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Sächsische Nummer 1L7 — r». Jahrgang » M Mittwoch, den t7. Juni IWl ckk>MWMW ck^WHSL7LLrN'DLÜSL°L IlV^ K^LsLMLKKB Buch . Monatlicher BezuaSpretS .i-2M einschl. BesteNaeld. W> l-oherer ^elvalt elltlch» jede «.'lpsiichluog au! Liesenuia soivi» «»Njel»nmimcr 1« z, ^omi»be»»d. >». 2onnt.iniu»Ec iiu z. IM. MU WM». WU »W « 8! ikUüllmig v. rinzelge»! - AuNrügei, u. Ltthung d. LchrdiKttM .yiuiplschrlftlkUer: Dr. G. De-rgh», D"»d°v. W W W W «efchafllichek L«il: gra,» VMIS«lr-»-LUl1tlt» Volkssettuna Für christliche Politik und Kultur «Z°° n'"S^.> E BmManIo «tadtbanl DrrSden -ilr. «,l7la Zwei Wetten Zum Konflikt zwischen Faschismus und Vatikan. (Von unserem römischem Verirrt e»I Rom, 11. Juni. «.v.F. Ueber dem Horizont unsere, von schwersten wirtschaftlichen Notständen helingesuchtchr Zeitgeschehens hebt stcy ein« weltanschauliche Auseinanderseßung groben Ausmaßes zwischen dem obersten Hirtenamt der katholi schen Kirche mid der faschistischen Parteiführung Jtalieua ab. Eine angesehene deutsche Grenzlandzeitung erklärte dieser Tage, daß die bekannten in ganz Italien erfolgten Ausschreitungen gegen die Verein« und Gebäude der Ka tholischen Aktion ein offener Kulturkampf seien, für den Mussolini die Verantwortung trage, denn er habe den Kampf bewuht provoziert. Dennoch genüge ein Wink des Duce, um den letzten Ruhestörer zurückzupfeifen. Eine solche einfache Geschichtsbetrachtung mit einigen Wahrheitsbestandteilen hat für den Durchschnittsleser in ihrer Faßlichkeit etwas Bestechendes. In einem straff zen tralisierten Obrigkeitsstaat kann man rechtliche und poli tische Verantwortungen sür Handlungen anscheinend leicht von der Oberfläche ablesen. Die faschistische Presse hat es ja zu Hunderten Malen ihren.Lesern und der Welt ver kündet, daß Einsicht und Wille des Duc« für das neue Ita lien allein bestimmend scjen. And trotzdem reichen solche Hyperbeln, die ihre fatale Kehrseite hüben können, nicht in die Anter- und Hintergründe eines dramatischen Um bruchs der ptofanen üitd der Kirch'engeschichte in Italien hlneinl In Augenblick««, in denen ganze Schichten eines bi» dahin für tragsähig gehaltenen Bodens im menschlichen Gemeinschaftsleben und im Verhältnis von Staat und Kirche zusammenbrechen, genügt es für eine ernsthafte Ur sachenermittlung »tcht, die greiDar«« Mitverantwor tungen für die Zuspitzung einer Krise festzunageln und allein auf rechtlich-politische Ebene die Angreifer gegen den bisherigen Stand und einzelne Abmachungen der La« teranverträge mit ihren eigenen früheren Zusicherungen und parlamentarischen Acukerungen in Widerspruch zu setzen. Für Vie völkerrechtliche und juristische Seite des Streitfalles ist das freilich unentbehrlich. Aber daneben läuft ein breiterer Strom weltanschaulicher Kräfte und persönlicher Schicksale, der allmählich und für die meisten Im Auslande, einschließlich der Mehrzahl der Katholiken, unerwartet das Erdreich unterspült hat, auf dem jetzt das Einvernehmen zwischen dem Vatikan und dem faschistischen Italien fast versunken ist. Pius Xl. selbst hat zweimal in diesen Zeiten trotz des unerschrockenen Ernstes seiner Mahnungen an die staat lichen Obrigkeiten in Italien auf jenes nnberechenbare, Sleichsam irrationale Element hingewtelen, das bei Wen- dungen auch in der Kirchengeschtchte hervortritt, Charak tere wandelt und ruhige Entwicklung plötzlich in den Stru del reißt. Als der Statthalter Christi vor dem römischen Prtefterkolleg für di« italienischen Auswanderer am 8. d. M. seine erschütternde Anklage gegen die wüsten Aus schreitungen gegen die Katholisch« Aktion, die Verletzung der Exterritorialität der Päpstlichen Kanzlei und die öffent lichen Schmähungen