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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 06.12.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-12-06
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111206027
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911120602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911120602
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-12
- Tag 1911-12-06
-
Monat
1911-12
-
Jahr
1911
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Leite 2. Nr. 33S. los. Usbryang, Leipziger Tageblatt. Mittwoch. 6. Dezember lStt Dl« Dardanellenfeage. Konstantinopel, g. Dezember. (Wiener K. K. ' Telegr.-Bureau.) Nach sicheren Informationen be schloß die Pforte, die russische Forderung auf Oeffnun« der Dardanellen zurückzuwetfen, da sonst Rußland «in« prädominierende Stellung in Konstantinopel gesickert wäre. Wenn man russischen Nachrichten hierzu Glnubrn chcnkcn darf —. »vohlbemerkt, so sicher ist das gerade n» vorliegenden Halle nicht, da Rußland «in be- arideres Interesse an den Dardanellen bat —, wär« die türkische Befürchtung vollständig unbegründet. Denn es wird gemeldet: Eine offizielle russische Note zur Dardanellensrage. Petersburg, ll. Dezember. (Eig. Drahtmclo.) Die russische Regierung hat in einer offiziellen Note erklärt, daß sie die Äufregungder euro päischen Press« betreffs der Dardanellen- frage nicht versiehe. Di« russische Regierung hat sich von vornherein auf den Standpunkt des Londoner Vertrages von 1871 gestellt und er klärt, duß ein« Blockade der Dardanellen un möglich sei unZ auch vouRukland niemals gestattet werden würde, schon aus dem Grunde, weil hierdurch der russiscl-e handel schwere Schädi gungen erleiden würde Ebenso tritt di« russische Negierung der Behaup tung entgegen, daß sie eine Lesfnnng der Dardanellen für die russische Flotte gefordert habe. 1'. 0. Petersburg, u Dezember. (Eig. Drabtmcld.) Das russische Auswärtig« Amt dementiert die Meldung, das; die russische Regierung von derTürk«i »in« O « jjnung der Dardanellen für ihre Flott« verlangt hab«. Desgleichen erklärt das Aüswärtige Amr d'e Nachricht, daß Rußland zwisä^en den beiden kriegführenden Parteien ver mittel«. für unrichtig. Die Reüülittiml in Lhins. Nuanschikai säreint eine ebenso geheimnisvolle wie emsige Tätigkeit zu entfalten, um zwischen den beiden kämpfenden Parteien, der Mandschudynastie und den chinesischen Revolutionären, eine Einigung herbeizu führen. Sie wird aller Wahrscheinlichkeit nach zu ungunsten der Pekinger Regierung enden, und, wenn auch die Mandschus vielleicht nominell noch den Thron behalten, so wird ihre Herrschergewalt doch sehr weit gehende Einschränkungen erhalrcn. lieber den Gang der Verhandlungen geben die folgenden Telegramme Aufschluß: Paris. 6. Dezember. Nach Pekinger Privat depeschen gilt die Abdankung des Regenten und di« Einsetzung eines aus 5 Mitliedcrn zu bildenden Re- gentsmaftsrates als bevorstehend. De«r Vorsitz des Regcntschaftsroics wird Vuanfchikai übernehmen. Die siegreiche Revolution. London, 6. Tc.cmber. ..Morningoost" meldet aus Schanghai: Die Delegirrtenverfammlung von 1t Provinzen entschied sich für «ine vorläufige Mi litärregierung mit Nanking als Hauptstadt. Huang- shin wurde zum Generalissimus, Liquanheng zum zweiten Befehlshaber bestimmt. — Aus dem Hauvt- quartier Wulsäaug