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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 20.03.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-20
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140320021
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914032002
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914032002
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-20
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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Sette 2. nr. 144. ttvena«Nusgavr. Leipziger Tageblatt. Erklärung sei lediglich privater Natur. Woraus wohl geschlossen werden darf, Latz sich ihr die P a r t e i nicht anschließt." Ein -eitler Nachtragsetat für 1913 ist dem Reichstage zugegangen. Durch diesen Nach- rragsetat sollen die Grund stückstrans att ionen des früheren Kriegsministers n. Heer in gen , die im vorigen Jahre, wie be gannt, viel Staub ausgewirdelt hatten, zum end gültigen Ab schlug gebracht werden. Der .'iachtragsctat schlägt vor, zunächst 2>/> Mill. Mark zu üewilligen zum Erwerb des Grundstücks Piktoria straste :!t in Berlin als erste Rate für Grundstücks erwerb usw. Bekanntlich hatte Bankdircktor v. Winterfeld im Auftrage des Kriegsministeriums auf diesem Grundstücke den Neubau des Militür- tabinetts errichtet, ehe der Reichstag hierzu seine Ge nehmigung erteilt hatte. Die nachträgliche Forde rung der Negierung zur Bewilligung ihrer Mast- »ahme war von der Budgetkommifsion des Reichs tages abgelehnt worden. Hieraus hatte die Regie rung damals die Forderung zurückgezogen, ehe sie das Plenum beschäftigte. Die betrenende Bank batte Schadenersatzansprüche an das Reich geltend gemacht. Das Reich hatte damals mit der Bank vereinbart, die strittigen Ansprüct>e in einem Schieds gerichtsverfahren zu entscheiden. Das Schiedsgericht aal durch Urteil vom 23. Februar ü. I. den Reichs fiskus verurteilt, nach seiner Wahl a) entweder 3 137 483 tt nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 1. Juli 1913 zu zahlen, b) oder Zug um Zug gegen Auf lassung des Grundstücks Piktoriastraste 31 in der Gröste von 48 Ar 41 Quadratmeter, das lediglich mit Ser Vormerkung zur Erhaltung des Rechtes aus Auflassung für den Reichsfiskus und mit den Hypo- rheken von 3 Millionen Mark für die Dr. Lanos- hofffchen Erben und von 1 650 000 <4l für den Kom merzienrat Lohnstein belastet sein darf, unter Ueber- nahme dieser Hypotheken nebst Zinsen seit 1. Juli 1913 als Lelbstschuldner und mit den Nutzungen und Lasten von demselben Zeitpunkte ab, 520 703 .tt nebst 5 Prozent Zinsen seit dem 1. Juli 1913 zu zahlen. Macht der Neichssislus bis zum 1. April 1914 von dem Wahlrecht nach l>) keinen Gebrauch, so ist er zur Zahlung nach a) verurteilt. Da das Wahlrecht nach bs für Len Reichsfislus wirtschaftlich günstiger ist, soll dieses ausgcübt und das Grundstück Piktorla- itrastc 34 erworben werden. Die Hypothekenforderung der Dr. Landshoffschen Erben must am 1. Oktober 1915 Lar bezahlt werben, während die andere Hypo thek bereits zur Barzahlung fällig ist. Zum Aus gleich dieser Forderungen soll das dem Kriegs ministerium gehörige Grundstück Königgrätzer Straße Nr. 121 und Prinz-Albrecht-Straste 6 in Berlin an den preußischen Fiskus verkauft werden. Der Nachtragsctat setzt als erste Rate für diesen Verkauf 2! f> Millionen Mark ein. Dieses 89 Ar große Grundstück ist entbehrlich. Zur Vergrößerung soll das angrenzende Grundstück der Generalmilitär lasse gegen das als Ersatz für letzteres dienende und geeignete Grundstück des