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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 27.03.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-27
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140327011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914032701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914032701
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-27
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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Zreöert Niftral. Er war Frankreichs größter Dichter, der äe Schwelle des Todes überschritten bat, einer »er größten Dichter, die unsere Zeit überhaupt hervor- .ebracht hat. Der kernhafte schöne Greis, der im Frieden seiner sonnigen Heimat, unter dem Dache eines Vaterhauses zu Maillane, einen heiteren Lebensabend genoß, mochte den Günstlingen der Mode ihren Tagesruhm gern gönnen, wußte er doch, daß, wie vor zehn Jahren schon Lamartine ge sagt hat, „seines Werkes Duft in tausend Jahren nicht vergehen wird", hat er es doch erlebt, daß die ganze Kulturwelt ihn in seiner provenzali- >chen Einsamkeit ausgesucht hat, um ihm ihre Huldi gungen darzubringen. Zum letzten Male im Sep tember 1910, als ec sein achtzigstes Lebensjahr oollendete, Miröio und Vincön, das jugendlich schöne und unglückliche Liebespaar, das seine Phan tasie geschaffen hat, hat seinen Ruhinesgang durch die ganze Welt angetreten. Abgej.hen von der pro- oenzalischen Originalausgabe und 20 Uebertragunaen ns Französische zählt man jetzt bereits 25 Ueber- etzungen des Werkes in 12 verschiedene Sprachen ind erne Uebertragung in Blindenschrift. In diesem Wetteifer der Völker um das Meisterstück des pro- oenzalischen Dichters ist Deutschland, dem seit Goethe die besondere Hut des Schatzes der Welt- lteratur anverlraut ist, nicht rühmlos zurückgeblieben. August Bertuch hat es sich zur Lebensaufgabe gemacht, Miröio dem deutschen Volke im deutschen Gewände zu schenken, und seine bei Cotta nun schon n fünfter Auflage erschienene Uebersetzung des Gedichts ist zu den vortrefflichsten Stücken deutscher llebersetzungskunst zu zählen. Sie strömt bewunderns wert viel von jener eigentümlichen kraftvollen Süße aus, die den Leser des Originals berauscht. Den provenzalischen Homer nennen wir Mistral. An Homer wird jeder erinnert, der sich mit Mistral besaßt, und Mistral selbst nennt sich mit üolzer Bescheidenheit „ein Schülerlein des göttlichen Gomer". Was Miröio der homerischen Welt so nahe- ückt, das ist die tiefe Natürlichkeit, Simplizität und Gegenständlichkeit dieses Gedichts. Tritt man in die Welt Mirmos ein, so scheint die moderne und mo dernste Literatur mit ihren Künstlichkeiten, ihren Paradoxen, ihren Sensationen und Nervenkitzeln wie em schwüler Traum weit hinter uns zu liegen. Miröio ist Freiluftdichtung, und mit tiefem Pehagen saugen wir die köstlich-reine Luft dieser st-oesie ein. Sie hat ein Bauernkind geschaffen, das auf dieser Erde geboren und groß geworden ist, das ie Sonne der Provence getrunken und ihren Sturm gesuhlt hat, mit ihrem Natur- und Menschenleben auss innigste vertraut ist, das ihre Sprache von Mutter und Vater gehört und in ihr von Kindes beinen auf gelebt hat. Daß eine solche Dichtung gerade der französischen Literatur angehören soll, die ja in neuerer Zeit irnz besonders in Künstlichkeit und Sensations macherei verfallen ist, müßte wundernehmen, — wenn man nur Mistral und sein Werk überhaupt der ranzöstichen Literatur zurechnen dürfte. Gewiß