wird gemeldet, daß die Revolu tionäre von Kiulinnq, die auf den« Vormarsch be griffen sind, um die Bahnlinie Peking—Hankau zn unterbreche»:, «inen 12 Meilen von der Bahnlinie ent fernten Punkt errercht haben. Zur perstlchen frage. Natürlich! Deutschland ist schuld an den Vor- gängcn in Persien! Wie könnt« es anders sein. Melder doch der Londoner Korrespondent des „Temps" seinem Blatte: Aus bestunterrichteler Quell« erfahre ich, daß das Schicksal Persiens bereits in der Entreoue von Potsdam entschieden worden ist. Ruß land wußte von vornherein, daß die einzige Macht, die ihm auf seinem Bormarsche nach Persien hindernd im Wege stand, nicht England, sondern Deutschland war. Es bleibt nur di« grosze Frage offen, um welchen Breis sich Rußland die Zustimmung Deutsch lands erlauir hat. Ein wichtiger Schluß ist aus dem Verhalten Rußlands zu dem Bau der Eisenbahnlinie SchreckLuslMüer aus Tripolis. Von dem traurigen Schauspiel, das jetzt die Straßen von Tripolis bieten, entwirft der in Tri polis weilende iranzösische Korrespondent Christian Houel schreckliche Bilder. „Ein Monat ist seit der Besetzung der Stadt Tripolis durch die Italiener verstrichen. Man müßte jetzt eine Bilanz des Tode» aufstellen tönnen. Aber die italienischen Behörden sind zweifellos angesichts der riesenhaften Hekatombe vernichteter Menschenleben vor dieser Aufgabe zurück geschreckt. Rian schätzte vor der Eroberung die Be- völlerung der Stadt Tripolis auf 46 000 Seelen. Man wird von dieser Zahl heute 10000 abziehen müssen, und vielleicht bleibe ich dabei noch hinter der Wahrheit zurück. Noch immer kehren die Toten wagen. Vie unausgesetzt die Stadt durchfahren, hoch- belade»» von ihrer traurigen Reise zurück. Zu Beginn der Okkupation vermochten sie ihrer Aufgabe nicht zu genügen, und der Leiter de» Aerzlewc!en» mußte cingeflehen: „Ich bin gezwungen, die Toten auf der Strafe liegen zu lassen, da es unmöglich ist, sie alle fortzuschaffen." Täglich starben 400 Menschen. Man hat diese furchtbaren S:erbeziffc»n unter der eingeborenen Be völkerung der Chotcra zur Last legen wollen Die Wahrheit aber ist, daß die meisten der Unglücklichen nicht an der Cholera, sondern Hungers starben. Ein großer Teil der mohammedanischen Be völkerung von Tripolis lebte früher rn d«n Oasen und in den Pnlmeniväldern. Bon hier wurden sie durch die blutigen Kämpfe vom 23. und 26. Oktober vertrieben, fluchteten ,n die Stadt, in bre Mo chee und in die Straßen. Von Viesern Tage an besaßen sie keine Nahrungsmittel mehr, keine Kleider, lein Brot, und was das Schlimmst« war. kein Wasser. Es konnte n.cht ousblcrben. daß dl« unglücklichen Besiegten d«rEr!chöpfung,demHunger undKrankhetten erliegen mußten. Die italienischen Behörden hatten zwar «ine Auinahmestelle für Kranke geschaffen, aber darin konnten nur 160 Menschen Unterkunft finden. Hunderte und Taufende irrten und wankten in den «traßen umher, >n den Moscheen und aut der Galle fielen die Menschen zu Hunderten zu Boden, und die Zahlreichen Totenwo.gen vermochten nicht einmal die Sterdcnden auszunehmen. Die täglich« Abgabe von Brotrationen erstreckte flch nur aus eine kleine Zahl Bevorzugter; di« übrigen aber, eine gewaltige Menge, die hilf- und ziellos durch die Stadt umhertrrte, suchte gierig im Rinnstein nach Küchenabfällen, um wenigstens e»nen Tag noch den unvermeidbaren Tod znriickzuscheukben. Der