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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.10.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-10-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191110222
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19111022
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19111022
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-10
- Tag 1911-10-22
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Monat
1911-10
-
Jahr
1911
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Papst«» überbracht«. Kaiser Franz Josef verlieb Bisleti daS Großkreuz deS LeopoldordenS und dem Zeremoniär Respighi daS Komturkreuz des Franz- Joses-OrdenS. Der Lies üer SuMsnülltzen in Lhins. Der erste amtliche Bericht von dem Siege der Rebellen bei Hankau gelangte nach der ..Boss. Ztg." am Freitag nachmittag 4 Uhr chinesischer Zeit nach Schanghai zum britischen Konsulat durch Hunkenspruch. hierin wird festgestellt, wie der „Daily Telegraph" von dort meldet, das; die fremden Siedelungen vollkommen unbeschädigt blieben. Ueder die Einzelheiten des lebten Kampses meldet „Reuter" noch aus Lankau vom Freitag, der Widerstand der kaiserlichen sei sehr schwach gewesen, die Schüsse der Kanonen boote vollkommen wirkungslos. Als der „Reuter"-Korrespondcnt, der mir anderen Personen vom Flusse aus dem Kampfe zusah, nahe beim kaiser lichen Lager landete, fand er es lee r. Die Anssiän- dischen feuerten trotzdem unausgesetzt und wurden erst, als die Fremden ihre Taschentücher schwenkten, dazu gebracht, die Sache zu untersuchen, denn sie glaubten, man wolle ihnen eine Falle stellen. Das Lager, das kaum 5 Kilometer von Hankau entfernt liegt, wurde von den Rebellen genommen und verschanzt. Zum ersten Male in der chinesischen beschichte funktionierte oei dem Kampfe das Rote Kreuz mit chinesische:! Helfern, obwohl es nicht hatte durchsetzen können, dasz cs von den Führern der Regicrungstruppen anerkannt werde. Viele der ver wundeten kaiserlichen wurden deshalb auf dem Felde liegen gelassen und später von Freunden der Rebellen getötet oder ver stü m m e l t. Es sollen im ganzen tausend Kaiserliche und hundert Rebellen gefallen sein, wie eine chiffrierte Depesche nach San Francisco meldete. Der „Morning Leader" meldet aus Schanghai, dasz am Donnerstag in Han kau ein Plündern begann, doch verhängten die Revolutionäre den Belagerungszustand und bestraften die Plünderer aufs strengste. Weitere bevorstehende Kämpfe. Bei den Kämpfen sind die Telegraphcnleitungen, sowie alle Eisenbahnlinien südlich von Kwanasi vollständig zerstört worden. Rebellen sind letzt im Begriff, kwanasi zu stürmen, wobei es wieder mit den kaiserlichen Truppen, die ihnen in einer Stärke von 25 000 Mann entgcgenziehen, zu einer blutigen Schlacht kommen dürfte. Di« wirtschaftliche Depression. Der gesamte Handel liegt seit dem Ausbruch Ker Revolution in China vollkommen danieder. Täg lich finden auf die Banken Runs statt, denen die Banken in keiner Weise gewachsen sind. Dabei ver mehrt sich immer mehr die Zahl der ängstlichen Sparer, die ihr Geld stürmisch zuriulverlangen. Weiter wird dazu gemeldet: Peking, 21. Oktober. (Reutermeldung.) Gestern fand die Zusammenkunft der ausländischen Diplomaten statt, um über die finanziellen Verpflichtungen Chinas an das Ausland zu be raten. China bat, das; ihin gestattet werde, die Ratenzahlung der Kriegsentschädigung auf zuschieben. Es sei eifrig bemüht, eine Anleihe aufzunehmen. Hier beginnt man Zweifel zu hegen, ob Puanschikai die hohen Aemter annehmen wird, - die ihm übertragen worden sind. Peking, 21. Oktober. (Reutermeldung.) Eine -Proklamation