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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.12.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-12-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111221014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911122101
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911122101
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-12
- Tag 1911-12-21
-
Monat
1911-12
-
Jahr
1911
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»ich «ich«r«n vod»n<r-«»gntN«n d«r «rsorderltch« Ein- Nutz «ingeräumt word«n, aoer bei der Branntwein- steuer weit weniger (kaum b Millionen Mart) als bei der Zuckelsteuer. Ln Schaumweinzöll«» werden für 1912 «lwa 4 Millionen Matt erwartet. Der Srnt de» AnswLrtigen Uorte» sieht vor di« Erhebung der Ministerrestbentur in San- riago zu einer Göfandtjchaft, dl« Umwandlung d" Konsulat» Mo » tauin ein Generalkonsulat, de» Konjulai» Pretolia in «in Konsulat Johanne». burg-Pretona mit dem Amtssitz Johannesburg. Für deutsch« Schul, und Unlerrichtszweck« im Ausland werden die Aondc- auf 1 Million Mark erhöht. Für Aerzt« bei Gesandt^ckjazlen und konsularen werden erhöhte Aufwendungen l'ereit- gestellt. Di« einmaligen Ausgaben uinwssen die Neichsbeiträge siir die zoologischen Stationen in Neapel und Nooigno, für wistei'.nhafilirtie und archi tektonische Studien in llhina. für die Medizinjchule in Lchangt)ai sowie Unter,iutzungen sür techniscl)« L ch u- «n in China. Ferner sind Mittel hereitgestcllt ür einen Ge > a nd t j ch a f t sn e u La u in Bern, ür einen Konsulatsncubau in Hoihau, für die Ausstattung des deutschen B o t s ch a s t s- gebauoe» in Petersburg und zum Erwerb eines an die Dor,chast in Konstantinopel an- grenzenDen Grundstückes. Der Etat des Reichsamts des Innern steht u. u. vor neue Stellen für zwei Portra» gende Nate, «inen Reich ein,pcttor siir Schiffsingenieur- und Maschinistenprüfungen, und «in Nittglied im Hauptamt, beim Bundesamt für H e r ni a t s w « , e n. Der Aufwand des Reick^es auf Grund der Ne i ch s o e r j i ch « r u n g'tz o r d. a u lt g erhöht sich um 2 722 000 -^i, darunter R«ichs- zujchuh sür die nm 1. Januar 1912 in Kraft tretende HinteroNebe ne n Versicherung 1 950 600 Mark, dem ein« gleichhob« Einnahme aas dem H nter- bliebenenoeisicherungsionDs gegenüberstehr. Nlitel sind s«rner bereit», stell» zu: Be j ch a f j u n g r a d r o - aktiver Stvjfe sür die Phnsrkal.sch-Techni che N«ichsanstalt. Für W o h n u n g s 1 u r 1 o r g e w^r- Len 4 Millionen Matt, für die Erweiterung Les K a if e r - W i l h« l m - K a n a l g 42 Mill.onen an gefordert, die mit den bisherigen Bewilligungen Len Betrag von 156 Millionen Mark ausmachen. Die Kosten sollen aus ordentlichen Mitteln bestritten w«rLen. Der Heeresetat sieht neu einen Kommandanten für Borkum vor. einen Stabsoffizier, einen Leutnant und zwei Festuirgsbauossiziere für di« neu zu «nietend« Fortisi- ration auf Helgoland. Dl« «teile des Komm and onren von Magdeburg fällt fort. Der Umbau von Lanvbesestigun- g«n sowie Ei^itzmaßnahmen vccfchiddener Art werden vorgesehen in Königsberg, Dan. zig, Straßburg, Mainz,Ta st eil,Köln und Ulm infolge Aufgabe der Umwallung. Au» Anlaß d«r Heeresvetttärkung werden neu er richtet 6 Bespann ung»aot«ilungender Fußartillerre, eine Tratninipektion, 6 Stellen siir Kommandeure der Trains, «in« Train- depot« Inspektion und zwei Tratndepot- Direktionen unter Wegfall der bisherigcn Train- Inspektionen und der vier T ra t nd i r e k t o r en. Etaterhöhungen treten in Preußen beim Inf.