ist r politisch Franzose und, wie sichs gebührt, ein guter Patriot, aber der „Franchimand" ist und bleibt hm ein Fremder, fremd sein Geist und fremd vor allen Dingen seine Sprache. Als Mistral noch ein «einer Junge war, kam gelegentlich ein Städter auf den Hof seines Vaters, „einer von denen lso rzählt er selbst), die so tun, als könnten sie nur Französisch reden." „Wie kommt es, daß dieser Mann nicht so spricht wie wir?" „Weil er ein „Herr" ist." antwortete man ihm. „Wohl," rief er dann in einem Anfluge von Zorn, „ich will einmal kein „Herr" sein!" Und diesem Vorsatz ist er treu geblieben. Wie fremd c der französischen Sprache im Grunde gegenüber- ileht, verraten ein paar Verse im ersten Gesänge von Miröio: Was jetzt an Sang im Lande waltet. Ist fern und künstlich ausgestaltet! Aein, Mistral ist kein Franzose. Er ist das echte Uind jener begabten und merkwürdigen Rasse, die in wei Gruppen, der provenzraliichen und der katalanischen, die sich zu beiden Seiten der Pyrenäen zwischen Spanier, Franzosen und Italiener imchiebt. Schon einmal, in den Tagen des Mittel alters, hat dieser Stamm ein reiches Geistesleben utwickelt, dessen schönste Blüte die Dichtung der Troubadoure bildete: und es mag daran erinnert min, daß uns Deutsche mit diesem schönen Mittel- alter der Provence innige Beziehungen verbinden, »sofern als unsere höfische Dichtung von der proven- Kunst unct wissenseliatt SNZZEZ zalischen Poesie tief beeinflußt worden ist. Aber dann kamen die schrecklichen Albigenser-Kriege, in denen der französische Norden, mit eisernem Fu»e die Kultur der Provence zertrat. Die Provence fügte sich der erobernden Rasse und versank in einen Jahrhunderte dauernden Schlaf. Obgleich sie in Marseille eine mächtige Aussallspforte nach der weiten Welt besaß, io lebte sie doch in einer Art von insularer Abge schlossenheit, an der der Lauf und Wandel der Zeiten ziemlich spurlos vorüberglitt. Das ist für die Pro vence freilich doch auch ein Vorretl gewesen, weil sich auf die«e Weile ihr alter Volksglauben, ihre Ueder- lieferungen, Sitten und Lieber bis in die neueste Zeit hinein behaupten konnten. Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts fanden sich Manner, die den Schlüssel zum Schatzhause dieses Malenden Volkslebens sanden. Mistral stand damals in der frische,len Blüte seiner Jahre. Auf dem Richterhofe zu Majano war er ganz in und mit der Natur aulgewachsen, so daß er noch mit neun Jahren nicht lesen konnte. Dafür war er gesund und träftig ausgewachsen und hatte elnen unendlichen Reichlum von 'Natur und Leben in sich au,ge,ogen. Nun lam er nach Avignon in die Schule, und hier sand er in Roumanille einen Lehrer, der bald sein Freund fürs ganze Leben wurde. Was die beiden auss engste aneinander knüpfte, das war die Liebe zur Art und Sprache der Heimat, der Wunsch, sie zu erhalten und zu neuer Blüte zu entwickeln. Bald scharten sich andere begeisterte Jünglinge um die beiden, von denen vor allem Anselme Mathieu, Alphonse Taoan, Paul Giöra und Jean Brunei zu nennen sind. Dieser „Bund der Jugend" fünrte zu der Begründung des Bundes der Feliber, die am 21. Mar 1854 lin Schlosse von Font-Seguano erfolgte. Jin sechsten Gesänge von Miröio hat Mistral eine warme and freundschaftliche Apostrophe seiner Feliber- Genossen eingeschoven, die alle mit ihm treunch dem Ziele nachstrebten, Sprache und Dichtung der Pro vence zu wahren und zu neuer Blüte zu sühren. lieber fünfzig Jahre stiller ge.egneter Arbeit sind dem Dichter dohmgegangen. Er