Preußischen Staates sHinter iem Eießhause 1) ausgetauscht werden. Das Ge- iamtgrunditück soll 6 Millionen Mark kosten. Dieses Grundstück soll später dazu dienen, einesteils für das Finanzministerium Baugelände zu schaffen, das be kanntlich vom Kastanienwäldchen nach der König- grützer Straße verlegt werden soll. Ein Teil dieses Grundstücks soll dem Abgeordnctenhause für ein Gartengrundstück abgetreten werden. Der Nachtrags etat fordert schließlich noch 37 800 .E als erste Rate iür den Neubau von Magazingebäuden in Zvandsbek. Der vorhandene Bauplatz must bis zum 31. März d. I. angekaust sein. Dkc Summe für diesen Grundstücks erwerb wird dadurch herbeigoschafft, indem die im Etat geforderten Summen für Um- mrd Erweite rungsbauten für die Etatsverstärkunaen bei der In fanterie, den Jägern und den Maschinengewchr- truppen für 1913 abgesctzt werden. Zur Schiffbarmachung -es «dberrhelns. In der Donuerstagsitzung der badischen Zweiten Kammer erklärte der Minister des Innern, Freil-err v. Bod m a n, auf eine Inter pellation über die Schiffbarmachung des Ober rheins: Wir sind nicht allein in der Lage, die R h e i n re g u l i e r u n g dnrchzuf n h - r e n. Wir befinden uns noch im Stadium der Studien, ob das Unternehmen wirtschaftlich ren tabel sein wird, (tzewiß würden die Eisenbahnen große Verluste erleiden. Der Wettbewerb für »ic Schiffbarmachung des Rheins von Basel bis Konstanz ist ausgeschrieben. Voraussetzung ist natürlich die Schiffbarmachung der Strecke S traßburg—Basel. Der Rheinregulierung bis Vraktlole verttän-iauna xwikben Nauen un- Mn-Huk. Die von der Eroststation Nauen bei Berlin auf gegebenen drahtlosen Vcrsiichstclegramme sind am 14. Märzzum ersten Male auf der Telefunken station Windhuk in Südwestafrika gehört worden. Schon im Jahre 1910 war cs der Rauener Station gelungen, mit einer unserer afrikanischen Kolonien in Verbindung zu treten. Die damals er zielte Verständigung kam über die mitteleuropäischen Zentralalpen, das Hochplateau Algeriens und das Randgebirge von Adamaua hinweg mit einem in Kamerun vor Anker liegenden Dampfer der Wocr> mann-Linie zustande und bedeutete mit einer Distanz von 8600 Kilometern bisher die Höchstleistung, die über das Festland hinweg erreicht worden war. Mit der jetzt zustandeaekommenen VerstänLigung mit der Station unserer Kolonie Lüdwestafrika ist diese Re kordleistung um mehr als 3000 Kilometer überboten worden. Mehr noch als die kürzlich vollzogene „Ueberfuntüng" des Ozeans zeigt dieser großartige Erfolg, bis zu welchem Grade der Vollkommenheit es die Groststation Nauen in den letzten Jahren gebracht hat. In unserer beistehrnden Karte zeigen wir die funker.telegraphisch überwundene Strecke Nauen— Windhuk: zieht man um Nauen einen Kreis mit dem Halbmesser Nauen—Windhuk, so ergeben sich in teressante Entfernungsvergleiche. Konstanz steht die elsaß-lothringische Regierung nicht sympathisch gegenüber, da eine Schädigung der Handelsinteresscn Straßburgs befürchtet wird. Wir können aber keinen Pfennig für den Großschiffahrtsweg bewilligen, wenn er in Basel enden soll; er muß vielmehr bis Konstanz durchgeführt werden. Ferner muß die Schweiz zu den Kosten beitragen, auch für die Strecke Basel—Straßburg, da die Schweiz dann direkt mit der Nordsee verbunden sein würde. Wesentlich ist, daß Holland zu den Schiffahrtsabgaben seine Zustimmung gibt. Die Einwirkung ans die elsaß-lothringische Regierung steht uns nicht zu. Wir haben für die Regulierung des Rheins bis Straßburg große Opfer gebracht. Obwohl die Befürchtung nahelag, daß Mannheims