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Sette 2. Nr. lS7. Nveno-Nusgavr. Letpztger LagedlaLt. das traurige Stichwahlergcbnis in keiner Weik geschmälert werden kann." Die der Reichspartei nahestehende „Tägliche Rundschau" urteilt ähnlich, warnt aber vor kurzsich tiger Vergeltung: „Der Hinsall des Atzrhllrcises an die Sozial demokratie war nach Lage der Dinge leider zu kejürchten, wenn auch nur ein kleiner Teil der fortschrittlichen Wähler sich durch das Berliner Orakel verjähren lieh, für den Ge nossen Rüssel einzutreten oder auch nur beiseite zu stehen, statt ihre nationale Pflicht zu tun. Und jo hat die Parteileitung der Freisinnigen Volls partei das Ziel erreicht, das Ziel ihrer Verbohrt heit, nicht ihrer politischen Klugheit. Furcht bar komisch aber ist es, wenn Eiferer auf der anderen «eite seht schon wieder vorschlagen, sie dadurch zu beit rasen, daß man sie — nach ahmt, indem man gegebenenfalls einen armen Schlucker von Freisinnigen gegen einen Sozialdemokraten im Stich lässt. Eine Kurzsichtigkeit, die durck>aus nicht sehen kann, datz auch in der Politik zweimal zwei vier ist. Die „Vossische Zeitung" schreibt: „Mit Borna Pegau geht seit den Hauptwahlen der Rechten das f ü n s t e M a n d a t ver loren, während zwei Maildate von der Linken nicht gehalten werden konnten. Bei den seither immer unsicheren Mehrhcitsverhältnissen im Reichstage bedeutet der sozialdemokratische Wahl sieg zweifellos einen wichtigen Gewinn für die dem schwarz blauen Block gegeniibcrstchcnde Linke." Auch der „Berliner Börsen-Lourier" begrüßt die Stärkung der Linken: „Dieses Resultat wird in allen aufrichtig libe ralen Kreisen mit Genugtuung ausgenommen werden. War es auch leider nicht gelungen, den liberalen Mandatsdewerber in die Stichwahl zu bringen, jo ist es doch wenigstens erreicht, einen jo ausgesprochenen Reaktionär wie Herr v. Lie- bert aus dem Reichstag jernzuhalten. Bor allem aber ist die erneute Stärkung der Lin- k e n des Reichstages durch die einsichtige Haltung der Fortschrittlichen des Wahlkreises Borna- Pegau ein Ergebnis, das nach dem konservativen Siege von Jerichow notwendig war und zugleich geeignet, die auslebende Hoffnung der Re aktion, die Scharte vom Januar 1912 auszu wetzen, rechtzeitig zu dämpfe n." Die „Berliner Morgenpost" faszt ihr Urteil in folgende Worte zusammen: „Die Bedeutung der Wahl von Borna-Pegau geht weit über die Tragweite einer sonstigen Ein zelwahl hinaus. Die Niederlage des Reichspartei lers v. Liebcrt bedeutet nicht nur eine Verstärkung der durch die Verluste in Offenburg und Jerichow geschwächten Linken, sondern auch eine Dämp fung des schier unerträglich gewordenen Uever mute s unserer Militaristen, zu deren hervorragendsten Führern der nunmehr Hinausge wählte Reichsverbands-Gencral gehört." Sehr bemerkenswert ist endlich die Feststellung des „Vorwärts", dasz der Sieg der Sozialdemokratie ihren eigenen Reserven — wir wiesen schon heute morgen auf eine entsprechende Aeuszerung der „Leipz. Bolksztg." hin —, zu verdanken ist: „Den groszen organisatorischen Erfolg der Roten Woche krönt die Wahl des 111. Sozial demokraten. Die Sozialdemokratie marschiert, stetig und unaufhaltsam dringt sie vorwärts und nie erwies sich der Trost der Gegner über unseren Niedergang läppischer als heute. Seit den letzten Reichstagswahlen hat die Sozialdemokratie zwei Mandate neu erobert, neben Borna das von Luckenwalde. Und in Jerichow, wo wir das Man dat des Genossen Haupt einbüßten, war cs nicht