hat sür «eine Heimat nicht nur als Poet, auch als Wissenschaftler gewirkt. Zn einem höchst wertvollen Werte hat er die Folklore der Provence gesammelt, später leb haften Anteil an der Begründung des Museon Arlatön genommen, in dessen freundlichen Räumen Leben und Brauch der Provence dem Besucher so anschaulich vor Augen treten. Das Schwergewicht seines Schaffens blieb freilich auf der Seite der Dichtung. Ein sehr originelles Stück Arbeit ist die Versnovelle Nerto, an die ebenso wie an einige andere Werke Mistrals August Bertuch gleichfalls seine Uebersetzungskuust gewandt hat. Was Nerto besonderes Interesse verleiht, ist der geschlchiliche Schauplatz und Hintergrund. Die Novelle spielt in den Tagen des avignonesischen Papsttums, das mit echt Mistralscher Plastik prachtvoll geschildert wird. Ein schönes Dichterleben ist es, das sich vollendete. Ein Leben, das einem tiefen, klaren, stillen Strome gleicht, in dessen Grunde sich Sonne, Mond und Sterne und alle Herrlichkeiten dieser Welt wider spiegeln. Wie ein Baum in Luft, Licht und Regen, jo ist Mistrals Ruhm still und stetig mit dem Wandel der Jahre gewachsen, ohne daß er etwas dazu getan hätte. Er rst der Abgott seiner Landsleute, der Held der ganzen Provence gewesen. Wo er erichien, wurde er mit Jubel und Ehrfurcht begrüßt. Eine Reche köstlicher Ehrentage hat rhm die Liebe seiner Lands leute. die Verehrung der ganzen Welt kundgetan. Der 70., der 75. und 80. Geburtstag des Dichters wurden als Nationalfestc in der Provence begangen: der 50. Geburtstag des Feliber-Bundes und der seines Haupt- und Meisterwerks gaben weite: zu schönen und begeisterten Festlichkeiten Anlaß, und jelbst ein Denkmal haben sie trotz seines Widerspruchs rn Arles dem Dichter bereits errichtet Allein wenn je sür einen Poeten, so gilt es von Mistral, daß er sein Mal, ewiger als Erz, sich selbst errichtet hat. „Miröio" haucht der Wind des schönen Provencer- landes, „Miröio" raulchen seine Ströme, und selbst die schwankenden Schatten seiner Oel- und Maulbeer bäume scheinen die schönen Gestalten des unglücklichen Liebespaares auf den heißen Boden zu malen. ll. Leipzig, 27. März. XXII. Gewandhauskonzert. Eine andächtige Ge meinde saß gestern zu Füßen eines der größten Meister. Das Gedächtnis an Beethovens Todestag s26. März 1827s konnte kaum würdiger gefeiert werden als mit der Ausführung der D Moll-Sinfonie, der die dritte Leonorenouoertüre als Prolog des Abends oorausging. Die „Neunte" ist im Lause der Zeit im edelsten Sinne volkstümlich und die Sinfonie nicht „der Tausend", wohl aber der Hunderttausend« ge worden, die sich an ihr jahrein, jahraus erbauen. Ihr kommt in dieser Beziehung und an kultureller Be deutung wie auch ethischem Einfluß von Werken älteren Datums vielleicht nur noch die Matthäus- pafsion von Johann Sebastian Bach gleich. Die gestrige Aufführung nahm einen glänzenden Ver lauf, und Arthur Nikijch bewies sich aufs neue als einer der berufensten Homileten gerade die,es Werkes. Neben dem Orchester setzte der Gewand hauschor soerstärkt durch Mitglieder des Leipziger Lehrcrgesangoereinss und das von den Damen Gertrud Bartsch, Valeska Nigrini und den Herren Rudolf Jäger und Kammerlänger Alfred Käse ge bildete «oloquartett alles daran, des Dirigenten Intentionen gerecht zu werden. Schon die Wieder gabe der ersten drei Orchestersätze bedeutete an sich eine Tat. Zu gewaltiger Höhe erhob sie sich nach langem Grübeln und hartem Ringen im Allegro und hielt sich trotz alles leidenschaftlichen