der Regierung weist die Kaufleute an. Papiergeld als Zahlung anzunehmen und trifft auch weitere Anordnungen, um die Zir kulation des Papiergeldes zu schützen. Die Ge sandtschaften ergreifen hier und in Tientsin die notwendigen Dorsichtsmaszregeln, um militäri schen Schuh und die Verpflegung sicherzustellen. Die Rationalversammlung soll morgen eröffnet werden. Japanisch« Rüstungen? Peking, 21. Oktober. lMeldung der „Preß. Zentrale".) Fortgesetzt aus Tokio eintrefsende Telegramme besagen, das; in den letzten Tagen in ganz Japan fieberhaft betriebene militärische Vorbereitungen getroffen werden. Der Generalstab Hal sich in der vergangenen Woche bereits mehrere Riale zu längeren Sitzungen ver sammelt. Man verfolgt in Peking jede, aus Tokio cintreffende, auf die militärischen Masznahmen be zügliche Rachricht mit qröszter Aufmerksamkeit. Gcldunterstützung der Revolutionäre. Rew Port, 2l. Oktober. <Eig. Drahlmeld.» Rach einer Meldung aus San Francisco dcirägt die von den chinesischen revolutionären Agen ten bisiter aufgebrachte Summe für die Unter stützung der Revolutionäre in China 2,'/ Millionen Dollar. Den Geldgebern wird über die von ihnen geliehene Summe von den chinesischen Agenten ein schuld schein ausgestellt, dessen Bezahlung er- folgen soll, sobald die republikanische Regierung in China am Ruder ist. Die Fremden bedroht? Paris, 2l. Oktober. (Eig. Drahtmeld.) Hiesigen Blüttermeldungen zufolge ist der französische Konsui ia Pu nu an ersucht worden, die Fremden aufzu fordern, das Land zu verlassen, da man bei der sich immer drohender gestaltenden Lage für die Sicherheit der Ausländer keine Garantien mehr übernehmen könne. Auch den Missionaren ist die Aufforderung zugegangen, die Stätten ihrer bis herigen Wirksamkeit wegen der verschlimmerten Situation baldmöglichst zu verlassen. Rach einer Meldungen des „New Pork Herold" hat sich die Regierung der Vereinigten Staaten mit den anderen Großmächten in Verbindung gesetzt, um geeignete Masznahmen für den Schutz der Fremden bei der gegenwärtigen Revolution in China zu treffen. * Die sremdcn Interessen in China. Für die Bedeutung der fremden Interessen in China ift unter anderem auch die Zahl der in den offenen chinesischen Häfen ansässigen fremden Firmen und Ausländer kennzeichnend. Hierüber machen, wie die „Centralstelle für Vorbereitung von Handels verträgen" schreibt, di« amtlichen Berichte der chine sischen Seezollverwaliung Angaben, die angesichts der gegenwärtigen Wirren besonderes Interesse ver dienen. Die Zahl der fremden Firmen belief sich im Jahre 1910 auf 3239. Am zahlreichsten ver treten war Japan mit 1601 Firmen, es folgte Eng land mit 601, Rußland mit 298. Deutschland mit 298, Frankreich mit 110, Amerika mit 100, Spanien mit 81, Portugal mit 57, Oesterreich-Ungarn mit 29, Belgien mit 13. Wie sehr das Interesse für China in neuester Zeit gewachsen ist, zeigt ein Ver gleich der Jahre 1910 und 1900. 1900 waren in den offenen Häfen Chinas 1897 fremde Firmen ansässig, 1910 dagegen 5239. Allerdings ist hierbei zu berück sichtigen, das; die Zahl der offenen Plätze im Jahre 1910 größer war als im Jahre 1900. Im Jahre 1910 sind 7 kleinere Plätze in der Rühe der russisch japanischen Grenze hinzugekommen, in deren Be völkerung das russische und japanische Element über wiegt. Die Vermehrung der russischen und japam-" scheu Firmen ist desl-alb eine besonders starke. Aber auch bei den übrigen Rationen ergibt sich ein be nächtlicher Zuwachs. Von 1900 bis 1910 stieg die Zahl englischer Firmen von 492 auf 001, deutscher Firmen von 199 auf 238. Rur Amerika zeigt einen Rückgang von 112 aus 100. Die Zahl der Ausländer in de» offenen