Verkehr darunter lei den würde, haben wir unsere Sonderinteressen zurückgestellt. Wir dürfen deshalb erwarten, daß auch Elsaß - Lothringen uns gegenüber freundlich handelt. Der ' Bau einer Wasser straße bis Konstanz ist nach Ansicht der Tech niker ausführbar. Die Schiffbarmachung des Rheins von Breisach bis Basel würde 105 Mil lionen kosten, wobei 50 Millionen ans die Schiff barmachung und 55 Millioiren ans die Anlage von Wasserkraftwerken entfallen. In der an die Regierungserklärung sich anschließenden De batte erklärten sämtliche Parteien, daß die Schiffbarmachung des Rheins bis Konstanz und die Erschließung der Wasserkräfte mit allen Mit teln zu fördern ist. Der Rücktritt -es Marineminiffers Monis. Der Rücktritt des Marineministers Monis ist. wie aus Paris telegraphiert wird, endgültig. Als Nachfolger werden die Senatoren Peytral und Gauthier genannt. — Weiter wird hierzu telegraphisch aus Paris, 20. März, gemeldet: In den Wandolgängen der Kammer wird erzählt, daß die Demission des Marinemimsters Monis kei neswegs eine ganzfreiwillige gewesen und erst nach eindringlichen Vorstellungen seiner Kabinetts kollegen erfolgt sei. Das nationalistische „Echo de Pari s" meint, dieses Vorgehen beweise, daß die Mi nister schon seit langem die Wahrheit kennen und wohl wüßten, was sie von dem gegen Monis erhobenem An klagen zu halten hätten. Sie verurteilten Monis, noch bevor der Untersuchungsausschuß gesprochen habe. — In oppositionellen Kreisen wird die Ueber- zeugung ausgesprochen, daß das Kabinett Dou- mergue trotz dieser Ausbesserung nicht mehr sehr lebensfähig sei. Der konservativ« „G a u- lois" behauptet, die Führer der Radikalen selbst seien der Ansicht, daß ihre Partei unter dem so ge schwächten und in Mißkredit geratenen Ministerium nicht in dem Wahlkampf eintretem dürfe. Es seien auch bereits zwischen den verschiedenen Gruppen der Radikalen und der republikanischen Mehrheit Ver handlungen im Dange, das Kabinett Domnevgue nach der Erledigung der Arbeiten des Rochette-Aus- schusses zum Rücktritt zu veranlassen und durch ein aus den hervorragendsten radikalen und republika nischen Mitgliedern des Senats und der Kammer be stehendes Kabinett zu ersetzen. Der Obmann des Ver bandes der Linkem, Briand. sei keineswegs abge neigt, diesen Plan zu unterstützen. Die Freunde des zurückgetrelenen Marrneministers Manis erzählen, daß Monis keineswegs die Absicht habe, seine Unterredung mit dem Oberstaatsanwalt Fabre abzuleugnen. Monis werde erklären, daß er mit Fabre über die damals durch die äußere Luge hevorgerufene Nervosität des Geldmarktes gesprochen und den Oberstaatsanwalt aus di« Gefahren aufmerk sam gemacht habe, in einem solchen Augenblick den Konflikt zwischen den erstem Finanzkreisen und Frettag, 20. Klsrr 1914. Röchelte zu verschärfen. Er und Fabre seien überein, gekommen, die Entscheidung über die Vertagung des Rochetteprozesses dem Gerichtspräsidenten Btdault de L'Jsle zu überlassen, worauf der Ober staatsanwalt ohne di« geringste Erregung das Kabi nett des Ministerpräsidenten verlaßen habe. Was den früheren Finanzminister Caillaux anlonge, so werde dieser vor dem Untersuchungsausschuß erklären, daß der mit ihm befreundet« Verteidiger Rochettes, Vernarb, zu ihm gekommen sei und ihn gefragt habe, ob er vom Standpunkte der Negierung aus ein« Un zuträglichkeit darin erblicken würde, wenn di« Rochette- angelegenheit verschoben würde. Laillaux habe dar auf geantwortet, er glaube nicht, daß ein Regierungs interesse oorliege, das die sofortige Durchführung des Prozesses erheische. Er