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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.09.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-09-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110909020
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911090902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911090902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-09
- Tag 1911-09-09
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Monat
1911-09
-
Jahr
1911
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Tsgeschronllr. Dir Vaukakastrophe in Nina. NiM. 9. September. Ein Augenzeuge gickt von der Einsturz-Katastrophe bei dem Neu bau Les „31 Dorado" solgende Schilderung: »Ich ging gerade mit einem Kollegen vorüber, als sich das Unglück ereignete. Zum Glück befanden sich erst 57 Arbeiter aus dem Gerüst, als der Einsturz erfolgt«. Wäre Las Unglück nur wenige Minuten später ge schehen, so hätte es voraussichtlich 120 Menschen das rieben gekostet. Das Krachen war so stark, daß es in der ganzen Stadt zu hören war. In den umliegen den Häusern zersprangen viele Fensterscheiben infolge Les Getöses. Plötzlich stieg ein Arbeiter in italieni scher Sprache den Ruf aus: „Rette sich wer kann!" Alle vorübergehenden Passanten und die unbeschäftigten Arbeiter flohen nach allen Windrich tungen. Von der Unglücksstätte stieg eine dichte Staubwolke auf, die im ersten Moment die ganze Um gebung in einen dichten Nebel hüllte. Als mir uns dem Platze wieder näherten, ragten aus den Trüm mern die blutigen Glieder schwerverletzter Arbeiter heraus. Es gelang uns alsbald, zwei Arbeiter zu be freien. Obwohl sie noch am Leben waren, waren sie ohne Bewußtsein. Andere, die leichtere Verletzungen erlitten hatten, waren dermaßen betäubt, Latz sie sich überhaupt nicht Rechenschaft über das ablegen konn ten. was geschehen war. Wenige Minuten später trafen die ersten Löschzüge ein. Während der Rachmittagssiunde» arbeiteten die Feuerwehr und die Polizei von Nizza daran, die unter den Trümmern begrabenen Arbeiter zu retten. Die Hilfsaktion wurde erheblich Dadurch erschwert, daß üie Mannschaften nicht ausreichten, um einer seits die Bergungsarbeiten zu vollbringen und ander seits Len Ansturm der Menge cbzuwehren. Die Szenen, die sich in der Umgebung der Unglücksstätte abspiclen, sind herzzerreiszend. Nur mit Mühe sind die Frauen davon abzuhalten, selbst vorzudringen, um ihre Angehörigen zu suchen. Viele anwesende Fremde haben sich sofort bereit erklärt, den Ange hörigen der Verwundeten beizustehen und haben eine Sammlung zu deren Gunsten eingcleitct. Dis Staatsanwaltschaft hat eine Untersuchung eingeleitet, um jene Personen zu eruieren, di- Len Unfall verschuldet haben. Man ist allgemein der An sicht, daß die Bauunternehmer infolge der vereinbar ten Konventionalstrafe bei verspäteter Fertigstellung des Baues, die Arbeiten mit größerer Eile betrieben haben, als dies mit der erforderlichen Vorsicht ver einbar ist. Die Konventionalstrafe soll 15—18 009 tt täglich betragen. Man erwartet mehrere Verhaf tungen in dieser Angelegenheit. H- Nizza, 9. Sept. In den späten Abendstunden wer den noch 20 Arbeiter vermißt, die unter den Trüm mern des eingestürzien Vergnügungsetablissements begraben liegen. Es besteht wenig Hoffnung, sie noch lebend ans Tageslicht zu befördern. DieZahlder Leichen beträgt bis jetzt zwanzig. Es handelt sich ausnahmslos um