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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 03.11.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-03
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111103013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911110301
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911110301
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-03
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Monat
1911-11
-
Jahr
1911
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Nr. S0S. tOL. Ivtrrvsnv. LcLpzlger TavetUan. die Ausreauna unter den Chinesen tn Petina. Nach Konsularbertchten bracht« der Lizekönig Tscheng- Nweilung nach Tten'fin zwectausend grüne Banner truppen, die au» Manoschu» gebildet find und al» Gendarmerie dienen soll. Die Frag« der Verwen dung dieser Truppen wurde anscheinend vor «tntaer Zeit den Gcsan'otschosten unterbreitet, da ihre Zu lassung dem Friedenrprotokoll von 1900 zuwiderläuft; eine Erlaubnis wurde jedoch nicht er teilt. Die Chinesen betrachten die Handlungsweise de» vizekönias al, höchst unklua, so lange di« Mand- schus und d»e Chinesen so heftig miteinander ver- feindet sind. Es wird berichtet, Punnansu, An- Hui und Füllen seien zu den Aufständischen über gegangen. Nokdchina wartet offenkundig aus eine Tat Puanschikais. Die Regierungstruppen in Schansi und die Aufständischen bezogen neben einander Lager, sie bsabsichten anscheinend nicht mit einander zu kämpfen. Deutsche Hilfe für Yuanschikai? Der „New Purk Herold" meldet aus Schang hai, das; Puanschilui Eilboten nach Tsingtau entsendet hat, die die dort besindlickxn deutschen Behörden darum ersuchen sollen, ihnen ihre Unter stützung bei der Niederwerfung der Revolution zuterl werden zu lassen. Puanschtloi ist ständig von einer Wache von liO Mann begleitet, da er schon verschiedene Briese erhalten hat, die ihn mit dem Tode bedrohen. In chinesischen maßgebenden Krei sen ist vielfach die Ansicht veriretcn, daß Puanschikai seine Macht zu persönlichem Nutzen verwenden wird, und deshalb steht man ihm feindlich gegenüber. Weitere Forderungen an die Negierung! Das kaiserlich« Edikt, in dem dem Lande eine Verfassung versprochen wird, hat nicht die Wirkung beroorgcbracht, die man sich von ihm versprach. Hierzu kommt noch, daß der Termin für den Zusam mentritt des Parlamentes noch nicht bestimmt ist. Die Offiziere sind mit dem Erlaß des jungen Kaiser» durchaus noch nicht zufrieden und haben bekannt gegeben, doß sie der Negierung ihre Dienste ver weigern. wenn sie nicht alle Forderungen, die an sic gestellt worden sind, erfüllt. Tie Negierung wird sich also noch zu weiteren Versprechungen bereit finden müssen. Die Revolution erstreckt sich seht auf 6 Provinzen, und zwar auf Tzetschwan, Hupeh, Can ton, Kiang Sc, Hon an und CHansi. Auch in den anderen Teilen des Landes gärt e» mächtig. Man ist der Ansicht, daß in Peking im geheimen die Revolution von einem Komitee ge schürt wird, um dann eines Tages mit großer Ge- walt auszubrechen. Nach einer Meldung der „A. E. O." enthält da» kaiserliche Edikt, das dem Lande die Konstitution gewährt, folgende Einzelheiten: Die politischen Verbrecher, die sich an den Aus ständen im Jahre 1891 oder in den früheren und in den späteren Jahren beteiligt haben, sowie die wegen Staatsverbrechens in diesem Jahre festge nommenen Personen werden vollständig be gnadigt. Die Revolutionäre, die sich an den leßt-in Aufständen beteiligt haben und sich jetzt der Regierung