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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 31.03.1914
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-31
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140331018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914033101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914033101
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-31
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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Seite 2. Nr. 163. Morgen-Nusgave. Leipziger Tagedtatt. vlenstag, 31. März 1914. erzeugen der Bornaischen Krankheit mit Jauche verunreinigtes Waffer und schädliche Fütterung der Pferde. Nun, bildlich gemeint, ist den Wählern von Borna verseuchtes Wasser und ungesundes Futter hinreichend vorgesetzt worden Vor allem wurde mit den Stichwahlparolen berüchtigter demo kratischer Judcndlätter von sciten der Genossen hausiert, die, im Gegensatz« zur liberalen Partei leitung. die Wählerschaft ausfordcrten, nicht Herrn v. Lieben, sondern Genossen Ryssel zu wählen. Der liberale Wähler, der sich die jüdische Weis heit zu Herzen nahm, war unrettbar der Bornaischen Krankheit verfallen und stimmte in seinem geistigen Dämmerzustände sür den Genossen Ryssel. . . . Wir können weiter nichts tun, als an der Genesung unsres Volkes kräftig arbeiten, damit wir die von der Bornaischen Krank heit befallenen Wähler bis zur nächsten Reichstags wahl wieder heilen, damit wir den roten Lappen, der jetzt über den, 1-1. Wahlkreis hängt, wieder herunterholen. Wenn in diesem an die schlimmsten sozial demokratischen Schimpfereien gemahnenden Tone von der Presse der Rechten weitergeschriebcn wird, dann, aber auch nur dann kann die Befürchtung des Reichsverbandskorrcspon- denz Wahrheit werden. Im übrigen wollen wir über diele Stilübung der „Sachs. Landeszeitung" kein Wort weiter verlieren. Hier heisst es einfach: Niedriger hängen und al» Material vormerken für die Landtagswahl 1915»! die ,Saper1sche Staatszeitung* un- General keim. Wie erinnerlich, hatte der bayrische Minister präsident alsbald nach der Annahme der Wehr vortage eine parlamentarische Erklärung ab- gegeben, wonach das deutsche Volk in absehbarer Zeit keine weiteren Rüstungen auf sich nehmen könne. General Keim hat daraufhin den Grafen H ertlin g scharf angegriffen, da er dxr Mei nung ist, das; eine neue Heeresvermchrung unum gänglich sei. Die „Bayrische Staatsztg." schreibt nun folgendes: „Der durch den Eifer, mit dem er die massgeben den politischen und militärischen Stellen im Reiche über den Umfang ihrer Pflichten belehrt, nickst durch aus vorteilhaft bekannte General Keim hat sich ge legentlich einer Versammlung, die kürzlich in Essen stattfand, in mehr scharfen, als überlegten Angriffen gegen den bayerischen Ministerpräsidenten wegen dessen bekannter Aeuherung über die Rüstungen er gangen. General Keim ist ein Mann, dessen vortreff liche Absichten über jeden Zweifel erhaben sind, dem aber, wie die ganze Art seiner Agitation zugunsten der Stärkung unserer militärischen Machtmittel be weist, die Gabe jenes Masshaltens fehlt, die zur Führung einer ernsthaften Diskussion benötigt ist. Die Art vollends, mit der er die Notwendigkeit einer neuen Milliarde für Heeres- zwecke begründet, ist geradezu grotesk. Dieser begeisterte Patriot prophezeit nämlich sür den Fall, dass sein Vorschlag, neuerdings 1000 Millionen sür Hcercszwecke auszugeben, nicht verwirklicht wer den sollte, nichts Geringeres, als den Verlust ver schiedener Provinzen und 30 Milliarden Kriegs entschädigung. Eine Agitation dieses Stils kann der Lache unserer Armee nichts nützen, ihr vielmehr nur schaden, da sie allen antimilitaristischen Elementen des Reiches willkommene Angriffspunkt« bietet." Heer un- Flotte. Abschiedsgesuch von Glasenapps. Der Kommandeur der Schutztruppcn General major von Glasenapp hat, wie der „Berl. Lok.