unsere, sondern der Literalen Niederlage. Mit um so gröfzerer Befriedigung können wir uns des Sieges von Borna freuen, als wir das Mandat vor allem der eigenen Kraft verdanken. Hatten wir schon in der Hauptwahl unsere Stim men um 509 vermehrt, jo sind die 2210 Stimmen, die wir jetzt in der Stichwahl dazugewonnen haben, f a st ausschließlich eigenen Re serven zu verdanken, während auf den Herrn v. Liebcrt, schlechterdings den schlimmsten Reak tionär. mehr als zwei Drittel der liberalen Stim men sielen." , politilette Ueberliettt flus -em reichslän-isthen Parlament. Die reichsländijchc Erste Kammer stimmte der Vertagung des Landtags bis zum 17. November zu. Dann fand die dritte Le sung des Etats statt. Abg. Blumenthal kritisierte den Erlajz des Oberschulrats betr. den Gebrauch der deutschen Sprache an den höheren Schulen, der im Lairde Aufsehen und eine gewisse Erregung hervorgerufen habe. Staatssekretär Graf Roedern erwiderte: Der Vorredner hat selbst er klärt, datz er mit dem materiellen Inhalt des Er lasses im wesentlichen einverstanden sei. Schon das Berechtigungswesen und di« Frage der Examina zwingt uns, der Praxis der anderen Bundesstaaten zu folgen. Es handelt sich um ein Internum der Schulverwaltung. Ich kann nur meinem Be dauern darüber Ausdruck geben, da» ein solches Internum anscheinend von einem höheren Beamten in die Zeitungen gebracht worden ist. Wir werden uns das Recht über das Verhalten der Lehrer in der Schule zu wachen, nicht nehmen lassen. Ich habe volles Vertrauen zu den Direk toren und Lehrern, datz jie den Erlatz richtig ver standen haben und anwenden werden. In der Nachmittagssitzung der reichsländsschen Zweiten Kammer begründeten die Redner des Zentrums, der Lothringer und der Liberalen Anträge, nach denen die Regierung ersucht werden soll, sich dajür zu verwenden, dasz Elsaß-Lothringer«, di« bis zum Jahre 1800 wegen Verletzung der Wehrpflicht bestraft worden sind, die Strafe, soweit sie nicht bereits verdutzt, verjährt oder er lassen ist, im Hinblick auf die in der inzwischen ver flossenen Zeit eingetretene Aenderung der Verhält nisse in Gnaden erlassen werde. Ver Rochette-fiusjchuß. Wie aus Paris telegraphisch gemeldet wird, er klärte Briand in der Nachmittagssitzung, er sei Justizminister gewesen, als Röchelte vorüber gehend freigelassen wurde. Die Frei lassung sei gewährt worden trotz Ein spruchs des Ministeriums und der Staatsanwalt schaft und habe einem Wunsche entsprochen, den die Untcrsuchuidgskommission in einem Bericht aussprach, in dem sie die Haltung des Gerichts Röchelt« gegen über als zu hart fand. Der Gerichtshof glaubte, Röchelte in Freiheit setzen zu müssen, der diese Ge legenheit benutzte, um neue Betrügereien auszusühren. Als Röchelte sah, datz er verhaftet wer den würde, habe er sich nach Mexiko begeben, indem er hoffte, datz er nicht ausgeliefert werden würde. Damit war das Verhör beendet. Heute wird die Kommission wieder zusammen treten, um die Schlussfolgerungen auszuarbeiten. Die Airsichten über die Methode, die da bei beobachtet werden soll, sind geteilt. Iaurös ist dafür, datz der Ausschutz eine vollständige Dar stellung geben soll, während Lefevre es als zweck- mätzig erachtet, eine Reihe Fragen festzustellen, welche der Ausschutz gleich Geschworenen einfach mit ja oder nein zu beantworten hätte. Der Ausschutz wird zwischen diesen beiden Methoden zu wählen haben. — Der „Matin" veröffentlicht ein vom 25. März datiertes, angeblich mit der Unterschrift Rochettes versehenes