unterwerfen, zollen gleichfalls ohne Strafe ausgehen. Die Verfassungs urkunde enthält folgende Punkte: Jeder chinesische Staatsangehörige genießt den Schutz des Gesetzes. Vor dem Gesetz ist jeder mann ohne Ansehen der Person gleich. Die Unantastbarkeit der persön lichen Freiheit und des persönlichen Eigen- Iums werden gesetzlich garantiert. Ein verantwortliche» Kabinett, in dem kein Mitglied der kaiserlichen Familie einen Sitz haben darf, wird unverzüglich zusammen gestellt werden. Da» lange Edikt, in dem der Kaiser er klärt, für alle Mißstände der bi»herig«n Regierung persönlich «inzutreten, hat in allen Teilen de» Lande» großen Eindruck gemacht. Zur Lage in Kaut»» meldet da» deutsche Kanonenboot „Jaguar": Di« zum eventuellen Schutze des Konsulates aus geschiffte Wache ist wieder zurückgezogen worden. Nach einer weiteren Meldung au» Kanton -emäch- tigten sich die Revolutionär« in Cwatau der in der Stadt befindlichen Waffen- und Munitionsvorräte. Ter Polczeichef der Stadt wurd« tum Gefangenen aemacht. Auf di« Bankgebäude oer Stadt wurde «in förmlicher Ansturm ausgeübt. Di« Revolutionäre verlangten, daß ihnen alles Geld ourgeliefcrt wird, da sie sonst die Gebäude in die Luft sprengen würden. So sind die Rebellen in den Besitz einer großen Menge Geld gekommen. Die Drachenklagg« weht nur noch au? den Regierungsgebäuden. Der Kommandant der Truppen in Leungchikwan läßt dem Komitee, da» sich zur Proklamierung der Unabhängigkeit Swatou» gebildet hat, seine Unterstützung angedeihen. Die Revolutionäre treffen jetzt Vorbereitungen, um die ganze Provinz Kanton in ihr« Gewalt zu bekommen. Deltausltellungssinsle. Lrc-de», 1. November. Vcnt .Mittwoch nacht gehört die Internationale Hhgienecrusstellung der Vergangenheit an. Wo sich noch am TienStag Tausende von Besuchern drängten, sind jetzt schon die Handwerker und Spediteure an der Arbeit, um das große und stolz« Werk, das in diesem Sommer die Augen der ganzen Welt nach TreSden lenkte, fortzuräumen. Tie Ausstellung ist gewesen, ihre reale Existenz löst sich auf. Aber die bedeutenden Wirkungen bleiben. VLer am Dienstag noch einmal durch die Tore schritt, ließ wohl auch die Erinnerung zurücksclpvcifen zu dem strahlenden Lenzinge de- 6. Mai, an dem die Ausstellung in Gegenwart einer europäischen Eliteverfammlung eröffnet wurde. Schon an diesem Tage hallte laut der Rubin des großen Werkes, da» eine gewaltig mahnende Predigt und ein neuen Lebenswillen strahlender Trost in einem war. Eine mahnende Predigt — ihren Text lasen wir in gol denen Lettern an dem Sockel des Menschen in Lina- nerS populärer Halle „Ter Mensch": „!i e t n R e i ch - tum gleicht dir. o Gesundheit I" Wie die Menschheit in sinnlosem Wüten selber diesen Reich tum geschändet und verschivendet, da» zeigte die Ausstellung an den Bildern von den millionenfachen Arten der Zerstörung des menschlichen ÜörperS und seiner Teile. Und sie zeigte auch die Not und da» Elend, die Völker- und rosfenmordenden Folgen, die aus solchem Verschwenden erwuchsen. Eine Predigt, die uns vor Schrecken und Grauen den Atem stocken machte. Aber die Ausstellung spendete nach solchen Eutdrücken auch neuen LevenSwtllen schaffenden Trost. Sie zeigte die titanischen Erfolge, die die Menschheit im j'kampse mit ben ihr feindlichen Mäch ten errang. Sie zeigte, wie e» in sieghaftem Aus- stieg der Wissenschaft, der Industrie und helfender sozialer Menschenliebe gelang, immer wertvollere und bessere Waffen gegen Krankheit und Elend zu schaffen. Sie zeigte, wie in allen Zonen