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4. Vellage, /rruay, Z. Navemdrr 1911. Leipziger Tagedlstt Nr. sos. ros. Jahrgang. «i Sain. Aochg^birgsroman von Adolf Ott. t»«ch»ru<r verdie».) Sein Weib antwortete ihm mit einer grellen Lache. „Dos sagst du so! Auch ich hab «ine Zett gehabt, wo ich g'meint hab, ich hätt' ihn ganz vrrlor'n, «» gab kein Herrgott, weil »ch unter dem Elend unter« leg'n bin, das von dir ausgang'n ist. Aber ich hab ihn wieder a'funden, in Not und Krankheit und weil ich eing sehn hab datz es ohne ein' Herrgott auch keine gut n Menschen in der Welt geben könnt'. Verkriech' dich vor ihm, tu, was d' magst, er find't dich: er wird an dir räcy'n. was du an mir und dei'm Kind und an dei'm ehrlichen, braven Bruder für Schandtat'n a'tan hast." Das Weio hatte, während es so sprach, jedes Zeichen seiner innerlichen Geknicktheit abgeworfen. Es stand vor dem Sünder, wie ein zu Person ge wordener Rachegeist. Unb Kilian? Die Gewissens bisse waren in dem Bauer nie erstorben, aber sie hatten nach der falschen Richtung ihre Wirkung aeäutzert. Was zur Reue hätte werden sollen, wurde Trotz und Auflehnung. Die peinigenden Vor stellungen schwiegen aber trotzdem nicht, und so suchte der Bauer sie mit Spiel und Trunk zu betäuben. Nachdem dies aber immer nur für kurze Zeit gelang, kehrte er alsbald wieder zu diesem einzigen, wenn auch nur für Stunden sich bewährenden Mittel zurück. Wäre Hans nicht der ältere Bruder gewesen, lo würde es überhaupt nicht zu einer Testamentsfälschung ge kommen sein. Nachdem aber Kilian das von ihm begangene Verbrechen weder vor sich selbst beschönigen noch ableugnen konnte, ferne Habgier ihm aber Recht gab, blieb sü: ihn sein Bruder die Ursache des ihn unablässig peinigenden Teelenzustandes, und dafür hasste er ihn. Die Hoffnung auf einen männlichen Leibeserben war vereitelt: sein Weib, dessen Wesen er wie einen zu Mensch gewordenen, stündigen Vorwurf empfand, war ihm nicht nur völlig gleichgültig, sondern nach gerade widerwärtig geworden. Sein Kind, das kleine Mädel, erregte als enttäuschte Hoffnung bei jedem Ansichtigwerden seinen Zorn. Kilian hatte doch noch so viel Ueberlcgung und Kaltblütigkeit sich bewahrt, um einzusehcn, das; das wüste Leben, das er führte, nach menschlicher Voraussicht wahrscheinlich kürzer sein werde, als das seines soliden Bruders. Es graute ihm ganz besonders vor dem, was nach dem Ende kommen würde: denn den Herrgott verleugnete er, aber von dem Glauben an den Teufel und die Hölle konnte er sich nicht frei machen. Für sich hatte er gefehlt, und wenn er dafür verantwortlich gemacht wird, so soll das, was er sich errungen, dem eigenen Fleisch und Blut zugute kommen. Kilian mar fest entschlossen, aus einem Sohn der roten Louis den künftigen Hoferben zu machen, nur damit seiner Zeit der Tanneckhof nicht an den Hans oder dessen etwaige männliche Leibeserben fallen kann. Die Einwilligung -zu erner Adoption gedachte er von der Anna-Marie schon erzwingen zu können. Wie er sie aber jetzt sah, überkam ihm mit einem Male die Erkenntnis, das Weib läßt sich von dir zu nichts mehr zwingen. Und das verwirrte ihn so, das, er mit einem Wutschrei vorwärts sprang, sein Messer aus der Tasche ritz und sich auf sie stürzen wollte. Aber Anna-Marie hatte das unheimliche, mord sinnende Anfblitzeu der Augen und den raschen Griff nach der Waffe bemerkt — mit einem Sprung war sie auf und sprang über die Treppe ins Freie. Unter der «rotzen Linde, die am Eartenzaun stand, spielte ihr