-A " hört, aus Gesundheitsrücksichten seinen A b - schied ein gereicht. Ueber seinen Nachfolger sind noch keine Bestimmungen getroffen. Was der 1. April der Marine Neues bringt. Der 1. April 1914 bringt für die Marine zahl reiche Tlcrschiebungen und Veränderungen mit sich, von denen die wichtigsten hier wiedergcgeben seien: Wenn bisher das Schwergewicht der Marine in Wilhelmshaven lag, so wird darin mit dem 1. April dieses Jahres eine bedeutsame Veränderung insofern etntreten, als die Hochseeflotte nunmehr auf unsere beiden Hauptkriegshäfen Wilhelms haven und Kiel gleichmässig verteilt werden soll. Für das 1. Geschwader und den Verband der Aufklärungsschiffe wird als Hauptliegehafen end gültig Wilhelmshaven bestimmt, während Kiel das 2. und 3. Geschwader erhält. Dieser Geschwader wechsel in der Nord- und Ostsee wird im Wege des Austausches bewerkstelligt cverden, und zwar kommen die 5 Linienschiffe der „Kaiser"-Klasse nach Kiel, während Kiel an Wilhelmshaven die 8 kleinen Kreuzer abgibt. Durch diese Verschiebung stellt sich dann der Geschwaderbcstand in den beiden Häfen folgendermassen dar: 8 Linienschiffe, 4 grosse und 8 kleine Kreuzer in Wilhelmshaven, 13 Linienschiffe in Kiel an Stelle der bisherigen 8 Linienschiffe und 8 kleinen Kreuzer. Es liegt auf der Hand, dass sich diese Neuverteilung der Hochseeflotte auch in den Veränderungen des Bcsatzungsstandes der Schiffe sehr wesentlich bemerkbar machen muss. Die Nordsee station wird auf Grund der Neuordnung entschieden entlastet. Von den bisherigen 17 911 Mann De satzung der Nordsecstation bleiben vom 1. April ab in Wilhelmshaven nur noch 10 601 Mann. Deutsches Reich. * Das amtliche Wahlergebnis Borna—Pegau. Bei der Reichstagsersatzstichwahl im Wahlkreise Borna-Pegau am 20. März erhielt der Partei sekretär Ryssel lSoz.s 14 321, Generalleutnant z. D. v. Licbert (Rpt.) 12 731 Stimmen. Ryssel ist somit gewählt. O- * Der Kaiser in Korf«. Zur Abendtafcl beim Kaiser war am Sonntag Prof Docrpseld ge laden. Am Montag morgen machte der Kaiser einen Spaziergang im Park des Achilleion. Nachmittags unternahm der Kaiser mit Gefolge einen Ausflug in Automobilen durch Venizze über Hagi Deka * Dementi. Die „Nordd. Allg. Ztg." schreibt: Der „Nusskoje Slowo" hatte eine m russischen Würden träger, der mittelbar als der russische Kriegsminister General Suchomlinow kenntlich gemacht war, politische Aeusscrungen aus einem Ge spräch mit S. M. dem Kaiser und König mitteilen lasten. General Suchomlinow hat demgegenüber das amtliche russische Jnformationsburcau zu der Erklärung ermächtigt, dass in der Audienz, die der Deutsche Kaiser dem russischen Kriegsminister Suchomlinow gewährte, ausschliesslich speziell militä- tärische Fragen den Gegenstand der Unterhal tung bilde-en und Fragen politischen Charak ters dabei völlig unberührt geblieben sind. Wie wir hören, wäre diese Zurückweisung der falschen Angaben des „Russkoje Slowo" schon früher erfolgt, wenn der russische Kriegsminister, der beim Erscheinen des