der Erde die Menschheit der ihr Dasein unterwühlenden Kräfte immer mehr Herr wird — wie au» dunkler, wissenS- schwacher Vergangenheit über unsre fieberhaft rin gende Gegenwart hinweg «In« reinere Zukunft er wachsen muß . . . Predigt und Trost war die Au-stellung Und dazu — ein gute» Geschäft. Me vorher niemand ahnen konnte, welcbe ungeheure Fülle von Ewigkeits- werten sie darstellen werde, so wenig konnte man auch ahnen, daß sie sicb in so glänzendem Maße ren tieren würde. Insgesamt ist die Autstellung von 5 416 189 Personen besucht worden, und der Reingewinn beS Ausstellungsunternehmen» er reicht die Summe von einer Million Mark. Tie Aussteller der Jndustrtehallen, au» denen man in den Anfängen gelegentlich Stimmen des Un mut» hörte, sind mit dein geschäftlichen Erfolge stänzend tusrieden, und die privaten Unternehmer »oben allen Grund zu strahlenden Mienen. Tie ächsiscke Staat » bahn hat in diesem Jahre einige Millionen und die Dresdner Straße rr- bahn mindestens eine Million mehr verdient al» in andern Jahren. Trm schließen sich die gewaltigen PluSsummen an, die außerhalb der Ausstellung in Trcsden in diesem Jahre verdient worden find. Seit Mitte Juli waren in den Dresdner Hotels alle Zimmer täglich überfüllt, so daß auch die Privat- logt» noch auf ihre Rechnung gekommen sind. LS war ein Sommer großen internationalen Weltver kehr» für Dresden, ein Sommer, in dem Tresden selber seine Physiognomie bedeutend verändert hat. Tie Großzügigkeit deü Ausstellungsunternehmens strahlte zurück auf da» ganze Leben der Stadt und ihrer Bürger. Auf dem Wege zur Weltstadt ist TreSdcn einen bedeutenden Schntt vorwärt- ge gangen. Uicd e» sind nicht bloß Aeußerlichkeiten, in denen ein Fortschritt erzielt worden ist — die Kultur werte der Ausstellung und die immense geistige Arbeit, die auf den nahezu 400 Kongressen, di« Dresden bei sich zu Gaste sah, setzen sich in innere» Leden um und werden dauernd erhalten bleiben . . . Am letzten Tage haben allein noch 35 176 Per sonen -ie Ausstellung besucht. Noch einmal sah man die Hallen gedrängt voll von staunenden und an dächtigen Besuchern. Um 5 Uhr sollten die Gebäude geschlossen werden — aber obwohl längst die Täm- merung ihre Schatten hereinwars, befanden sich noch Tausende in den Hallen. Lingners Halle „Ter Mensch" wurde abend» noch einmal geöffnet. Un vergessen wird bleiben, was namentlich in ihr au Belehrung gegeben worden ist. Nachdem die Hallen geschlossen waren, staute sich die Menge der Be sucher auf dem großen Kvnzertplatz bis in die sväten Stunden des kalten Herbsttages. Tie Herkulesallee leuchtete no.ch einmal im Schimmer ihrer unzähligen Flammen, unter denen die Trcsdner wehmutig der herrlichen Abende gedachten, die ihnen die Aus stellung hier gebracht har. Auch die Vergnügung»- etabiisscments sahen ihre Stammgäste noch ein letztes Mal unter ihren Tüchern. AbschiedSsti-mmung überall. . . Nack Mitternacht erloschen die Bogen lampen, und nicht lange nach 1 Uhr schloß die Ausstellung ihre Tore hinter dem letzten Besucher. Der Zulümmenbruch üer Nieüerüeuttchen Bsnk. (Fortsetzung.) x. Dortmund, 2. November. lDrahtber.) In dem Prozeß der Niederdeutschen Bank wurden heute die Verhandlungen wieder ausgenommen. Der zur Erörterung stehende Fall Alexander ist inso- ?ern für die Angeklagten der schwerste, als die Firmu Alexander durch tue Angeklagten um etwa 125 000 peschädigt sein soll. Gebrüder Alexander, ein Breslauer Bankhaus, fragten im Juni 1909 bei der Niederdeutschen Bank an, ob sie 100 Elzer Kuxe zu beleihen wünsche. Ueber die Niederdeutsche Bank hatten Gebrüder Alexander Auskünfte bet der ZreUa-. 