italienische Arbeiter. Berlin, 9. Sept (Einen raffinierten Ein bruch) haben Spitzbuben heute nacht in dem Herren- garderobengeschäit von Heinrich Taureck verübt. Die Diebe durchbrachen eine Nabitzwand und krochen durch die Oeffnung, bis sic an eine eisenbeichlagene Tür kamen Von dieser lösten sie einen Teil des Belages, schnitten dann ein Stück der Füllung aus und schlüpften in den Laden. Erst wollten sie den Keldschrank erbrechen, der jedoch ihren Werkzeugen widerstand. Dafür nahmen sie eine Menge Stoffe und Herrcngaroerobe mit und verschwanden. Der Wert der gestohlenen Waren durfte 4000 ./i. betragen. Berlin, !). Sept. (Ein historischer Fund) wurde gestern bei den Ausschachtungsarbeiten der Untergrundbahn am Alexandcrplatz gemacht Auf einer Fläche von zwei Quadratmetern sand man nur 2sH Meter unter der Ober fläche Knochen von' Menschen fußhoch überein ander geschichtet. Nach Ansicht der Leitung des Märkischen Museums rühren die Knochen aus dem 13. Jahrhundert her. Damals befand sich an dieser Stelle eine Nichtstätte. Berlin, 9. Sept. (Mord- und Selbst Mord versuch.) Im Hause Goltzstraße 27 in Schöneberg oat sich eine blutige Liebestragödie abgespielt. Dort gab der Hausdiener Mernow zwei Rcvolverschüsse auf seine Braut ab und verwundete sic schwer. Dann richtete M. die Waffe gegen sich sebbst und brachte sich ebenfalls lebensgefährliche Verletzungen bei. Altenburg, 9. Sept. (Generalfeldmarschall Prinz Leopold von Bayern), der als Inspekteur der 4. deutschen Armeeinspekiion seit einigen Tagen aus dem hiesigen Residenzschlosje Wohnung genommen hat, fuhr gestern auch zum Rathause, um sich ins Goldne Buch der Stadt Altenburg einzutragen und die Kunftschütze und Altertümer der Stadtgemeinde lennen zu lernen. Das Mauritianum hat der Prinz gleichfalls besucht. -- Altenburg, 9. Sept. (Veteranenfürsorge.) Die Stadtgemeinde hat abermals durch ihren Ober bürgermeister Geh. Regierungsrat Oßwald 1500 an reichlich 200 Kriegsteilnehmer verteilen lassen. Frankfurt a. M., 9. Sept (Massenerkran- k u n g.) Die „Frkf. Ztg." meldet aus Pest, daß nach einem forcierten Marsch des 26. Jnf.-Regts. im Raader Komitat 335 Mann schwer erkrankt sind. Einer ist gestorben. Stettin, 9. Sept. (Motorbootsunglück.) Bei dem Orte Meschcrin ereignete sich gestern ein schweres Motorbootsunglück. Der Fabrikbe sitzer Loof machte mit seiner Frau und zwei anderen Personen auf seinem Motorboot eine Spazierfahrt. Als das Boot einem Schlepperzug begegnete, soll seine Steuerung versagt haben. Es kenterte, und die Insassen fielen ins Wasser. Drei von ihnen konn ten von der Mannschaft des Schlepperzuges gcretter werden. Frau Fabrikbesitzer Loof ertrank jedoch. Groß-Strelitz, 9. Sept. (Drei Personen ver brannt.) Im Wohnhause des Stellenbesitzers Stolka in Keltsch brach nachts Feuer aus, durch das die ganze Besitzung eingeäschert wurde. Stolka, seine Ehei rau und em Hirtenjunge kamen in den Flammen um. Köln, 9. Sept. (Antiker Fund.) Bei Elten am Niederrhein wurden Fundamente einer großen römischen Niederlassung cnrfgedeckt. Es handelt sich um ein Dauerkager des Brutus. An eini gen Pforten sind noch die eisernen Scharniere sichtbar. Düsseldorf, 9. Sept. (Ertrunken.) Der be kannte Kunstmaler Ludwig Wilhelm Tlauß ist heute im Rhein ertrunken, als er an verbotener Stelle badete. Beutheu (Oberschlesien), 9. September. (Bahu st o f s b r a n d.) Gestern nachmittag geriet der Dach stuhl des Mittelbaues des