Artikels von Petersburg abwesend war, nicht erst am 28. d. M. bei seiner Rückkehr von der Veröffentlichung des „Nusskoje Slowo" Kenntnis erhalten hätte. * Das Gesetz über die vorübergehende Zoll ¬ erleichterung bei der Fleischeinsuhr vom 13. Februar 1913 tritt mit dem 31. d. M. äusser Kraf t. Dem gemäss wird den Gemeinden die Zollrückvergütung nur noch für solches Fleisch gewährt werden, das sie bis zum 31. d. M. an die Verbraucher abgesetzt haben. Für Fleisch, das erst nach diesem Zeitpunkt abgesetzt wird, verbleibt es bei der Erhebung der vollen Zollsätze von 27 bzw. 33 . 4 für hen Doppel zentner. ^7 - , .r. Wi^er Mlitürpersonen in den Ncichskandest'. ^Äls an^Freitag um Mitternacht auf dem östlich von Kehl gelegenen Fort .Kirchbach die Klocke der Einlahpfortc gezogen wurde und der wachthabende Sergeant des Infanterieregiments Nr. 136, in dem Glauben, cs sei der aus der Stadt zurückkehrcnde Kommandant des Forts, die Tür öffnete, fiel aus nächster Nähe ein Sckstlss. Die Kugel streifte leicht die Brust des Unteroffiziers. Als dieser einige Schritte hinausging, um sich nach dem Täter umzusehen, fiel ein -weiter Schuss. Diesmal wurde der Wachthabende in der Leistengegend getroffen, die Kugel plattete aber an einem Fünfinartstücl am Portemonnaie ab, ohne Schaden zu tun. Die sogleich ausgeschickten Patrouillen lehrten unverrichteter Sache zurück, da es in der tiefen Dunkelheit nicht möglich war, den Täter zu ermitteln. Griechenland. * Tod de» griechischen Bankgouverneur» Valaoritis. Der „Vossischen Zeitung" wird aus Athen gemeldet: Die griechische Finanz- und Geschäftswelt ist von einem schweren Verlust betroffen worden. Auf einer Kahnfahrt bei Piräus ist derGouverneur der griechischen Nationalbank. Herr Valaoritis tödlich verunglückt. Auf einer Segelpartie, die der Bunkgouverneur Valaoritis mit vier anderen Personen in einem kleinen Kutter ausserhalb des Hafens von Piräus unternahm, stiess das Boot mit einem aus- fahrenden Dampfer zusammen und wurde von diesem in der Mitte durchschnitten. Die Insassen fielen ins Wasser. Mit Ausnahme von Valaoritis wurden alle lebend herausgezogen. Valaoritis hat beim Sturz ins Meer anscheinend einen Herzschlag erlitten. Man brachte ihn als Leiche ans Land. Valaoritis, der dem Dr. Streit, dem Vater des jetzigen Ministers des Auswärtigen, auf dem Posten des Bankgouverneurs gefolgt war, hat sich grosse Verdienste um die Entwicklung der Bank erworben. Er war auch ausserhalb Griechenlands in Bankkreisen eine sehr bekannte Persönlichkeit. Bei Abschluss der letzten griechischen Anleihen >owie bei den Verhand lungen der internationalen Pariser Kommission, die sich mit der Regelung der als Folge der Kriege entstandenen, verwickelten Finanzfragen des Balkans besagt, hat Valaoritis die griechischen Interessen erfolgreich zu vertreten gewusst. Serbien. * Durch Albanier verursachter Aufruhr. Aus Belgrad, 30. März, meidet der Draht: Wie die Blätter berichten, kam es in dem Dorfe Bania bei Prizrend zu einem von Albaniern hervorgerusenen Aufruhr, in dellen Verlaufe der serbische Kreis- prä fett Pakitsch verwundet wurde. Militär stellte die Ordnung wieder her. Persien. * Ein enormes persische» Staatsdefizit. Aus London, 30. März, wird gemeldet: Die „Times" berichten aus Teheran, dass das persische Budget ein Defizit von 114/2—13 Millionen Pfund Sterling aufweisc. Japan. * Zur Kabinettsfrage meldet der Draht aus Tokio, 30. März: Fürst Tokugawa erklärte sich außer