-Noat. 171, bei der Pionier-Mrsuchskompanie und bei der Verfuchskompani« des Milltärvettehrswrsens ein, in Württemberg bei 12 Insanteriebataillonen. . Die Pferdretat» sämtlicher Troinbataillone «erden um j« 18 bis 29 Dienstpferde uad die der '4. (Funker) Kompanien der Telegraphen, bataillone um je 34 Dienstpferde, die Unteroffi- «ßhkretats der Trainbataiüon« S, 14 und L7 um t» 3 Unteroffiziere erhöht. Die Maschinengewehr. abtetlungen S und S werden in Maschinen, gewehrkompanien umgewandelt. Der Marineetat steht zur Durchführung de» Flottcnaesetze, 172 neu« Stellen sür Offiziere und Beamte vor. unter anderem beim Seeossizierkorps einen Vizeadmi ral, einen Konteradmiral 4 Kapitäne zur See, 1ü Fregatten- oder Korvettenkapitäne, 22 Kapilänlcutnanls, 52 Oberleutnants und Leut nants zur See, beim Ingenieurkorps 6 Chef ingenieure oder Oberstabsingenicure, 4 Stabs ingenieure, 9 Oberingcnieure und 16 Ingenieure. Die Erhöhung des Personalstandes in den Chargen vom Deckosfizier abwärts beträgt 3549 Köpfe. Die Ausgaben sür Indiensthaltungen sind hauvtzächlich wegen vermehrter Indienst stellung von Schiffen gröberen Typs um 3 517 600 höher als im Vorjahre., nämlich mit 56 511966 angesetzt. Die Ausgaben für das Wasfenwesen erfahren infolge des zunehmenden Beilandes an in Dienst befindlichen Schissen und insbesondere infolge Eintritts der neuesten Schiffe mit ihrer wesentlich verstärkten Armierung in die Flotte eine weitere Steigerung von 2 363 016 Ul gegen das Vorjahr. Gefordert werden Raten zum Ersatz des Linien, schisses „Brandenburg", des großen Kreuzers „Kaiserin Augusta" und der kleinen Kreuzer „I r e n e" und „Prinzeß Wilhel m", sowie zum Bau einer Torpedobootsflottille und ernes Hebeschiffs für Unterseeboote. Erste Raten für Bedürfnisse der Werften sind eingesetzt für Wilhelmshaven u. a. zum Bau eines Schwimmdocks, für Kiel zur Vergrößerung der Me- chanikerwerkslair und zum Ausbau des Werftgebiets bei Ellerbeck, für Danzig zu weiteren An lagen für Unterscebvotszwecke, außerdem zur Be schaffung eines Sceschleppdampfers für Helgo- land, sür Herstellung weiterer Schisfsliegeplätze in Sonderburg, sowie mr Herstellung einer Ufer- bcsesrigung bei dem Schiffsliegeplatz in Sonder burg. Für die Fortführung des Baues des Dienstgebäudes sürdie ober st e Marine- behörde werden 3 Millionen Mark bcreitgestellt. Im allgemeinen Schifsahnsintercsse soll die Her stellung deutscher Seekarten auch auf die auhcrheimischcn Gewässer ausgedehnt werden. Im Reichsjustizamt sind zur Ausarbeitung des Entwurfs eines neuen Strafgesetzbuches wiederum 120 000 Ul eingestellt. In dem Etat des Reichvschatzamts sind zu Beihilfen an hilfsbedürftige Kriegsteilnehmer 29 Millionen Mark, also 379 230 Ul mehr als im Vorjahre vorgesehen. Die Verzinsung der Reichs schuld erfordert 177 791 655 ul. Zur Tilgung der Reichsschuld werden 61 Millionen Mark berciigeftellt. Im Etat der Rcichspost» und Telearaphenorrwaltung sind neu« Stellen vorgesehen für 42 höhere, 1614 mittlere, davon 256 sür Post- und Telegraphen, gehilfinnen, und 2313 Unterbeamte. Für Beschaffung und Auslegung eines Kabels für den Fernsprech verkehr zwischen Berlin und Magdeburg werden 5 Millionen Mark bereitgestellt. Bei der Verwaltung der Rcschseisenbahnen werden neue Etatstellen angefordert für 65 mittler« Beamte und 90 Unterbeamte. Im außerordent lichen Etat sind erste Forderungen für den Bau einer Eisenbahn von Weißenburg vis zur pfälzischen Grenze in der Richtung aus Bundenthal, für genaue Vorarbeiten zum Bau einer Bahn von Philipps burg bis zur pfälzischen Grenze in der Richtung auf Pirmasens sowie sür Herstellung eines Nangier- bahnhofes bei