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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.11.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-11-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111109024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911110902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911110902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-11
- Tag 1911-11-09
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Monat
1911-11
-
Jahr
1911
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Nr. 3N. WS. Jahrgang. Nunmehr trat Staatsminister Dr. von Otto vor die Stufen deS Thrones und erklärte auf allerhöchsten Befehl dek König- den 34. ordentlichen Landtag de r Monarchie für eröffnet. Ge. Majestät der- König ent blühte das Haupt, erhob sich vom Throne und nerliek, nachdem sich daS Kortege gebildet hatte, den Thronsa^l. Beim Verlassen desselben bracht« der Präsident der Zweiten Kammer, Herr Dr. phil .Bogel, ein dreimaliges Hoch auf den völlig ans. Die Eröffnungsfeier war gegen > ,2 Nhr beendet. Zu Ehren der Mitglieder der Ständcver« sannnlung findet nachmittags 6 Uhr im Residenz schlosse Königl. LandtagZtafei statt. Ser Kries um Tripslis. Eine der intcrrfsanteiicn Nachrichten voi.i Kriegs- .chauplahc in d«. leisten Zeit mar die Meldung, daß General Eaneoa, der '.taireniscbe Oberbeiehlshaber, in fcierlicher Weise tatsächlich die Einverleibung von Trivolis und Lnrcnuita in das Königreich Ita'ien in Tripoli--, selbst vollzogen l!ave solange die Po- Ntion der Italiener dorr nicht sicherer ist als argen- wärtig, har diele tatsächliche „Einverleibung'^ dcn- felbcir Wer» wi« die von Rom aus erklärte Annexion. Uno sicher sind die Italiener in ihrem neuen afrika nischen Reiche noch in keiner Meise: es könnte ihnen rrotz ihre: Siegesnachrichten lticb: passieren, daß sie sich wieder aus oem Land« h. rau-siegen. Jedenfalls hat die Türkei in der leisten Zeir eine festere, aus gesprochenere Stell ing eingenommen und fühlt sich noch lange nicht so schwach, um ohne weiteren Schwertstreich eine ihrer besten Provinzen hin.stlgeben. Diese unsere Auffassung wird durch einen Bericht der „Frlf. Ztg." vom Kriegsschauplatz b.stätigt: Die Belagerung von Tripolis. Tripolis, 9. November, Nach zweitägiger Ruh« griffen die Türken am Sonnabend, freilich er folglos. wieder an. Diele Geschosse ihrer Gebirgs artillerie fielen in die Stadt, einige platzten in der Kaoallcriekascrne bei Mein. Am Sonntag er neuerten die Türken den Angriff, wobei wieder Ge schosse in die Stadt fielen. Lines beschädigte erheblich ein Haus. Die Tchiffsartillerie versuchte mehrmals vergeblich, die feindliche Bat- teile zum Schweigen zu bringen, indem sie Hunderte von Geschossen über die ganze Oase streute. Die Hauptmacht, namentlich Artillerie, dürfte im Ge birge feste Stellungen angenommen haben. Nachdem gestern 3609 Mann Verstärkungen eingetroffen sind und ebensoviel heute erwartet werden, sollen nächstens die Austenforts wiedergcnommen werden. Inzwischen ist die jetzige kürzere Linie wesentlich ver stärkt worden. Die Derlnstc der letzten Tage werden geheim gehalten. Die heute hier bekanntgegebcne Annexion blieb «indruckslcs, weil man sic erwartet hatte und weil sic die Lage nicht ändert. Die Cho lera wütet unverändert fort. Täglich kommen Hunderte von Neucrkrankungen und an» gefähr 200 Todesfälle unter der Bevölke rung, 50 unter den Truppen vor, wenn auch gestern im Heer «ine leichte Abnahme zu konstatieren war. Alle Spitäler sind überfüllt und keins cholerafrei. Die Epidemie wächst Len Be hörden vollständia über den Kopf. Neben der