3. Lurvrmver rs.r. Berliner Handelsgesellschaft eiugrholt, die günstiS lauteten. Gebrüder Alexander akzeptierten daher einen Vertrag, gegen Lomvardieruna von 100 Llzer Kuxen auf tue Niederdeutsche Bank Wech el in Höhe von 170000 zu ziehen, die dis 8. April 1910 er neuert werden sollten. Ueber die Kuxe wollten sie Blankozession geben, aber sie sollten rhr alleiniges Eigentum bleioen. Aus eine Anfrage der Nieder deutschen Bank erklärte sich die Berliner Handels gesellschaft bereit, Wechsel der Gebrüder Alexander bis zur Höhe von 150 600 zu diskontieren. Nun mehr teilte die Niederdeutsche Bank den Gebrüdern Alexander mit, sie wolle gegen Uebersendung der 100 Kuxe Akzepte in Hohe von 160000 geben, sei mit dem Eigentumsvorbehalt einverstanden und habe sich wegen Diskontierung der Wechsel mit der Berliner Handelsgesellschaft in Verbinoung gesetzt. Dieser Brief trägi die Unter- chrifc der beiden Angeklagten Schmitt und Bren ner. Die Uebersenduna oer 100 Kuxe, lediglich als Unterpfand und zur Sicherstellung der von der Nie derdeutschen Bank gegebenen Akzepte, erfol- te am 23. Juni 1909. Die Anklage steht nun auf dem Standpunkt, daß die Niederdeutsche Bank Nicht be- rettnigt war, die,« Kuxe für eigene Schulden weiter zu verpfänden. Die Niederdeutsche Bank hat aber bereits Aniang Juli 87 dieser EUer Kuxe an die Berliner Handelsgesellschaft gesandt mit der B: stimmung. sie dort ihrem Depot zuzuführen. Tie,e Kuxe hatten einen Wert von etwa 200 000 D e Uebersendung der Kuxe ersolgie so schnell, weil die Berliner Handelsgesellschaft geschrieben hatte, die Niederdeutsche Lank habe ihr Depot um 185 000 Mark überschritten und möge für weitere Deckung sorgen. Später hat die Niederdeutsche Bank aut eine neu« Mahnung hin auch die restlichen 13 Kuxe noch nach Berlin geschickt. Die Ueberweisung kam dadurch zur Kenntnis der Firma Alexander, daß die Nrederdeutiche Bank aus Gründen einer angeblich bevorstehenden Revision eine Bestätigung vertane re, daß sie über die Kuxe verfügen durfte. Gebr. Alexander antwort, ten, e» sei doch alles klar ao- gemacht woroen: Die Kuxe seien lediglich eine Sicherheit für den Akzeptkredit urd eine Ver» jügungsberechtigung komme daher gar ncHt in Frage. Dre Eebr. Alexander waren daher aufs höchste erstaunt, daß sie im Frühjahr 1910 an die Berliner Handels gesellschaft verwiesen wurden, al» sie ihre Kuxe Aurückbaben wollten. Sie beauftragten die Nieder deutsche Bank nämlich, die 100 Kuxe an die Palästina- Bank zu senden, und boten als neue Sicherheit 14 Anteile der Deutschen Kolonialgeiellschaft für Südwestairika an, die damals einen Kur» von 1430 und einen Wert von 1900000 hatten. Die Gebr. Alexander schöpften Verdacht und toten alles auf, ihr Depot zu bekommen; vergeblich. Das Depot war anderweitig verpfändet. Kurz daraus trat die Katastrophe ein und die Eebr. Alexander waren um 1WOOO geschädigt. Der Verl R.-A. Frank stellte den Antrag, den Sachverständigen Lyrenfurth abzulehnen. Das Gericht setzte nach kurzer Beratung die Beschluß fassung über den An nag aus. — Es begann dann die Verlesung der zahlreichen Briefe, die zwilchen der Berliner Handelsgesellschaft und der Firma Alexander einerseits und der Niederdeutschen Bank anderseits gewechselt worden sind. Die Ver lesung nahm mehrere Stunden in Anspruch. — Ferner gelangten zur Verlefuna zwei Mahnbriefe der Berliner Handelsaesellschalt vom 24. und 31. August. In beiden Briefen wird mitgeteilt, daß die Berliner Handelsgesellschaft 59ll00 dzw. 40 600.