Kind, die kleine Anna-Marie, die ihr ahnungslos eine Puppe entaegenhielt. Mit einem harten Griff packte sie die darüber Erschreckende am Arm und ritz sie mit sich, davonstürmend, fliehend, ohne noch zu wissen wohin. Erst das schmerzliche Weinen brachte das hocherregte Weib wieder etwas zu sich, so daß es seine Eile mätzigte und das Kind zu beschwichtigen suchte. Aber nun wohin? Eine Rückkehr auf den Tann eckhof schien ihr unmöglich. Was sie die Welt hieh, war etwas feindliche», verschlossenes. Wetter als in die allernächste Umgebung war sie nie gekommen. Allerlei unmögliche Pläne kreuzten sich blitzschnell in ihrem Gehirne und jeden mutzte sie bei seinem Auftauchen auch schon verwerfen. Heim, nach dem Elternhaus? Der Bauer, ihr Vater? Sah dieser die Verhältnisse auf dem Tanneckhof nicht richtig oder wollte er sie nicht sehen — für seine Tochter hatte er nur Vorwürfe, die alle darauf Hinausliesen, datz er behauptete, sie hätte den Kilian nicht richtig behandelt, sonst hätte es mit diesem anders kommen müsten. Schließlich klammert« sie sich doch an den Ge danken fest, datz ihr der Vater helfen müsse. Schon sein Stolz wird es nicht ertragen, datz die Tochter so niederträchtig behandelt und sogar mit dem Tode bedroht worden ist. Da lenkt die Anna-Marie ihre Schritte nach dem Lenzhof und findet dort den Alten nicht in bester Laune, weil ihn die Gicht quält. Er will ausfahren, da er aber bald merkt, datz es sich heute nicht um die gewöhnlichen Klagen handelt, wird er ruhiger und hört sein Kind an. Der Bauer wird dabei blaß, und seine Hände verkrampfen sich drohend zu Fäusten, mit denen er aufgeregt auf den Tisch pocht. Dann steht er auf und sagt nur das einzige Wort: „Warte!" und humpelt in seine Kammer. Die Anna-Marie bleibt weinend und schluchzend sitzen, das ahnungslose Kind sucht in seiner Weise sie zu trösten. Bald darauf kommt der Bauer, zum Ausgehen gerüstet, sich auf einen derben Stock stützend, wieder rn die Stube und ruft befehlend der Tochter zu: „Komm' mit!" Sie schaut ihn an, als wenn sie ihn nicht ver standen hätte. Endlich stützt sie angstvoll heraus: „Wohin??' „Wohin?" schreit der Bauer, über dessen Züge die Ungeduld zuckt. „Wohin! Auf den Tanneckhof. Ich werd' dort Ordnung schaff'n. Komm mit!" Dieser Befehl klang so hart und kategorisch, datz trotzdem in der sich innerlich sträubenden und ent setzten Frau die altgewohnte Unterordnungspflicht wieder lebendig wurde. Sie erhob sim wankend und folgte mit dem Kinde mühsam dem ao und zu einen Fluch ausstotzenden Vater. Aber sie hatte das Gefühl, als ob sie zur Schlachtbank geführt werden würde. Aus dem Tanneckhof angelangt, wies sie der Vater mit rauhem Befehl nach ihrer Stube, dann suchte er den Bauer auf, den er in der Kammer traf. Was zwischen den beiden vorging, hatte keine Zeugen. Zuerst war ein Reden und Schreien von beiden zu vernehmen, dann schien nur mehr der Lenzhofsbauer zu reden. Nach ungefähr zwanzig Minuten öffnete sich die Kammertüre und Kilian rief nach der Louis, die sofort zu ihm kommen soll. Das Mädl erschien, trotzig und aufgeregt. Es ahnte ihr, datz es mit ihrer Macht hier zu Ende gehen werde. Im Beisein seines Schwiegervaters erklärte ihr der Hofbauer, datz sie sofort das Haus zu verlassen habe. Nun kam es zu einem wüsten Auftritt. Da» Weib zeterte und schimpfte und wollte auf ihrem Neckst bestehen, zu bleiben. Der Lenzhofbauer hörte eine Zeitlang ruhig zu, dann zählte er eine Anzahl Banknoten auf den Tisch. „So!" sagte er. „Entweder nimmst