hiesigen Bahnhofs in Brand. Die beiden städtischen Feuerwehren griffen, unterstützt durch die Bahnhofsmannschaften das Feuer io tatkräftig an, daß bereits um 6 Uhr jede ernste Ge fahr beseitigt war. Der Brand wurde auf seinen Herd beschränkt und gelöscht. München, 9. Sept. (Bankier Paul Wester- mann verhaftet.) Gestern ist in Garmisch der Kompagnon d«s durchgebranitten Münchener Bank geschäftsinhabers Westermann, mit Namen Paul Westermann, verhaftet und ins Anttsgefängnis einge liefert worden. Worringen, 9. Sept. (Schi ffszusamm en stoß.) Heute abeno stieß auf dem Rhein das Schiff „Raad- karcher Nr. 6" mit dem Schraubendampfer „Johann Michels" zusammen. Dabei ertranken Vie Frau Osterwind. deren zwei Kinder und eine Verwandte der Frau, die sich auf dem Schraubendampfer „Jo hann Michels" befanden. Steinamanger, 9. Sept. (Eroßfeuer.) Die Ort schaft Nemesmal. welche aus 27 Häusern mit Neben gebäuden bestand, wurde durch einen Brand voll ständig vernichtet. Die Bewohner verloren alles, da nichts versichert war. Wien, 9. September. (Ingenieur Richter) ist gestern abeiid hier eingetroffen. Er fuhr sofort mittels Droschke ins Hotel Klomser. Er verweigerte jedes Interview und verwies auf seinen leidenden Zustand. Wien, 9. Sept. (Aus der Aristokratie.) Kestern sand die Hochzeit der einzigen Tochter des jüngst verstorbenen Barons Rothschild, Valen tine, mit Baron Sigmund Springer statt. Alle drei Brüder der jungen Frau wohnten der Trauung bei. Sie spendete aus diesem Anlaß den Armen Wiens 110 OVO Kronen. Aussig, 9. Sept. (Abgebrannter Aus sicht sturm.) Der in Touristenkreisen bekannte Kaiser-Franz-Aussichtsturm ist abge brannt. Krakau, 9. Sept. (Der K a r d i n a l - Fürst bischof Puznna) von Kozielsko ist gestern nach mittag g e ft orbe n. Gablonz, 9. Sept. (Ein entsetzlicher Unfall), der sich vor längerer Zeit abspielte hat gestern seinen Abschluß gesunden. In der Schleiferei des Herrn Wilhelm Pilz in Iohannederg wurde der Frau Zappe das Haar samt der Kopfhaut herunter gerissen. Die unglückliche Fran wurde im Spitale 7mal operiert. Gestern ist sie an den Folgen der furchtbaren Verletzung verschieden. Benrath. 9. Sept. (Ertrunken.) Ober halb Düsseldorfs schlug ein von einem Dampfer ge zogener Schleppkahn um. Die Frau und die drei Kinder des Kapitäns ertranken. Die Leichen konnten noch nicht geborgen werden. Paris, 9. Sept. (Museumsdieb.) Die Polizei verhaftete heute einen flüchtigen russischen Untertan, namens Hostrowisky, unter dem Verdacht, an dem Diebstahl der phönizischen Statuetten, die kürzlich dem Louvremuseum von einem hiesioen Blatte wieder zugestellt worden sind, beteiligt zu sein. Die Polizei stellte ferner fest, daß die entwendeten Statuetten bei einem Freunde des verhafteten Russen aufbewahrt worden waren. Man bringt den Diebstahl der Sta tuetten in Zusammenhang mit dem Raub der Mona Lisa, und glaubt einer internationalen Diebesbande in Paris auf die Spur gekommen zu sein. Paris, 9. Sept. (P n l v e r e x p l o s i o n.) Nach Blättermeldungen aus Rabat würde durch eine Ex plosion alter Pulvervorräte, welche aus dem Arsenal des Wachsen in ein Fort geschafft wurden, ein Ar tilleriehauptmann und zwei Marinesoldaten des fran zösischen Besatzungskorps getötet, ein Hauptmann und vier Soldaten schwer verwundet. London, 9. Sept. (Aufkläruung der Houns- ditchaffäre.) Durch die Presse geht die Nachricht, daß in Boston zwei Verbrecher, Jacob und Johann Goldberg