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Sonntag, den 28. Juni 19S1 Für christliche Politik und Kultur Olti»<l»<npk<N«t Die lgelvallen» peUIzeNe »U 4.Famsttrck an,eigen u.SIellengelnche iiO 4. Die pe»lieliame,eile. SS mn» beeil. 1 Für «injeigen aukerhaib de« »erbee»ung«geb>ele» 40 z, di, Pelllrettnme,eile l.lt«^. BU«Ig»l>.I»N 4. Jmgall« hoheree Gewalt eelilchi lebe «eipNichinng au> vielernng lowt» «elüllung v. «n,eigen- «ultrügen >1. Uetstun, d. Echadenechitz» Selchültlicher r«>l: Frau, «vuugard» Deebdu,. RedaMan de, «SchNsideu »»lldzett«»» Dre,d«n<«UlIadi L Polterstra!,« >7. Nernrni ?Ml> und»WIL. Lummer 147 — SO. Jahrgang Erscheint »mal WSchtl. niit Illnsir.Nralldbeilagen.Heimat und Keil' und der MnderbeUage ,gltr uiilre »einen venle'. sowie den Lertdeilagen .St. Benno-Blatt', .Unlerbaltnng und Will»«'. »Die dralliiche Haudtrau', .Aer,lti<her Ralgebee'. .Da» gute Buch'. Monatlicher «e,ii,-drel« '.'M) einlcht. Beltellgeld. Gtnjelnununer I» 4, Sonnabend- n. Sonntagnnnnner U« 4. vauptschrlslietter: Dr. <S. De»e,y», Dresden. SächMx 0 olkssettung tSelchitU-ftelt«, Drnttu.werlag 1 »ecmaiua. «l^G. tür «erlag >md Dnlcker« «.Filiale Dre»den, Dre»den-N.l. PolierslrabeN. FemrulLIViS. Poltichecklonio Dresden «7a». Banlkonto Gtadtbant Dresden -Ir >U7>9 Reichsfreiherr vom Stein Ein Schöpfer deutscher Größe. (Zu seinem 100. Todestag, am 29. Juni 1931.) Aon Dr. Robert Stein (Leipzig). „ I ch h a b e n u r e i n Vaterland,das heißt Deutschland! Mir sind die Dynastien in diesem Augenblick grosser Entwicklung vollkommen gleichgültig, es sind bloss Werkzeuge; mein Wunsch ist, daß Deutsch - land g r os; und st a r k werde, um seine Selb- ständigkeit, Unabhängigkeit und Natio nalität w i e d e r z u e r l a n g en und beides in seiner Lage zwischen Frankreich und Russ land zu behaupten; das i st das Interesse der Nation und ganz Europas; es kann auf dein Wege alter, zerfallener und verfaul te r F o r m e n nicht erhalten werde n." Diese Sähe schrieb der Freiherr vom Stein im Schick- salsjahr 1812; sie sind kennzeichnend siir seine Grund anschauung. Zuerst das Bekenntnis zu Deutschland; es gab damals keinen deutschen Ecsamtstaat. Es gab Preussen, Oesterreich, Sachsen, Payern usw. Bismarck betonte schross noch 1819 in seiner Landtagsrede vom 6. September in Ablehnung des Arndtschcn Liedes vom ganzen Deutsch land: „Kein preussischer Soldat singe dieses Lied"; „Ich bin ein Preusse", dieses Lied war nach Bismarcks Sinn. Der Reichsfreihcrr vom Stein aber sieht selbst in der trau rigen Zeit von 1812 mit sehnender Liebe auf das ganze deutsche Paterland. Und wie steht er zu den Herrscher häusern? Sie sind ihm in dem grossen geschichtlichen Augen blick „vollkommen gleichgültig, bloss Werkzeuge". Wir fin den ähnliche Aussprüche bei Görres, auch bei Arndt; aber beide waren Bürgerliche, beide halten sich begeistert an den Freiheitsreden der französischen Revolution. Stein aber stammte aus altem Adel, war in den Gedankeugängen der Adclserbrcchte ausgewachsen; hatte dann freilich genug er lebt und gesehen, so das, er scharfe Worte gegen damalige Fürstenhäuser fand. Und wie? Der durch und durch deutsche Ncichsfrei- herr spricht nicht nur vom nationalen Interesse, spricht vom Interesse Europas? In der Tat, er sieht über die Grenzen des eigenen Landes und Bolkes hinaus. Er denkt als moderner Geist, das Interesse Europas ist ihm eine wichtige Angelegenheit. Im selben Jahre 1812 schlägt er vor, Dänemark aufzuteilen, weil „es für die gro ben Interessen Europas nichts getan hat." Wenn schon einige Jahre vorher der Kulturphilosoph Friedrich Schlegel mit seiner Zeitschrift „Europa" ähnliche Gedanken vcrsocht, so wurde und wird er von manchen als Romantiker abgetan; Stein aber, der Mann der Tat, stand mit harten