du einstweilen das Geld und gehst dorthin, wo du daheim bist, oder ich schick nach dem Gendarm und latz dich fortscqasf'n. In Reichenbach bist du net zu Haus, und du weiht, datz liederliche Weibsbilder hiet net geduld' werd n. Dies« Ansprache half. Vor Zorn beulend, strich das Mädl das Geld ein. Bevor es aber ging, trat es vor den Tanneckbauer und gab diesem, dessen Bein« vor ohnmächtiger Erregung schlotterten, ver achtungsvoll einen Stotz vor die Brust, datz er bis an die Wand taumelte. Der Lcnzbauer sah dies nicht ohn« Genugtuung, dann folgte er dem Weibsbild und ging ihm nicht mehr von der Seite, bis es seine Sachen gepackt und den Hof verlassen hatte. Mit dem sauberen Schwiegersohn verkehrte er nicht mehr, aber zu seiner Tochter rief er vor dem Gehen in die Stube hinein: „Anna-Marie! Der Hof ist jetzt wieder sauber, Das andere, das ist deine Sach !" Ja, das war „ihre Sach'", etwas, das auf ihr lastete, mit zu Boden drückendem Gewichte. Sic hört«, aber sie verstand nicht, wie sie hier etwas ändern könnte. Und wenn sic es vielleicht verstanden hätte, so war das Bewusstsein der unverdienten Gc- kränktheit und der Widerwille in ihr schon so grotz und mächtig geworden, datz sich diese Gefühle selbst gegen einen Versuch stemmten. Was blieb da? Di« Verzweiflung und ein heitzes Sehnen nach dem Ende, nach dem Tode. Als der Lenzbauer den Tannecker verlassen hatte, blieb dieser in ohnmächtigem Zorn, mit den Zahnen knirschend, zurück. Es waren keine moralischen Mit tel, mit denen er zahm gemacht worden war, auch sogenannte Vernunftgründe waren an ihm nicht ver sucht worden. Der Alte hatte ihm einfach, aber sehr überzeugend gedroht, datz er sofort eine hohe Hype thek, die von Kilian auf den Hof errichtet worden war, kündigen werde, wenn die Louis nicht zur Stund« entlassen und die Anna-Marie besser behan delt wird. Der Kilian war einige Augenblicke wie gelähmt vom Schrecken gewesen. Da hatte der verdammte Wucherer also die Forderung an den Schwiegervater verkauft! Das war ihm schon mebr als unangenehm, denn mit dem Lenzbauer war nicht zu spatzen, der ist imstande, kündigt, und wenn nicht gezahlt werden kann, nimmt er den Hof, um es ihm unmöglich zu machen, weiter zu verschwenden. Za, der Tanneckbauer war auf einmal gefügig ge worden, als er sich zwischen diesen scharfen, und wie er überzeugt war, auch unbarmherzigen Krallen ge halten fühlte. Aber das Nachgeben hatte ihn weder bester noch gescheiter gemacht, denn, nachdem er in stiller Wut einige Zeit vor sich hingestiert hatte, fing er plötzlich in der unvernünftigsten Weife an, seinen Zorn an allen leblosen Gegenständen auszulassen, die in sei ner Kammer nicht niet- und nagelfest waren. Als er dann um teures Geld Schaden angerichtet hatte und etwas ruhiger geworden ^var, rannt« «r dahin, wo er sich immer Trost und auch nicht selten tüchtige Prügel holte. Die Anna-Marie aber hatte die nächste Zeit wirk lich Ruhe vor dem Unhold und das war etwas, wa» ihrer geschwächten Gesundheit sehr zustatten kam. Mittlerweile verging der Winter, der auf den Bergen außergewöhnlich grotze Masten von Eis und Schnee aufgehäuft hatte. Kegen da» Frühjahr zu brach sich die strenge Kälte und warme Südwestwinde brachten Tauwetter. All« Wasserabflüsse füllten sich mit gelbbraunem, rauschendem Natz, der Bach im Tale schwoll an. war aber immer noch in seinen Ufern geblieben. Wie der Lärm einer Schlacht donnerte es von den Hochgipfeln, wo sich an den Steilhänqen die Lawinen lösten, sau send, brechend, Felsgestein