werde sich aber beim Miinsttr- präsidenton und dem Justizminister informieren. Die zur Prüfung des Vorschlages der Kammer, dem Röchelte-Ausschuß richterliche Befug nis zu erteilen, eingesetzte Senatskommission wählte Ribot zum Vorsitzenden. Der I ust i z m i niste r erklärte sich damit einverstanden, daß die Befugnisse der Kommission darauf beschränkt sein sollen, daß die Kommission berechtigt ist, die Zeugen zum Erscheinen zu zwingen und falsche ZeugenauÄagen zu. bestrafen. Der Kampf um homerule. Aus London wird in Ergänzung unseres Be richtes über die gestrige Sitzung des Unterhauses, Len wir in un erer heutigen Morgenausgabe ver öffentlichten, telegraphisch berichtet: Das Unter haus bot das Bild eii.es großen Tages. Bon ar Law und Asquith kielten ihre Reden vor Licht besetztem, gespannt lauschendem Hause. Der Ton beider Reden war maßvoll, aber nachdrücklich. Ein von Carson gegen die Regierung und beson ders gegen Churchill' unternommener Angriff rief auf beiden Seiten des Hauses Unruhe hervor. Später stellt der Nationalistensührcr Dcvlin neuerlich fest, daß Carson einstmals Anhänger von Homer ule gewesen wäre. Caton sprang erregt auf und rief: Das ist eine Infame Lüge! (Große Unruhe.s Der Sprecher er uchte Carson, sich in seinen Ausdrücken zu mäßigen. Carson erwiderte: Die Behauptung war eine wissentliche Unwahrheit. (Erneute Unruhe.) Hierauf erhob sich Carson und verließ das Haus, um sich nach Belfast zu begeben. Sämtliche Mitglieder der Opposition erhooen sich von ihren Sitzen und brachen in begeisterte Hoch rufe aus. Delo in versuchte in seiner Rede fort- zufahren, doch dauerte der Tumult weiter an Der Sprecher schritt erneut ein und forderte die Mit glieder des Harpes auf, persönliche Angriffe zu ver meiden. Delo in setzte hievauf seine Rede unge stört sott. Er führte aus, es habe niemals eine größere Maskecade des Scheins oder des Betruges gegeben, als die Erzählung von einem Bürger krieg in Ulster. Die einzige neue Entwicklung in der Lage ist das Anerbieten Bonar Larvs, daß die Oopofftion die Home-Rule-Bill annehmen würde, wenn sie durch eine Volksabstimmung gebilligt würde. Asquith erklärt, er würde sich keiner Anregung ver schließen und Kenntnis nehmen von dem Anerbieten, so zeigen seine Einwände gegenüber dem Grundsatz der Volksabstimmung, daß Laws Anerbieten wahr scheinlich nicht angenommen werden wird. Deutsche« Reich. * Der neue Statthalter der Reichslande. Berliner Morgenblätter melden, die Ernennung des preu ßischen Ministers des Innern v. Dallwitz zum Statthalter von Elsaß-Lothringen stehe bevor. * Die Beratung de» Kolonialetats wird im Reichs ¬ tage bis Sonnabend erledigt werden. Der Etat für Kamerun wird dem Wunsche der Kommission gemäß bis nach Ostern -urückgestellt werden. Wie sich in der nächsten Woche die Geschäftsdispositionen gestalten werden, ist noch unbestimmt. Die Beratung des Heeresetats kann im Plenum erst nach Ostern statt finden, da dieser Etat in der Budgetkommission frühestens am Ende der nächsten Woche fertiggestellt sein wird. Möglich ist, daß das Plenum die Bc- soldungsnovellen noch vor Ostern erledigt, falls dax, Neichsschatzamt seinen Widerstand gegen die Be schlüsse der Kommission aufgibt. Die beiden Novellen zur Gewerbeordnung über das Eastwirtsgewerbe und zur Bekämpfung der Schundliteratur werden ebenfalls noch vor Ostern zur ersten Lesung gestellt. söhällvüröndääs^K^ Lper: Tvl. 11189 L-ro» Der gute Name. ;fis Roman von Georg Engel. INI: Vrokdlsln L 0». c-. c>. tt. Kaum war das Wort gesprochen, so sprang ?cr Doktor an das