Cholera nimmt auch der Typhus zu. Das Osrndurgkr Goeihelchlotz. (Nachdruck vrrbvirn.) Lin sonnenwarmer Frühherbsttag führte mich den Weg durchs Saaletal auf Jena zu. Don steiler Höhe sah ich drei Schlösser grüßen. Der Zug hielt au. Dornburg. Goethe! Es rief mich hinauf. Ich erstieg des Berges wohlgezählte 285 steile Stufen und sah das weite gesegnete Load im Schein der Mittagssonne. Milder und Felder weithin und im grünen Wiesenbetl zu Bogen und Bogen sich schmie gend die Saale, ein blaues Band, das Wald und Wolken spiegelte. Weithin, weiter, kein Laut, nur die Eisenbahn rann auf dem Schienenweg längs des Berges mit Brausen, glitzernd wie ein Bächlein, ins ebene Land hinaus, lautlos kam ihr auf der breiten, sonnenübcrgossenen Heerstraße ein schnelles Automo- bil cntgcgengehuscht. Ich schritt Hoch oben zwischen reifenden Reben dahin und Malven säumten meinen Weg. Breit an den Weg hingclagert, hochaufragend stand zur Rechten ein wuchtiger Bau, ein schmuckloses „Schloß" aus vergangenen Jahrhunderten, offenbar Vcrwal- tungszwecken dienend oder ein Hospiz adliger Fräu lein. Wenige Schritte davon wieder rechts am Weg ein schmuckes Rokokoschlößchen, wie man ihnen in der Turenne begegnet und bei uns ab und zu im Weichbild kleinerer, älterer Residenzen. An den sorgsam verhängten Fenstern schritt ich vorüber, lugte über eine dichte Llütcnmauer in den verlassenen fürstlichen Garten. Wieder wenige Schritte weiter unter den breitästiacn ulten Bäumen, immer den Blick auf das fruchtbare friedliche Thüringer Tal da unten gerichtet, erreichte ich das dritte der Schlösser; baumumstanden im dichten Grün, ein alter gelb grauer Bau mit hohem, vielfach gegiebelten Dach und einem schlanken Turm aus dem einfachen Portal bau. Alles schlicht wie ein altes Kloster, aber wohl erhalten, als ob es schlafend den Verfall der Zeiten überdauerte. An dem Wasserbecken des Springbrunnen- vor der Tür schafft ein sehniger Gärtnerbursch, von kecken weißen Tauben umflattert. Unfern auf der weißen Dank sitzt unter den alten Däumen, weißge lockt, sonncngcbräunt der greise Hofgärtner und hält seine Mittaysrast. Herzlich heißt er mich willkom men und öffnet dem Gast des Goethcschlosses Tür. Darüber steht, „im Geschmack jener Zeit architek tonisch und plastisch errichtet und ausgeführt", wie Goethe in seinem Tagebuch schreibt: Oeuckeat iv^roi-ico» »oletur et »eäc receckeii« ll» gui prae ereuut cket bouL cuaelu <1c.uci. Der Olympier übersetzte das: „Freudig trete herein, Und froh entferne dich wieder, Ziehst du als Wandrer vorbei. Segne die Pfade dir Gott." Eine weite, blanke Hausdiclc, eine breite, saubere Treppe, links am Geländerkopf noch im dreifachen Gehänge von der Decke schwebend die Glasalocke mit dem messingnen Oellämpchen darin, die Flurbrleuchtung zur Goethezeit. Wir ersteigen langsam die bequeme Stieye, die auf Goethe, Be- treiben erst zum Ersatz für d,e heute noch vorhandene, ausgetretene enge Wendeltreppe in diesem alten Klosterbau aufgcführt wurde. Der alte Hofgärtner, ein Nestor an Jahren und Beredsamkeit, gibt mir wortreichen Aufschluß über dies und das. Ich sehe und höre mit Staunen und finde doch alle, so ver traut, so goethtsch, al« hätte ich e, gar nicht ander« Leipziger Lagedlstt. Oonnerstsg, 9. November 1911. Aufsehen erregt. Di« italienischen Zei tungen stellen zwar die Vorfälle so dar, als ob die Bewegung nicht Italien feindlich, sondern überhaupt europafetndlich sei. Sie meinen, daß die falschen Siegesnachrichten, die von türkischer Seite verbreitet wurden, die eingeborene Bevölkerung von Tunis zu dieser Erhebung veranlaßt haben. Es wird die Hoffnung