stände, die BildungdesKabin-tts zu übernehmen. Die Seiyukwai- oder Unionisten Partei hat beschlossen, jedem Ministerpräsidenten oder Ministerium Widerstand entgegenzusetzen, die sich nicht verpflichten, die Regierung nach ihrem Partei programm zu führen. Sü-aftlka. * Aus dem südafrikanischen Parlament. Aus Kapstadt, 30. März, wird gemeldet: Im Parla ment wurde auf Antrag des Iustizministers Dewet * Dir Deutsche Friedensgrsellschaft veranstaltete in Köln eine öffentliche Kundgebung für den ewigen Völkerfrieden. Als Hauptredner erschien der För derer der Friedensbewegung in Oesterreich-Ungarn, Domherr Gicsswein aus Pest, der die vielfach miss verstandenen Ziele und Bestrebungen der Friedens freunde schilderte und die Regierungen der Kultur staaten auffordcrte, baldigst Vorbereitungen für die Einberufung der 3. Haager Friedenskonferenz zu treffen. * Die polnische Hand. Der Pole Josef Ciesielski hat die 100 Morgen grosse Wirtschaft des deutschen Besitzers Salomon in Szerzany bei Mogilno käuf lich erstanden, um, wie der „Dziennik Bydgoski" es ausdrückt, keinen .Zremden" in sein Heimatsdorf hincinzulassen. — Der deutsche Besitzer Krämer in Crone (Brahe) Abbau har 340 Morgen Land für 168 000 .st an den Polen Jwicki veräußert. — Der Pole Lasik erstand die 79 Morgen grosse Wirtschaft des Deutschen Otto Flöge! in Elojowo (Kreis Hohen- salza) für 37 000 .tt. Die Wirtschaft befand sich über 30 Jahre in deutschen Händen. Das Dorf Glojowo zählt jetzt nur noch einen deutschen Besitzer. Ausland. Zrankrelch. * Die französische Deputiertenkammer hat, wie aus Paris, 30. März, gemeldet wird, mit 443 gegen 70 Stimmen den ausserordentlichen Nachtragskredit von 217 682 716 Frcs. für die militärischen Operationen in Marokko ange nommen. * Ein neuer französischer Kardinal. Aus Paris, 30. März, wird gemeldet, dass der Erzbischof von Be- sammn, Kaut hey, im nächsten Konsistorium den Kardinalshut erhalten werde. England. * Die verwickelte innerpolitische Lage in England hat, wie aus London, 30. März, gemeldet wird, heute eine weitere Verschärfung erfahren. Kriegsminister Seely hat nach den Vorfällen der letzten Tage feine Demission eingereicht, die auch genehmigt wurde. Kabinetschef Asquith über nimmt provisorisch das Kriegsportefeuille. Auch der oberstkommandierende General French und der General Ewart haben gleichfalls ihr Ab schiedsgesuch eingereicht, das angenommen wurde. Italien. * Bevorstehender Streik der italienischen Eisen bahn- und Postbeamten. Aus R o m, 30. März, mel det der Draht: Die „Tribuna" veröffentlicht heute den Text des Ultimatums, das die Verbände der Eisenbahnarbeiter an die Negierung über ihre Forderungen gerichtet haben. Diese belaufen sich auf ein Maximum von 90 Millionen und auf ein Minimum von 38 Millionen, zahlbar aus dem Staats säckel. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass Minister präsident Salandra einwilligen wird, das Budget mit einer so grossen Summe zu belasten. Die Vertreter der Eisenbahnarbeiter werden am 15». April eine Versammlung abhalten. Sollte die Regierung bis dahin ihrer Forderung nicht Genüge getan haben, so wird der Generalstreik auf allen Linien erklärt werden. Der Streik dürste in folge eines unglücklichen Zusammentreffens ganz be sonders verwickelt und» ernst wexdez^ da Me AugestklltänHx'r Post -mrd^Telegraphie ^sthfäkks schloffen haben, zu streiken, und zwar an demselben Tage, au dem hie Eiscnbahnarbcitcr gegebenenfalls ist'den 'StiM treten