Schreiben, das gestern dem Obmann des Untersuchungsausschusses zugekommen sei und folgende Erklärung enthalte: Der Herausgeber des „Rappel", Dumesnil, habe am 23. März 1911 erklärt, datz der Finanzminister Taillaux durch den Advokaten Maurice Bernard zu erfahren wünsche, ob ein Ersuchen um Aufschub normal oder ungewöhnlich wäre. Taillaux wolle dies wissen, bevor er den Ministerpräsidenten auf die Unzuträglichkeit einer lärmenden Finanzdebatte aufmerksam mache. Hierauf habe er, Röchelte, seinem Advokaten mitgeteilt, datz der Aufschub sicher bewilligt würde, wenn der Ge richtspräsident darum ersucht würde. Da Rochette sich gegenwärtig in Mexiko befinden soll, wird das Schreiben allgemein als eine offenkundige Fälschung angesehen, doch scheint es von einem Eingeweihten verfatzt zu sein. — Man glaubt, datz die Kammer am nächsten Mittwoch die Ergebnisse des Untersuchungs ausschusses erörtern und datz am Donnerstag die Parlamentssession geschlossen wird. Hierzu wird uns von anderer Seite aus Paris berichtet: Ein Bries Rochettes. Das unwahrschein liche Gerücht, das am Donnerstag abend in der Kammer und aus den Redaktionen der Blätter zir kulierte, hat sich b e st ä t i g t. Rochette, der flüch tige und seit Jahren von L«er Polizei gesuchte Schwin- dclbankicr, den man schon längst jenseits des grotzen Wassers in Sicherheit glaubte, hat an den Präsiden ten der Untersuchungskommission JaurLs einen Brief geschrieben, mit dem er Licht in die dunkle Affäre verbreitet. Die geheimnis volle Persönlichkeit, die dem Advokaten Bernard im voraus versicherte, datz die Forderung auf Vertagung des Prozesses von den Justizbehörden be willigt werde, und in der die öffentliche Meinung Taillaux oder Monis, ja sogar den Präsidenten Poincarö vermutete, ist niemand anders als Rochette selbst. Der Brief Rochettes beginnt fol. gendermatzen: „Herr Präsident! Ich habe in den ,ranzösischen Zeitungen gelesen, zwei Männer l Monis und Cail- laux, werden von den Errichten bedroht. Ihre Ehre und ihre Freiheit stehen auf dem Spiele. Infolge von Umständen, die ich nicht näher angeführt habe und die ich niir noch Vorbehalte, will ich Ihnen den lang gejucht en Schlüssel zu der Affäre lie fern." Rochette erzählt dann in allen Einzelheiten, wie er anläßlich seines ersten Prozesses in Beziehun gen zu dem Direktor des „Rappel", Dumesnil, getreten ist. Rochette hatte damals bereits verschie dene Versuche unternommen, eine Vertagung des Prozesses zu erreichen. Eines Tages erschien er bei Dumesnil und überreichte diesem ein finanz- ht st arisches Buch über die Placierungen und Emissionen, die die französische Regierung von 1899 bis zum Jahre 1910 vorgcnommen hatte. Rochette erklärte dem erstaunten Direktor des „Rap. pel", datz er beabsichtige, einen Anhang zu dem Werke zu schreiben, um nachzuweiscn, datz alle Placierungen Frankreichs durchaus verfehlt gewesen seien und dies einen Verlust von über 10 Milliarden Frank für d-as französische Nationalvermögen bedeute, während im Gegenteil in der gleichen Zeit England und Deutschland durch andere Placierungen ihr National vermögen um 17 Milliarden erhöht hätten- Du mesnil war darüber aufs äußerste erregt und erklärte, datz er t«m Finanzminister Taillaux davon Mitteilung machen werde. Taillaux sah offen- lmr ein. datz diese Information in den Händen eines geschickten Advokaten eine furchtbare Waffe gegen die Negierung werden könne, und war mit der Vertagung des Prozesses einverstan- den. Rochette erfuhr davon und konnte