aus Dresden, gestanden haben, an dem bis jetzt unaufgeklärten Juwelenraub in Hounsditch be teiligt zu jein. Wie die „Preß Centrale" von zu verlässiger Seite erfährt, ist dieses Geständnis nicht ohne weiteres als müßiges Gerede zu bezeichnen. Außer drei lettischen Expropriateuren, von denen nur Morountzeff nlm-, Gardstein als Toter polizeilich identifiziert wurde und zwei als unbekannte von der Polizei und dem Militär in ihrem Versteck in der Sidneystreet erschossen wurden, soll an dem Einbruch in Harris Shop in Hounsditch noch ein Oesterreicher aus Whitechaple beteiligt gewesen sein. Dieser Gewohnheitsverbrecher namens „österreichischer Max" stand mit einer Schar jüdischer Verbrecher aus dem Castend in Verbindung, und zu dieser Schar, die auch auf dem Kontinent, z. D. in Breslau, Einbrüche verübt hat, können die beiden Jacob und Johann Goldberg aus Triest wohl gehören. Rom, 9. Sept. (Brand im Schloß.) Im Palast der Königinmutter Margherita brach gestern infolge Kurzschluß ein Brand aus, der bald eine beträchtliche Ausdehnung annahm. Ob wohl die Feuerwehr rasch zur Stelle war, wurde ein Teil des Palastes eingeäschert. Der Schaden ist ziem lich beträchtlich. Das Feuer entstand im Zimmer der Hofdame Marquise von Villamarina. Madrid, 9. September. (Dementiertes Gerücht.) Der Gouverneur von Leon erklärt, er wisse nichts von der angeblichen Verhaftung zweier Fremder in Sachen der Gioconda. Das Blatt „El Mundo" meldet, das Gerücht vom Auffinden der Gioconda sei frer erfunden. Kopenhagen, 9. Sept. (Die Kinderläh- mungsepidemie) nimmt in Dänemark und Schweden zu. Besonders grassiert die Krankheit auf der Insel Bornholm. In Schweden wurden ihret wegen die Her bst Manöver abgesagt. Belgrad. 9. Sept. (Unfall.) In der Station Resnik stieß der Orientexpreßzug mit einem Lastzug zusammen. Beise Lokomotiven und drei Waggons wurden beschädigt. Der Schaden beträgt 120 000 Lunlt und Dillenlchslt. * Professor Owen Williams In Liverpool starb heute plötzlich der Professor Owen Wil liams, der Direktor der Tierarzneischule der Uni versität Liverpool. Professor Owen Williams war früher Generalinfpckteur der Kavallerie beim Buren kriege. * Karlsbader Stadttheater. Das Karlsbader Stadttheater wurde neuerlich an den bisherigen Direktor Dr. Hans Warnecke auf weitere drei Jahre vergeben. Serichtslasl. Reichsgericht. js. Leipzig, 8. September. Gilt das Anfahren eines Automobils an «inen stillftehenden Straßenbahnwagen al» Betriebsunfall? Das Reichsgericht bejaht diese Frage unter Be stätigung eines Urteils Les Kammergerichts. Be reits in einer älteren Entscheidung hat das Reichs gericht dies« Frage in bejahendem Sinne entschieden. Damals aber handelte es sich um einen Unfall, der beim Absteigen von einem an der Haltestelle anhal tenden Wagen geschehen ist, während diesmal ein Anhalten auf der Straße in Frage kommt. Der Kläger des vorliegenden Rechtsstreites, ein Berliner Arzt, fuhr in einer Automobildroschke durch die Köpenicker Straße in Berlin. An der Ecke der Adabberlstraße, einer Nebenstraße der Köpenicker Straße, meldete sich durch Glockenzeichen ein Straßen bahnwagen, der in die Köpenicker Straße einbieaen wollte. Als der Wagenführer das in schneller Fahrt auf der reckten Seite der Köpenicker Straße heran kommende Automobil sah, hielt er vollständig still, um dem Auto eine bestimmte Richtung zum Aus weichen freizugeben. Der Lenker der Kraftdroschke, der geglaubt