werden. Rußland. * Auf den Putilow-Werken sind, wie aus Pe tersburg, 30. März, gemeldet wird, sämtliche 15000 Arbeiter in den Streik oetreten. * Zum russischen Pferdeausfuhrverbot. Ein Tele gramm meldet aus Petersburg, :»0. März: Die „Petersburger Zeitung" beschäftigt sich in einem längeren Artikel mit dem geplanten Pferdeaus fuhrverbot und erklärt, dass diese Frage nicht der russischen gesetzgebenden Körperschaft unterbreitet werden wird, sondern dass sie mit Zustimmung des Zaren durch den Ministerrat geregelt wird. Das ge nannte Blatt weist darauf hin, dass keine befreundete Macht Russland einen Vorwurf mackfen könne, wenn es gewisse Vorsichtsmassnahmen zum Schutze seiner Interessen ergreift, besonders in einer so wichtigen nationalen Vertcidigungsfrage. Die großen Kanonen. Von Hermann Kienzl, 'Berlin. Au der noch feuchten Druckerschwärze des Buches von Dr. Ernst Friedegg ) werden sich viele Leute die Finger schmutzig machen. Ich meine das nicht bild voshcrft, sondern bieder: Greisen wird »ran nach diesem Geschichtenbuch, als wär's ein Lehrbuch, wie die immer auf s neue Enttäuschten nach immer neuen Lospapieren greifen, und wie einst die alchy mist Ockfen Toren nach dem Stein der Weisen gegriffen und Luft gefangen haben. Der Verleger kannte seine Leute und druckte auf die Bauchbinde: „Hochinteressant und lehrreich." — Welche Lehre da gelehrt werden fall, sagt im Vorwort Ernst Fr jede gg mit einem Humor, der leider etwas zweideutig ist: „Indem cs (das Buch) den Aufstieg erfolgreicher Zeitgenossen, die Entwicklung riesen Imst er Unternehmungen aus winzigen Anfängen beschreibt, hat es doch nicht die Absicht, ein für alle Fälle (also doch für manche Fälle?!) gültiger Wegweiser zur Erraflung märchcn Hafter Schätze zu sein, lvenn cs auch nicht gegen seine Tendenz verstösst, dass dieser oder jener seiner Leser daraus den heimlichen Antrieb gewinne, einmal selbst nach hohen Zielen zu streben." — Ethisch und literarisch strebt der Verfasser, der solche Locktöne an schlägt, nicht nach hohen Zielen. Auch bedürfen gerade unstre Zeitgenossen schwerlich noch eines „heimlichen Antriebes", um am Goldc zu hängen und, sollte hierzu die Gelegenheit mangeln, wenig stens nach dem Golde zu drängen. Einer, der von „Millionen und Millionären" er zählt, findet sein Publikum nicht nur bei den Ehren mitgliedern des internationalen Klubs der Ganz blöden, die an ein Vademekum für das schöne million närrische Brotstudium glauben mögen. Dort, wo hin ter dem Schaufenster kostbare Leckerbissen gehäuft sind, stehe» die hungrigsten armen Teufel. Die ahregriffe nen Romanprinzessinnen sind die Lieblinge kleiner Näherinnen. Freut sich die Armut selbstlos des frem den Wohlstands? Glaub's nicht! Doch mancher, der nichts zu beissen hat, lässt sich von seiner Phantasie ) „ M illioncn und Millionäre". Wie die R je s« n ve r m öge n entstehen. Von Dr. Ernst Friedegg. Vita, Deutsches Vcrlagshaus, Be rl i n-EHarlottenbu rg. über den knurrenden Magen täuschen. So gut oder übel es eben geht. Fragt nur die deutschen Dach stubenpoeten! — Und schliesslich ist der Kapitalismus für alle Menschen eine wichtige Sackst, und wer von feinem Wesen oder von seinen Erscheinungsformen vtwas Bemerlenswertes zu sagen lsttt, spricht nicht in den Wind. Das Buch verdient vielleicht keine ernst hafte Schätzung: doch wird es gelesen, wenn es eini ges Korn enthält, aus dem die Gedankenmühlen anderer Mehl mahlen werden. So steht es mit Friedeggs „Millionen