des Papstes in der Ewigen Stadt er« hob, gedachte er gleichzeitig der metaphysischen Macht des Prinzips des Bösen, des Satans, der angesichts eines solchen Gutes, wie sie die Einigung zwischen Italien und der Kirche in den Lateranverträgen darstellte, nicht habe ruhig bleiben könne». Einige ausländische Flachköpfe hörten wir über eine solche jedem Christen vertraute Be trachtungsweise lachen. And doch bedeutet erst das tiefere Nachdenken über eine tragische Arsachenverkettung wahre Menschlichkeit! Pius Xl. hatte schon vorher in seinem für das Verhältnis der staatlichen und kirchlichen Zuständig keiten in Italien grundlegend wichtigen Schreiben an Kardinal Schuster vom 26. April bei entschiedener Zurückweisung der Programmthesen des faschistischen Par teisekretärs Giuriati vom IN. April in der Frage der Katholischen Aktion und des Konkordates doch der ihm von früher vorteilhaft bekannten Persönlichkeit Giuriatis entgegenkommende Worte des Bedauerns gewidmet. Die päpstliche Aeußerung deckt sich haarscharf mit dem Urteil eines sehr «rfahrenen italienischen Laien, der dcrn Vorstoß Giuriatis gegen das kirchliche Rechts- und Inter essengebiet der Katholischen Aktion als keineswegs in der Linie seiner bisherigen Entwicklung liegend bezeichnete. Das tst ja gerade untrennbar von der Einzigartig« kett der gegenwärtigen Situation im konkor« datäre« Italien, daß hoffnungsvolle Ansätze eines harmo nischen Nebeneinander von Kirch« und Staat und eines Einvernehmens in der Frag« der notwendigen religiösen Bildung der Jugend zerstört sind, ja daß der frühere Ne- gierungskurs in kulturpolitischer Beziehung aus der Bahn geworfen ist. Im Jahre 1926 bekannte sich der Anterrichts- miyister vor dem Parlament ausdrücklich zur religiösen Durchbildung der jungen Generation, da die weltanschau liche Zerloanenbeit der Alten kür das Volk verderblich ae« WWm i>es MMS AeleW Mehrheit sür Einberufung des Haushaltausschuffes wahrscheinlich Immer noch ernste Lage Berlin, 16. Juni. Im Aeltestenrat des Reichstages wurde am Dienstag- mittag über die vorzeitige Einberusung des Relchstagsplenmns gegen die Stimmen der Nationalsozialisten, Deutschnationalen, Kommunisten, Wirtschaftspakte! und des Landvollis abgelehnt. Die Sozlaldemolcraten beantragten daraufhin die Einberufung des Hanshaltauoschusses zur Beratung Uber die Abänderung der 'Notverordnung. Die KPD. und die NSDAP, behielten sich ihre Stellungnahme zu diesem Anträge vor. Insolgcdcssen ver tagte der 'Aeltestenrat die Entscheidung Uber die Einberusung des Haushaltausschusses bis 6 Uhr abends. Die SPD., NSDAP, und KPD. bilden zusammen eine Mehrheit im Reichstag, die, falls sich alle drei Fraktionen dafür einsetzen, die Einberusung des Haushaltausschusses durchsetzt. Cs hat eines außerordentlich., starken Dr u ckesder Regierung bedurft, um un Aeltestenrat eine Ablehnung des Antrages auf Einberufung dez Plenums herbei,'.usähren. Be merkenswert ist, dasi sowohl die Sozialdemokratie, wie die Deutsche Volkssxrrtei, die ursprünglich beide für die Ein- bcrusung eintraten, dem Drucke der Reichsregierung nach gegeben haben. Die Verhandlungen, die zu diesem Ergebnis geführt haben, waren außerordentlich langwierig. Im Ver lause des gestrigen Tages war es unmöglich gewejen, eine Einigung herbeizusühren, und noch bei Beginn der Beraum» des Aclteslenrales war es durchaus unsicher, r>b sich eine Mehr heit gegen die Einberusung ergeben würde. Völlig geklärt ist die Lage mit der Ablehnung der Ein berusung des Reichstages „ort, nicht. Es wird sich erst zeigen müssen, welche Konsequenzen die Regierung ziehe» wird, falls sich eine Mehrheit für die Einberufung des Haushaltausschusses findet. Die Lage ist nach wie vor als äußerst