Anblick von Leichen und von Sterbenden auf der straste ist so alltäglich geworden, daß man sich kaum noch darum bekümmert; man steigt über die Leichen und Sterbenden hinweg und seht weiter, Ohne sich umzusehen, Di« rauchenden Ruinen von Karikin—Teheran zu ziehen. Rußland hatte sich lange gegen die Fertigstellung dieser Eisenbahnstrecke gesträubt, oa es f«in« Stellung in Südpcrsien nicht für genügend gesichert hielt. Erst nach Ler Verstän digung mit Deutschland schwanden diese Bedenken. Rußland hatte nunmehr völlige Handlungsfreiheit in Persien. Als Revanche erhielt Deutschland die Zu stimmung zu dem Bau der Eisenbahnlinie Karikin— Teheran, eine Konzession, die für die deutschen Han. d«lvstuerellcn von zweifellos größter Wichtigkeit ist. Ein« Nachricht aus Teheran sagt: In Persien nimmt die Erregung ständig zu. Die Nationalver sammlung hat sich tclegraphiich an das englische Par lament gewandt mit der Bitte, zu ermöglichen, daß wenigstens «ine Prüfung der russischen Forderungen vorgenommon wird. Auch au die Parlamente der andern Länder sollen Telegramme gesandt werden. Der Boykott gegen russisch« Warcn dauert, wie aus Teheran telegraphiert wird an, und täglich finden Demonstrationen vor den Gesandtschaften statt. London, 6. Dezember. „Morningpost" meldet aus Teheran: Bersten habe gestern ein Ultimatum an Rußland gerichtet, in dem verlangt werde, daß russische Truppen nicht über Kaswiir oorrückcn sollen, und daß Rußland sich verpflichte, etwa weiter ge plante Detachierungen vcn Truppen rückgängig zu machen. Wenn diese Forderungen nicht innerhalb 00 Stunden bewilligt würden, werde Persien die Offensive ergreifen. Die Bachtiaren unterstützen die Regierung. politische Nachrichten. K-rrdin.' Kovo und di« großpoknische Agitation. Lstrslpn. 6. Dezember. (Erg. Drahtmeld.) Nach der „Ga^tc Lubowa" wurde bei einem Studenten des Breslauer sürftbischösUchen Konviktes, ro.lcher Be ziehungen zu ucht kürzlich relegierten polnischen Glei- witzer Gnmnasiastcn unterhielt, eine Haussnchung aogehaltcn, wobei viele großpolnische Bücher usw. beschlagnahmt wurden, ^enoiktdireltor Steinmann relegirte sofort den schuldigen Studenten und veröffentlicht« einen Erlag, in dem jeder vtudent mit sofortiger Entlassung bedroht wird, welcher öffentlich polnische Lieder singt, zu politischen Zwecken die Landesgrenze überschreitet und nationalpolnische Stipendien annimmt. Staatssekretär Dr. Lisco. Berlin, 6. Dezember. (Eig. Drahtm-ld.) Es wurde gemeldet, daß Staatssekretär Dr. Lisco zum Iustizimnister auserjehen sei. wenn der jetzige Justiz minister Dr. Bescler in absehbarer Zeit seinen Ab schied einrcichen würde. Wie uns demgegenüber mit geteilt wird, ist diese Nachricht durchaus unzutreffend. Staatssekretär Dr. Lisco deirkt nicht daran, feinen jetzigen Posten zu verlassen und mit einem anderen zu vertauschen. Der Präsident der neuen Reichsversicherungsanstalt. Köln, 6. Dezember. (Eig. Drahtmeld.) Zum Präsidenten der neu zu bildenden Rcichsversicherungs- anstalt für Prwatangcstcllte, ist der „Kölnischen Zei tung" zufolge Geheimrat Beckmann aus dem Rcichsamt des Innern ernannt worden, zum Vor sitzenden des Oberschiedsgerichts soll Geheimrat Koch aus dem Rcichsamt des Innern ernannt werden. Zum Kampf in de« Berlin: Metallindustrie. Die Einigungsverhandlungen, die gestern, Dienstag, zwischen den Delegierten