^: für die Niederdeutsche Bank vorgeschossen hat und daß sie um umgebende Regulierung bitte. — Vert. R.-A. Frank: Nachdem diese Briefe vorgeleat worden sind, muß ich auch darauf bestehen, daß die finanzielle Lage der Niederdeutschen Bank an diesen beiden Tagen hier klargestellt wird. Ich bin nämlich der Kleist suk üer Leipziger Sühne. Zur Vorfeier vou Kleist» 109. Iode»tag«, Von W. Widmann (Stuttgart). Erst neun Jahre nach Kleist» Tode fand eine» seiner Vühnenwerke den Weg auf die weltbedcuten- den Bretter Leipzigs. Am 16. Januar 1820 verkün digten die Zettel den Leipzigern die erste Ausführung des romantischen Nitlcrschauspiels „Das Kätchen von Heiloronn", das ein Jahrzehnt früher, am 17. März 1810, vom Theater an der Wien in» szenische Leben eingcsührt worden war und von dort dem Dichter jein einziges Bühnenhonorar, das er je bezog, 300 Gruden, cingebracht hatte. Direktor Küstner hatte das Stück mit besonderer Sorgfalt cingeübt und ausgestattet, und da die Hauptrollen vorzüglich besetzt waren, so kam gleich ein durch schlagender Erfolg in Leipzig zustande: achtmal konnte das neue Stück im selben Jahre gegeben werden; bis zum Ende der Küstnerscheu Direktion (1828) erlebte cs 25 Aufsührungen. Als erste» Kätchen erschien Demoiscllc Albertine Schaffner, die spätere Gattin des Heldenspielers Wilhelm Maurer, vor d«m Leip, zigcr Publikum. Die Wahrheit ihrer Darstellung wird von verschiedenen Seiten lebhaft gerühmt. Küstner selbst berichtet: „Ausgezeichnet war insbe sondere die Szene unter dem Hollunderbuiche, wo das Eigentümlichste und Innerste von Kätchens Charakter, von der Liebe gelockt, hervortritt. Sie gab sie mit so vier Herzlichkeit, Gemüt, Schalkhaftig keit und zugleich Virtuosität, vermög« welcher sie ort wiederholende Wörter, wie das dreimalige ..Nein' immer verschieden und zugleich wahr betont«, daß sie hierin von vielen großen Künstlerinnen, di« diese Rolle nach ihr gaben, kaum dürste übertroffen worden sein." Einen trefflichen Grafen Wetter vom Strahl hatte sie neben sich in dem feurigen Eduard Stein (Frciherrn von Trcuenfels), „dessen Rede Musik und Poesie war". Gleich im ersten Jahre zeigte sich ein Gast als Kätchen: Madame Friedrerke Schirmer, geb. Christ, die unter Seconda frühe: lange Jahre in Leipzig gewirkt hatte. Als Kätchen eröffnete sie ihr mehrere Abende umfassendes Gastspiel, lebhaft wie- deroegrüßt und gefeiert. Als Albertine Schaffner im folgenden Jahre heiratete und ihrem Gatten Maurer ans Stuttgarter Hoftheater folgte, ging die Kätchenrolle zunächst an Franziska Hanfs und dann an deren jüngere Schwester Friederike Hanfs über. 1829 kam Rosalie Wagner, die älteste Schwester Richard Wagners, in den Besitz der Rolle und be geisterte durch innige», poesirverklärte» Spiel die Leipziger. Auch in Berlin feierte sie gelegentlich eines Gastspiels als Kätchen einen wahren Triumph, ^thre reine Seele spiegelte sich auf ihrem kindlichen Gesicht", berichtet Caroline Bauer; „ihr milde» Lächeln al» Kätchen und das traumhafte Aufcinan- verschlagen der weichen Bll menaugen" habe lebhaft an die frühoersroroene Louise von Holtei-Nog6e, welche die Kätchenrolle in Berlin kreiert hatte, er innert. Rosalie Wagner» wohllautende Stimme habe etwas überaus Rührende» gehabt. Wilhelm Schröder nennt Rosalie Waaner „ein tadellos hold selige» Geschöpf" und beschreivt sie: Eine zartgebaut« Frauengestalt, ungefähr wie Griechen di« Hebe ae- meißelt, lichtes