infolgedessen dem Advokaten mit aller Bestimmtheit im voraus sagen, datz eine Forderung auf Vertagung des Pro zesses Erfolg haben würde. Am Schlüsse seines Briefes versichert Rochette, datz er niemals in direk ter oder indirekter Weise irgendwelchen brieflichen oder mündlichen Verkehr mit Taillaux oder Monis gepflogen habe, und datz die beiden der Affäre vollkommaii fern st ehe n. Datz der Brief authentisch von Rochette herrllhrt, ist kaum zweifelhaft. Man fragt sich nur, inwieweit man den darin gemachten Angaben Rochettes Glau ben schenken darf. Es liegt aber kein Grund vor, an der Aufrichtigkeit Rochettes zu zweifeln. Zn diesem Falle bildet der Brief den glänzendsten Ent last u n g s b e w e i-s für die beiden so hart ange griffenen Politiker und eine Niederlage für die ganze von radikaler und nationaler Seite aufgestellte An klage. Der „Matin", der als einziges Blatt in dem Besitze des Textes des Briefes von Rochette ist, gibt nicht an, woher der Brief stammt, sondern führt nur das Datum des 25. März als Abfassungstag an. Dem nach müsste sich Rochette wieder auf französischem Boden befinden. Heer un- Zlotte. * Ein deutscher Kreuzer auf Grund geraten. Nach einer Meldung aus Venedig ist am Donnerstag nachmittag der deutsche Kreuzer „Gäben" etwa 90 Kilometer von Alberoni entfernt auf offenem Meere infolge starker Ebbe auf Grund geraten. Der Kreuzer konnte jedoch später ohne Hilfe wieder freikommen. Dsutdche» Reich. * Zur zweiten Lesung des Konkurrenzklausel» gesetzev beantragt die sozialdemokratische Fraktion des Reichstags eine Abänderung der 88 74, 74a und 75 k. 8 74 soll bestimmen, datz eine Vereinbarung zwischen dem Prinzipal und dem Handlungsgehilfen, die den Gehlisen für die Zeit nach Beendigung des Dienstverhältnisses in seiner gewerblichen Tätigkeit beschränkt, nichtig sei. Die Kommission hat beschlossen, datz eine solche Vereinbarung in schriftlicher Form zulässig sei- Im 8 74 a soll für den Fall der Ab lehnung dieses Antrages bei Eingehung eines Wett- bewerbocrbotes das Jahrcsgehalt des Gehilfen von 1800 .< auf 2000 stl erhöht werden. 8 75 t. den die Kommission neu eingefüqt hat, soll wie folgt abgc- ändert werden: Eine Vereinbarung, durch die sich ein Prinzipal einem anderen Prinzipal gegenüber verpflichtet, einen Hairdlungsgehilfen, der bei diesem in Dienst ist oder gewesen ist, nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen anzustellen ist nichtig und verpflichtet die Prinzipale zu Schadenersatz. Eine Annahme dieser Anträge ist selbstverständlich ausgeschlossen, da diese das zwischen der Regierung und den Fraktionen geschlossene Kompromiss durch brechen. frettag, 27. Ltsn lSl4. * Die deutsche Diamantenangelegenheit. Die Entscheidung der Regierung in der Frage der Dia- mantcnreaie wird sich noch einige Zeit verzögern. Ein endgültiger Beschluß ist nicht mehr vor Ostern zu erwarten. General Coe ter mans, der sich einig« Tag« in Berlin aufgehalten hat, um im In teresse seines Syndikates bei den in Frage kommen den Stellen tätig zu sein, mutzte heute nach Anl werpen zurückkehrcn, ohne ein greifbares Resultat zu haben. * Richtigstellung. Nach Angabe eines Berliner Blattes sind den Erörterungen der Budgetkommission über di« Vorbildung d«r Diplomaten Ver handlungen zwischen den Mehrheitsparteien und der Negierung Uber die beantragte Resolution vorher- gogangen. Diese Angabe ist dahin richttgzustellen, datz nicht mit den Parteien, sondern lediglich mit drei Antragstellern eine vertrauliche Be