Gebarens streng an das Mcistergebot „un poco maestoso". Auss charakteristischste wurden Themen und Motive ge formt, Klarheit und lleberfichtlichkeit auch an den gefährlichsten Stellen gewahrt, alles Rhythmische mit plastischer Schärfe heroor^hoüen. VonLötrlicher Heiterkeit erfüllt war das „«cherzo aller Scherzos", der auch eine kleine Beimischung Becthovenschen Humors in seiner urwüchsigen Kraft nicht sehlte. Das wundervoll« Aoagio war lauter Sckfönheit und Wohllaut. Allem Anscheine nach macht jetzt Meister Nikisch zwischen Haupt- und Nebensatz, Aoagio und Andante eine etwas strengere Scheidung, als solche in den vergangenen Jahren sich bemerken ließ — ein Umstand, der ohne Zweifel die künstlerische Wirkung ganz wesentlich erhöht. Die auf den Ton des höchsten, noch heule kaum übertroffenen künstlerischen Subjektivis mus gestimmte Einleitung zum Finale stellte sich auch gestern ganz in parsifalestem Sinne dar als „Dcr- wandlungsmusik", die aus der relativen Enge, bester Begrenzung des Individuums hinaussührt in die Weite unermeßlicher Sternenwelten. Lin titanen haftes Ringen entjpinnt sich hier zwischen dem gott seherischen Tondichter und dem Stoff, den ihm der wahlverwanüte Wortdichter Schiller darreicht. Weder Instrument noch Menschenstimme gelten ihm etwas. Als bloße Media seiner Ideen nutzt er sie aus bis zur allerletzten Grenze der Leistungsfähigkeit, drängt er sie mit wahrhaft imperatorischer Gewalt an ein zelnen Stellen zu einer künstlerischen Aeußerung, die, noch einen einzigen Schritt weiter gewagt, unbedingt zum Versagen der physischen und seelischen Kräfte führen mußte. Das eine bleibt immer höchst bezeichnend und beachtenswert, daß bei Beethoven die bedeutendsten Wirkungen (z. B. an der Stelle „Ihr stürzt nieder, Millionen?") immer nur aus dem rein geistigen Element heraus geboren werden, nicht aber, wie bei manckfem vermeintlichen Neuerer, von außen her durch übermäßig starke Instrumental- und Dolalbesctzung Unterstützung finden. Wieder einmal ward eine Gewandhaussaison zu einem Kapitol der lokalen Musikgeschichte Leipzigs. Reiche Gaben wurden dargeboten in künstlerischer Fassung, neben den Meistern der Klassik und Roman tik wurde auch dem kommenden Geschlecht die Be achtung nicht versagt. Für alles war zunächst Arthur Nikisch und das treffliche Städtische Orchester verant wortlich, und anders kaum konnten Dank und An erkennung beredteren Ausdruck finden als in der be geisterten Ovation, die die scheidenden Zuhörer bei den am Schlüsse dieses letzten Eewandhausaberrds darbrachten. Huxon 8e§c-nitr. * Das Frühjahrskonzert des Mannergesangvereins „Concordia" legte erneut Zeugnis ab von der großen Leistungsfähigkeit dieses Vereins. Mit besonderer Freude konnten wir konstatieren, daß es dem eiser- vollem Streben des Chormeisters W. H ä n ß e! ge lungen ist, den Verein in Bezug auf Leistungsfähig keit auf eine ganz bedeutende Höhe zu bringen. Was Exaktheit und Tongebung anbelangt, so blieb wohl kein Wunsch offen. An den Bässen besitzt der Verein ein vorzügliches Material und auch die Tenöre sprachen durch vornehme Tongebung, auch bei Verwendung der Kopfstimmen, sehr gut an. Von Leipziger Komponisten hörten wir außer H. Sitts reizvollem Arrangement „Innsbruck, ich muß dich lassen" von dem verstorbenen F. Langer, dessen frisches „Am Ammersee", das schön empfundene „Sonntag morgen" unseres Arion-Dirigenten P. Klengel, sowie H. Köglers in den zartesten Farben gehaltene „Däm merung". Von Mar Ludwig wurde der sehr wirksame