Forderungen auf dem Boden der rauhen Wirklichkeit und — denkt Europa. Das soll ja bei dem jetzigen Stein-Jubiläum nicht vergessen werden! Stein spricht davon, Deutschland müsse sich zwischen Frankreich und Russland „behaupten". Frankreich, zunächst Napoleon, ist für Stein selbstverständlich der Feind; aber cs ist doch erstaunlich, das; Russland in einem Atem neben Frankreich genannt wird. Dieses Frankreich ist ihm „der ewig, unermüdliche, zerstörende Feind". Rußland kennt er als ein Land unermesslicher Kräfte, uud so emp findet er, das, sein Deutschland es schwer hat, sich zwischen diesen beiden Neichen zu „behaupten". Was war der Freiherr vom Stein? Der schärfste, ge waltigste Gegner Napoleons und der Führer unseres Bol kes zu einer neuen Zeit. In seinem unermüdlichen, uner bittlichen Kampfe gegen die napoleonische Gewaltherr schaft in Deutschland fand Stein gleichgesinnte Männer, von denen gewöhnlich Ernst Moritz Arndt an erster Stelle genannt, der auch in der Tat als anfeueruder Dich ter und Flugblattversasser große Perdienste hat; aber unter den gleichgesinnten Männern wurde oft genug nicht und wird auch jetzt noch nicht genug Görres ge nannt, der durch seine berühmte Zeitung „Rheinischer Merkur den Ehrennamen „die fünfte Großmacht (wider Napoleon) erhielt. Das vaterländische Wirken all dieser Männer fand im Volke Widerhall, und so wurde der fran zösische Gewaltherrscher schließlich besiegt und Deutschland befreit. Die neue Zeit, zu der der Freiherr vom Stein unser Volk führte, war die Zeit der persönlichen Freiheit, der Gewerbefreiheit, der Freiheit des Güterverkehrs, der Selbstverwaltung der Städte. Früher, auch noch im Staate Friedrichs des Großen, des Philosophen von Sanssouci, und seiner Nachfolger, gab cs die Leibeigenschaft; so waren in Preußen zwei Drittel der gesamten Bevölkerung t« Eutsuntertimigkeit. Die adeligen Gutsherren herrsch- Frankreich beharrt Ministerpräsident Laval vor der Kammer — Die Abstimmung Antwort auf die Kanzlerre-e Paris, 27. Juni. Heute früh kurz nach 6 Uhr nahm nach langer Sitzung die französische Kammer mit MN gegen 18V Stimmen die von der Negierung gebilligte Entschließung an: „Die Kammer billigt die Antwort der französischen an de,, Präsidenten der Bereinigten Staaten. Sie rechnet damit, dass die Regierung die Unantastbarkeit der lm Haag von sämtliche« Signatarmächten des Poungplans angenommenen ungeschützten Annuitäten sowie die Notwendigkeit einer Politik des Friedens und der wirtschastlichen Zusammenarbeit sichern wird. Sie lehnt jede« Zusatz ab und geht zur Tagesordnung über." Zn der Nachlsitzung der Kammer nahm kurz vor der oben gemeldeten Abstimmung Ministerpräsident Laval das Wort zum Hoover-Plan. Insl>esondere ging er auf die Rundfunkrede Dr. Brünings ein Er führte u. a. aus, die Regierung hätte eine energische Note gemäß dem Reflex eines Volkes, das so viel ge litten habe, und das sein Recht nicht verkannt wissen wolle, aufsetzcn können, er sei aber nicht sicher, daß man damit gut getan hätte. Hätte man etwa kurzerhand den Vorschlag Hoo vers ebenso annehmen sollen, wie die anderen Großmächte es bereits getan haben? Die Kammer würde das nicht zugelassen haben Die Regierung habe deshalb die von ihr gewählte Me thode vorgezogen. Präsident Hoover habe eine vorbehaltlose Zustimmung gefordert, dje französische Regierung jedoch ein mütig ein« Antwort mit Borbehalten abgefaßt. Jetzt handele es sich darum, ob man gut oder schlecht gehandelt habe. Wenn Deutschland nicht mehr durch den amerikanischen Vorschlag ge schützt werde, werde es mit einem Moratorium an Frankreich herantreten. Der Finanzminisler habe aber auseinandcrgesetzt, daß der abgeänderte amerikanische Vorschlag für Frankreichs Finanzen weniger schädlich sei als das Moratorium. Eine