des Verbandes der Berliner Metallindustriellen und des Deutschen Metallarbeiterverbandes gepflogen wurden, sind nach fast zwölfstündigcr Dauer am späten Abend beendet worden. Voraussichtlich wird bereits heute, Mitt woch, die Versammlung der Former und Gießerei arbeiter einbcrufen werden, um über die definitive Annahme oder Ablehnung der neuen Vereinbarungen Beschluß zu fassen. Don deren Entschlüssen wird es dann abhänge», ob >ie seit Woche»» schwebenden Kämpfe in der Metallindustrie ihre endgültige Er ledigung finden oder irr verschärftem Meß: fort geführt werden sollen. Das ungarische Budget in der Vudgetkomnttiflon angenommen. Pest, g. Dezember. sEig. Drahtm.) In der Dudgcrkommission des Abgeordnetenhauses wurde heute die Abstimmung über das Budgetprovi sorium vorgenammen. Dasselbe lautet auf sechs Monate und wurde mit 29 gegen 20 Stimmen angenommen. Da» Marokkoabkommen in der französische« Kammer. Pari», 6. Dezember. sEig. Drahtmeld.) In der Kainmersitzung am Dienstag ereignete sich geaen ^7 ttbr ein aufregender Zwischenfall. Don der reaktionär konservativen Partei war durch den Depu tierten Damour der Antrag eingebracht worden, das Gelbbuch über den Verlaus der gesamten Ma- rokkoangclcgcnheit vor der Ratifikation d«s Vertrages zu veröffentlichen. Hierauf erhob sich Iaures, um gegen diesen Antrag zu protestieren. Bei Zaurc-s' Einspruch erhob sich ein großer Lärm, den der Ministerpräsident Cail- laux zu beschwichtigen versuchte. Catllaiir erklärte, daß «r den gegenwärtigen Augenblick nicht für ge eignet halte, der Veröffentlichung des Gelbbuches stattzugeben ustd stellt« gleichzeitig die Ver trauensfrage. Nach langer, lebhafter Debatte sprach die Kammer mit großer Mchrljeit Len» Minister ihr Vertrauen aus. Die Arsenal-Arbeiter in Lorient. Lorient, 6. Dezember. (Erg. Drahtm.) Bei der Lohnzahlung an die Arsenalarbeiter wurde bei denjenigen, die sich an den Vorgängen auf dem ..Courbet" beteiligt hatten, ein Abzug von dem Tageslohn gemacht. Die Lohnzahlung verlief ohne Störung. Staatssekretär Grey und das Marokko-Abkomme»». London, 6. Dezember. Staatssekretär Grey streifte in einer Rede, die er in einer Versammlung in Plymourb hielt, auch die auswärtigen Angelegen heiten. Mit Bezug nus Marokko äußerte der Minister, wenn Frankreich und Deutschland, wie die englische Negierung glaube, ihre Streitfragen hinsichtlich Marokkos geschlichtet hätten, so müßte ein solches Re sultat eine wohltätige Wirkung auch auf die englisch deutschen Beziehungen haben. Erhöhung der Friedenspräsenzstärke der serbischen Armee. Belgrad, 6. Dezember. (Eig. Drahtmeld.) Anläßlich der Ausgestaltung des Wehrgezetzes war di« Forderung nach einer bedeutenden Erhöhung der Frieüenspräscnzstärk« der Armee durch Bildung von drei neuen Divisionen erhoben worden. Nach fast zweijährigen Verhandlungen wurde nur» ein neues Wehrgesetz ausgearbeitet, das zwar diesen militä rischen Forderungen Rechnung trägt, doch die Aus gestaltung der FriedenspräsenMrke auf einen spä teren Zeitraum verschiebt. Der Zwist im spanischen Königshause. Paris, 6. Dezember. (Eig. Drahtm.) Der Zwist in» spanischen Königshause hat im Laufe des Abends noch eine Verschärfung erfahren. Auf die Auf forderung, sich zu unterwerfen, hat die Infantin Eulalia ar» den Ministerpräsidenten Canale- jas folgendes Telegramm gerichtet: „Ich erwarte meine Bestrafung mit Ruhe, aber »ch bitte den König und seine Regierung, sie mir so schnell wie möglich mitzuteilcn, da ich beabsichtigte, mich in der nächsten Zeit auf Reisen zu begeben. Tageschranitz. Jubiläum der Münchener Musikalischen Akademie. T. München, 6. Dezember. (Priv.