Hafenplätzen betrug 1910 141 808. Das stärkste Kontingent stellte Japan mit 65 438, es folgt Rußland mit 49 395, England mit 10140, Deutschland mit 4106, Amerika mit 3176, Frankreich mit 1925. s. orüentliche LusngelM- lutherilche Lsnüesupmür. (:) Dresden, 21. Oktober. Der heutigen 23. öffentlichen Sitzung wohnten wiederum der Präsident des Landeslonsistoriums und mehrere Kommissare bei. Die Tagesordnung war verhältnismäßig kurz, denn neben dem Re gistrandenvortrage war nur noch die Wabl des Kündigen Ausschusses angejetzt worden. Der Präsident verlas zunächst ein Schreiben der , Inspektion der evangelisch-lutherischen Hofkirche, in dem mitgeteilt wurde, daß der feierliche Echluß- gottesdienst der Synode nm Dienstag, den 24. Oktober, mittags 12 Uhr, in der Hof- und Sophienkirche stattstndet. Die Predigt wird Geh. Kirchenrat Proi. 1«. Ihmels-Leipzig halten. Präsident Dr. Böhme gibt hierauf eine Mittei lung des königl. K riegsministeriums bekannt, in der die Bemerkungen des Pfarrers Siebenhaar- Vreitcnborn über die Militärseelsorge in der 8. Sitzung der Synode vom 2.Oktober als unwahr zurückgewiesen werden. tPfarrer Siebenhaar hatte gesagt, daß 1). Luthardt schon 1871 in der Synode darüber geklagt habe, daß in Sachsen im Unterschiede von anderen Ländern so wenig für die Militärieel- sorge getan werde. Das Kriegsministerium Fabrice habe leine Ohren für solche Klagen gehabt. 1870 seien 6 alte Militär- und Feldgeistliche bei der Sy node eingelommen und Härten die Uebelstände auf gedeckt. In dem Etat des Reiches seien regelmäßig bedeutende Summen für die sächsische Militärseeljorge, im Jahre 1882—83 beispielswei e 32 690 er schienen. Aber das Geld sei nicht Fir seinen eigent lichen Zweck verwendet worden. Es sei natürlich ganz ricktig berechnet worden, man sage aber, es werde für die Kadettenanstalt verwendet. Als die Albertstadt gebaut worden sei für 8000 Soldaten, habe man ganz vergessen, irgend etwas, was einer Kapelle auch nur ähnlich sah, hineinzubauen. In derselben Zeit sei aber ein katholischer Kaplan für 600 katholische Soldaten mit dem Range und den Kompetenzen eines Divisionspredigers berufen morden. Die damaligen 20 0(0 evangelischen Sol daten seien unbeachtet geblieben. Das Kriegs ministerium habe auf dein unhaltbaren Standpunkt gestanden, daß das Militär in den Gemeindegottes dienst hineingehöre. Die 8000 Soldaten sollten nach Dresden-Neustadt gehen und seien 3mal im Jahr.' in die Kirche geführt worden. Das Landeskonsisto rium und die Synode seien in dieser Frage vom Kriegsministerium Fabrice, gelinde gesagt, sehr un freundlich behandelt worden.) Gegen diese Vorwürfe verwahrte sich das Kriegsministerium in dem heutigen Schreiben. Pfarrer Siebcnhaar-Greitenborn betonte, daß es ihm bei seinen Ausführungen in der erwähnten Sitzung hauptsächlich darauf angekommen sei, das Landeskonsistorium und das Kgl. Kricgsminisierium zu den gegenwärtigen Einrichtungen auf dem Ge biete der Militürseelsorge zu beglückwünschen. Als Mitglieder des ständigen Ausschusses wurden hieraus aus Vorschlag des Geh. Hosrates Opitz-Treuen folgende Herren durch Zuruf gewühlt: Wirkl..Leh. Rat O, Gigs Otto Vitzthum v. Eckstädt- Dresden, Geh. Hosrat Opitz-Treuen und Bürger meister Dr. Seeyen-Wurzen als weltliche Mitglieder, Superintendent Hempel-Dippoldiswalde, Superinten dent Kröber-Piraa und Pfarrer Siebenhaar-Breiten- dorn als geistliche Mitglieder, Kammerpräsident Dr. Vogel-Dresden, Geh. Rat Lotichius-Dresden und Bürgermeister Carl-Marienberg als weltliche Stell vertreter sowie Oberxsarrer Dr. phil. Klemm-Strehla Pfarrer Frausladt-Schrebitz und Geh. Kirchenrat Prof. v. Ihmels-Leipzig als geistliche