hatte, hinter dein Straßenbahnwagen Herumjahren zu können, fuhr jetzt mit voller Ge schwindigkeit an den Straßenbahnwagen an. Dabei ist der Klüger aus dem Auto herausgcjchlcudert und schwer verletzt worden. Infolge der eiugerretenen vollständigen Erwerbsunfähigkeit verlangt er unter Hinweis auf Las Neichsbaitpflichtgesetz von der Großen Berliner Straßenvahn-Mtiengesellschast eine jährliche Entschädigung in Höhe von 15 000 .tt. Die Bahn bestritt zunächst das Vorliegen eines Betriebs unfalles und erhob sodann auch den Einwand der höheren Gewalt. Landgericht und Kammergericht zu Berlin lmben die beklagte Straßenbahn dem Grunde nach verurteilt. Das Kainmorqericht legt in seinen Entscheidungs gründen dar: Mil Unrechc leugnet die Beklagte das Vorliezen eines Unfalles im Betriebe, weil der Motorwagen zur Zeil des Zusammenstoßes st lffzestan- Len habe. Selbst Las Anhalten an der Haltestelle ist nach der Auffassung des Reichsgerichtes als ein Teil des Betriebes, als ein Belriebsvorgang zu be zeichnen. Das gleiche gilt erst recht l>cim Halten auf der Strecke wegen drohender Gefahr. Ebenso stellt die Beklagte mir Unrecht den urstichlichen Zusammen Hang mit dein Betriebe in Abrede. Es hrndcft sich hier um ein dem Betriebe angebörendes Hindernis, das die Vcrkehrsstraße versperrte und dadurch nr sträflich für den Unfall geworden ist Auch die Ein- rede der „höheren Gewalt" ist abzulehncn. Höhere Gewalt liegt im Sinne des Gesetzes dann vor, wenn etwas mit menschlichen Mitteln nicht abruwendcu war. Es mag sein, daß es einen Schutz gegen steuer lose Automobile nicht gibt. Hier handelt es sich je- ! doch nicht um einen unvermeidlichen Zusammenstoß, j Der Motorwagcnführer hat angchalten, weil er es dcni Chauffeur Les Automobils überlassen wollte, nach seiner Wahl vorvcizufahren. Dagegen wäre der Zusammenstoß vermieden worden, w>nn der Motorwagen scharf gefahren wäre. Hier handelt es sich also um einen zwar nickt schuldbaren, aber immer hin vermeidbaren Fehlgriff. Ebenso ist nicht er wiesen worden, ob das Einbiegen des Straßenbahn wagens nicht noch anders anzukünden ist als durch Glockenzeichen: denn an dem Glockenzeichen ist nicht zu erkennen, ob der Wagen von rechts oder von links einbiegt. Da die Einwände der Beklagten nichr durchgreifen, mußte die Klage als gerechtfertigt anerkannt rverden. Die von der beklagten Straßenbahn beim Reichs gericht eingelegte Revision ist vom VI. Zivilsenat des höchsten Gerichtshofes zurückgewiesen worden. (Akten zeichen: VI. 112/10.) Königliches Landgericht. —im. Leipzig, 8. September. Der ungetreue Markthelfer und seine Helfers helfer. Dem Kaufmann Ki. war es ausgefallen, daß der bei ihm beschäftigte 19 Jahre alte Markthelfer Friedrich Max Kern von hier in der letzten Zeit unsolider wurde, seitdem er sich ein Fahrrad ange schafft hatte. Ta in den Monaten April bis Juni wiederholt die Wahrnehmung gemacht wurde, daß Waren aus dem Geschäft verschwanden, fiel dec Ver dacht schließlich auf Kern. Eines Tages glückte es auch, den Dieb auf frischer Tat zu ertappen. Einer der Angestellten hatte beobachtet, daß Kern mit einem Karton, in dem sich Maggi-Erzeugnisse befanden, nach dem Hofe ging und den Karton dann hinter einen Wagen versteckte. Ins Gehör genommen, räuncte der diebijche Markthelfer nach hartnäckigem Leu inen auch ein, daß er seit dem Monat März verschiedene Säcke Mehl, zwei Kisten Rosinen, einen größeren Posten Leise, Seifeupulver, Korinthen, ein Faß Olivenöl usw. aus den Warenbeständen seines Chefs auf Anstiftung seines Freundes, des 22 Jahre alten stellungslosen Handlungsgehilfen Eugen Trusch aus L.