und Mil lionären". Ungeordnetes Material für bessere Arbeit findet hier der Statistiker, der Soziologe, der Sozial politiker. Die Zwecke des Verfassers scheinen durch aus flach zu liegen. Er will erfreuen: und zwar be sonders die Millionäre. Eine populäre Entwick lungsgeschichte des modernen Kapitalismus wird das Luch vom Verleger, ein kleiner Beitrag zur volks tümlichen Naturgeschichte des Kapitals wird es vom Verfasser genannt. Auf den geschichtswissenschaftlichen Titel hat Friedegis jystcmlvst Biographienfammlung keinen Anspruch, selbst dann nicht, wenn inan die Worte „populär" und „volkstümlich" gehörig unter streicht. Er rühmt, dass er sich „vom Klügeln und Poli tisieren" durchaus fcrngehaltcn habe. „Desgleickstn", jagt er, „habe ich mich davor gehütet, die Entstehungs art grosser Vcsitztümer künstlich auf eine bestimmte Formel zu bringen. Ich habe nicht einmal den Ver such gemacht, zu entscheiden, ob Zufall oder Talent, ob Kühnheit oder Vorsicht, ob Grundsatztreuc oder Mangel an Prinzipien, ob Bildung des Herzens und des Geistes oder ursprünglicher Instinkt, ob ein Zug ins Grosse oder zähe, kleinliche Sparsamkeit, ob Ori ginalität oder Geschicklichkeit in der Nachahmung und Durchführung fremder Gedanken den Erfolg gebracht haben." Dieses Register der Möglichkeiten, die Friedegg nicht untersucht, ober auszählt, l»at ein Loch. Er vergass die Ruchlosigkeit und das Verbrechen, zwei Goldquellen, an denen der Historiker in einzelnen Fällen cbcnsotvenig oorüdergehcn kann, wie in ande ren Fällen an G>enic und öffentlichen Verdiensten. Im übrigen ist mit der Feststellung aller Gesichtspunkte, die für den Verfasser nicht bestanden, das Niveau feiner Beiträge zur sozialen Zeitgeschichte abgegrcnzt. Es bleibt nur die Mitteilung von Tatsachen zu wer ten. Ist diese Art der Mitteilung den Geniessern glücklicher Tatsachen durchaus gewogen, jo kann man doch nicht geradezu von einer Apologie des Reich tums, von einer absoluten Verherrlichung der GolL- nrenschen sprechen. Und einen unterscheidenden Vorzug Hai Herr Dr. Friodegg vor anderen: er ist nicht der Fuchs tief unter de» Trauben, er beschimpft nicht mit unkeuschen Worten das, wonach das keusche Herz brennt. Die Biographien der Nabobs dringen nicht ins psychologische Dickicht (bei einigen Selfmademen gibt es solches Dickicht!), sie halten sich vielmehr durchaus auf lexikographijcher Oberfläche. Flott erzählt, muten einzelne dieser Märchen des Erosskapitalismus wun derbar genug an. Doch wenn man wieder einmal sagen möchte: das Leben kann phantastischer sein, als die lebhafteste Phantasie eines Romandichters, so er innert inan sich zugleich, dass das Leben auch präziser als der beste Philosoph Wirkungen und Ursachen miteinander verkettet, und dass einer, der das Loden abschildern will, auf die Untersuchung Le: inneren Ursachen offen liege »der Wirkungen nicht verzichten darf. Friedeggs Aufzeichnungen sind Chroniken, nicht erlebte Romane. Im einzelnen hat er mancherlei ge sammelt, was den Zeitgenossen bisher unbekannt war. Die Mannigfaltigkeit der Gegenstände ergibt sich zur Genüge aus der bunten Streu des Inhaltsver zeichnisses. Will man den Cl-arakter des Buches er klären, so muss man das Inhaltsverzeichnis abschrei- ben: Die Millionäre Berlins. — Das Vermögen Wil helms II. — Die Maradore der Berliner Finanzwelt. — Aus den Anfängen der Bank von England. — Reiche Diplomaten. — Das Vermögen des Königs von Sachsen. — Wie weit es ein kleiner