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Unbeantwortete Vriefe Ein Zeichen unserer Zeit: Der Brief ist heute weniger Ausdrucksmittel einer Ueberzeugung, eines Gefühles und eines Glaubens, als Uebermittler einer Nachricht, in der kurz einige wichtige Mitteilungen gemacht werden, Im vorigen Jahr hundert wurden lange Briefe geschrieben, die uns oft genug einen Blick in die Seele unserer Eltern und Vorfahren gestatten. Viele dieser Briese find heute zufammengcfaßt und in Buch form hcrausgegeben worden. Man denke etwa an die Briese Beethovens. Mozarts, Feuerbachs. In ihnen spiegelt sich eine Epoche, eine Kultur wieder. Man verwandte damals viel Zeit aus das Briefejchreibcn, trotzdem die Technik des Schrei bens weniger entwickelt war als heute. Man schrieb beim Kerzenschimmer, oft begnügte man sich sogar mit Mondlicht. Elektrisch Licht war unbekannt, und solche pompösen, riesen großen Schreibtische, wie sie heutzutage fast in jedem bürger lichen Haushalt stehen, gab es ebenfalls nicht. Aber die Bries schreiber von damals hatten Geduld und jene Ruhe, die uns vor allem im Gewühl der Großstadt abhanden gekommen ist. Ferner war ja auch früher das Zeitungswesen noch längst nicht so entwickelt, und mehr als heute war man aus persön liche Berichte angewiesen. Der Brief ist heute, wie schon oben gesagt, hauptsächlich Uebermittler einiger kurzgcfaßter Nachrichten. Ja, sogar der Liebesbrief ist kürzer und sachlicher geworden. Und trotzdem gibt es heute genug Menschen, denen das bißchen Briesschreiben ein Greuel und eine unangenehme Arbeit ist. Bei diesen häufen sich die unbeantworteten Briese auf ihren Schreibtischen und in ihren Schubfächern. Da können schreibsrcudigere Briesschrcibcr unendlich lange Zeit auf Beantwortung ihrer Briefe warten. Eine Entschuldigung wird immer wieder ange führt: ..Ich hatte keine Zeit". Das stimm, ja nun auch in vielen Fällen. Zur Beant wortung eines Brieses braucht man schon einige Zeit, und wenn man sich gerade Zct nehmen wollte, kam sicher etwas de,zwischen. Und doch ist es gut, und vor allem auch ein Akt der Frcmndschast und Gefälligkeit, wenn man Briefe nicht zu lange unbeantwortet läßt. Man darf nie vergessen, daß einer aus Antwort mit Spannung wartet, daß aber allzulanges Warten ungeduldig macht und schließlich zur Verärgerung führt. Es gibt allerdings Briefe, deren Beantwortung uns schwer fällt. Das find jene faden, nichtsjagenden konventionellen Briese, wie sie uns oft genug ins Haus flattern. Da ist cs ost eine unangenehme Aufgabe, zu antworten. Aber das gesell schaftliche Leben legt uns eben halt Pflichten auf, derer wir uns schwer entziehen können. Wir sollten es uns zur Regel machen, wichtige geschäftliche Briefe, sowie irgendwelche Anzeigen familiärer Art, postwen dend zu beantworten. Zur Beantwortung längerer Briefe sollten wir von Zeit zu Zeit einen Abend oder einen ruhigen Snntagnachmittag bereit halten. Aus einen lieben Bries mit einer Postkarte zu antworten, ist geschmacklos, und zeugt bei. nahe von Undank. Troß aller Sachlichkeit sollten wir uns be- mühen, auch ab und zu einen wärmeren und mitteilsameren Bries zu schreiben. Unsere Eltern oder Kinder, unsere Freund« oder sonstigen Bekannten werden cs uns sicher danken. Sind wir selber eifrige Briesschreibcr, so sollten wir nicht ärgerlich sein, wenn unsere Briese einmal unbeantwortet blei ben. Denn abgesehen von Zeit, verlangt ein Bries auch eine gewisse Bereitschaft zum Sckreibcn. Und zu dieser Bereitschaft können sich gerade in der heutigen Zeit so viele schwer ent schließen. Stärker als beim Manne ist meistens bei der Frau diese Bereitschaft zum Schreiben. Die Frau ist mitteilsamer als der Mann. Daher kommt cs auch in vielen Familien vor. daß fast die ganze Korrespondenz von der Frau erledigt wird, und der Mann höchstens einmal seinen Namen unter irgend einen Bries setzt. 