Blondhaar, zwei träumerisch« Deilchenaugen in dem sinnvollen Antlitz von fast an tikem Profil, dabei jene zwar klangvolle, modula tionsreich«, aber doch immer etwas umschleiert« Stimme, wie sie auch Emil Devrirnt eigen, di« Shakespeare so schön nennt: „die Stimme, au» wel ch«» der Menschheit sanfte, klagend« Musik ertönt." Neben Rosali« Wagner glänzt« al, Wetter v. Stahl der damals noch in der Vollkraft stehende Wilhelm Kunst, der die herrlichsten Mittel besaß: „Eine schön«, imponierende Gestalt, «in gluterfülltes beredtes Auge, «in mächtiges, im Zorn wi« im Schmerz glrcch voll und schön tönendes Organ und an geborenen Sinn für Plastik." 1836 führte Caroline Bauer den Leipzigern ihre Lieblinosrolle, Las Kätchen, vor und ernteie reichsten Beifall. Gustav Kühne versicherte am Enoe einer Besprechung jener Gastvorstellung: „Fräulein Bauer war in leder Beziehung das lebendige Bild dieser Dichtung." Die Studenten gaben threr Begeisterung für Sie aus gezeichnete Künstlcrln am Schlüße de» Gastspiel» durch «in Fackelständchen flammenden Ausdruck. Im Jahre darauf wurde auch die reizende Charlotte von Hagn in der Kätchen-Noll« stürmisch gefeiert. Von weiteren hervorragenden Kätchen-Darstellerinnen, die auf d«r Leipziger Bühne Triumph« feierten, seien genannt: Hulda Erck (spätere Frau v. Lavallad«) 1838/40, Lina Schäfer 1848/48, Mart« Niemann- Seebach 1858/59, August« Baudiu» (di« später« Gattin Wildiandts) und Rosa Preßburg 1859/60, Katarina Bußler 1862, Hedwig Raabe 1866/67, Paula Tullinger 1876/82, Agne» Eorma, Ebba Laue 1898/1900 und Elsa Valery 1900. Lange Zeit hindurch wurde La» Kätchen von Heil bronn in Leipzig und auf den meisten Bühnen in Holbeins Bearbeitung (richtiger gesagt: Verstümm lung) gegeben 1852 lieferte Eduard Devrirnt auf Anregung Tieck», der Holbein» Einrichtung scharf verurteilt hatte, ein« besser« Bearbeitung, dann fan den Bearbeitungen von Laube und Wem zeitweilig Berücksichtigung. In neuerer Zeit hat die Bearbei tung von Pros. Karl Siegen alle früheren Ver suche einer Bühneneinrtchtung in d«n Hintergrund gedrängt; sie ist auch für di« letzt« Leipziger Neu einstudierung benutzt worden. Ein besondere» Er eignis war die Aufführung durch di« Meininger bei ihrem zweiten Gastspiel im Jahre 1880, im Carola-Theater. Di« anmutige Hildegard Werner gab das Kätchem Nesper und Krausneck abwechselnd den ritterlichen Grafen, Kober den Friedeborn, Arndt den Kaiser, Hassel den Gottschalk, Teller den Rhein grafen und Emma Habelmann die Kunigunde. Der Hauptreiz der eindrucksvollen, viermal wiederholten Aufführung lag in der großartigen, stilvollen In szenierung. Rach X'm „Kätchen" hat Theodor Küstner, der ver- dienstooue Begründer des Ctadttheaters, noch zwei weitere Kleist-Stücke in Leipzig eingeführt: „Die Familie Schroffen st ein" und „Prinz Frt«drichvonH»mbur g". Da» erster« Drama erlebte in der Holbeinschen Bearbeitung am 12. Ok tober 1822 sein« «rste Aufführung in Leipzig (Berlin folgte 1824, Hamburg 183«, Wien 1855, Stuttgart 1*62). Küstner» mutig?» Dorangehen hatte nicht den cewünschten Erfolg; da» Stück errang nur einen Achtungserfolg und wurde schon nach einmaliger Wie derholung vom Cpielplun abgesetzt. Stein spielte den Ottokar, Madam« Schmidt di« Agne», v. Ziethen den Rupert, Madame Miedke di« Eustache, Thieme den Sylvester und Demoiselle Mollard di« Gertrude. Die Besetzung der übrigen Rollen war: Johann. Kapus, Santi ng-vrand, Akdobern-Köckert, Detorin- Scedach, The stiner-Gev, Jeronimus-Jermann.Ursula- Demoiselle