Mülhausen-Rord und für Einführung einer Linie von Reichweiler—Sennheim—Dörnach vorgesehen. Die Gellchtgssrve. / Don Dr. med. Emil König. DaS Gesicht ist der Teil unseres Körpers, nfit dem lvir sortivährend mit der Außenwelt tn Be rührung und Beziehungen stehen. ES trügt die Or gane. welche und da- Gesckiebsn und die Erjck-einun- gen in unserer Umgebung zutragen, unserer Innen welt übermitteln, die Sinnesorgane. Und der Mund kommt nicht allein als Eingangspforte für die Rab- rung in Betrachr, ihm entquillt auch die Sprackie, mittelst derer nur uns mit unseren Mitmenschen ver ständigen. TaS Gesicht ist daher von besonderer Bedeutung, und eS interessiert uns auch am meisten an unseren Nebenmenscken: „Ein bekanntes Gesicht", ein „lieber Gesicht". Liegt doch die Seele des Mensckien auf seinem Gesicht. Ob warm- ober kalti-erzig. Las Gefräst verrät es unS. Züge, Mienen, Spreclminse und Blick geben dem Gesicht eines Menschen da- Gepräge und lassen unS in sein Herz sehen, wenn auch der eine weniger als der andere sein Innere? zur Schau trägt. Ganz verbergen kann eS niemand. Auch die Farbe des Gesichts kann unS manct^erlei offenbaren, allerdings weniger über die Seele als über den Körper, seinen gesundlstitlicl>en Zustand und die Tätigkeit seiner Organe. Beruf, Beschäftigung, Wohl befinden und Krankheit geben sich hier zu erkennen, und dem Arzt bietet die Gesichtsfarbe wichtige Fin gerzeige für die Beurteilung des Gesundheitszu standes eines Menschen und das Erkennen mancher Krankheiten. In der Jugend ist die Gesichtsfarbe im allge meinen rosiger und zarter al? in späteren Jahren. Mit der Frische der Farben verbindet sich dort ein feiner, lebenowarmer Ton, während hier langjährige Gewohnheiten und Beschäftigung dem Gesicht ihren Stempel aufgedrückt haben. Auch bei den Gcschleck- tern bestebt im allgemeinen ein Unterschied in der ?lesichtssarbe. Vie alles beim Weibe weicher und Härter ist al? beim Mann, so auch der Farbenton, der auf dein Gesicht ruht und der mit zur Anmut des Weibes beiträgt. Tinen großen E.nsluß auf die Gesichtsfarbe hat der Berus, die Beschäftigung. Leute, die den größten Teil ihres Lebens in geschlossenen Räumen verbringen und dauernd Zimmerlust atmen müssen, verraten dies durcb eine blasse O^esichts- farve. Dasselbe ist der Fall bei Berg- und Tunnel arbeitern. Die die Pflanze, die deS Sonnenlichts entbehrt, nicht ihre natürliche, grüne Farbe zeigt, so verliert auch der Mensch, der oft und längere Zeit dem TageSlickst entzogen ist, seine natürlictie, „ge sunde" Gesichtsfarbe; ihn befällt eine gewisse Blässe, die man dennoch nicht gerade als krankhaft bezeich nen kann. Eine frische, eine „blühende" Gesickstsiarbe finden wir bei allen, die ihr Beruf, ihre Beschäftigung viel ins Freie fiiyrt, bei Landwirten, Gärtnern, See leuten, Landärzten u. a. WaS hier zur Rötung, zur „Frische" der Gesichtsfarbe führt, ist aber weniger die „frische Lust" au sich, als vielmehr dec häufig« und starke Wechsel der Temperatur der Umgebung, dem diese Leute ausgesetzt sind. Tie Farbe des Ge sichts hangt nämlich davon ab, wie stark daS rot farbige Blut durch die Haut sckstmmert. Tie feinsten Aederchen und Haarae;ä>;e, durch die daS Blut hin durchflutet, werden durch die Kälte verengert und durch die Wärme eriveitert. Erfolgen nun diese SpailnungSveräudeningen oft Uno stark, wie eS durch häufigen und starken Temperaturwechsel in Wirtlich keit gesckstelst, so verlieren sie allmählich ihre Elastizi tät, dehnen sich immer mehr, und daS Blut durchläuft in größeren Räumen und damit auch in größerer Menge die betreffenden Hantpartien; diese „röten" sich. Wie ein jäher Tempcraturwechsel die Gesichts farbe plötzlich verändert, sehen wir am besten an jemand, der, aus der Kälte kommend, ein warmes Zimmer betritt. Eine starke Röte überzieht sofort das ganz« Gesicht. In den letzten Jahren hat sich ein Sport bzw. Berus entwickelt, dem wohl wie keinem andern ein mal eine „blähende" Gesichtsfarbe bescisteden sein wird: LaS Fahren im Auto, speziell im offenen Wagen. Ick glaube auch, daß deswegen die Damen, die anfangs begeistert diesem Sport obgclegen, ihn bald verlassen vder sich doch in die „Karrosjerie" zurückziehen iverden. Tenn ein zarter, seiner Teint geht den Frauen über das schönste Vergnügen. Doch neigen nicht alle Menscl?en unter sonst gleick-eu Vor aussetzungen zu einer „gesunden" Gesichtsfarbe. LS zeigt sich ein Unterschieo, ebenso wie der ein« leichter „errötet" als der andere. TaS Temperament spielt dabei eine Rolle; der leicht erregbare Mensch, der „Sanguiniker", hat mehr Anlage zur frischen Ge sichtsfarbe als eine kühle Natur. Stärkere Veränderungen als bei gesunden Indi viduen können bei kranken Menschen in der Ge sichtsfarbe austretcn. Ta begegnen wir zunächst dem jungen Mäock'n mit dem arünlickbleickien, wachs- artigen Gesicht und den blutleeren Lippen, dem schon der Laie aus zehn Schritt die „Bleichsucht" ansieht. Eine ähnliche Blasse des Gesichts sinben wir bei ckronisck)en Nierenleiden. Und doch ist diese wieder von jener verschieden, mehr weiß, kalt und seicht glänzend. Wieder anders ist die blasse Färb« bcS GcsickstS bei länger dauernden Magen- und Tarmerkrankungen: fahl, mit einem leichten Stich inö Gelblüch'. Hier hat die vaut ihre Elastizität verloren, ist schloss und faltig. Tie Augen liegen tief in ihren Hohlen und sind von einem bläulichen Ring umgeben. Wie bei den meisten länger dauenidcn Krankheiten sich bald eine Verblassung der Gesicksts- farbe bemerkbar macht, so auch bei der häusigsten aller Erkrankungen, der Tuberkulose. Tock hat auch diese Blässe wieder ihre Besonderheit Tic Haut ist sehr zart, weich und durchsichtig, gleichsam von einem ätherischen Schimmer übergossen. Ta die Krankheit selbst von Fieber begleitet ist und dieses Die Neüe ües Ninilterprsliüenten Lslllsur. (Bo» unserem Pariser Mitarbeiter.) Pari», 20. Dezember. „Der Präsident des Verwaltungs rats", so nennt heute beinah« die gesamt« Pr«sse Herrn Joseph Laillaux, der über das oeutsch-franzö- sische Abkommen zur Kammer wie zu einer V«r- sammlung von Aktionären sprach. Diese trockene, fachliche Darstellung, di« so gar nicht auf das parteipolitische Gezänk einging und nur mit Fakten und Ziffern aufwartete, erstaunte und lang weilte erst etwas die Herren Deputierten, dann ließen sie sich von der zwingenden Beweisführung des gewiegten Geschäfts- und Finanzmannes gefan gen nehmen und applaudierten. Als der Minister präsident nach zweistündiger Rede die Tribüne ver ließ, scholl ihm zwar kein brausender Jubel entgegen, aber er hatte die Mehrheit überzeugt, daß sie nicht nur zwangsweise, sondern wirklich zum Vorteil Frankreichs Len Marokkooerlrag votieren niuß. In Berlin wird man mit großem Nutzen das Stenogramm dieser langen Darlegungen le,en; es gehl daraus hervor, wie der schlaue Makler Cail - laux die einzelnen Bestimmungen des Abkommens über die internationale, wirtschaftliche Gleichheit in Marokko auszulegen, d. h. zu umgehen gedenkt! Trotz des Haager Tri bunals wird es an ernsten Schwierigkeiten bald nicht fehlen, wenn di« zwischen der Wilhelmstraße und dem Quai d'Orsay aus'gearbciteten Bestimmungen über Bank-, Zoll-, Minen- und Bahn-Angelegen- heireu in dem Geiste durchgesührt