Bett und packte den llnvor- .ercitetcu so wild an den Schultern, daß er un- > inft an die Wand gestoßen wurde. „Heinz, nie wieder einen solchen Scherz," i. achte er. „Siehst du denn nicht, daß ich dieses Mädchen mein nennen möchte um jeden Preis? Ja, ich will sic zu meinem Weibe machen," ,uhr er nesatmend fort, „dieses holde Kind soll meine Gefährtin sein und rein und frei um mich swalten. Aber dazu gekört auch, daß sic dir, meinem einzigen Freunde, furchtlos ins Auge Lücken kann, und deshalb bitte ich dich, Holstein, versolge das Mädchen nicht mehr mit deinen Scherzen, sondern achte sie als die Erwählte dei nes Freundes. Willst du mir das versprecizen?" Der Kapitän entwand sich dem Aufgeregten und drückte ihn geschickt ans den nächsten Stuhl nieder. „Morgen, mein Sohn, alles morgen." „Nein, keinen Aufschub mehr," forderte der junge Arzt wild, „ich will wissen, ob ein Mann, der wie du, seine gesellschaftliche Stellung bereits verloren hatte und die Hohlheit der Standesrück- ichten kennt, mich meines Vorhabens wegen ver urteilen kann." Der Kapitän verzog die Augenbrauen und richtete sich langsam auf. „Da deine Freundschaft mir keine andere Wahl läßt," antwortete er finster, „und du so gar meine eigene heitere Vergangenheit für dich ins Feld führst, so will ich auch nicht anstehen, dir rundweg zu erklären, daß du auf dem besten Wege bist, eine fabelhafte Dummheit zu begehen! Nein, nein, unterbrich mich nicht, mein Sohu. Du bist ein regulärer Mensch, und mußt vor ollen Dingen suchen, ein solcher zu bleiben.Deine ganze Natur weist dich auf das Geordnete, So- iide. Sobald du aber den Pfad, der zur Selb ständigkeit führt, mit diesem außergewöhnlichen Schritte beginnst, so wird die ganze Wanderung ein Irrgarten werden, für den deine spießbürger lichen Füße nicht eingerichtet sind. Und nun paß einmal auf, mein Junge! Weshalb liebst du deine Angebetete eigent lich —? Hast du bei ihr etwa schon eine andere Tugend entdeckt, als dcrß sie ein mäßig schönes Lärvchen besitzt und nebenbei noch etwas von dem hier landläufigen friesischen Bauerntrotz?" Der Arzt starrte den Freund sprachlos an und zuckte die Achseln, wahrend der Kapitän eindringlich fortfuhr: „Nun sichst du, mein Kind, das ist es eben. Ihr Anfänger in der Liebe liebt unmotiviert, und deshalb gewöhnlich unsinnig. Du wurst lange auf den Meeren eingesperrt und kanntest das Ewig-Weibliche nur aus Büchern. Was ist natürlicher, als daß dich das erste hübsche Mäg delein merken läßt, daß dn ein Mann bist? Wenn dn nun aber jedes schöne Weib gleich lieimführcn willst in dein ehrbarliches Nest, dann hast du deine Nationalität verfehlt und mußt Türke werden." Mit einem traurigen, ungläubigen Lächeln hatte der Doktor gelauscht; wieder wurde es ihm nahe gerückt, daß dieser kräftige Mann, den er unbewußt wie einen Bruder liebte, im innersten Wesen von ihm verschieden sei wie ein Geschöpf auS anderen Welten. Wortlos ergriff er seinen Hut und wandte sich zum Gehen. Da streckte Holstein gutmütig seinen Arni an- und zog den Freund an seinem Bette nieder. „Du, Ally," raunte er, „das stärkste Ge schütz fahre ich, als kluger Feldherr, natürlich zuletzt an. Du hast vorhin von albernen Stan- deSvorurteilen gesprochen, und als künftiger Ab geordneter von einigen Tausend Fischern und Bauern habe ich dagegen nichts einzuwenden. Aber weißt dn nicht, mein armer gelehrter Junge, daß Standcsschranlen viel leichter zu durchbrechen sind als Geistesschranken? Dieses Mädel ist von dir ebensoweit geschieden wie eine Mohrin von einer gepuderten Balleteuse. Ihre