Adler, Barnabe-Demvisell« Hauff. Wie Küstner versichert, wurden die ersten vier Akte, die beinah« unverändert blieben, günstig ausgenommen; der von Holbein verändert« Schlußakt aber wurde »,n dem kritisch«» Leipzig«« Publikum mit tzutem Grund abgelehnt. Holbein hatte den tragischen Aus gang des Originals durch ein glückliches Ende ersetzt! Im vorletzten Jahre seiner Leipziger Direktions- tätigkeit, am 16. Januar 1827, ließ Küstner Kleist» „Prinz von Homburg" folgen, der in Wien unter dem Titel „Die Schlacht bei Fehrbellin" am 3. Oktober 1821 vom Burgtheater zuerst öffentlich auf. geführt worden war, und kurz darauf in Breslau, Frankfurt a. M. und Dresden Eingang gefunden hatte. Mit dem jungen, damals oierundzwanzig- zährigen, bestrickend schönen und in Ned« und Spiel bereits gewandten Emil Devrient als Prinz, dem wackeren Genast als Kurfürst, der Madame Miedke als Krirfürstin und Madame Genast-Böhler als Na- talie errang da» schwierig« Drama «inen guter Erfolg und könnt« viermal wiederholt werden. Ein rich tiges Reocrtoirestück ist es freilich nie geworden. Unter RlNgelhardt wurde e» 1840/41 neuernstudiert mit Heese, Düringer und Madame Dessoir in den Haupt rollen. Wetter« Neueinstudierungen folgten 1857, 1861 und 1876, di« letztere zur hundertjährigen Geburtstagsfeier de» Dichters. Im Herbst 1880 folgten die denkwürdigen drei Aufführungen durch die Meininger im Tarolatheater, mit Arthur Krausneck al» Prinz, Nesper al» Kurfürst, Maria Berg al» Kurfürsttn, Hildegard Werner al» Natalie, Rückert al» Kottwitz, Teller al» Dörflina, Godeck als Hen ning» und Richard al» Hohenzollern. In der Rolle des Sparren alternierte Björn Ljörnson, der Sohn des Dichters und jetzig« Theaterleiter, mit Fried rich Stoppenlhaaen. Dir musterhaft «ingeübte Dar stellung htnterlleß einen tiefen Eindruck. Die wich tigste Aufführung au» der neueren Zeit war dre vcm im März l906 im Leipziger Schauspielhause, in welcher Josef Kainz in der Titelrolle fein« geniale Kurst hinreißend entfaltete. Bornstedt spielt« den Kurfürsten. Hedwig Reicher die Natalie und Meyer. Eigen den Kottwitz. Im Juli 1908 erfolgte die letzte Neueinstudierung tm Stadttheater mit Salfne: als Prin^ Lina Monnavd al» Natalie, Wind» al» Kurfürst, Huth al» Kottwitz und Decarlt ul» Hohen- zollern. Kleist» köstliches Schauspiel „Der zerbro chen« Kru g , das bei der Weimarer Urausführung unter Goethe am 2. März 1808 durchgefallen, dann aber 1820 durch Friedrich Ludwig Schmidt in Ham- bürg zu Ehren georacht worden war, kam merkwürdig spät auf die Leipziger Bretter. Erst unter Wirsing wurde es im Spieljahr 1857/58 eingeführt, und zu voller Wirkung gelangte es erst, als es in neuer Ein studierung mit dem gastierenden Theodor Döring 1865 und 1866 bei ausverkauftem Hause oorgeführt wurde. Döring» humorsprühende Meisterdarstellung de» zy nischen, freck>en, listigen Dorfrichters Adam ist wohl nie mehr erreicht, geschweige übertroffen worden. Sehr gerühmt wurde übrigens auch der Münchner Hofschauspieler Adolf Christen, der im Spieljahr 1867/68 als Adam in Leipzig gastiert«. Direktor Wirsing hat da» Verdienst, auch die „Hermann», schlacht" zuerst auf di« Leipziger Bühne gebracht zu haben, und ^war am 1. Januar 1861 in Wehl» Bearbeitung. Die „Deutsche Schaubühne" berichtet über die Premier«: „Das Hau« war zum Brechen voll, und da» so zahlreich versammelte Publikum folgte mit großem Interesse dem Ganzen, namentlich nach den gewaltig zündenden Schlagworten am Schlüsse d«r letzten Akte sprach es durch stürmischen Applaus