ernst zu betrach ten. Doch glaubt man in parlamentarischen Kreisen, daß die schwerste Gefahr sür das Kabinett jetzt überwunden ist. Wie in parlamentarischen Kreisen verlautet, hat der Reichspräsident seinen Urlaub in 'Neudeck abge brochen und befindet sich bereits aus dem Wege nach Berlin. Im einzelnen haben die Verhandlungen sich gestern so ab gespielt, daß zunächst am Nachmittag die Führer der die Re gierung stützenden Fraktionen vom Kanzler emp- sangen wurden. Neben dem Finanzminister und dem Reichs- wehrminister nahmen auch der Reichsbankprnsident, der preu ßische Ministerpräsident und der preußische Innenminister teil Insbesondere Dr. Dietrich und Dr. Luther wiesen aus die Fol gen hin, die die politische Krise auf dem Devisenmärkte aus gelost habe. Der Kanzler erklärte seine grundsätzliche Bereit ¬ schaft, Aenderungen an der Notoerardnung vorzunehmen, inso weit dadurch das finanzielle Ergebnis der Verordnung nicht beeinträchtigt werde und sofern gemeinsame Wünsche einer Mehrheit der Parteien vorlägen. Jedoch könnten die Verhand lungen darüber erst zu einem späteren Zeitpunkte gesührt werden. Die gleichen Erklärungen wurden den Verlrelern der s o- z i a l d e m o k r a l i s ch e n Fraktion gegeben, die anschließend von den gleichen Herren empfangen wurden. Die Vertreter der sozialdemokratischen Fraktion berichteten auf Grund dieser Unterredung dem Fraktionsvorsland, der daraufhin beschloß, der Fraktion nur Bericht zu erstatten und ihr die Entscheidung zu überlassen. Kurz vor Mitternacht wurde von seilen de« Kanzlers noch der Versuch gemacht, in einer gemeinsamen Be sprechung mit dem sozialdemokratischen F.aktionssührer Dr, Breitscheid und dem valksparleilichen Parteiführer Dinzeldeq eine Einigung herbeizusühren. Diese Einigung ist aber nicht möglich gewesen Bei dieser Lage hat in dein in der letzten Zeil so stillen Reichstag heute bereits zu früher Stunde reges Leben eingesetzt. Tie Deutsche Volkspartei und die Sozialdemokraten sind um !> Uhr zusammengetrelen, tim die Haltung zu bestimmen, die sie im Aeltestenrat einnehwen wallen. Tie Fraktion des Land volks tagt bereits seit 8 Uhr. Um 12 Uhr traten dann der Aeltestenrat und gleichzeitig das Reichskabinett zusammen. Diese Beratung hatte" das vor, stehend berichtete Ergebnis. Oie Zusammensetzung deö Aelleftenrates Im Hinblick auf die wichtige Entscheidung, die der Ael testenrat Heine zu treffen hat. ist die Zusammensetzung dieier Körperschaft von Interesse. Ter Aeliestenra! besteht aus 2t'> Mi.gliedern. Es sind von den Sonaldemobraten n Al-ze- ordnete, nämlich: Loebe. Dr. B:ei fchew. Wels. Dttunann. Dr. Hertz und Sollmann: von den Natiouai o .ialtsteu: Dr. F> ä>, Stöhr. -Suasser. Göring und Feder: von den Kommunisten: Stöcker. Torgler und Iadasäi: »am Zentrum Dr. Pe .il.ns, Esser-En. Kirchen. Dr. Bell und Joos: van den Deutsch.:auo- nalen: Dr. Lberfohren und Graes Thüringen: von der D »Achen Volkspartei: Diugeldep: das Landvolk eutteudet Tob.ich: die W rtsehafl-spartei Dr Drewitz: die Ehristtichsattalen den Abg. Eimpsendörser: die Bau»isel.e Balkspartei- P>a!o! Leicht: die Staale-cmrlei: Dr. Weber Pai dam. Den Vmiilz fuhrt der Reichstagsprasid.ent. Die Absnmmungen oes AeUeslenraiu: un terscheiden sich von denen der anderen Reul,vag a.wsch.use wesentlich. Es wirp nämlich nets die Aäge.ndnete, an zahl der von de» einzelnen Fralition-.