Stellvertreter. Hierauf wurde die Sitzung geschlossen. Nächste Sitzung: Montag, den 23. Oktober, vor- mitttags 9 Uhr. Tagesordnung: Negistrande, 1. Be ratung über den Ausschußantrag für den Erlaß Nr. 15, betr. den Entwurf eines Pfarrerdcsoldungs- gesetzes, Antrag Opitz und Genossen, betreffend den Erlaß des neuen Vvlksjchulgesetzes. kimlt uns Allleistchskt. Die neue Straus-Dperette. Aus Wien wird uns geschrieben: Oskar Straus kommt gegen die Erinnerung gegen seine näheren Werke nichr aus. „Die lustigen Nibelungen", „Der Walzertraum", „Der tapfere Soldat" waren lauter so temperamentvolle gelungene, an Melodien über reiche Werke, daß es dem geistreichen Komponisten schwer füllt, etwas Gleichwertiges und Gleichwirl- sames zu schassen. Seine neue Operette „Die kleine Freundin", die im Carltheater zur Ur aufführung gelangte, fängt mir einem sehr hübschen Vorspiele rin Stile der römischen Oper an, jenem zierlichen Genre, für das Oskar Straus immer viel Neigung und Talent bekundet hat. Dieses Vor spiel ist der gelungenste und hübscheste Teil seiner neuen Operette, während das eigentlich operetten müßige in den folgenden zwei Akten nicht besonders geraten ist. Das mag zum Teil auch die Schuld der Librettisten Leo Stein und Dr. A. M. Willner sein. Zwei so bewährte und erfolgreiche Autoren hätten wohl ein dramatischeres und lebendigeres Luch zustande bringen müssen. Auch ihnen ist das Vorspiel am besten gelungen. Es trägt sich in der französischen Provinz auf dem Schlosse des Grafen Artois zu. Die Sache fängt gleich mit einer Verlobung an, die aber nicht zustande kommt, weil der Bräutigam fehlt. Verlobungstasel, Gäste, Glückwünsche und Deputationen, alles ist bereit. Die beiderseitigen Väter sind verzweifelt, nur die Braut ist sehr angenehm enttäuscht, denn sie liebt einen andern. Ihr Bräutigam, der junge Graf von Artois, hat cs vorgezogen, in seiner Junggesellen wohnung in Paris zu bleiben bei seiner kleinen Freundin Philine, von der er nicht lassen will. Der alte Graf kommt erzürnt und drohend nach Paris, besteht auf sofortiger Lösung des Verhältnisses. Run täuscht man ihm eine andere lotettc Pariserin, Louison. als die kleine Freundin seines Sohnes vor, die natürlich leichten Herzens auf die Trennung eingchi. Der junge Graf wirb zur Belohnung und zur Erholung von seinem Schmerze auf eine Reise geschickt, auf die er die wirkliche Freundin mitnimmt. Im letzten Akte sind alle Paare glücklich verheiratet und alles löst sich in schönstes legitimes Wohlgefallen aus. Diesen sehr harmlosen, aber netten Stoff haben die Librettisten gar zu undramatisch gestaltet und von ein paar hübschen Situationen und Stimmungen abgesehen, gibt es in den drei Alten gar keine Spannung und die Geschichte geht von einer Szene zur nächsten recht und schlecht weiter. Die Texte sind sauber gearbeitet, zeigen aber nicht jenen populären Wurf, auf den sich Stein und Willner sonst verstehen. Oskar Straus hat diesmal mit ersichtlicher künst lerischer Sorgfalt gearbeitet und die seinen und liebenswürdigen Momente sind ihm auch gelungen. Namentlich im Vorspiel, das fast keine einzige jo- .genannte Nummer, sondern lauter durchkomponienc musikalische Szenen enthält. Die reizvollste davon ist das Ensemblelied „Katzentischlein". Die originellste Nummer der Operette ist das parodisti.ch-lyriiche Frühlingslied und am populärsten wirken ein Ann; Liszt. (Geboren am 22. Oktober 1811.) Von Eugen Segnitz. Fm Jahre 1811 erschien ein Komet und der- setzte die Well in staunen. Und in demselben Jahre wurde jener Künstler geboren, der als Revolutionär und Reformator auftrat und einer ganzen must- kalisck>en Welt Gesetze gab — Franz