Chor „Eine Jrühlrngsnacht", welcher an die Technik der Sänger außerordentlich große Ansprüche stellt, sehr gut zum Vortrag gebracht. Carl Schönherrs „Wanderers Nachtlied" ist eine feinempfundene Komposition für Männerchor. Der „Choral von Leuthen" von Reinhold Becker lPreischor zum 1. Kaiser- preissingen 18i)9 in Cassel) mit dem am Schluß ein gewobenen Chor „Nun danket alle Gott" gelang dem Chor ganz vorzüglich. Hans Kößlers Minnelied sowie Fr. Hegars „Die wilde Rose" nebst Othegravens unverwüstlichem „Jäger aus Kurpfalz^ bildeten, formvollendet zu Gehör gebracht, den Schluß. Die unter Leitung des Herrn Dr. Max Unger stehende Leipziger Madrigal-Vereinigung bot Vorträge von Madrigalen, teils mit Klavier, teils a cappella; die vorzügliche Wiedergabe derselben müssen wir ganz besonders hervorheben. Die beiden Solistinnen des Abends «'Mitglieder der Madrigal-Vereinigung» Frl. Weiß und Frl. Führer boten noch Proben ihres könnens in Liedern von Wagner und einer Konzert arie von Mozart. Tie „Concordia" feiert übrigens in; Oktober d. I. ihr 50 jähriges Jubiläum. K. * Städtische Theater. Am Montag, den 30. d. M., gelangt im 'Neuen Theater Schillers Drama „Maria Stuart" zur Aufführung. Als Mortimer wird Herr Werner Schott von der Neuen freien Volksbühne in Berlin auf Anstellung gastieren. * Musitchronik. Kammersängerin Cäcilie R Lisch Endvrf in Leipzig wurde ausgeiordert, Anfang April in der Erstaufführung des „Parsifal" in Stuttgart die Kundry zu singen. Infolge anderer Verpflichtungen kann die Künstlerin dieser Einladung nicht nachkommen. * Zu den Aufführungen des „Parsifal" in Dresden ist von der Leitung der Köngl. Hofoper ein äußerst geschmackvoll ansgestattetes Heftchen herausgegeben worden, in dem in ausgezeichneten Aufnahmen die Leiter der Aufführungen, sämtliche Vertreter der großen Rollen sowie Gruppen der Blumenmädchen, Solotnappen usw. abaebildet sind. Außerdem ent hält das Heft einen Aussatz von Eugen Heari über ,,Parsifal als Kunstwerk" und eine chronologische Zusammenstellung der für die Entstehung des „Parsifal" wichtigen Daten. Endlich sind die musikalischen Hauptmotive des Werke» wiedergegeben und kurz erläutert. * Das Theater der Königin von Belgien. 2n der Sommerresidenz der belgischen Könige, in Lasten, gibt es ein Theater, das schon vor mehr als hundert Jahren erbaut wurde. Talma bat noch dort gespielt. Seitdem sind die Kulissen tüchtig eingestaubt und auch unmodern geworben. Die belgiiche Königin Elisabeth will das jetzt, wie gemeldet wird, ändern. Sie will selbst die Leiterin des neuen Theaters sein, das sie einrichten und mit einer ganz neuen 'Maschinerie versehen laßt. Sie gibt selbst den Malern die Entwürfe zu den frischen Dekorationen, und sie hat festgesetzt, daß das Theater im Akai eingeweiht wirb, zur Ehre des Dänenkönigs und seiner Gattin, die dann nach Brüssel kommen werden. Ein Kater in der Götterdämmerung. Ms in der Aufführung von Wagners „Götterdämmerung" in Krefeld Hagen den Siegfried auf den Tod ver wundet hatte und nach dem Klagen der getreuen Mannen Siegfried sich zum letzten Schwanengesang erhob, da zog ein schwarzer Kater wehmütig an der Rampe vorüber, sprang mit einem kühnen Satz über das Orchester in die Proszeniumsloge und stimmte — ob in rechter Tonart, bleibe dahingestellt — eine „eindrucksvolle Katzenarie" an. Die Zuhörer hörten nicht mehr auf Held Siegfried, sie verfielen mit Herz und Sinn den Zauberklängen der Kater kehle. Ob der Kater nach den Raben Wotans lüstern war, die über die Bühne flatterten, schreibt dazu die „Rhein.