werden sollen, in dem Herr Laillaux gestern gesprochen hat. Man darf es ihm zugute halten, daß er die vielen Widersacher des Vertrags zu widerlegen hatte; in Berlin wird man aber gezwungen sein, alsbald deutlichst dagegen Verwahrung einzulegen, Laß „Irrtümer", wie sie in der Rede zahlreich entl-alten jind, morgen in Frank reich als „kLip- rwquis" betrachtet werden. Jin all- gemeinen aber darf man in Deutschland wünschen, daß Herr Caillaux am Ruder bleibt und nicht mit seinem verurteilten Aeußcrenminister de Selocs in die Grube fährt; als sehr kluger Geschäftsmann hat er längst eingesehen und nie ein Hehl daraus ge macht. daß er eine praktische Annäherungspolitik für unumgänglich notwendig hält. Er weiß, daß die französischen Finanzen während der Krise nicht weniger gelitten haben als die deutschen, daß die Staatsrente und eine ge wisse Anzahl der wichtigsten Papiere noch nicht wie- der den Kurs erreicht haben, den sie vor Agadir hatten. Noch nie vor ihm Hal ein Ministerpräsident mit solchem Nachdruck „von zwei Völkern, die sich achten können und die sich zum höchsten Vorteil der Zivilisation verständigen müssen", gesprochen. Der Entschluß, mit dem Marokko-Konflikt ein Ende zu machen, war ein Hauptpunkt des Programms des neuen Kabinetts gewesen — oft hat Herr Caillaux dies seit seinem Nogierungsan-trag in Gesprächen mit grossen Dörsenleuten und Politikern gesagt. Wenn die Kammer die Deutschland betreffend« Stelle mit einer auffallenden Kälte, die von allen festgcstellt wurde, anhörte und es dem Sozialisten überließ, Bei fall zu zollen, braucht man darum nicht auf absolute Deutschenfeindschaft bei der Mehrheit zu schließen. Ter Moment scheint den Volksvertretern nicht gün stig gewählt, sich für eine Aussöhnung mit Len Nach- barn im Osten auszusprechen. Es handelt sich zu nächst darum, das Land an das im Kongo gebrachte Opfer zu gewöhnen. Außerhalb des Sitzungssaales zeitweise steigt und fällt, so finden wir, und zwar gerade zur Zeit des steigenden Fiebers, die Wangen mit einer zarten Rote bedeckt, den sogenannten Kirch- Hofsrosen. Lenken wir unsere Schritte einmal nach den modernen, vielbesuchten Bädern Karlsbad, Neuen ahr u. a. Da begegnen wir zahlreich» Leuten mit gelber Gesichtsfarbe in allen Schattierungen, vom leichten gelblichen Sclstmmer hinüberlcitend zum Zitronengelb und von da herab bis zum tiefen Schwarzgelb. Tiefe „Gelbsucht", das Aushängeschild aller Leöerleiden, ist bedingt durch den Uebertritt von Galle ins Blut. Durch einen Verschluß der Gallen gänge oder eine spezielle Erkrankung der Leber er folgt die Gallenabsonderung nicht, nne eS sein sollte, nach dem Darm hin, sondern sie nimmt ihren Weg rückwärts, in? Blut. Sine gelbliche Gesichtsfarbe finden wir schließlich auch noch bei chronischen Herzkrankheiten. Toch hat dieses Gelb lvieder einen andern Ton, da es auf einem bläulichen Untergrund aufaetrogen ist, der seinerseits uns dort am meisten sichtbar wird, wo ohnehin ein« starke Blutfülle vorhanden ist, z. B. in den Lippen. Ti»ser blaue Untergrund ist bedingt durch die Stauung Les Bluts im ganzen Blutkreis lauf und tritt am dcutltckKen bei vorliegendem Herzklappeiüehler und KompensafionSstörungen her- vor. Ter Vollständigkeit halber sei noch erwähnt, daß es auch eine Krankheit gibt, bei der daS Gesicht eine bronzene Farbe annehmen kann. ES ist daS eine Erkrankung der Nebennieren, die aber selten vor kommt. Kunst unü rvillenlchükt. * Das Geschenk de» Kaiser» sür Norwegen, die Fritbjof.Statue, besichtigte Lieser Tage das Kaiserpaar in der Werkstatt des Berliner Bild hauers Professor Max Unger. Der Künstler