Sprache ist nicht die deine, ihr Denken ist i von dem deinen durch eine Kluft getrennt; stelle sie vor einen schwierigen, moralischen Fall, und sie wird gerade dort das Recht suchen, wo du offenbar das Unrecht siehst. — Glaubst du mir das?" Tiefe Stille herrschte in dem kleinen Raum. Der Doktor schien plötzlich von der Wucht der letzten Worte gepackt zu sein und blickte stier in das flackernde Licht. Auftnnnternd strich ihm der Kapitän über das schlichte Haar. „Jetzt aber, mein guter Kerl, versuche als frischer, fröhlicher Mann dein Glück bei der hübschen Dirn und vergiß nicht, hübsch ehrbar und mit dem Brustton der Ueberzeugung zu ihr zu sprechen. — Das macht Eindruck bei den 'Weibern, und für alles andere stehe ich dir ein. Im übrigen aber bleibe gemütlich bei deinen Philistern und verschreibe galligen Stadt- hämorryoidariern beruhigende Pulver und Lat wergen. Und da ich den heutigen Abend als Poet begonnen habe, so kann ich cs mir nicht sagen, mit einer grandiosen Phrase zu schließen: Die ganze Welt, mein Sohn, ist in so viel .Kriegslager geteilt, als eS Stände gibt. Und weißt du, was mit dem geschieht, der freiwillig aus dem sciuigen ausreißt, und in einen anderen hineinläuft?" Der Doktor lächelte flüchtig. „Er wird in dem fremden Lager als Spion behandelt und aufgeknüpft. — Gute Nacht!" „Gute Nacht," murmelte der Doktor und verließ das Zimmer. 14. Vor der Ladcntür stand Herr Pilz und hatte die Hände auf den Rücken gelegt, während Herr Schimmel hinter ihm die kleinen Geschäfte des Tages besorgte. Herta ging vorüber, eilig und verschüchtert. „Na, was gibt es denn Neues da oben bei euch?" fragte Herr Pilz seine Nichte wohl wollend. Herta schrat zurück. Weinerlich ries sie: „Seit drei Tagen bat der alte Baron Hol stein dies Haus verlassen und ist seitdem ver schwunden. Schon gestern war ich nach allen Richtungen aus, ihn zu suchen. Alles vergebens. Auf dem Dampfer soll man ihn gesehen, und andere wollen ihn im Zirkus vor der Stadt erkannt haben." Das Mädchen begann seine Irrfahrten ge treulich zu schildern. Aber kaum hatte sie ein paar Worte von dem unerklärlichen Ausbleiben des Barons vorgebracht, als Pilz seine Hände so schallend zusammenschlug, daß Herr Schim ) mel drinnen vor Schreck ein halbes Pfund Mehl auf die Erde stäuben ließ und sich den Blicken seiner treuen Kunden unvermutet durch eine dichte Wolke entzog. Was Herrn Pilz in solche Aufregung ver setzte, war weniger die innige Anteilnahme an dem Verbleib seines Mieters, sondern die ewig großkaufmännischc Erwägung, daß mit diesen? sicherlich auch die bewußten fünflfiindert Mart verschwunden seien. „Es ist gut," murmelte Herr Pilz etwas kleinlaut, „melde mich sofort' deiner Baronin an." Eine Viertelstunde später schritt er bereit-:- mit einer gewissen ängstlichen Souveränität über die Schwelle der Holsteinschen Mictsräumc und erkundigte sich, als anständiger Wirt, der an seinen Mietern auch gemütlichen Anteil nimmt, recht eingehend nach dem Befinden der Baronip. „Ich danke Ihnen," entgegnete Marie kurz und blickte wie abwesend durch das Fenster. Pilz zupfte an seinen Manschetten und be mühte sich, ein äußerst großkausmännisches Ge sicht aufzusetzen: „Wie ich höre, ist der Herr Gemahl aus einer kleinen Geschäftsreise begriffen?" in- quirierte er vorsichtig weiter, und diesmal wa- der Erfolg größer, denn die Baronin wandte dem Besucher ihr blasses Antlitz zu und ant wortete verstört: „Ich weiß cs nicht." (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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