Liszt. Bei der Nennung eines großen Namens ent steht immer zugleich eine ganz bestimmte Vorstellung «einer gesamten Persönlichkeit. So ist es auch der Fall mit jenem Liszts. Wir gedenken seiner als des ou'.'Ubeneen Künstlers, des Komponisten, Schrift stellers und Mensclzen. Liszts Lebensbahn bewegte sich von dem kleinen, bei Eisenstadt gelegenen Raiding in stets aufsteigen der Linie. Tie ersten Eindrücke werden durch das Landleben mit seiner Staffage streifender Zigeuner bestimmt. Ein frommes Eilernpaar vererbt ihm den tief religiösen Sinn, Beethovens Musik weckt den schlummernden Genius, ungarisch Magnaten er öffnen den Zutritt zur Laufbahn des Künstlers. Oedenbura und Eisenstadt sind die Stätten Liszts erster künstlerischer Erfolge. Er verläßt die Heimat; Wien wird ihm zu einer neuen Welt. Czerny und Salieri unterrichten ihn, sind eigentlich nur Zeugen ferner phänomenalen Entwickelung. Liszt tritt nun, umringt von der Aristokratie, mehrere Male vor die Leffentlichkeit. Am 13. April 1823 empfängt er durch Beethovens ökuß die Künftlerweihe vor allem Lolk. Offen liegt die Welt vor ihm. Mehrere süddeutsche Städte berührend, wendet er sich nach Paris. Für das Konservatorium wird er nicht reif befunden, wohl aber von PaZr als Schüler angenommen. Seine Improvisation am Flügel versetzt die Pariser in Entzückungstaumel. Tie Reiselust drängt ihn; er kcbrt nach Oesterreich zurück, geht mehrere Male nach England, daun wieder nach Paris. „Ls petit I.itr" wird immer stürmischer gefeiert. Ta über kommen ihn religiöse Stimmungen. Sein Streben ist, Priester zu werden, bcschcidet sich aber den« väterlichen Willen gegenüber. Nach des Vaters Tod gründet sich der junge Künstler eine Existenz in Paris, erteilt Unterricht und scheint seßhaft werden zu wollen. Zum ersten Male verfallt er hoffnungs loser Liebe; schwere kranthcit wirft ihn nieder, und im „Etoilc" liest er seinen Nekrolog. Tic Zeit dec Gärung hebt an. Tie Julirevolution beginnt, die Lehre ^aint-Simons beeinflußt ihn, die Lektüre ver schiedenartigster Schriften füllt die Lucken seines Wissens aus. Plötzlich taucht ein Künstler auf, der LifztS klavicrtechnik wunderbar berührt — Paganini. Tann fühlt sich Liszt ergriffen von der roman tischen Opposition gegen die klajsik. Mcyerbeer, Berlioz, Weber, Schumann treten in seinen Gesichts- kreis Von großer Bedeutung ist die Freundschaft mit Chopin und der kreis einer George Sand. Ter Verkehr mit AbbS Lainennais eröffnet neue geistige und geistliche Horizonte, läßt die künftige Kirchen musik ahnen. Schöpferische keime beginnen sich zu erschließen. Tie Paganini-Studien helfen daS mo derne Klavierspiel begründen; Victor Hugo verleiht poetische Anregung. Liszt wird der Beherrscher des Pariser Salons. Sein Verhängnis naht und erfüllt sich in der Person der Gräfin d'Agvnlt. Mit ihr beginnt jene Reisezeit, die ihn in die Schweiz, nach Genf, und nach Italien führt. Am Comer See er lebt er ein Idyll. Größere Kompositionen für Kla vier, wie die „Wanderjahre", entstehen. Auf kurze Zeit eilt er nach Paris zurück, um den pianislisck^en Kampf mit Thalberg aufzunehmen, aus dem er als Sieger nach Italien znrückkehrt. In Rom, zuvor schon in Mailand, Florenz und Bologna, wirkt die bildende Kunst auf ihn ein in Verbindung mit der Lektüre Tantes und Petrarcas. Zudem beginnt Liszt mit der Komposition seiner Klavierübertragungen nach italienisck)«n und deutschen Meistern (Schubert), die konzertanten Zwecken dienen. Phantastisch, wie von Victor Hugos Geist erfüllt, sind die zwölf großen Etüden, die den Klavierstil auf neue Bahnen weisen. Endlich nabt die Zeit der Trennung von Italien, mit ihr jene von der d'Agoult. Eine