-Tel.) Im Auf trage des Prinzrcaenten versammelte heute vormit tag 10 Uhr der Präsident der Musikalischen Akademie, Generalintendant Exzellenz Freiherr von Speidel, sämtlicktz! Mitglieder der Musikalischen Akademie und gab ihnen folgendes allerhöchste Handschrei ben bekannt: München, 4. Dezember. Mein lieber General- turendant Freiherr von Speidel! Mit großem In teresse habe ich aus dem erstatteten Bericht entnom men, daß die Musikalische Akademie in diesen Tagen das Fest ihres 100jährigen Bestehens feiert. Indem ich gern die großen Verdienste dieser Körperschaft um das musikalische Leben Münchens unerkenne, beauftrage ich Sie, ihr meine wärmsten Glückwünsche zu diesem seltenen Jubiläum aus zusprechen. Ich knüpfe daran die Hoffnung, daß die Musikalische Akademie auch in Zukunft in der gleichen Casablanca mit ihren leichenbesäten Straßen haben niemals einen so grauenvollen Eindruck erwecken können w e dies Tripolis von heute wo Tausende von Menschen röchelnd auf dem Pflaster verenden. Gestern bin ich einem der unheimlichen Toten karren auf seinein Wege gefolgt. Den ganzen Tag über ziehen sie schwerbeladen durch die Straßen. Vor dem französischen Restaurant unter den Arkaden, in denen die Basare sind, lagen vielleicht hundert menschlich« Körper, in schmutzige Tücher und Lumpen gewickelt. Ein pestartiger Verwcsungshauch ging von ihnen aus. Im Vorübergehen sehe ich zwischen zwei Leichen den Kops eines jungen hübschen Mäd chen» sich ausrichten; die großen schwarzen Augen aber liegen tief in den Höhlen, das Gesicht scheint nur noch aus Knochen zu bestehen, ich tonnte den Anblick nicht ertragen. Sie macht eine Anstrengung, um den gräßlich abzemagertcn Arm zu einem Zeichen der Bitte cmporzuheben. Hier ist es der Hunger, der moroet. Neben ihr, unter einem zersetzten Lein tuch, bewegt sich noch ganz leise eine alte Frau: so schwach, das; man fühlt, daß das Ende nah». Und auf allen Gesichtern liegt derselbe Ausdruck rettungs loser Verzweiflung, in allen Augen yillht dieselbe hoffnungslose Bitte: um ein wenig Nahrung, unrein wenig Hilfe. Der Totenkarren bleibt in der Straße halten, un mittelbar vor diesen Gruppen. Em Araber betastet fluchtig die Körper. Wer sich nicht mehr bewegt, wird auf bcn Karren geworfen. Schon sind drei Leichen aufgelaberr. Dann entdeckt man eine junge Frau inmitten von drei Kindern. Sie ist noch nicht tot, sie tiegi in den letzten Zügen, sie hat nicht mehr die Kraft, ein Zeichen zu geben. Wie eine Feder nimmt sie der Araber empor und iegt sie auf die Toten, wo sie mit einem klanglosen Seukzer nieder- sinkt, während die dre» Kinder mnsonü nach ihr rufen. Jetzt liegen schon sieden Sterbende über den drei Toten auf unserem Karren; am Ende der Srraße wird man noch einen Leichnam auf den Haufen werfen und dann auf der Masie einherstampfen, damit die Ladung festliegt uno beim Fahren nicht herabfällt. Und diet« grauenerregende furchtbare Arbeit wird seit einem Monat Tag für Tag ver richtet, ohne daß ein Ende abzu chen ist. Man wundert sich nicht mehr, daß die Sterblich- keitsziffer mit der Zeit zurückzugehen