ausgesprochen, daß Frankreich die Ruhe in Tuni» bald Herstellen wird, und daß sie sich den Schutz der 120 000 in Tunis lebenden Italiener angelegen sein lasten wird. Hierzu liegen noch folgende Telegramme vor: Tuuls, S. November. sEig. Drahtmeldung.) Ein Dekret verbietet den einheimischen Zeitun gen , mit Ausnahme der „Zoahra", zuerscheinen, damit sich ähnliche Vorfälle wie die gestrigen, die durch die Presse verursacht wurden, nicht wieder holen tonnen. Die Lage i» Tunis. Tunis, 9. November. (E. D.) Tie Nachtistruhig verlaufen. Am Morgen entstand ein neuer Zusammenstoß zwischen Arabern und Ita lienern: ein Araber und zwei Italiener wurden ge tötet. Die Trupuen stellten die Ordnung nur mühsam wieder her. Die Eingevorenenbewe- gung hat einen durchaus nur italienfcind- lichcn Charakter und ist auf einen kleinen Teil der Eingeborenensiadt beschränkt. Tunis, 9. November. sEig. Drahtmeldung.) Die Zahl der Opfer der hiesigen Unruhen beträgt acht- zebnTo 1 e und -11 Verwundet e. Jedoch ist es unmöglich, die Zahl der Opfer unter den Eingeborenen anzu geben, da die Araber soviel als möglich, die Toten und Verwundeten ver bergen. Der Aufruhr hat übrigens keineswegs den Charakter einer fremdenfeind lichen Bewegung oder Erhebung gegen die Regie rung in Tunis. Im Innern des Landes ist es völlig ruhig. Die wahre Ursache der jüngsten Ereignisse liegt in der hochgespannten Erregung, die bei den Italienern und Arabern durch die ein ander widersprechenden Kriegsnachrichten aus Rom und Konstantinopel hcroorgerufen worden ist. Tunis, 9. November. (Eig. Drahtmeldung.) Unter k der Eingeborenenbevölkerung herrscht große Panik. Die unglaublichsten Alarmnachrichten werden verbreitet, darunter auch das Gerücht, daß Haufen von Eingeborenen aus dem Innern des Lan des nach Tunis marschieren sollen. Doch hat dieses Gerücht bisher keine Bestätigung gefunden. Oie Äevolutwrr in Lhina. Die Rebellen machen weitere Fortschritt«. Nan king ist in ihrem Besitz, und andere Städte werden folgen. Die Regierung dürfte nicht mehr imstande sein, der Bewegung Hcrlr zu gebieten, wenn sie nicht die Forderungen nach der Verfassung genehmigt. ständig zerstört worden. Die Fremden wurden nicht belästigt. Da, Blutbad »am Pekiag. Tientsin, 9. November. sEig. Drahtmeld.) Wie aus Peking gemeldet wird, dauert der Straßenkamps fort. Auf den Straßen liegen Hunderte von Leichen. Ein Teil der Vorstädte soll in Brand stehen. Hantau, 9. November. (Eig. Drahtmeld.) Zwei Drittel per Stabt sind durch Feuer zerstört. Die Verlust« werden auf 10 Millionen Pfund geschätzt. 100 000 Personen sirld mittellos. Futshou ist nach kurzem Widerstand in die Hände der Aufständischen gefallen. Der Vizekönig und der Tararengeneral sind entkommen. Der Iamen ist niedergebrannt. Alle Fremden sind wohlbehalten und in Sicherheit. Die chinesische Konstitution. I Peking, 9. November. tEig. Drahtm.) Die Militärpakte; der Revolutionäre, deren Führer der General Chang. Kommandant der 20. Division ist, bat sich mit dem kaiserlichen Edikt über die versprochene Kc.'.jiituuo.l zufrieden erklärt. Die Nationalversammlung ist angewiesen morden, das neue Wahlrecht für Abgeordnete und Senatoren a u s z u a r b e i t e ». Die Ni.uonuloerwmmlung ha> sich entschieden, diese Arbeit zu übern, hwen. sich aber vorläufig mit Len konstitutionellen Fragen noch nicht zu beschäftigen. Die Konstitution wird er st durch das neue Nationalparlament festgelegt werben, dos im nächsten Jahr zum erstenmal zusammentritt. Bis dahin werden die 19 Artikel des kaiserlichen Ediktes als vorläufige ionstiiunonelle Garaunen angesehen. Die chirresifche Regierung braucht