-Sellerhausen, gestohlen habe. Außerdem habe noch ein Bekannter, namens U ntcrbeck die Hand bei den Diebereien mit im Spiel gehabt. Als Unterdeck nunmehr zur Verantwortung gezogen werden sollte, war er bereits flüchtig geworden und man hat ihn bislang auch noch nicht wieder er wischen können. Tru>ch hatte die Kolonialwaren zum großen Teil an zwei ihm bekannte Geschäfts leute verkauft. Er hatte den Leuten vorgejpiegelt, er habe die Waren billig auf den Auktionen er standen und könne ihnen aus diesem Grunde gün stigere Offerten machen. Von dem Erlös hatte Kern seinen Teil ausgezahlt erhalten. Auch Unterdeck bekam für seine Bemühungen dreißig Mark von Trusch. Wie ihm nachgewiejen werden konnte, hatte Kern insgesamt für über 1000 ./L Waren aus dem Geschäft gestohlen. Die geschädigte Firma bat von den beiden Käufern nachträglich einen großen Teil der Waren wieder zurückerhalten: außer dem wurden noch verschiedene Kolonialwaren bei Trusch gefunden, so daß der definitive Schoden der Firma Ki. sich auf nur etwa 500 beziffert. Vor Gericht bestritt Trusch, sich der gewerbsmäßigen Hehlerei schuldig gemacht zu haben, er wurde aber ,überführt, zu einem Jahre Zuchthaus bei zwei jährigem Ehrenreclflsverlust verurteilt und wegen Fluchtverdachts auf Antrag des Staatsanwalts sofort in Haft genommen. Kern, der in der Vorunter suchung seine Diebereien offen zugab, wurde mit acht Monaten Gefängnis bestraft. — im Aus den Ferienstrafkammern. Seine vierte Zuchthausstrase erhielt der 53 Jahre alte Geschirr führer August Karl Dürer aus Meiningen von der Ferienstrafkammer 0 zuerkannt. Der erst im Januar d. I. nach Verbüßung einer Zuchthaus- l strafe von zwei Jahren drei Monaten auf freien Fuß Gesetzte hat auch bereits eine fünfjährige Zucht hausstrafe hinter sich. Nach seiner Entlassung hatte der Angeklagte in Großzössen bei Lobstädt auf einem Kohlenschacht Beschäftigung gesunden. Dort stahl er zwei polnischen Arbeitern, mit denen er zuiammen rn einer Baracke nächtigte, in der Frühe des 24. April ein Paar Lederschnhe und ein Paar Stiefel im Werte von 15 .M Dürer stellte die beiden Dieb stähle in Abrede und erklärte, die Anzeige gegen ihn sei ein Racheakt der Arbeiter. Unter Ausschluß mUdernder Umstände wurde der Vielbestrafte zu einem Jahr neun Monaten Zuchthaus und drei Jahren Ehrenrechtsverlust verurteilt. — Die Plätterin Ella Mann aus Leipzig sollte eine ihr vom Landgericht Altenburg zuerkannte mehrmonatige Gefängnisstrafe verbüßen. Sie wußte sich aber längere Zeit hindurch der Strafvollstreckung zu ent ziehen, indem sie sich unter falschem Namen in Leipzig aufhielt. Sie erschwindelte sich nun einen Anzug im Werte von 68 .4i, der einem Schneider meister zum Aufdügeln gegeben war. Außerdem vermietete sie sich in zwei Fällen zum Scheine als Dienstmädchen, um den üblichen Mietstaler zu er halten. Zusätzlich zu der Altenburger Strafe wurde die Angeklagte wegen Rückfallsbetrugs und Bei legung eines falschen Namens der Behörde gegen über zu sechs Monaten Gefängnis, zwei Tagen Haft und einem Jahre Ehrenrechtsverlust ver urteilt. vermilüttes. Rekordschwimmer uud Schwimmrekorde. 