an dere Hypothese wolle er nicht ins Auge fassen. Das Problem sei so heikel, daß er nicht zögere zu erklären, wenn die Kammer die Regierung stürze, würde die kommende Negierung, falls sie die Interessen Frankreichs nicht verraten wolle, mit Amerika auch nicht brechen. Amerika habe übrigens kein Ultimatum an Frankreich ge richtet. Niemals hätten die Vereinigten Staaten an Frankreichs Adresse eine beleidigende Forderung gestellt. Man habe behaup tet, Amerika dürfe, wenn es auch Deutschland stütze, nicht in die Angelegenheiten Frankreichs eingreisen. - Vor zwei Tagen habe nun in einer Rundfunkrede der deutsche Reichskanzler einen Appell an Frankreich zur Zusammenarbeit gerichtet. Er antworte auf diesen Appell. Briand habe Herrn v. Hoesch gesagt, daß die französische Regie rung Dr. Brüning sowie Dr. Curtius bitten würde, so schnell wie möglich nach Paris zn kommen. Er wisse auch, wie er mit Brüning zu sprechen haben iverde. Die heiligen Rechte Frankreichs würden verteidigt werden. Als Frankreich sich 192» in einer noch viel kritischeren Lage befunden habe als Deutschland heule, habe man nicht an auswärtige Hilfe appel liert. Frankreich habe sich die. notwendigen Opfer auferlegt. Dcutfchland wende sich nun an Frankreich. Frankreich habe gegenüber Deutschland eine Politik der Zusammenarbeit bc trieben. Er meine nicht, daß der Augenblick gekommen sei, auf diese Politik zu verzichten. Deutschland erlebe schwierige Tage. Es werde in Frankreich unter gewissen Bedingungen die not wendige Unterstützung finden. Die Regierung werde dem Reichskanzler sagen, damit diese Politik europäischer Zusammenarbeit eine günstige Entwicklung nehmen könne, müsse die gegenwärtig über Deutschland lagernde dunkle Atmosphäre verschwinden. Zwischen der Slahlhelmkundgebung und den gegenwär tigen Forderungen bestehe ein großer Widerspruch. Die Regierung iverde dem Reichskanzler weiter sagen, daß Frankreich entschlossen sei, Deutschland zu Hilfe zu kommen, unter der Bedingung, daß die 1v Milliarden, um di« da» deutsche Budget erleichtert iverden würde, nicht zu Rüstungen gegen Frankreich oder gegen den Frieden dienen. (Lebl). Bei fall.) Die Regiernng werde Dr. Brüning ferner sagen — und das sei bereits Präsident Hoover erklärt worden, daß die Stim- ninng der öffentlichen Meinung Frankreichs sowie die heutige Kammersitzung bewiesen, daß die Regierung nicht ungestraft mit der Empfindlichkeit eines Landes spielen könne. sLeblx Beifall.) Laval fuhr fort: Um ihre Pflichten erfüllen zu können, wird die Regierung gegenüber dem Reiklpskanzler keine Sprach« führen, die der Würde des deutschen Bolkes Abbruch tut. Sl« will, daß diese beiden großen Völker die wohltuenden Gesetze des organisierten Friedens sLebh. Beifall) wicdersinden können. Laval richtete zum Schluß einen dringenden Appell an di« Kammer, wohl zu überlegen, daß sic nicht für die Regie ung, sondern siir Frankreich zu stimmen habe. Es gelie um ein natio nales Interesse, und die Kammer iverde sagen müssen, ob Frankreich morgen die Verhandlungen einsteilen solle. Amerika und die französischen Gegenvorschläge London, 27. Juni. Der Washingtoner Korrespondent der Times erklärt, di« französische Anregung, die 24 Millionen Pfund Sterling ungeschützter Zahlungen zu Krediten nicht nur an Deutschland, sondern auch an andere mitteleuropäisch« Staaten zu geben, stelle ein« Abweichung von dem Hooverpla« dar, die zu schwerwiegend sei. als daß sie sür die amerikanisch» Regierung annehmbar sein könnte. Um diese Klausel würde» sich die Verhandlungen in Paris zwischen der französischen Re gierung und Mellon bewegen und auch Stimson iverde sich da mit befassen. Nach Ansicht des Nenporker Korrespondenten de» News Chronicle wird die amerikanische Regierung Vor schlägen. daß