6—«. Sine satirische Betrachtung Krauses kommen heute nach dem Abendessen, es ist schon alles vorbereitet — Mutter hat sich redlich tummeln müssen, daß alles klappte. Der Heringssalat steht kalt und das Bier auch — na, und die belegten Brote, solche Stullen gibts bei Krauses nie, und alles ist zur Zeit fertig und dabei war das Emilchcn heute f o ungemütlich. Jeden einzigen Tag be müht man sich um ihn schleppt ihn überall herum, auch wenn der kleine Rücken fick noch nicht gerade halten will (der gewöhnt sich schon an s Eeradesitzen!), denn der Stolz des Hauses zählt erst vier Monare — f^eine Lungen könnten gut und gern vier Jahre alt sein!). Emil weiß, was -r will, nämlich sehen, und nicht stilleliegcn, und so zeigt man ihm eben alles, was er der einst einmal haben wird, Zimmer und Küche und Lampe und Bild, und stets sagt man unermüdlich: „da, da" und „guck, guck", und der kleine Emil gluckst vor Freude und ist überhaupt weit klüger und geweckter, als es Krauses Trina mit vier Monaten war. Und wenn man immer so schön mit Emilchcn hcrumwandert, bis der Mutter der Arm fast abbricht, so könnte er doch ein mal ein Einsehen haben und stilliegen wenn man für Krauses so viel zu tun hat, aber nun ist er — dem Himmel sei Dank — «ingeschlasen Endlich hat Singen und Schaukeln und Wiegen genügt: der Herr des Hauses, Emil, geruht zu schlafen. Jeßt schellt's: Der zweite Herr des Hauses, der Vater kommt heim schnell umgezogen, gewaschen eine Stulle als Grundlage heruntergeschlungen, und nun, in Erwartung der Gäste, geht man zu dem schlummernden Ebenbild. „Schade, jammerschade", sagt der Vater, „daß er heute schon um achte schläft, sonst ist er doch um zwölfe manchmal noch ganz munter!" ,Ach, Männe", sagt Mamachen, „laß uns Gott für die Aus nahme danken, sei froh, daß er schläft." „Denk' doch bloß mal, wie das Kind intelligent ist und nach allem verlangt", und Krause wird dann muksch, weil doch Emilchcn immer gleich die Hauptperson ist und nicht er " Na, Krauses kamen, alles wurde für gut befunden, das Bier war n bißchen zu kalt geworden, der Salat, meinte Mutter Krause, hätt' können n', Stich, n u r n' Stich Essig mehr haben, die herrlichen Stullen wurden ohne besonderen Kommentar ge futtert, was Mutter furchtbar kränkte fj o 'ne Stullen und kein Wort darüber verloren!), und dann kam man aus die Kin der z» sprechen, daß Irina geradezu ein Wunderkind wäre, man hätte es ja immer gewußt, und die Lehrerin ließe sie ja auch nur deswegen ein Jahr länger in der Klaffe, damit der Geist, dieser Trina eigentümlicher Geist, etwas ruhen könne und dann — dann kam der große Moment, wo man sich zu Emilchcn begab, und wo der strahlende Vater in überströmendem Elücks- gesühl das Prachtkind hochnahm und ihn selig Vater Krause zur Bewunderung überreichte Daß der Prinz brüllte, wie gestochen, was war da schon dabei? Hätten wir nicht auch gebrüllt, wenn wir so mitten in der Nacht plötzlich liebenswürdig fein sollten, aus dem dicksten Schlaf heraus? Daß aber Vater Krause nun solch' ein Gesicht zog, weil der kleine Emil seine Weste — na ja, wie das eben so ist, dafür sand Mutter einfach keine Worte Wenn Emilchcn erst einmal erwachsen, und Goethe, Schiller oder Einstein würde, ja, dann würde Pater Krause noch stolz sein auf diese Er innerung. Und dann wurde das Kind sehr gemütlich, es ging von Hand zu Hand, der Lautsprecher jazzte, und man sang lustig mit, und der Junge, nein, der Junge, der krähte geradezu vor Vergnügen, besonders, als er mal am Vierglas hatte lecken dürfen. Das war Emilchcns erste Gesellschaft. — Eltern macht's nicht nach! — Die Folgen, ja — wer kann die Folgen prophe zeien? KIse /XIKvn. Ihr, besungen, tausendfach, Wälder, Felder, Fluß und Bach, Vogelsltig und Faltertanz, Wolke, Wind und Sonnenglanz: wieder durch der Sinne Tor zieht herein im Jubelchor, daß ihr ewig neu erlebt immer höher euch erhebt bis zu jenem Zauberkreis, wo die Seele nicht mehr weiß, ob das Eliick der Erde singt, oder ob der Himmel klingt! Lurt Lrlob