Gel-'! Peking, S. November. lEig. Drahtm.) Der Ver- trag für die französisch-belgisch« Anleihe in Höhe von 150 Millionen Taels ist in allen Punk ten fest gelegt worden. Der halbe Betrag wird von französischen, der Nest von bel gischen Banken aufgebracht. Die Verhand lungen haben in Peking stattgefunden. Die betei ligten französisch-beig.scheu Banken Haden beschlossen, die Anleihe nur durchzu führen, wenn die Nationalversammlung ihre Zustim mung hierzu erteilt. Sie haben dem chinesischen Parlament drei Tage Zeit gelassen, um sich über diese Frage schlüssig zu werden. Heute entscheidet es sich also, ob die Anleihe zur Durchführung gelangt oder nicht. (Meldung der Agence d'Extröme Orient.) Peting, 9. November. (Eia. Drahtm.) Tie Re gierung teilte mit, daß die Kaiserin-Witwe dem Finanzminister drei Millionen Taels Gold für die außerordentlichen Ausgaben über geben habe. Es wird auch angekündigt, daß eine dritte Division auf dem Wege von trentar nach Paoting ist. Man glaubt jedoch, daß auch diese Truppen sich weigern, mit den Rebellen zu kämpfen. Eine Abteilung der dritten Division geht mit reichlicher Munition nach den Gräbern der Ming-Dynastie ab, um deren Entweihung zu verhindern. Teneva, Pläne. Tripoli«, S. November. (Agenzia Stefani.) Wie Eeaeral Eaneva erklärte, hat die neu begonnene Bewegung nach vorwärt« den Charakter einer polizeilichen Maßnahme. Sie wird bei der Oase Zara Haltmachen, die al« Mittelpunkt der Konzentrierung und Verproviantierung der Araber und Türken dient. Während des Winter« bereitet Caneva den Zug nach dem Innern vor, der wahrscheinlich im Frühjahr beginnt. Wo ist nun die italienische Flotte? Saloniki, 9. November. Die Behörden von Durazzo und Kassandra haben die Meldung erstattet, daß das italienische Geschwader, bestehend aus drer Kriegsschiffen, von den Leuchilürmen gesichtet wor den ist. Die bisherigen Verluste. Rom, 9. November. In Rom ist gestern «ine offi zielle Statistik der Verluste d«r Leiden irieg- sührcndeu Parieren in Tripolis und der Lyrenoika von Beginir des Krieges bis auf den gestrigen Tag veröffentlicht worden. Danach sollen die Italiener — mau höre und staune — nur 470 Tote und 305 Ver wundete zu verzeichnen Haden. Die Zahl der italie nischen Toten ist, wie es in den, Bericht heißt, des halb höb«r als die der Bewunderen, da die italieni schen Truppen in dem Kampf am 27. Oktober ein Opfer des Verrats der Arader geworden sind. Die Verluste der Türken werden auf 3500 Tote und 58N0 Verwundete angegeben. Die Zahlenstatistik ist ein neues Kuiiststückch-nr der italienischen offiziellen Berickite. Minister Gioltttt über die italienischen Grausamkeiten in Tripolis. Paris, 9. November. sEig. Drahtmeld.) Der „Motin" hat sich an den italienischen Ministerpräst- oenlen Eiolitti mit der Bitte gewandt, ihm über die von den Kricgstorr«soond«nten in Tripolis ver breiteten Nachrichten über Grausamkeiten der italienischen Truppen gegenüber den Arabern und Türken, authentisches Material zu geben. Daraufhin ist bei dem genannten Blatte ein Tele gramm eingelaufen, mit dem Giolitti seine Genug tuung über die Anfrage des „Matin" ausspricht, die ibm zugleich Gelegenheit aibt. all« diese Meldungen zu dementieren und die Humanität des italieni- ' scheu Volkes und Heeres zu preisen. Unser Heer, so I schließt der Minister, ist im Glück und Unglück immer » aufopferungsbereit gewesen, und unser Volk bat in der Weltgeschichte bemerkenswerte Marksteine gelegt. Wir erinnern uns gern an unsere Ruqmes- taten und brauchen uns vor keiner Nation zu schämen. Unsere Geschichte zählt nach Tausenden von Jahren, und kein Volk der Erde kann sich