sprechung stattgefunden hat. Dieser Weg ist ge wühlt worden, weil bis zu der Sitzung der Kommission die Einsetzung einer Subkommission nicht mehr mög lich war. * Arbeitgeber für di« gesetzliche Regelung des Tarifvertrages. Während die Neichsregierung bisher sich gegen eine gesetzliche Regelung des Tarifvertra ges noch ablehnend verhalten hat, weil die Tarif verträge auch ohne eine solche eine sehr erfreuliche Entwickelung nehmen, hat sich jetzt ein Arbeitgeber verband, der Hafenbetriebsverein in Hamburg, dem alle größeren am dortigen Schiffsverkehr beteiligten Unternehmer angehören, dahin ausgesprochen, datz es im Interesse der Arbeit nehmer und der Arbeitgeber geboten sei, die recht liche Verantwortlichkeit gesetzlich zu regeln. Der Verein bezeichnet diese Frage als das zurzeit wich tigste Problem der Sozialpolitik. Er steht aus dem Standpunkt, daß die zivilrechtlich« Haftung der Rerufsvereine von Arbeitgebern und Ar beitnehmern die Voraussetzung zur Regelung des Rechts der Tarifverträge bilden müsse. Der Verein spricht sein Bedauern aus, daß die Regelung der Frage Zunächst durch eine Denkschrift vorbereitet wer den solle, so daß voraussichtlich bis zur Schaffung ge setzlicher Grundlagen für eine wirksame Einengung des sozialen Kampfgebietes noch Jahre vergehen würden. * Zur zweiten Lesung des preußischen Kultus etats beantragt das Zentrum im Abgeordnctcnhause die Staatsregicrung zu ersuchen, für einen besseren Ausbau der Auslandsstudien im Interesse des aus wärtigen Dienstes, des Kolonialdienstes, des Han dels und der Industrie Sorge zu tragen, ferner in Erwägungen darüber einzutreten, ob für diesen Aus bau eine Umgestaltung Les Seminars für orienta lische Sprachen zu einer deutschen Auslands- Hochschule geeignet erscheint. * Zum Fall Abresch. Wie die „Neue Bad. Landes,ztg." hört, bleibt der Abgeordnete Ab resch, gegen dellen Verhaftung beim Land gericht Mannheim Beschwerde eingelegt worden war, in Haft. * Rückgang der Sterblichkeit, Geburte« und Hei raten in Preutzen 1913. Nach den soeben von Ee Heimrat Behla im Preutz. Statistischen Landesamt festgestellten Ergebnissen starben in Preußen 1913 lohne Totgeborenes 620151 Personen (im Vorjahre 636 303), wurden geboren 1 170 915 (im Vorjahre 1 186 243s, heirateten 323 717 sim Vorjahre 328 340). Dementsprechend betrug die Sterblichkeitsziffer, auf 1000 Einwohner berechnet, 14,89 (1912 15,49). die Geburtenziffer 28,11 sl912 28,88), die Heiratsziffcr 15,5 (1912 16,0). Also ist im Jahre 1913 gegen das Jahr 1912 wiederum in den absoluten und Verhält- niszahlen ein Rückgang zu verzeichnen. Ausland. Zrankrelch. * Die Franzosen in Marokko. Wie aus Rabat gemeldet wird, kündigte General Liautey dem Sultan an, daß demnächst die Verbindung zwischen Ost- und Wcstmarokko über Tazza hergestellt sein werde. — Man erblickt hierin ein Anzeichen, daß der Vormarsch der französischen Truppen Ostinarokkos nach Tazza unmittelbar bevorstehe. — Aus Udja wird berichtet, daß die ostmarokkanische strategische Bahn, die eine Länge von 200 Kilometer und 15 befestigte Bahnhöfe hat, nunmehr bis zur Feste M'sun fertiggcstellt ist. * Der Gesundheitszustand in der französische,, Armee. Aus Paris wird telegraphiert: Der G c sundheits ausschuß der Kammer hat seine LvdnkVLrsnkLns LprrikbtLt: kodntslletel. — bVru pr. 11189. lirr ' ver gute Name. 19s Roman von Georg Engel. 