beginnt: die Zahl der Uebcrlcbenden ist ia io zu»ammengeichrumpft. Und dock kann man kür diese Schrecken die italie nischen Behörden nicht verantwortlich machen, sie baden getan, wa» in ihren Kräften stand. Alle Kolonialtrieae werden immer diese» Grauen und diesen Schrecken nach sich ziehen. Al» man vor einigen Jahren die herrenlosen Hunde von Konstantinopel aus einer wüsten Iniel aussetzie, ging durch Europa eine Woge echten Mitleids mit den armen Tieren. Die Tauiende aber, die in Tripoli» hilflos Hungers sterben, gehen unter der voUiommenrn Gleichgültig- leit der Kulturwelt zugrunde. Und so bleibt nur hl« Hoffnung, Haff mit der Zeit, di» all« Wunden heilt, auch auf diesem mit so viel Blut getränkten Boden Sie Zivilisation sich ausbreiten möge und daß künftig« Gejchlechier ohne Gewissensbisse im Schatten der Palmen die Segnungen des Friedens und die Freuden des Lebens genießen dürfen." Vie Zeitung in üer Schule. Wie bekannt sein dürste, hat man in einigen deutschen Schulen zu Danzig u. a. interessante Versuchs gemacht, einen Unterrichtsstoff in den Schulen ein- zuführen. Das Leien einer Zeitung wurde nämlich als Untcrrichtsoijzlplin in den Lehrplan ausgenommen. Es wurde natürlich nur der Teil für den Un.erricht verwendet, der dem Gesichtslreis der Schüler und Schülerinnen angemessen rst. Die Politik war in allen Fallen von dem Unterricht ausgeschlossen. Die Eriabrunxien, die aber mit dem anderen Inhalt der Zeitung bei den Schülern gemacht worden sind, waren durchweg ausgezeichnete und ließen diese Versuche als sehr bemerkenswert erscheinen. Die Schüler und Schülerinnen brachten dem neuen Lehr stoff g.oße Aufmerksamkeit und ein erhöhte» Interesse entgegen, zumal es sich stets um interessante Dinge handelte, die ihnen draußen im Eliernhause und aus der Slraße auch begegneten So wurden die Schüler z. B. in der Geschick; ls- und Geographiestunde mit den Ereignissen der neuesten Zeitgeschichte bekannt gemacht, u. a. mit dem Tode berühmrer Männer und »m Anschluß daran mit der Geschichte ihres Lebens und ihres Wirtens, mit Erdbeben und ihren wahr scheinlichen Ursachen, mit Vulkanausbrüchen, die die ganze Welt erregren. mit großen Ueberschwemmungen, mit Katastrophen in Bergwerken mit ihren Ur sachen usw. Die Kinder lernten an dielen aktuellen Gescheh- nisten, die »ür jeden fast den Reiz eines persönlichen Erlebnisses hatten, prakiisch für das Leben. In den höheren Klaffen wurde auch für die Erfolge der Lust schiffahrt an der Hand ter Zeitungsberichte hin gewiesen. Dabei ergab sich zugleich die Gelegenheit, auch über die Entwicklung dieser bedeutsamen Frage «inlges zu sagen. Bedeutiame vaterländische Gedenk tage, hervorragende wissenschafilrche Expeditionen brachten Abwechselung in den Lehrstoff. An der Hand der Beschreibungen der großen Manöver war e» möglich, den fortgeschrittenen Schülern da» Wich tigste über derartige militärische Uedungen mit- »uteilen und ihr Interesse daran zu wecken und zu stärken. Auf diese Werse wurden die Schüler In schöner Form auf das praktische Leben vorbereitet. Auch der Kurszettel und dis Darstellungen der srcigcuden und falle,»den Lebensmittelpreise waren geeignet, den Unterricht in der Schule dem Leden dienstbar zu machen, ohne daß dadurch doch der Lehr plan salbst t« irgend einer Vkts« Schad«» litt«. rühmlichen Weise wie bisher ihren ehrenvollen Auf- gaoen gerecht werden möge. In huldvoller Gesinnung Ihr wohlgeneigter Prinzreaent Luitpold von Payern.