einer so fegens- reichen Arbeit wie wir rühmen. Ich versichere Ihnen, dcß derjenige lügt, daß dieser Feldzug unserem An sehen Abbruch tun wird, und daß wr aus ih.u neuen Rohm und neues Glück für unser Land ziehen werden" Die Unruhen in Tuni« und die Bewegung gegen die Iralrener nimmt in Afrika immer größere Dimensionen an. Denn darüber gibt man sich auch in Rom keinen Illusionen hiil, daß die Unruhen in Tunis etwa den Franzosen gelten können, selbst wenn italienische Blätter noch sehr bestrebt sind, das der Welt glauben zu machen. Di« italienische Presse über die Zwischenfälle in Tunis. Rom, 9. November. (Eig. Drahtmelduug.) Die Nachricht von den Käinpfen in Tunis hat in hiesi gen politischen Kreisen begreiflicherweise großes Au» dem chinesischen Revolutions-ebiet. Hongkong, 9. November. (Eig. Drahtmeld.) Ge stern abend 'haben 200 Revolutionäre den Bahnhof von Wong Ting Tong an der Eisenbahnlinie Kan ton—Kow—Loon angegriffen. Sie erbeuteten große Mengen Waffen und Munition. Die Bahnhöfe von Tokany und Tschangschu sind gleichfalls angegriffen worden. In Tschangschu ist das Zollbureau voll politische Nachrichten. Der Kaiser. Wildpark, 9. November. Der Kaiser traf abends 11,40 Uhr mittels Sonderzuges von der Hofjagd Göhrde hier wieder ein und begab sich zum Neuen Palais. vorzufinden erwartet. De erinnert so vieles an Goethes Gartenhaus am Stern in Weimar und alle Eindrücke sind nicht minder unmittelbar und über wältigend. Im Oberstock auf dem schlichten Borsaal große biblische Gemälde an den Wänden, Goethe hat sie hier herein gehängt, Zeugnisse der Kunst aus seiner Zeit. Auch der Flügel steht noch in der Ecke, den Ottilie spielte, wenn sie ihn besuchen kam, mit den Enkeln Wölfchen und Walter. Wir treten zur Linken in den ersten Raum, das Empfangszimmer Goethes. Fast wie jenes im Wei marer Gartenhaus. Auf den Sesseln und Stühlen Polster, die Charlotte Steins Hand, die Frau von Wolzogen bestickten. Zeitgenössische Stiche an den Wänden; der alte Goethe sammelte mit Fleiß und hing die Bilder ferner Länder, fremder Meister daheim auf. Eine persönliche Stellung freilich ge winnt man zu diesen Bildern hier in Dornburg nicht, man blickt suchend und ein wenig enttäuscht darüber hin. Wie anders, wenn man in Weimar im Garten- Haus Goethes, droben im Empfangszimmer am Kamin den welken Kranz Corona Schröters unter Glas erblickt, den sie ihm reichte nach dem Spiel der „Fischerin" draußen an der Ilm. Da löst der Wand schmuck doch tausendfach Erinnerungen aus und webt um Bild und Stube einen lebendigen bunten Schieler. Hier oben im Dornburger Schloß sind uns Nach geborenen die Bilder nichtssagend und ihrer zu viele an den Wänden. Ein kostbarer Schreibsekretär steht noch im Empfangssalon, eine unvergängliche Arbeit, das edle Holz, die Kästen erglänzen, als wären sie gestern aus der Werkstatt gekommen. Auch sonst sind manche gediegene Stücke da. Eine Stufe hmab geht es in Goethes geräumiges Arbeitszimmer. Ein weiter, hoher Raum, durch drei Fenster grüßt t-ec Himmel herein, schweift der Blick hinab ins grüne Tal. Am letzten Fenster, wo der Schlücbsetretär steht hat Goethe sich nach Gewohn heit jener Zeit am Fcnsterholz eingeschrieben: 2. Juli — 12. September 1828. Und darunter der Name Goethe mit den feinueschwungenen, weichen Schleifen im G und h und Schluß-e. Den Fenstern gegenüber an der Oi-nwano steh» sein Arbeitstisch, ein einfaches Möbel, ein gewöhnlicher Tisch, noch schlichter als der im Weimarer Gartcnhause. Bei dem Tisch war früher ein Sprachrohr durch den Fußboden nach der Woh nung des damaligen Hojgärtncrs Skehl geleitet, durch das Goethe seine