halt« eine Verkleinerung seines Modells aufgestellt, um einig« kleine Aenderungen an der Figur vorzuführen, die von den Norwegern vorgcschlagen wurden. Don der Künstlcrwerkstatt aus begab sich das Kaiserpaar mit Professor Unger nach dessen großem Atelier auf dem Gelände der Domäne Dahlem, das eigens er richtet wurde, um dem großen Modell der Figur Untettunft zu bieten. Ist doch jetzt nachträglichnoch die Höhe des Standbildes selbst von 10 auf 12 Meter vergrößert worden, während die Breitenausdehnung des Sockels etwas beschränkt worden ist, auf 20 Meter im Quadrat, damit sich das Ganze bester dem ge gebenen Platze einfügt. Das Kaiserpaar konnte von dem großen Modell bereits die Beine Frithjofs in Augenschein nehmen, die fertig punktiert sind und nicht weniger als sieben Meter in der Höhe messen. Der Künstler sprach die Hoffnung aus, im nächsten Iabre die Arbeit vollenden zu können, und so dürfte der Sommer 1913 für di« Enthüllung in Betracht kommen. Guß und Transport de» Werkes, das drücken zu vtel« Deputiert« ihren Wuirsch au», bester» Beziehungen mit Deutschland kommen zu sehen, al» daß wir di« notwendigen Begleiterscheinungen de» Vertragsootum», da» auf beiden Setten keine Helle Freude erregen kann, tragisch nehmen könnten. Die Rede Les Ministerpräsidenten hatte wieder ein außerordentlich zahlnicl-es Publikum und die Botschafter o. Schön, Tittoni und Perez-Cabal lero angelockt. Trotzdem Herr Caillaux über ein ausgezeichnetes Gedächtnis verfügt, das ihm z. B. während der Beratung des Einkommensteuergesetzes erlaubte, ohne Papiere, rein au» d«m Kopie mit wunderbarem Zahlenmaterial die Verteidigung zu führen, hielt er seine gestrigen Erklärungen für io bedeutend, daß er sie fast ganz vom Manuskript ab las. Aus seiner Schilderung der Krisenentwicklung ist nur das Geständnis interessant, daß der Ver trag von Algeciras für Frankreich un durchführbar war, weil Frankreich die Pflicht auferlegt wurde, im Sultanat für Ordnung zu so» gen, also zu handeln, und es zugleich in die Un- Möglichkeit versetzt wurde, zu handeln! Dies Eingeständnis verdient notiert zu wer- den. da die gesamte Pariser Kolonialpreste seit 1905 stets behauptet hatte, Frankreich verletze bei seiner Marokko-Aktion di« Algeciras - Alte in keinem Punkte! Nicht minder wert voll ist das Eingeständnis des Mini sters, daß das Abkommen von 1909, das angeblich schon Frankreich Protektorars- rechte über Marokko verliehen haben sollte, ebenso undurchführbar gewesen ist, wie die Alge ciras a k t e! Nack Ansicht war dies Abkommen zu begrüßen, weil es eine Politik direkter Ver handlungen zwisckstn Frankreich und lrxutsäi- land eröffnete; es war aber unvollständig, weil es Frankreich nur den politischen Einfluß im Sultanat zuerkannte, Deutschland aber wirtschaftliche Vorteile zusicherte, an denen andere Mächte keinen Anteil haben konnten. Die Schwierigkeiten, die hieraus zu erwarten waren, entstanden vor Jahresfrist, als über gewisse große Fragen, über Hafen- und Bahnbauten, gesprochen wurde. Da waren plötzlich die Ansichten in Frankreich und Deutschland ganz verschieden. Ob schon von März bis Mai verhandelt wurde, kam man auf Grund Les Abkommens von 1909 zu keiner Ver ständigung. In diesem kritischen Augenblick kam das Ministerium Caillaux ans Ruder, sollte eine neu« internationale Konferenz einberufen werden? Deutsch land lehnte die Teilnahme ab oder stellte unan nehmbare Vorbedingungen, „wie wir aus der Rede des englischen Ministers Grey erfuhren". sEs ist erstaunlich, daß Herr Laillaux die „unannehmbaren Bedingungen" ausderRede Sir Greys erfahren haben will!) Was blieb