und Waldriesen zu Tal leistend, um endlich mit einem Kanonenschutz ähn lichen Ausschlag von irgendeinem Hindernis aufge halten zu werden. Dunkle Streifen, von zerfurchtem und rinnenartigem Aussehen bezeichneten in dem blendenden Weitz ihrer Umgebung die Stellen, an welchen sie abgefahren waren. Das war für die Talbewohner, geschützt durch die breiten Waldstreifen, die sich um die Bergfüße zogen, ein gewohntes und ungefährliches Schauspiel. Bei dem beginnenden Tauwetter zeigte der W*ald eine noch stumpfere Farbe als im Winter. So mutzt« es kommen, wenn die Firnen ihre Schncegcwänder ab schütteln und dem Felsgestein sein Recht wieder wer den sollte, die wärmenden Sonnenstrahlen aufzusan gen, um einer spärlichen Vegetation neues Leben zu geben. Noch acht oder zehn solcher Tage wie jetzt, und man konnte nach der Wintersqual sagen, datz der Frühling wieder einmal auf die Berge ge stiegen sei. Aber es kam anders in diesem Jahre. Der Wind war nach Süden umgeschlagen und brauste als Föhn sturm durch die Wälder, brach uno entwurzelt«, wo er einsetzen konnte, die stärksten Bäume und bewarf den Boden mir zerschmettertem Aftwerk. Die heitzen Luftwellen leckten die Schnee- und Eiswände mit gierigen Zungen, das Donnern der Lawinen wurde zu einem Schlachrfinale, wie wenn der letzte Wider stand eines zähen Gegners gebrochen werden mützte. Abertausende von kleinen Rinnsalen bildeten sich, die die geschmolzenen Masten den breiteren Wasser läufen zuführten. Ter Schaum war zum lehmgelben Gischt geworden, der mit unwiderstehlicher Gewalt das Gestein in seinen Fugen lockerte und in den tief eingeschnittenen Gräben zu Tal ritz. Dazwischen schwamm Astwerk, ganze, mit den Wurzeln los gespülte Bäume, die sich stemmten, barsten, zersplit terten, um irgend an einer Stelle einen Walt zu bilden, der die Wasser staute, über Len sich die Wellen in grimmiger Hast schnellten. Jetzt wurden die Gesichter der Leute bedenklich, denn sie hatten es schon erlebt, datz der zum reißenden Strom gewordene Bach das ganze Tal überflutet hatte. Für die Wohnstätten war nicht viel zu be sorgen, die lagen zum Glück in saft ungefährdeter Höhe: aber der Schaden, der an Feldern und Wi«sen angerichtet würde, vor dem graute ihnen. Einer der unruhigsten war der Forftgehils«. Za, das Hochwasser bildet« eine Gefahr, die nicht zu unterschätzen war. Nach seiner festen Ileberzeugung aber brauchte es ein Wunder, wenn nicht das bösere Unheil vom Berge selbst dräute. Des öfteren war er am und auf dem unterspülten Hang gewesen. Eine Anzahl der eingeschlagcnen Pfähle sind vom Erddruck schon herausgeprcsst: andere stehen noch, aber schon ganz schief. lFortsetzung in der Abendausgabe.) Vfublcv Lio beim Lwkauk Ikror ckiv na Speeml-Lromou von «mpkvdiev nuä versvockev cklo Lollektioven cker Lövlxl. riävlislseben Imnäes-I,otterl«: ullck V ! Wiü D . . . „ ej K-e-p-ig, Iliesleppl. I MAN Neumai-Kt 18. > «m.kkuu» bE KMW A. 8SMMvr, Knnmsittlie Str. i (geZoatidor ooasls eiogo itbrtou Sorten Idnniv» rrutt Illvrrv» in unck Itox Oalt 6üv« dosonckoro Vornügo benüglieb cker Haltbarkeit, klexaim uuck vvroedmsn kvrmon. 1. AlsM 1K1. HmM Aelirkeller LMÜes-Lotlerie W Ltvlrnn« «. n»rl 7. u MI«. s — 7, MI.. 10 — /, ««.. 2S — /, MU. SV Voiiiv.« v» »t. r-.— >/. «t. so.— >/, iss- »/, »». rro — ckemm kltmuag». unU VerUauuna». organe, OaUenatetn«, kNeren» un«l MaaenIetUeri, Lmpk^sem, klotkina »ovl« kolgen cker Intluenrs. »trlevsn. »eird„, I. »e»l«. 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