36 Jahre nachdem Kapitän Webb den Kanal durchschwommen hat, ist es wieder einem Schwimmer, dem Engländer Burgeß, gelungen, die schwierig« Aufgabe der Kanakdurchschwimmung zu bewältigen. Allerdings hat Burgeß für feine Schwimmleistung etwas längere Zeit gebraucht, als Kapitän Webb. Zwischen den beiden Leistungen — in einer Zeit spanne von 36 Jahren — haben fast alljährlich mehrere Schwimmer versucht, von Dover nach Calais zu gelangen, aber "keinem ist es ohne besondere Hilfs mittel gelungen. Kapitän Boyton. der einmal den Kanal von England nach Frankreich durchschwommen hat, hat einen von ihm selbst erfundenen Schwimm anzug bei feiner Leistung gebraucht. Namhafte Schwimmer, z. B. Greasley, Holbein, Paulus, Wolffe unc mehrmals auch der jetzt erfolgreich« Burgeß mußten bei dem Versuche die Kanaldurchschwimmung ansgeben. Einige Schwimmer sind übrigens erst dicht vor dem Erreichen des ersehnten Ufers zum Ausgeben gezwungen worden. Auch Schwimmerinnen haben das Mignis unternommen, den Kanal zu durch- gueren. z. B. die bcdentendste Schwimnrerin der Schweiz, Frl. Robert, eine der besten englischen Schwimmerinnen, Frl. Lilln Smith, die sich auf eine in der See geschwommene Strecke von 32 Kilometer als sichere Probe stützte, und schließlich auch die Schwimmerin, die wahrscl?einlich gegenwärtig die l»esie ist, Frl. Annette Kcllernrann. Im Jahre 1905 legte sie im Kanal schwimmend in 6 Stunden bei nabe 19 Kilometer zurück und mußte dann aufgeben. Wenn man bedenkt, daß im ruhigen Flußwasser zur Ziirüctlegnng eines Kilometers die besten Schwimmer nickt ganz 17 Minuten brauchen, so erscheint diese Leistung nicht bedeutend: jeder, der aber einmal in offener See bei starkem Wellenschlag weggcschwom- men fit. weiß, daß man das Schwimmen unter sol chcn Bedingungen mit dem im ruhigen Fluß — oder i in Binnenwäsiern — nicht vergleichen kann. Außer dem Kanal, der England von Frankreich trennt, gibt es noch eine ganze Menge anderer Ge wässer. die die Schwimmer häufig zum Durch schwimmen gereizt haben. Ans Lein Altertume be- könnt ist der Hellespont, de» Leander durchschwamm, um zu seiner Hero zu gelangen. Im Anfänge des vergangenen Jahrhunderts hielt man diese Schwimm, strecke für außerordentlich, bis Lord Byron zeigte. Laß die Leistung sehr wohl möglich war: am 3. Mai 1810 durchschcvamm er Len Hellespont oder eigentlich die Dardanellen. Man wollte seine Leistung als minderwertig hinstellen, weil ja Leander hin und danach wieder zuriickgeschwommen sei, worauf Lord Bnron durch eine andere, weit bedeutendere Schwimmleistung Aufsehen erregte: einige Jahre später ließ er sich mit einem Italiener namens Mengaldo in einen Wettkampf ein. Die beide» schwammen vom Lido durch das Adriatiscl^r Meer nach Venedig. Es gelang beiden, die Strecke zurück zulegen, aber der Italiener war vollkommen erschöpft, während Byron noch weiterschwamm und erst nach fünfstündigem Schwimmen das Wasser verließ. Der Turnvater Jahn konnte sich auch bedeutender Schw'inmleistungcn rühmen. Unter anderm hat er die fünf großen Ströme Deutschlands durch schwommen, und noch in hohem Alter durchschwamm er einmal die Saale. Das war im Sommer des Jahres 1847, als er mit einem Freunde zusammen von Weißenfels über Roßbach nach Naumburg wanderte. Die beiden Wanderer trennten sich nm Ufer der Saale, und als Jahn keinen Fährmann ent decken konnte, zog er sich rasch entschlossen aus, nahm seine Kleider als Bündel in die Hand und durch schwamm den Fluß. Jahn stand damals im 70. Lebensjahre. In neuerer Zeit gehört zu Len besten Schwimmleistungen die Durchschwimmung