-iiteften repräsentierten Fraktionen gezählt. wesen sei. Mitten Im jetzigen Konflikt mit dem Heiligen Stuhl über einen der Grundpfeiler der religiösen Frei heit, das katholische Vereinswcsen, hielt der Minister für nationale Erziehung. Valbino Giuliano, am 6. d. M. bei der Eröffnung der internationalen Ausstel lung für christliche Kunst in Padua ein« Rede, in der er in ehrfurchtsvollen Worten die Heiligen Antonius, Franzis kus von Asftft und Thomas von Aquin feierte und manche B«merkungen machte, die durchaus katholischer Färbuni. waren. Der „Lavoro Fajcista" vom 9. Juni veröffentlicht einen langen Artikel „Die Wege des Glaubens" über eine außergewöhnliche Begebenheit i« Lourdes und das Bild der kirchlichen Segensspendung über eint faschistische Ver einsfahne, während er wochenlang den schlimmsten Ideen wirrwarr über das Wesen der Katholischen Aktion, die En zyklika Kerum novurum und die angebliche Unzuständigkeit der Kirche au! dem sozialen Gebiet gegen die klaren Richt linien des Heiligen Stuhles und gegen den „Osservatore Romano" hervorbrachte. Diese Ungereimtheiten erscheinen den Katholiken der mitteleuropäische,, Länder und Hollands auf den ersten Mick unerklärlich. Liegt böser Wille vor will man die Action Franeaise nachahmen? Beide Fragestellungen liessen nicht die Wurzel des Uebels. Gewiß kreuzen sich in der gegenwärtigen kulturpolitischen Krisis Italiens mehrere Grundirrtümer und Mängel, die sich aus ihrem Höhepunkte als geistige Mischinsektion verderblich aus wirken. Von der Aufrollung der Römischen Frage bis , zu ihrer Lösung haben zwei Generationen in Italien den > Religionsunterricht in der Schule entbehren müjsen. Die religiöse Unterweisung lm Privatunterricht war vielfach s unzureichend. Sie beschränkte sich häufig aus Christen lehre. Gerade der Generation zwischen !kl und 69 Jahren, die am öffentlichen Leben Anteil hat, fehlt in erschrecken dem Maße ein« religionsphilosophische und apologetische Durchbildung. Einer der theologischen Führer des Ita. lieniicken katboliichen Schrifttums beklaat« vor un». daß religiös gebildete und denkende Akademiker, abgesehen von ganz wenigen Kopsen, wie ;. B. Conlardo Ferrini und Giuseppe Toniolo bei der älteren Generation weißen Naben glichen. Auch bei innig srommen Menschen sonst kultivierter Familien fehlt vielfach der Ueberblict und das Verständnis siir die Kernpunkte der gegenwärtigen Kul« turkontroverse. Manche solche Leute find buchstäblich er staunt, warum denn der Hl. Vater die Fronleichnamspro zession außerhalb der Kirchen in Italien jetzt verboten habe. Die schar der bloßen kirchlicl)«» Mitläufer ist un« übersetzbar. Für viele besteht der Katholizismus in einem Mit« machen der Kultussormen, während die moralischen An schauungen längst einen anderen WK'g als di« christliche Sittlichkeit eingcschlagen haben- Durch die Verpslechtung solcher Schwächen in italienischem Katholizismus ist man unbewußt an den Rand der Gefahren und der Ohnmacht im öffentlichen Leben herangeruckt. Sobald der Katho lizismus außerhalb der Kircl-e, namentlich mit sozialen Geboten und Richtlinien, das Gemeinschaftsleben umfassen will, herrscht eine beklagenswerte Ideenwirrnis in der öffentlichen Meinung. Die „Crilica Fascisla" vom 1. d. M. tischte ihren Lesern einen Artikel über di« neue soziale Enzyklika Pius XI. auf, dessen Engstirnigkeit und Verbohrtheit kaum zu überbieten sind. Der Begriff der Politik wird ins Sinnlose darin überspannt Die christ- liche Arbeiterbewegung, die noch vor wenigen Wochen zur Erinnerungsseier der Enzyklika Kerum tzlovaium ans über 29 Nationen Vertreter der christlichen Unternehmer und Arbeiterschaft, sowie drei Arbeils- und Sozialminisler nach Nom siihrte, bleibt unbegrifsen Der Kirche wird „Galvanisierung ihrer Tätigkeit aus sozialem Gebiete" als politischer Einmischungs-Versuch vorgeworfen. Das verstoße angeblich gegen die Laleranverträge Richt die päpstlichen Enzykliken, sondern der saschistische Grund brief der ArG'it <Carta del Lavoro) sei siir die katholi schen Faschisten manaebend. Im Vapftbriese an Kardinal