übrig, außer direkten Verhand lungen? Frankreichs politische Vorrechte in Marokko mußten in klarer Weiss formuliert werden. „Um uns gegenüber Deutschland loszulösen, gab es nur eiu Mittel: bezahlen, wie wir es 1900 mit Italien, 1904 mit England und Spanien getan hatten. Man wendet ein, daß wir kein Gebiet hätten abtreten dürfen. Gibt es dafür keine Präzedenzfälle? Trat England nicht an Deutschland Helgoland, an uns ein Streifen seiner Nigera-Kolonie und die Lovs- Inseln ab? Was die Bergwerkebesteuerung anbe- trisst, so haben wir auch in Algerien keine andere; was die Bahnbauten anbetrisfk, so willigen auch unsere Ballgesellschaften stets ein, dort Linien hin zulegen, wo neue Erdschötze erschlossen werden. Die Marokkanische Staatsbank bleibt international; ihre Nolle ist die, die Einnahmen cmzuzieöen und die Ausgaben zu bezahlen; die Indochinesische Bank und selbst die Banque de France haben dieselbe Aus- gäbe. Sie mischen sich deswegen in keine Vermal- tungsangelegenheiten des Landes. Obendrein haben 14 000 Kilogramm schwer, bietet noch manche Schwierigkeit. * Einen iuterestanten Versuch literarisch-theatra lischer Art wird das Dresdner Sä)auspiclhaus wagen. Die Königliche Bühne bringt demnächst Ibsens „Komödie der Liebe" zur Erstaufführung, und zwar mit Kürzungen, durch welche die Dichtung bühnenwirksam gestaltet werden soll. * Eisenbeton am Heidelberger Schloß. In der Budgetkommistion der Zweiten badischen Kammer antwortete, wie der „Verl. Lok.-Anz." meldet, der Finaiizminister auf eine Anfrage wegen Erhaltung des Heidelberger Schlosses, daß Die Regierung mit einer Firma ein Abkommen getroffen habe, wonach einzelne Stellen der Ruin» mit Eisenbeton verstärkt werden sollen, vorausgesetzt, daß Las noch ausstehende Gutachten über die Wirkung des Eisenbetons auf den Sandstein günstig ausjallen würde. Ferner wurde mitgeteilt, daß da» letzte starte Erdbeben keinerlei nachteiligen Einfluß auf di« Ruine aus geübt hat. * Die Gattin de« Dichters Rostand, Frau Rose mond« Rostand, und sein ISiähriger Sohn O'aurice treten im Pariser Gymnase-Thcater als Dich er vor das Pariser Publikum. Das Stück ist ein Märchen drama, führt den Titel „Ein guter, kleiner Teufel" und ist nach dem gleichnamigen Roman der bekannten Schriftstellerin Gräfin Segur verfaßt. Das drei- aktig« Märchendrama, das im ganzen nur zwei Deko rationen erfordert, wendet sich ausschließlich an die Ktndenoelt. Wenn da, Stück Erfolg hat, will Frau Rostand ein Kindertheater gründen, in dem Märchendramen aufgeführt werden sollen. * Arthur Nikisch wird am «rsien Weihnachtsfeier tage im Hamburgs r Stadttheater «in« Auffüh rung de» „Tannhäuser" dirigieren. * Fräulein Margrethe Thumann vom fürstlichen Hoftheater in Gera, eine begabte junge Schau- spielerin, ist von Direktor Weiße an das Deutsche Volkstheater in Wien engagiert worden. * Musikchronik. In Ko bürg hat sich eine Orts gruppe des Richard - Wagner - Verbandes Deutscher Frauen gebildet. Die regierende Herzogin har das Protektorat übernommen. Hoskapcllmeifler Lorenz wurde zum Vorsitzenden gewählt. * Geheimrat Ziehen, der bekannte Psychiater an der Berliner Universität, tritt am 1. März 1912 von seinem Lehramt zurück. Der Gelehrte, der im vori ge» Jahr« den Ehrendoktor der philosophischen Fakul tät an der Berliner Universität erhielt, steht erst im 50. Lebensjahre. 8t. Hochschulnachricht. Der Professor für theore tische Maschinenlehre an der eidgenössischen Poly- technischen Schule in Zürich Dr. Albert Fliegner tritt zu Ende des Sommerjemesters 1912 in den Ruhestand.
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