sein« groß« Befriedigung au». Die Auf führung war recht aut. Den Cheruskerfürsten Herr mann, Liefen urkräftigen, echt dyztschen Hest,n. der Wahrheit zu zeichn zu bringen. Hr- Bild eines jener alten Leut alles daran setzt, sein Deutschland vom fremden Joche zu befreien, gab Hr. Hanisch, und er hatte hier die beste Gelegenheit, sein schönes, kräftiges Organ, wie fein Talent, edle Heldengestalten mit treffender ' /nen, in vollem Maße zur Geltung Stürmer gab als Marbod das treue Bild eines jener alten Leutchen Heldenfürstrn, na mentlich gelang ihm oortreff ich di« Szene mit Herr- manns Kindern, die von Liddy Kutschte und Seli.ca Mayer sehr brav gegeben wurden. Auch Hr. Kühns (Varus).Karl Kühn (Ventidius), Gitt (Teuthold) und Frau Günther-Bachmann (Astolf) verdienen lo bende Erwähnung. Bei der Wiederholung am 2. Januar war zwar der Besuch ein geringerer, aber der Beifall derselbe." Wirsing berichtete damals brieflich an Wehl: „Die Herrmcmnsschlachl wurde vom Publikum außerordentlich lebhaft auf- genommen. Ich war mit meinen Mitgliedern recht zufrieden; nur schien mir ihre Darstellungsweise durchgehend» etwa» zu modern, wa» bei der Wieder holung unbedingt Wegfällen muß. Alle aber gingen an ihre Aufgaben mit Liebe und Lust." Zu noch packenderer Wirkung kam Kleists patriotisches Drama bet den fünf Ausführungen durch die Meininger 1880, mit Nesper al» Herrmann, Emma Habelmann als Thusnelda, Dettmer al» Dentidiu», Richard al» Marbod, Teller als Varus, Rollet als Luitogar und Björnson als Thuifcomar. Kleist» „Amphitrion", am 8. April 1899 am Neuen Theater in Berlin, im Rahmen der historisch modernen Festspiele (Dr. Wolfgang Kirchbach), dann vom Berliner und Schiller-Theater in Berlin aufge- nommen und auch in München und Hamburg ye- aeben, gelangt« in Leipzig durch Staegcmann rm Neuen Theater am 22. Ottober 1903 erstmals zur Darstellung und zwar tu einer Bearbeitung von Wilhelm Henzen, welch« da» Anstößig« der Vorgänge und Gespräche etwa» zu mildern suchte und darum von Eottschall al» „ociitio austi^ora" bezeichnet wurde. Diese Premiere erzielte nur einen Acytungs- erfolg und endete mit unbeabsichtigter Komik: „Die olympische Wolke, auf welcher Herme» von dannen fährt, hatte ihre Kaprizen, benahm sich sehr operetten« baft und wurde die ganze Schlußwirkung zerstört haben, wenn nicht da» Publikum dem verdienten Dichter Wilhelm Hcnzen hätte durchaus seine Hul- diauna darbringen wollen/' Den Darstellern (Amphitryon-Echuy, Alkmene-Gertrud Richter, Zeus- Bolkner, Phottdas-Ereiner, Charis-Marie Dalldorf, die beiden Sofias-Demme und Hänseler) zollte Gott schall warme» Lob. Di« Aufführung war ein in teressanter Versuch, vermochte aber nicht, der genia lischen Kleistschen Nachdichtung der nach Plautus von Moliere geschaffenen Tragikomödie einen festen Platz im Epielplan zu gewinnen. Zwei dramatisch« Dichtungen Kleists fehlen noch auf der Leipziger Bühne: die Tragödie „Penthe- filia", da» Gegenstück zum „Kätchen" (1876 im Berliner Schauspielhaus« in Mofenthal» Bearbettun- zuerst ausgesührt, in den 1880er Jahren mit Clara Ziegler in München, Köln und Mannheim gegeben und neuerdings von zwei Berliner Bühnen ausge nommen) und da» einaktige Fragment „Robert Eniskard", da» vor einem Jahrzehnt vom Ber liner Theater ins szenische Leben cingeführt wurde, in jüngster Zeit namentlich im Münchner Hoftheater zu Ehren gelangte und am 4. November im Reigen der Kleist-Ge-enkfeiera tm Alten Theater er- scheinen fall.
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