* Gleichzeitig teilte Freiherr von Speidel mit, daß der Prinzregent sämtliche Mitglieder der Musikalischen Akademie sowie die beim 100jährigen Festkonzert miiwtrkenden Solomitalieder der Königlichen Hofoper zu einer Sondertasel für Montag, den 11. De zember, nachmittags 2 Uhr, beordert und mit feiner Vertretung den Prinzen Ludwig Ferdinand beauf tragt habe. Der Dieb der Mona Lisa festgenommen. Pari», 5. Dez. Die „Mona Ltja"-Angelegenheit hat heute zu einer aufsehenerregenden Ver haftung geführt, die der Untersuchungsrichter Drioux »m Lame des Nachmittags im Hause eine» Hiesigen Kunsthändlers vornehmen UeA Es han delt sich um eine gleich nach dem Verschwinden der „Gioconda" sta k verdächligte Person, gegen die sich das Bewcismateliai im Laufe der letzten Tage der art verdichtet haben soll, daß die Annahme, jetzt eine Aufklärung der mysteriösen Diebstahlsaffäre zu schassen, immer mehr an Wahrscheinlichkeit gewinnt. Der Name des Verhafteten ist noch nicht bekannt gegeben woiden. Jedenfalls ist die Angelegenheit durch die heute erfolgte Festnahme in ein neues Stadium gerückt. Pest, 6. Dezember. (Ueber die Wechsel fälschungsaffäre) bei der Commerzbank ver lautet, daß an die Bank am 28. November ein anonymer, augensckfeinlich von Damenhand herrübren- der Brief aus Fünfkirchen gelangt ist, in dem sich die Schreiberin als eine durch Eheversprechen betrogene Person einführle und angab, daß ihr Verführer an der Fälschung der von Orenstein L Koppel girierten Wechsel beteiligt und dann nach St. Louis geflüchtet sei. Die Namen der Fälscher seien Franz und Emerich Goldner. Die Polizei hat nach St. Louis gekabelt und forscht in Fünfkirchen nach der Briefschreiberin. Sie hält es nicht für ausgeschlossen, daß der Brief zur Irreführung geschrieben ist. Infolge jenes Brie fes wurden seinerzeit die Wechsel revidiert, die Unter schrift aber vollständig in Ordnung gefunden. Die Entdeckung erfolgte erst bei der Präsentation der Wechsel. Die Commerzbank hat einen Preis von .'>000 Kronen für den Nachweis einer Spur ausae- setzt sowie eine Belohnung von 5 Prozent für die Herbci^''fung der herausgeschwindelten Summe. Madrid, 6. De». (Eine Feuersbrunst) zer. störte in Melilla fünf Wohnhäuser. Zwei Personen fanden in den Flammen ihren Tod. Bei Seluan wurden sechzehn Zelte der spanischen Truppen vom Feuer zerstört. Zehn Soldaten erlitten schwere Brandwunden. Berlin, 6. Dezember. (Explosion.) In Borstigwalde ist auf dem Fabrikgelände der Firma Lindaus Eismaschinen-Aktiengesellschaft ein Gaso meter, der etwa 800 Kubikmeter Gas faßte, durch eine Explosion in die Luft geflogen und in sich zulammengestürzt. Verletzt wurde n»emand. Die Explosion wurde anscheinend durch einen Funken aus einem neben dem Gasometer ausgestellten Motor hervorgerufcn. Letzte Nachrichten. Orrs Äuslsnü unü üle kanzlerreüe. Nicht minder wie Deutschland war das Ausland auf das, was der deutsche Reichskanzler über die Vorgänge der letzten Zeit von der Tribüne des Reichstags sagen würde, gespannt. Und nament lich in Frankreich, das ia im schlimmsten Falle mit an der ganzen Verantwortung zu tragen hat. Soweit bis jetzt Aeußerungen aus Paris dazu vor liegen, ist man von dem Verhalten des deutschen Kanzlers bei seinem gestrigen Auftreten sehr