-Wesff. Ztg ", oder ob er meinte, daß neben dem Walkürenroß auch andere vierbeinige Gäste im Mufentcmpcl ihre Heimstätte haben können, wer kann es wissen? Der gute Name. 18s Roman von Georg Engel. 1913 dx Z> 6o„ O. m. d. 11. An den Fenstern standen Bars und Euler, 'ne beständig au den Vorhängen riuTlen, als onntc dies dem Bewußtlosen eine besondere Erleichterung gewähren. Ein Militärarzt saß nn Fußende des Bettes nnd zog mehrmals ungc- uldig die Uhr. Der Mann schien keine Zeit nt haben. Noch einen Augenblick zögerte der Doktor n der Schwelle, noch einmal war es ihm, als b er das Folgende nicht ertragen würde, dann schritt er rasch an das Bett und griff nach dem tzuls des Liegenden. Tie Hand war eiskalt. „Vorbei," meinte der Militärarzt, „es ist bereits Agonie eingetreten. Eine halbe Stunde lwa noch." Der Doktor riß den Verband auseinander. .Die Kugel wurde bereits entfernt?" fragte er bastia. Der Stabsarzt zuckte die Achseln: „Ich wollte keine unnütze Quälerei ausüben, Herr College," meinte er bedauernd, „die Kugel ist urcb die Brust und wahrscheinlich auch durch ie Lunge gegangen. Derartige Verwundungen lenne ich. Der Patient treibt cs keine Stunde mehr." „Eine Schüssel mit Wasser her!" besaht der Doktor, ohne sür den Fremden eine Antwort n haben, und zog aus der Tasche eine Sonde hervor. „Die Vorhänge fort, ich brauche Licht!" Augenblicklich rauschten die Gardine^ aus- inander. Den beiden Wcrftlenten, die sie ge logen hatten, ward ordentlich wohl, als sie die lommandostimmc des Doktors vernahmen. Hinter dem Bett tauchte eine zusammen gekauerte Gestalt aus und brachte vom Wasch tisch Wasser herbei. Es war Herta, die grußlos neben den Doktor hintrat. Oer Pflichteifrige schien sie nicht zu bemerken. Ohne Verzug beugte 1 er sich nieder und senkte langsam die Sonde in die tiefe Wunde. Ein leiser, ächzender Laut wurde hörbar, der starre Körper zuckte krampf haft zusammen, und die gefchlossenen Augen öffneten sich und sahen glanzlos ins Leere. Herta stieß einen lauten Schrei aus, und auch der Prinz trat in der höchsten Spannung näher. „Haben Sie die Kugel gefunden?" forschte das Mädchen atemlos. Der Doktor nickte und machte sich wieder an sein Werk. Auch der andere Arzt verlor jetzt seine Zurückhaltung, er warf ohne Umstände seinen Waffcnrock auf den Tisch und leistete dem Doktor hilfreiche Hand. Den vereinten Be mühungen gelang cs, die Kugel in kurzer Zeit zu entfernen, aber nun schoß das Blut um so heftiger hervor, so daß der Freund auf eine weitere Untersuchung verzichten mußte. Ein kunstgerechter Verband wurde angelegt und das Lager von Herta erneuert. Tann empfahl sich der Stabsarzt, und der Doktor setzte sich schweigend ans Bett. „Wie steht's?" flüsterte hinter ihm der Priiiz. Ter junge Arzt neigte das Haupt, und erst jetzt bemerkten die Beobachter, daß ihm ein paar dicke Tränen im Barte glänzten: „L-o ver zweifelt wie möglich," antwortete er zögernd, „nur auf eins können wir hoffen, auf die un bändige Lebenskraft dieses Körpers. Allein im Vertrauen auf diese habe ich die letzte Opera- tion unternommen." Mit einem langen Blick auf den Dahin- gestreckten verabschiedete sich der Prinz, aber vorher fragte er noch: „Liegt für die nächsten Stunden unmittelbare Gefahr vor?" Der Doktor zuckte die Achseln: „Sie fragen mich mehr, als ich weiß," gestand er finster. „Von jetzt an bin ich machtlos. Dieses Leben hängt jetzt an einem Faden, der jede Sekunde reißen kann." „Nun," flüsterte