Avmäge gab. Weil die Decke in folge der hier verschiebbaren Diele nachgab, hat man es zugebaut. Kleine Plastiken sieben im Zimmer, auch ein Spieltisch für Fritz von Stein und die Enkel Goethes hart an der Tür. Der Ofen ist eigenartig. Sonst ist alles einfach, ehrwürdig und man hat hier den Eindruck d«r edlen Gröhe de» unsterblichen Dichters. Unter den vielen Stichen an den Wänden fielen mir einige darauf dargestellte Epitaphien auf, bei einem las uh auch den Namen Klopstock. Beim Ofen «ine Stufe hinauf treten wir in Goethes Schlafzimmer. Recht« die einfache Bettstatt, link« da« Kanapee, Bilder von der italienischen Reise an den Wänden. Doch halt, über dem halbhohen Schränkchen Silhouetten, von Goethe geschnitten. Da, endlich Persönliche«: Frau von Stein bekränzt da« Bild ihre» Sohne«, Goethe selber ist auf dem Bild, Fritz bei der Hgnd führend. Run spricht mit einem- mal das Leben Goeibes laut zu uns in diesen stillen Räumen. Die alten Bäume vor dem Fenster draußen raunen. Wie denn, klang nicht ein« Helle Frauen stimme? — Da draußen ist da« Leden. Mächtig zieht es mich hinaus, wo Goethe dort gewandelt und gedichtet. ..Doch du fühlst, wie ich betrübt bin, Blinkt dein Rand herauf als St«rn! Zeugest mir, daß ich geliebt bin! sei das Liebchen noch so fern. So hinan denn, hell und Heller. Reiner Bahn in voller Pracht! Schlägt mein Herz auch schmerzlich schneller, Ueberselig ist di« Nacht." Malven blühen rings auf den Beeten, Malven, die Goethe so liebt«. Die Beete in ihrer Form, die Wege hat er selber einst angelegt, und tausendmal ist sein Fuß hier gegangen. Hier hat er die unergründ lichen Geheimnisse in Natur und Pflanzenwelt studiert, die Gestirne des Himmel« belauscht und „am wachsenden Glanz der Morgenröte sich erquickt". Wieder ein paar Schritt« weiter, am schroffen Berghanq, reb«numsponnen. unter seinen Bäumen ist endlich Goethes Lieblingsplatz. Welch ein Blick ins weite Tal! Fürwahr, «in Belvedere! Richt Berge, nur Berge, ane das Auge sie von der Goethebank auf dem Kickelhahn erblickt, hier säumen di« Höhen da« lieblichste Tal, da« Paradies im Thüringer Land. Hier empfand er vor Sonnenaufgang die „heilige Frühe" de» Tages. Hier entranq sich dem Entzückten da, andere herrliche Dornburger Gedicht: Früh, wenn Tal, Gebira und Garten Nebelschleiern sich enthüllen Und dem sehnlichsten Erwarten Blumenkelch« bunt sich füll««; Rasch noch einen Blick in Karl Augusts Gemächer rechts von der Treppe, der immer Goethe nahe zu wohnen liebte. Ans breiten Dielen breite Stühle, schwere Tische und Schränke, prächtige frühbarocke Holztüren mit kostbarem Schnitzwerk, überall Ge diegenheit, Einfachheit. Hier spricht die unvergäng- liche alte Zeit. Und nun hurtig die Treppe hinab, ins Freie wieder. Die alten, breiten Bäume rings vor der Tür hat Goethe gepflanzt und aufgezogen. Auch die Edel kastanie zur Rechten. „Schlanker Bäume grüner Flor, selbstgezogener" auch zur Linken. Hier hart am Schlüsse, wo man ganz den Blick auf den breiten Turm, auf di« schmalen Fensterpaare hat und den blauen Himmel drüber, hier steht im Vaumgrund noch di« alte Bank, auf der Goethe im Spätsommer 1828 sein zweites, unvergleichliches Mondlied empfand: „Willst du mich sogleich verlassen? Warst im Augenblick so nah! Dich umfinstern Wolkenmasien, Und nun bist du gar nicht da. Gerade fünfzig Jahr« vorher, im Januar 1778, al« die arme Christel von Laßberg in Weimar in der Ilm den Tod suchte und Goethe ihr bei seinem Gartenhaus ernster Gedanken voll einen treuen Gedenkstein er richtete, als die Liebe zu Charlotte von Stein ihn mächtia beweqte, empfand er sein erstes, unvergleich liches