be friedigt. Denn gerade augenblicklich, ta die Soli darität des französischen Kabinetts so viel zu wün schest übrig ließe, hätte der Kanzler, wie man glaube, durch genaueres Eingehen auf die Herrn Cambon nach Berlin übermittelte widersprechende Instruktion das Ansehen der Republik empfindlich schädigen können. Wenn der Reichskanzler in dieser Hinsicht nicht allzu interessant sein wollte, dürfe man als einen Beweis politischen Taktes begrüßen. Jeden falls aber hat die kräftige Betonung des Kanzlers, daß Deutschland seine Großmachtstellung zu wahren Imprelvonlsmus lnkunlt unü Gewerbe Im Vortragssaale des Erassimuseums setzte Pro fessor Graul seinen Vortragsabend fo>t und sprach über die internationale Verbreitung des Impressionis mus. Impressionistische Gemälde wurden den» großen Publikum zum ersten Male 1879 auf der Münchner Ausstellung geboten. Sie zeigen meist eine Beein flussung durch England, dessen Gruppe der Schotten vielleicht den Worpswedern zum Vorbilde wurde. Von den engtischen Künstlern ist besonders Whistler erwähnenswert, der mit feinem Spürsinn de»» farbigen Delikatesten nachzing und in seinen Abbreviationen in der Zcichenkunst unter japanischem Einflüsse steht. Die rein dekorative Tendenz der japaniichen Kunst ist überhaupt eine Nährquelle imprejsionlstischer An- regungen. Monet, der das Banner des Impressio- nismus in Frankreich aufpslanzte, zählt viele Jünger, die aber alle von ihrer Zeit abgclehnt wurden, weil sie die Stützen der alten Tradition verneinen. Es war auch schwer, das Auge für ihre Werke zu schulen, die eine vielleicht zu kühne Auflassung momentaner Erscheinungen in der Natur hatten. Um Anerlen- nung ihrer Richtung ringend, legten die Künstler Wert auf die Vervollkommnung der Maltechnit und kamen durch Zerlegung der Farbpigmente zum Pointillismus, besten Porträts au» Kosten der Charakterisierung durch die Bravour der Technik glänzten. — Die Sehnsucht nach einer neuen Stilisierung ließ van Coch mit einem System von Strich und Schlangenlinien ar- heilen, das dem Impressionismus der japanischen Lackmalerei ähnelt. Der Uebergang des Impressio nismus auf Deutschland erfolgte in den achtziger Jahren, und zwar brachte Liebermann den Stern ins Rollen. Aus einer strengen Rich.ung hervor- gegangen, har er alle Richtungen vertreten, bis er — beeinflußt von Israel, seinen eigenen Stil fand. Ein mooerner Vertrerer des Impressionismus ist Hodler, der in seinen letzten Jahren zum Symbo listen wurde. In Europa ist d»s wesentliche Tendenz des Impressionismus eine internationale Richtung. Dabei gi>t es die Frage, ob dabei das Nationale leidet, der deutsche Charakter verloren geht. In Deutschland hat sich jedoch trotz der Invasion des Impressionismus eine auf den Imprcstionismus tomniendeRichtunggcbiidct;dieTonmalereieinesLaihl, Thoma und Schuch hat sich selbständig ausgelehnt gegen die Zucht der Münchner Akademie. In den Sezestronen fand diese Auflehnung ihren Ausdruck. In Berlin schlugen Liebermann und Lerstikow die erste Bresche. Der letzte Vortragsabend wird am Dienstag, den 12. Deremder, abgebalten und zwar wieder im Vor ra gssaale de» Grassimuseum». S. r>». * * Mufikchronik. Alexander Dillmann, dem Opernreferenten der „Münchener Neuesten Nachr.", ist vom Her-og von Anhalt der Titel Hofrat ver liehen worden.
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