Kohlenagent bringen kann (Fritz von Friedländer-Fuld). — Der Schatzmeister Napoleons (Ounrard). — John D. Rocke, feiler. — Ein Heller Sachse (Grossnrühlenbefitzcr Bie- ncrt). — Die Dynastie Fugger. — Die Dandcrbilt. — Die Astor. — Aus der Geschichte des Kanonenkönig reiches (Krupp). — Der Bankier der preussischen Könige (Schickler). — Die Gründung des Kongostaats (Leopold ll). — Reiche Künstler. — Der Napoleon von Südafrika (Cecil Rhodes). — Die Juqendjahre der Deutschen Bank. — Der Pächtcrssohn als berühm ter Erfinder (Werner Siemens). — Die Dynastie Welser. — Die Rothschilds. — Das Vermögen der Päpste. — Die Herren von Mendelssohn. — Die bei den Rathcnau. — Das Riesenwerk der Borsig. — Vom Klüppcljungeu zum reichsten'.Rann der Welt (Andrew Carnegie». — Bernhard Dernburg. — Handlungs gehilfe, Jndustricmagnat, Parteiführer (Gewehrfadri- kant Loewe). — Oskar Tietz. — Die Schichauwerft und ihre Gründer. — August Scherl. — Warenhäuser. — Wozu sich eine Drehbank auswachsen kann (Ma schinenfabrikant R. Wolf, Magdeburg). — Vom Schlosserlehrling zum Grossindustriellen (Adam Opel). — Haus Ullstein. — Deutsche Selfmademen. Wenn der Verfasser den Personen, von denen er schreibt, beruflich nahestcht (Schriftsteller, Presse, Künstler) — oder wenn er am Orte seines Aufent haltes (Berlin) die Dinge grossenteils aus eigener Anschauung kennen lernte, dann hebt sich seine Dar stellung vom Chronistenstil zu persönlicher Gestaltung. Ein Kundiger berichtet über die Berliner Zeitungs verhältnisse, zumal über die Erossmachtfirmcn Scherl, Masse, Ullstein. Auch Dinge, die nur die Auguren wussten, werden ohne Parteinahme mitgeteilt. Für die Welt der Bücherjchreiber und leser, der Theacer- frcunLe und Kunstliebhaber besonders interessant ist das Kapitel „Reiche Künstler". Es sind freilich zum geringston Teile die wirklichen Künstler, die unter diesem Sammeltitel heroorragen. Schlicht sagt der einleitende Satz: „In der Regel bringt die Kunst wenig materiellen Gewinn." Und bald darauf wird, gleichsam zum Kommentar, festgestellt, dass Bilses „Kleine Garnison" der grösste deutsche Bucherfolg der letzten Jahrzehnte gewesen ist. „Das Glück des Autors und seines Verlegers", bemerkt Friedegg, „hat nicht die Darstcllungsgabe des Leutnants Bilse gemacht, sondern die Tatsache, dass die Schrift in Deutschland konfisziert und das Publikum dadurch auf den skan dalösen Inhalt aufmerksam wurde." Natürlich strei fen die Mitteilungen über die Dermögensverhältnisse einzelner öffentlicher Personen das Gebiet des Klat sches. Denn im Grunde ist cs Prioatsache, dass Oskar Blumenthal seinen Schwänken das Jahresein kommen von einer Viertelmfllion zu danken hat, wenngleich der Kulturhistorikcr vor dem Glück der „lustigen Person" (stehe auch die Tantiemen der Ope- rettcnkomponisten) nicht die Augen schliessen kann. — In mehreren Kapiteln erweitert und berichtigt Friedegg das vielbesprochene „Jahrbuch der Berliner Millionäre" des Regierungsrats Dr. Rudolf Martin. Wir erfahren, dass cs im Tiergartenoiertel ganze zwei Dutzend Wähler des ersten Landtagswahlkürpers gibt. Wer nämlich „nur" 209 000 . <c Einkommensteuer .zahlt, gehört noch nicht zu den Edelsten am Hofe König Mammons. Dieser Köniz ist der mächtigste Monarch unseres Jahrhunderts. Seine Gewalt erstreckt sich keineswegs bloss auf das Materielle. Oder vielmehr: die geistige Welt ist der materiellen bedenklich nahe gekommen.
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