n!" oder: „Was wird da die Afra dazu m«inenN' oder: „Was doch der Hansl für ein lieber Bub ist!" oder: „Wie könnt' ich dem Bub'n ein« kleine Freud' mach'n?" und so weiter. Er hatte sich vorqenommen, zu schweigen, brachte es aber doch nicht über sich, der Freundrn das Be- gegnis mit der Schwägerin nicht zu erzählen. Afra erschrak aufs tiefste darüber, da sie es mik der Bäuerin herzensgut meinte. Nur als der Hans behauptete: „Soweit hat's der wüste Mensch mü dem gutmütigen Weib 'bracht, daß sie sich weg«» seiner schlechten Behandlung mit dem Kind da» Leben hat nehmen wollen",' hob sie rasch den Kopf und wollte etwas sagen. Aber lie sprach nicht aus, was fie sich dachte. Ihr scharfblickendes weibliches Gefühl glaubte nicht an diesen einzigen Gruich al» di« bewegende Ursache. Daran konnte sich di« Anna- Marie nun nachgerade gewöhnt baben. Also mußt« sicher etwas vorlieaen, was die Verzweiflung de« jungen Weibes auf die Spitze getrieben batte. Aber was? Die Afra dachte viel zu rechtschaffen, um einen verdacht auszusprechen, für den sie keinen Bewet« hatte. Sie schwieg deshalb davon und bewegte sich nur in allgemeinen, teilnehmenden Redensarten. (Fortsetzung in der Movnan«abe.)
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