0 IUI ! I>y Vreik'ei» k 6o„ O. in I'. II. ysiprix.) In den nächsten Stunden bemerkte er die neue Gefährtin kaum. Sie hatte Mantel und Hut abgelegt und huschte nun in ihrem ein fachen Kleide hin und her, um jede Handreichung zu leisten Gegen die zehnte Stunde entfernte sich Herta, die zu ihren Eltern zurückkehren musste, und als der Arzt die Tür schließe« hörte, wandte er sich herum uud sah, daß er mit dem jungen Weibe allein war. Ob sie sich nun nicht auch ziirückziehe» wird? dachte er verwundert, doch die junge Fran schul- iclre, als ob sie seine Gedanken erraten hätte, das Haupt und wechselte mit leichter Hand den Eisnmscstlag auf der Stirn des Kranken. Sv saßen die beiden in tiefem Schweigen an dem Bett. Draußen schlug die Dorfnhr Stunde auf Stunde, die Nacht flieg herauf. Deutlicher hörte man das Meer an den Strand schlagen, immer roher und drohender erhob sich diese hohle Stimme, in kurzen Stößen fegte der Seewind an den Fenstern entlang, so daß das Flämm- chcn des Lichtes ängstlich hin und her fackcrtc. Nur die jugendliche Gestalt in ben Kissen lag still und ruhig, und die beiden einander so frem- Len Menschen achteten scheu ans das nnmerkliche Auf und Nieder der römclnden Brust. * * * „Herr Doktor," ries eine Helle Stimme, und zugleich fühlte sich der junge Arzt an der Schul ter geschüttelt, so datz er aus seinem leichten Sch ummer anfsuhr. (Ls war Morgen geworden. „Herr Doktor, sehen Sie dort! Er regt sich," rief Marie schüchtern und zeigte mit an-ge strecktem Arm aus das Bett Der Doktor sprang an das Lager, horchte an der Brust Holsteins und matz die Tem peratur. Dann fehle er sich an den Lisch, neue« Verbandzeug aufzuwickeln, und Marie schien es, als ob seine Augen nicht mehr so düster blickten. „Wie steht es?" flüsterte sie gedämpft. Der Arzt nickte ihr freundlich zu. „Etwas besser," gab er zurück. „Dieses krampfhafte Auf bäumen ist kein schlechtes Zeichen. Das Leben kehrt in die erstarrten Muskeln zurück, und die Nerven beginnen wieder zu leiten. Uebrigens „Guten Morgen!" Wollen Sie mir die Wunde waschen helfen? Die Hauptsache ist, daß sie rein bleibt und das Fieber abaewehrt wird. Ich brauche jetzt etwas frisches Wasser." Sosorl schlüpfte Marie ans der Tür und kehrte in kurzer Zeit mit einem Krug zurück. Dann legte sie selbst Hand an, und in wenigen Minuten ivar der Verband kunstgerecht erneuert. „So," sagte der Doktor, sich anfrichtend, „das haben Sie brav gemacht. Nun bitte ich Sie aber auch, den Vormittag hier zu bleiben und nach dem Rechten zu sehen. Mich selbst ruft meine Pflicht in das städtisch Kranken haus, wo ich ein paar arme Patienten liegen habe, und ich kann erst gegen Mittag zurück- kehren." Ueberlegend schritt er im Zimmer ans und ab. „Wenn sich die Krankheit regelmäßig weiter entwickelt, werde ich wohl den Kranken in vier bis fünf Tagen in meine Stadtwohnung tragen lassen, damit ich ihn beständig beobachten kann. Allerdings eine Pflegerin mußte ich dann —" Er unterbrach sich, denn Marie war vor ihn luugetrcteu und sagte dringend: „Nein, Herr Doktor, das wird meine nächste Pflicht sein Der Kranke hat in mir seine natür lichste Pflegerin. Lassen Sie ihn, ich bitte Sie, in unser .