des Iahdebusens, die im Jahre 1894 einem deutschen Matrosen gelang. Zwei Jahre früher hatten ein paar Breslaner Studenten eine gute Schwimm- lefftung vollbracht, denn die jungen Leute schwammen 30 Kilometer die Oder abwärts, wozu sie etwa sieben Stunden brauchten. Die gute Zeit erklärt sich na türlich zum großen Teil cnm der Strömung. O Der Streik der Skatspieler. Es scheint, als ob Bukarest die Stadt wäre, in der man nm meisten dem Kartenspiel huldigt. Wer zum erste» Male die Hauptstadt Rumäniens betritt, der kann der Ansicht zuneigen, daß man in Bukarest weder Arbeit noch Langeweile, sondern hauptsächlich das Kartenspielen kennt. Es spielen nicht nur die Männer, es spiele» auch die Frauen, alle Bewohner der Stadt huldigen dieser Leidenschaft. Und jetzt ist in dieser Stadt der Kartciispieler ein Streik aus gebrochen, alles, was früher Karten spielte, hat sich verschworen, nie wieder eine Karte anzurührcn. bis die städtische Verwaltung ihnen nachgibt. Denn die städtische Verwaltung trägt die ganze Schuld an diesem nationalen Unglück. Die Stadt Bukarest vor fügt aber nicht über zu große Gemeindemittel und die Stadtväter sind unausgesetzt bemüht, die Ein nahmcqucllen zu erhöhen, damit wenigstens unter anderem sämtliche Straßen gepflastert werden können, was schon sehr nottut. Die kommunale Steuerkraft ist aber bereits erschöpft, man weiß nicht, was man noch mit Abgaben belehnen könnte. Da, in der letzten Sitzung der Stadtverordneten, als wiederum wie so oft die Debatte darüber ent brannte, wie mau die geschwächte» Finanzen ein wenig stärken könnte, stand der Parteiführer Ioanescu auf uud brachte den Antrag ein, man nwge doch die Steuer, welche auf jeden^ Kartenspiele bereits besteht, aus das Doppelte erhöhen, und zwar von einem Lei auf zwei Lei. Das Spielen sei eine Beschäftigung von Müßiggängern, sei ein Lu.) ein Vergnügen und wer dafür Zeit und Muße hat, 1 möge eben zahlen. Der Antrag wurde eigentlich von der Versammlung mit recht gemischten Gefühlen ausgenommen, aber da niemand mit wirklich gewich tigen Gründen entgegnen konnte und jeder sich schämte, zu opponieren, so ging der Antrag durch und oie Kartensteuer wurde aus oas Doppelte erhöht. Die Folge dieser Maßregel war, daß die Spielkarten fabrikanten ihrerseits die Preise mächtig erhöhten, andererseits die Besitzer aller öffentlichen Lokale die Spielgelder vermehrten. In der Bevölkerung ent stand eine kleine Revolution: Man war außer sich über die rücksichtslose Steuer, welche ein allgemein verbreitetes Vergnügen, ja bei vielen die einzige Beschäftigung, so maßlos versteuerte Die Gärung, besonders unter den Männern, wuchs von Tag zu Tag, und auch die Frauen unterließen es nicht, Len Feuerbrand zu schüren. So wurde denn vor einigen Tagen eine große öffentliche Versammlung abge- halten, und man proklamierte einen Streik aller Kartenspieler. Tags darauf wurden Punkt 12 Uhr mittags in der ganzen Stadt alle Karten nieder, gelegt. Es ist das zwar eine große Entsagung und schwere Last, die sich die guten Bukarester aufgeladen haben, aber wenn sie beharrlich bleiben, so müssen sie ihr Ziel erreichen. Denn die Stadtväter sind nunmehr auf das Aeußerste bestürzt und die Karten fabrikanten nicht minder. Auch Gastwirte und Caföhaus Besitzer sind nicht gerade erbaut. Aller Wahrscheinlichkeit nach wird die drückende Steuer wieder aufgehoben werden.
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