wenn andere Länder durch den Ausschub der Reparation»,Zahlungen in Schwierigkeiten geraten, eine gemein same Anleihe siir sie durch di« Bank von England, die Federal, rescrvc Bank, die 2tank von Frankreich nnd die BIZ. heraus- gebracht werden solle. Herald Tribüne schreibt, die Antwort bestätige die Voraus sagen. Sie enttäusche die Hoffnung, daß eine unmiilelbar» Uebereinstimmung erreicht werDe. Andererseits bleibe wahr scheinlich die Tür nicht verschlossen, so daß durch eine Verstän digung die wesentlichen Züge des Hooverschen Planes gewahrt blieben. In untrarleiischer Würdigung des französischen Slang« Punktes salile berücksichtigt iverden, daß Frankreich mehr al» jedes andere Land unter dem Krieg« gelitten lmbe, und daß ein einjähriger Verzicht auf die deutschen ReswrgtionsZahlungen siir Frankreich ein größeres Opfer bedeute als für irgend ein anderes Land. Frankreichs Zögern sei daher verständlich. Set auch die sranzösiscl»« Wirtschaft verhältnismäßig sich selbst ge nügend, so brauche Frankreich doch nicht daran erinnert zu werden, daß ein finanzieller Zusammenbruch In Dentschlan» ihm schiießiich weit teurer zu stehe« komme» werde, als ein zeitweiliger Aufschub der Reparationszahlungen. Diese Er wägung, der sich die übrige Welt augeschlossen halx', werd« tvahrschcinlich Frankreich dahin bringen, eine Vereintmrung an. zunehmen, die auch der amerikanischen Regierung annehmlmr crscl-eint. Dies bedeute ein ge wi sses Zu rück gehen v o n d e m i n d e r f r a n z ö s i s che n N o t e v e r t r e te n e n Standpunkt. tcn fast unumschränkt über ihre Untergebenen. Stein drang ans die Ablösung der Frondienste und auf die Beseitigung der Abgaben an die Eutsherrschaften. Die Freiheit des Güterverkehrs bestand im Gegensatz zu früher in dem Rechte für jeden ohne Unterschied des Standes, jedes be liebige Gnt erwerben zu dürfen. Die Städte wurden vor den Steinschen Maßnahmen von königlichen Beamten, von denen sie ganz abhängig waren, verwaltet; nun regelten die Städte ihren Haushalt, ihr Schul- uud Armcnwesen selbst; die Selbstvcrwaltungseinrichtungen des Landes wurden zwar auch schon vom Freiherrn vom Stein in Aussicht geuommen, aber erst viel später durchgesührt. Eine wichtige Neuerung Steins war endlich die Umgestaltung der obersten Staatsverwaltung; an Steile des geheimen Kabinetts des Königs trat das Staatsministerium mit Fachministern für das ganze Königreich. Die einzelnen Provinzen erhielten Obcrpräsidentcn, die unter dem Staatsministerium standen. Nach dem Urteile des großen Geschichtsforschers Ranke ist Stein auch der geistige Ur heber der Land- und Reichstage, des' sogenannten Neprä- sentativsystems. Diese Reformen wurden, nachdem Stein als Minister gestürzt war, vom Freiherrn von Hardenberg fort geführt; ferner ging neben dieser staatlich bürgerlichen Neuordnung eine Heeresneuordnung einher, die Scharn- horst und Gneisenau durchsetzten. Manches wurde später zunächst wieder rückgängig gemacht; aber die alte Zeit ließ sich trotz aller offenen und heimlichen Kämpfe der Gegner Steins nicht wieder zurückbringen. Der Freiher vom Stein wollte das Bolk, das sich zum Teil schon mündig fühlte, vollends mündig machen; er erstrebte mit seinen Mitarbeitern die lebendige Teilnahme des ganzen Bolkes am öffent lichen Leben. Die neuen Rechte sollten einen tatkräf tigen Gemcinsinn und opferfreudige Vaterlandsliebe zur Entfaltung bringen. Die sittliche Wiedergeburt Deutsch- lauds bereitete sich nicht zum wenigsten aus einigen Hoch schulen vor, wo die deutsche Jugend von begeisterten Pro fessoren zu den mittelalterlichen nnd anderen Quelle« deutscher Kraft, Kultur und Sitte zurückgcsührt wurde, wie besonders in Heidelberg, wo Görres mit sei» nen Romantiker-Freunden und andern fortschrittliche«