wichtige Periode in Liszts Leben geht zu Ende. Aber die nächste, ebenso bedeutende alS folgen reiche, begann — die des Virtuosen, und währte von 1839—1847. Konzertreisen führten ihn nach Wien und nach Ungarn, dann nach Leipzig (1840), wo der Künstler zu Mendelssohn und Schumann in freundschaftliche Beziehungen trat. Nun aber führte der Weg den Meister nach allen Himmelsrichtungen. Er reiste zwischen Konstantinopel und dem Norden, zwischen Petersburg und Lissabon umher — ein einziger, gewaltiger Siegeszug, wie ihn die Welt nie zuvor gesehen hatte, noch auch wieder be obachten ivird. Tie allgemeine Begeisterung ge staltete sich zum Liszt-KultuS; die Bewunderung für den Menschen und Künstler stieg ins Grenzen lose, der Genius deS Künstlers feierte welten erobernde Triumphe. Mer in dieser Virtuosen periode erfüllte sich zugleich eine kulturmisfion Liszts. Tcnn sein Klavicrspiel lag eigentlich durch aus jenseits der Virtuosität Es stellte den tate gorischen Imperativ ans, die Lmnipotenz der Technik habe nur der Idee, dein Geiste zu dienen. Wenn auch Liszt im Konzert mit seinen genialen Im- provisalioncn alle hinriß, so brach er dock« energisch mit der lewen Gewohnheit, nur immer „sich selbst" zu spielen. Als Erster trug er in Paris Beethovens ES-Tur-Koniert vor, spielte er daun Back«, Schu mann, Mendelssohn und stellte somit den Typus des ausübenden Künstlers fest. In Erstaunen gesetzt wurde die Wel«, als Liszt plötzlich in seinen! Siegesläufe innehiell und zum anderen Male seßhaft wurde Mehrere Male hatte er auf seiner Europasalirt Weimar berührt Und zu der Großfürstin Maria Pawlowna und Carl Alexander künstlerisch wahlvcrwandtschaslliche Be ziehungen angeknüpft, die 1848 zu seiner Nieder lassung als Kapellmeister in außerordentlichen Tien- sten führten. Und hier hielt mit ihm auch die Fürstin Caroltme Wittgenstein, die treue Begleiterin ans der zweiten Hälfte seines LebenSpsades, ihren Einzug. Alsbald begann Liszts bahnbrechende Tütig- teit als Tirigent und Komponist. Tie über der Ilm gelegene Altenburg in Weimar wurde zum Ausganzspunkt neuer geistiger und künstlerischer Be wegung und Ncn-Weimar die Geburtsstätte der modernen musikalischen Kunst. Tie Träger der be- rühmtefteii Namen auf den! Gebiete der Musik, Literatur und bildenden Kunst versammelten sich hier und waren die Gäste Liszts und der Fürstin. Als Organ des FoclschrittsprinzipS wurde der Allge meine Tentsche Musikvcrein gegründet, kamen durch Liszts energische Initiative auf der Bühne wie im Konzertsaale die lebenden Künstler in ihren Werken zu Wort und Geltung. Liszts eigenes, recht eigentliches Schaffen begann in Weimar. In der berühmten „obrtmbro bleuo" der Altenburg schrieb der Meister die Faust- und Tante-Sinfonie nebst den zwölf sinfonischen Lichtungen, schuf er viele seiner Lieder, dann die beiden Klavierkonzerte, den „Totentanz", die „Harmonien", die H-Moll- Sonate, kleinere Klavjerwerke und mehrere Malmen, die ihn bereits nebst zwei Messen zur kircixm- musik hinführten. Als zu letzterer im höchsten Sinne Berufener zeigte sicü der Meister in der Graner F-estmesse. Wie einst Goethe, so wurde auch Liszt in Weimar der Mittelpunkt einer neuen Geisteswelt, stellte sich sein Wesen und Wirken als eine künst lerische Enzyklopädie dar. Aber auch die glorreiche Weimar-Periode fand ihren Abschluß. Tenn Liszts Verhältnis zur Fürstin wandelte sich zu einer LiebeStragödie um. Tre Ehe schließung bcioer stieß auf erhebliche Hindernisse, zu deren Hebung die Fürstin nach Rom zu gehen unternahm, um Pio Nonoö persönliche Vermittelung zu erslehcn. Liszt war der Aufenthalt durch mancher lei Vorkommnisse, wie die Ablehnung der