der Prinz, den, Arzte lei- denschaftlich die Hand drückend, „dann wird Gott helfen." Damit verließ er, so leise es die klirrenden Sporen zuließcn, das Zimmer. Es dämmerte sacht in dem Krankenzimmer, als Herta fast unhörbar zum Tisch schlich und eine Lampe entzündete, über die sie einen dämpfenden Schirm setzte. Sobald das Mädchen sich erhob, wandte auch der Doktor sein .Haupt und beobachtete aufmerksam ihre Bewegungen, dann aber versank er wieder in sein Hinbrüten und sah ängstlich auf den Liegenden, der schon seit einiger Zeit von, Fieberfrost geschüttelt wurde. „Das durfte nicht sein," murmelte der Dok tor verzweifelt und beugte sich über das Lager, um wieder und immer wieder den Puls zu kon trollieren. Noch war er damit beschäftigt, als Herta lauschend das Haupt erhob. „War da nicht geklopft worden?" Es wiederholte sich. Vorsichtig eilte das Mädchen an die Tür und öffnete. Der Doktor hörte sic einen leisen Ruf der Ueberraschung ausstoßen. Nun wandte auch er sich und nahm eine ihm unbekannte, tief verschleierte Dame wahr, sowie einen mit ver schlissener Eleganz gekleideten Herrn, der schwarze Trauerhandschuhe trug und nervös an seinem Zylinder hin und her bürstete. Während die Dame unentschlossen am Ein gang verharrte, schritt der Herr, über dessen Wange sich ein großes Pflaster hinzog, aufgeregt bis in die Nähe des Lagers und starrte eine Zeitlang mit vorgcbeugtcm Hals nach dem Lie genden. Der Anblick schien ihn aufrichtig zu erschüttern, denn er zog ein Taschentuch hervor nnd drückte es ächzend an seine Augen. „Mein Sohn." schluchzte er, mein armer Sohn, was hast du uns angetan!" Als der Doktor diese Stiminc vernahm, fuhr er zusammen, als habe ihn ein Schuß getroffen. Ein ungekonntes Gefühl der Angst schnürte ihm die Kehle zu. Also dies war der heimliche Feind, der schon in der Jugend die Seele des Knaben 1 vergiftet nnd ihn später in die Verzweiflung getrieben hatte? Er warf einen scheuen Blick auf den mit dem Tode Ringenden, denn ihm war es, als müßte der Starre zum letzten Male aufspringen und den elenden Mann mit den Fäusten von hinnen scheuchen. „Treten Sie nicht so nahe, mein Herr," sagte er kurz, „gegen Abend kann das Bewußt sein zurückkehren, und dann dürfte er Sic er kennen." Holsteins Vater erschrak und nahm das Tncb von den Augen. „Wird denn mein armer Sohn noch lange leiden?" murmelte er gespannt, während seine dunklen Augen unruhig hin und her irrten. „Das weiß ich nicht," gab der Arzt zurück und kehrte ihm verächtlich den Rücken. Der Standesherr aber blieb noch eine ganze Weile au seinem Platz und führte von Zeit zu Zeit sein Taschentuch an die Augen. Dann schüttelte er schwermütig den Kopf, zupfte an den schwarzen Handschuhen und schlich endlich auf den Zehen aus dem Zimmer hinaus. Als sich die Dame nicht anschickte, ihrem Begleiter zu folgen, sandte ihr der Doktor einen un willigen Blick zu und gab Herta einen Wink, daß jeglicher Besuch störend sei. Aber das Mädchen rührte sich nicht, und plötzlich trat die Dame auf den Ueberraschten zu und erfaßte wie flehend seine .Hände: „Lassen Sie mich hier bleiben — ich bin Marie Holstein — für mich hat er sich — ich habe die nächste Verpflichtung — ich will auch alles —" Sie schluchzte laut auf, und der Doktor blickte mit Befremden in ein bleiches, vor Er regung verstörtes Antlitz. „Meinetwegen, bleiben Sie," antwortete er kalt und machte seine Hände von den ihrigen frei. (Fortsetzung in der Abendausgabe.)
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