^aus bringen." Wie flehend erhob sie die Hände gegen den jungen Mann, aber der Doktor äußerte barsch: „Nein, nicht zu Ihnen — das ist unmöglich, denken Sie nicht mehr daran," aber plötzlich fuhr er sich über die Auge« und sagte rasch. „Sie haben »echt der Erhaltung Les Kranken schulden wir die erste Rücksicht - Wir sprechen noch über Ihr liebevolles Anerbieten. Guten Morgen." Als Marie allein war, strich sie dem Schläfer die Haare aus der Stirn und blickte wehmütig in sein blasses, männliche- Antlitz. Und leise flüsterte sie: „Jetzt darfst dn nicht sterben — dn wirst leben —" Im Gntsschlosse zn Dangerow lag Sylvia auf der Chaiselongue ihres Boudoirs und weinte bitterlich. Schon dreimal war die Hausdame bei ihr gewesen, sie zum gemeinschaftlichen Mittagsmahl zn rufen, aber das schöne Mäd chen hatte sie gar nicht gehört und leidenschaft lich weiter geschluchzt. Da nahten feste Tritte ihrer Stube, und ohne anzuklopfen trat der Landrat herein. Er Ivar noch tiefer gebeugt als sonst, nur seine Augen glänzten drohend und unheilverkündend. „Weshalb bleibst du so lange aus?" fragte er barsch, indem er mit dem Fuß an einen Stuhl stieß. Die Tochter schreckte der harte Ton nicht mehr. Heftig preßte sie ihre Hände vor das verweinte Antlitz uud gab trotzig zurück: „Ich habe Kopfweh." „Du weinst um deinen Geliebten," fuhr der Vater mit grimmigem Lächeln fort und griff nach ihren Händen, um ihr in die Augen sehen zn können. Und immer erbarmungsloser svrach er dann weiter: „Willst du wieder zur Aoend- stuude mit dem galanten Herrn auf dem Wall promenieren? Ich hätte cs nicht geglaubt, aber die Tochter verleugnet ihren Vater, und Syl via von Parchim will sich zn diesem ehrlosen Landstreicher erniedrigen." Laut schrie das Mädchen auf, und der Land rat ballte in ausbrechender Wut die Fäuste: „Aber eS gibt eine Vergeltung," höhnte er wild, „dem Burschen wurde mehr als er verdiente, eine ehrliche Pistolenkugel von der Hand eines Mannes, dessen Fran er umgarnen wollte, ebenso wie dich, ebenso wie unzählige andere, und wie zuletzt das heruntergekommene Weib keine» eigenen Vaters. Hörst dn'S, du törichtes Mädcken?" Starr und zitternd stand Sylvia vor ihm, die Arm.- waren ihr schlaff am Körper herab gesunken, und dem Landrat schien es, als sollte seine Tochter zusammenbrechen. Wie geistesabwesend trocknete sie ihre Tränen und sprach ruhig: „Alles, was du mir sagst, hat ein elendes Gerücht bereits zu mir getragen, aber ich glaube es nicht. Ich liebe ihn und will zn ihm!" Dem alten Manne blieb die Luft aus, stier drangen seine Augen ans den Höhlen, und er beugte den weißen Kopf vor, als hätte ibn nur sein Gehör getäuscht. Dann schritt er schwer fällig zum Fenster und rifz es auf. „Dort unten hält mcm Wagen," sagte er mit gewaltsamer Fassung, „in einer Viertel stunde erwarte ich dich unten, und dann begleite ich dich zn deinem Erwählten. Dort wirst du erfahren, daß dein Vater schärfer sieht als du. Mactz rqsch!" Mit schweren Tritten schritt er in den Hof und bestieg das harrende EoupS. Bald flog der Wagen über Stock und Stein. Fast drewicrtel Stunden fuhren sie, dann dielt das Eoupö vor dem Hauptgebäude der Werft, und der Portier öffnete dienstfertig den Schlag. „Wie steht es oben?" fragte der Landrat heiser. Der Angestellte lüftete höflich die Mütze: „Etwas besser, gottlob. Die Doktors sind zu friedener, aber er ist noch immer bewußtlos " „So, also besser?" murmelte der weiß- haarige Herr haßerfüllt, und dann brachte er rasch heruor: „Und wer pflegt ihn?" „Die gnädige Frau Stiefmutter vom Herrn Baron; sie ist schon seit vorgestern nacht da." Der Lanorat wandte sich und blickte zum erstenmal seiner Tochter ins Gesicht, der plötz lich eine dunkle Glut über die Wangen bis zur Stirn gestiegen war. Jäh stieß sie an ihrer Seite Len schlag aus, und mit den leisen Wor ten. „Ich mutz ihn sehen," eilte sie in die ge- öffnete Tür des Hauses. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)