Cornelius- sckien Oper „Ter Barbier von Bagdad" und Dingel stedts llebernahmc der Intendanz verleidet worden. So brach er seine Beziehungen zu Weimar ab und folgte der Fürstin nach Rom, wo seiner aber die größte Entlünscbnng harrte. Tenn der Papst ver weigerte den EbelonscnS, die Fürstin unterwarf sich, und beide lebten, verbunden in unzertrennlicher Seelengemeinschasl, nunmehr nebeneinander. Liszt aber gab cndlicü dein von Fügend her genährten Wunsch nach und trat als Wellgcistlicher in die engere Beziehung zur Kirche. Seine Bände füllen den Briefe bezeugen den Ernst nnd die absolute Notwendigtcit dieses Schrittes, der ihm von außen stehenden, oberslächlüb gesinnten Benrtcilcrn so ver übelt nnd schlimm ausgelegt wurde. Im Gcfühls- nnd Stimmnngskrcise der ewigen Stadt schuf nun Liszt seine großen kirchlichen Werke. Tie schon be gonnene Elisabeth-Legende wurde vollendet, der Sonnen-, der Papit - Hymnus, das gewaltige Christus-Oratorium, die Ungarische Krönungsmesse und das Requiem geschaffen, somit die oratorische und, durch kleinere Mcck>enmerke, auch die liturgische Richtung in neue Bahnen gewiesen. Von Rom aus aber wirkte Liszt ohne Unterlaß, auf Tentschland, wohin ihn mehrere Reisen führten und zahlreiche Freunde seiner stets mit freudiger Ungeduld harrten. So blieb er auch mit Weimar in Verbindung und gab schließlich dem freundschaftlichen Trängen deS Groß herzogs Carl Alexander nach, wieder nach Weimar zurückzukehren. Mitte Januar 1869 bezog Liszt seine Wohnung in der Hosgärtnerei an der Belvedere-Allee und von neuem jcunmelte sich ein Schülerkreis um ihn, aus dem die bedeutendsten Künstler der Jetztzeit hervorgingen. Aber zugleich begann jene Dreiteilig, keit seines Daseins, unter der der gealterte Meister zu leiden hatte. MS Ehrenpräsident der Akademie war er verpflichtet, einige Monate in Budapest zu verbringen, und alljährlich zog es ihn wieder nach Rom, wo er stets geistlichem Verlangen Genüge leistete. Aber es war dock ein Leben voller Unruhe und Heimatlosigkeit. Als Gast deS Festspiels in Bay reuth angelangt, erkrankte der Meister heftig «in einer Lungenentzündung und starb am 31. Juli 1886. In Franz Liszt vereinigte sich der edele Mensck mit dem großen Künstler. Das größte Zeugnis hierfür ist sein Freundschaftsverhältnis zu Richard Wagner, ihr Briefwechsel, jenem eines Schillers und Goethe wohl vergleichbar. AIS Freund erwies sick Liszt Tausenden hilfreich und gut, allen half er, wie er nur konnte, und so ging er denn auch arm dahin, der Millionen sein eigen hätte nennen können. Er war ein energischer Förderer jeglichen Talents, er trat selbst zurück, freiwillig und selbstlos, um anderen Bahn zu machen, er tat nichts, um seine Werke verbreiten zu helfen, und tat in stolzester Resignation den Ausspruch: „Ich kann warten." In unendlicher, nie ermüdender Liebe neigte er sich auch herab zu den Kleinen, war ein Kinderfreund und ward ein Tröster und Helfer der Armen. Wie Liszt in dem am 14. September 1860 der Fürstin Wittgenstein übersandten Testamentsentwurf iu er greifenden, aus der Seele kommenden Worten sein Glaubensbekenntnis niedcrgclegt hatte, so folgte er zeitlebens dem von ihm schon 1835 aufgestellten Satze, jener künstlerischen Konfession, die einem jeden unter uns als Richtschnur dienen kann und sott: „Wir Künstler glauben so unerschütterlick an die Kunst, wie an Gott und Menschheit, die in ihr ein Organ und ihren erhabenen Ausdruck! finden. Wir glauben an einen unendlichen Fort schritt, an eine unbegrenzte soziale Zukunft der Tonkünstlcr; wir glauben daran, mit aller Kraft der Hoffnung und der Liebe."
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