Monblied: Lullest wieder Busch und Tal Still mit Nebelglanz, Lösest endlich auch einmal Meine Seele ganz." Und hier im Spätsommer seines Lebens, einsam geworden, gedachte er angesichts des ausgehenden Vollmondes einer alten Deraoredung gemäß seiner „westöstlichen Freundin" Marianne von Wrllemer, der Liebe, die fein Alter verklärte und erwärmte. Da stieg überm Berg drüben, über den Bäumen, die er pflanzte, der Mond herauf und der Greis erlebte die heilige Stunde. Wenn der Aether Wolken tragend. Mit dem klaren Tag« streitet Und ein Ostwind, sie verjagend, Blaue Sonnenbahn bereitet; Dankst du dann, am Blick dich weidend, Reiner Brust der Großen, Holden. Wird die Sonne rötlich scheidend Rings den Horizont vergolden. Unterhalb des Lieblingsplatzes mitten unter Rebengerank ist noch der klein« Garten mit der Laube, den Goethe im Oktober 1776, als er das erstemal in Dornburg weilte, angelegt hat. Lus jenen Juolend- tagen rührt das Gedichtchen au» Dornburg an Frau von Stein: „Ich bin eben nirgends geborgen. sogar bis zur lieblichen Saale hier Verfolgen mich meine Sorgen — Und meine Liebe zu dir." Sn dieser Stätte, wo der Jüngling Ruhe suchte vor seinem Herzen, saikd der Greis nach dem Tod« seines treuesten Freundes Karl August Trost und Ver gessen, hielt hier in der Einsamkeit seines Alters Ein kehr und ergab sich, von niemand behelligt, ganz dem mächtigen Zauber der Natur rings um ihn, die er liebend auch im kleinsten durchforschte. Sein Tagebuch legt Zeugnis davon ab. Das Rokokoschloß ganz nahe Lieser Goethestätte betrat er nicht. Diese Residenz der weimarischen Großherzög« zur Roscnzeit birgt heute viele Kostbarkeiten. Der jetzige Grotzherzog hat es nur einmal auf eine kurze stund« besucht. Ein Schimmer von höfischem Leben aber weht doch noch um das Schlößchen, und in den dichten, dunklen Laubengängen wispert'» von galanten Abenteuern. Wo der eine dieser lauschigen Gänge endet, steht vor einer Wolke gelben Goldballs die Bacchantin, die Karl August aus Fontainebleau mitbracht«. Hier hatte ich den schönsten, unmittel- barsten Eindruck von Dornburg. Weinlaub und tau- glitzernde Trauben im Haar, rebenumrankt die schwellenden Formen, steht das jung« Weib in seiner Schönheit da, das Haupt leicht geneigt, wie trunken vom Rausch. Trunken und trauernd, einer glück licheren Zeit nachtrauernd. Der Anblick wirkt wie ein Traum, den Horaz, den Goethe im Liede geträumt. Mir war » wie ein Sinnbild, ein xonius loci Hier genas der größte aller Dichter zur reinen Freude am Leben und alles blieb dank treuester Pfleg« wie er's oerla'sen. Hier dünkt uns alles, als könne er jede Stunde wiederkehren, den lieblichen Anblick zu ge- nießen, der „in erhöhtercn Farben wie der Regen bogen auf fchwarzgrauem Grunde" noch jeden Be sucher bestrickt. I>au! Vrrrg. Oer Appell Ler Toten. Mit Schaufel und Spaten arbeiten die italieni schen Soldaten an der Befestigung ihrer neuen Verteidigungslinien in Tripolis. Tag und Nacht liegen die Truppen, das Gewehr im Arm. in Gräben und Schanzen, und selbst die Nacht gehört nicht der Ruhe. Kleine Scheinangriffe der Arave» alarmieren immer wieder die schlasbedürstigen Ver teidiger. Wirkliche Ruhe nach den blutigen Kämpfen haben nur die Toten gefunden, die am 27. Oktober in langen Massengräbern Mann neben Mann in di« Erde gebettet wurden, um unter Sand und Steinen ihren letzten und tiefsten Schlummer zu tun. Am 1. November ist auf dem Massengrab« der Toten des 84. Regiment» das erste hastig improvi sierte Grabdenkmal errichtet worden zu Ehren der verblichenen Kameraden, die ihr Vaterland nich^
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