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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 28.08.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-28
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110828019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911082801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911082801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-28
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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WpMcr Tagcdlalt » . . s " bS2 tN«cht»»lchlu») . l 14892 sNachtauschlu») Tel.-Anschl.i 14 893 Tel.-Änschl.^ 14 693 Amtsblatt des Rates und des Volizeiamtes der Ltadt Leipzig. Uuzeigeu-PreiS filr Inserat« au» Leipzig und Umgebung die lsoaltig« Petitzeil« »Ps., die Reklame» zeil« 1 Mk.' von a»»wärt» N Ps^ Reklamen P20 Ml.' Inserat« von Behörden im amt lichen Teil dt« Petitzeil« kl) Pf. G«schäst»an,eigen mit platzvorlchriften a. in der Ad«ndau»gad« t« Preis« erhöht. Rabatt nach Taris. Betlagegebühr E«samt- auslage ü Mk. p Tausend «rkl. Postgebühr. Tellbeilag« höher. S«st«rtetlte Austräg« könn«n nicht zurück» g«,og«n w«rd«n. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plähen wird kein« töaranti« üb«rnomm«n. Anzrtgrn-Annahm«: I«ha»»t»,ass« 8, d«t sämtlich«» Ailialrn u. all«n Annonetn» Ezp«dition«n d«s In- und Ausland«». Druck und «erlag »»» Fisch«, L R»rft«u Inhaber: Paul Rüesteu. Rrdaktio» und 8eschäst»ft«U«: Johannisgass« 8. Haupt-Filiale Dre»d«u: Eeestrafte t. l llelephon <8211. Nr. 238. los. Jahrgang Mantsg, Sen LS. Suguv isll. > Die vorliegende Ausgabe umsaßt 12 Leiten. Oss Wichtigste. * Bei dem Festmahl des Senates in Hamburg hielt der Kaiser eine Ansprache. (S. bes. Art.) * Bei einer Panik im Operahous« zu Can - nonsburg (Nordamerika) kamen 25 Personen ums Leben. (S. Letzte Dep.) * Bei einem Brande in der Stadt Aid in (Kleinasien) wurden 1500 Häuser eingeäschert. (S. Letzte Dep.) * In der Nähe von Bukarest wurden bei einem Eisenbahnunglück 17 Personen verletzt. (S. Letzte Dep.) * Bei New Castle wurden bei einem Auto mobilunglück zehn Personen getötet. (S. Letzte Dep.) * Das Kaiser-Parade-Zagdrennen in Hamburg-Eroß-Borstel gewann Lt. v. Zabel titz'. ord Forfar" unter Lt. Graf Holck. — Den Badener Stiftungspreis gewann Mons. LIry-Roederer's „Radis Rose" unter Jockei CH. Hobbs. — Den Königin-Elisa beth-Preis in Pest gewann Saucy Girl. (S. Sport.) Frankreich in Miks unü -er Istam. Napoleon Bonaparte hatte während seines Aufenthaltes in Aegypten die großartige Idee, in religiöser wie politischer Hinsicht Kairo und Mekka Konstantinopel entgegenzusetzen, die muselmanische Welt von der Pforte zu trennen, sie dazu zu bringen, sich vertrauensvoll der Führung Frankreichs als dem eifrigen Beschützer der Religion des Propheten anzu vertrauen. Seine Proklamationen, seine Instruk tionen, seine Unterhaltungen mit dem Ulemas von Kairo, seine Briefe und seine Geschenke an die Scherifen von Mekka, seine amtliche Teilnahme an den mohammedanischen Festen, seine den religiösen Ge bäuden wie den Pilgerkarawanen gewidmeten um fangreichen Schutzmaßnahmen, seine Beziehungen zu den Beis von Tripolis und Tunis sowie zum Sultan von Marokko, alles das war dazu angetan, den Ein druck zu erwecken, als liebe er den Propheten und dessen Religion, und als sei es seine lleberzeugung, daß Kairo, Medina und Mekka die einzigen heiligen Städte seien und deren Gelehrten die einzigen wirk lichen Gelehrten; daß, „wenn Mohammed auf die Erde zurückkehrte, er eine dieser Städte und nicht Kon stantinopel zu seiner Residenz machen werde"; daß die Araber ein großes Volk waren und wieder aufleben müßten; daß die Türken degenerierte und falsche Muselmanen vorstellten, die die Vorschriften des Pro pheten verletzt hätten usw. Es hat bis in die jüngste Zeit nicht an franzö sischen Kolonialpolitikern gefehlt, die einer Fort setzung der afrikanischen Politik Napo leons durch das moderne Frankreich das Wort redeten. So empfiehlt Edmond Ferry in seinem Buch „Frankreich in Afrika", sich zu diesem Zwecke auf die Sekte der Senussi zu stützen: „Es handelt sich," sagt er, „nicht darum, uns den Senussi gleich mit einem fertigen Plane zu präsentieren. Das wäre eine Torheit, zumal in muselmanischem Lande, in so entlegenen, kaum gekannten Gegenden. Wir sollten nur wünschen, daß man berücksichtige, daß Frankreich eine große muselmanische Macht vorstellt, daß es in seinem Interesse liegt, unter seiner Führung außer halb Konstantinopels die verschiedenen mohammedani schen Völker seines afrikanischen Reiches zu ver einigen, daß es zu diesem Zwecke die eine wirksame Schutzmacht für diese Völker sein müsse, sowohl in religiöser wie in politischer Hinsicht; man sollte die günstige Gelegenheit, die uns in dieser Hinsicht die Anknüpfung von Beziehungen zu den Senussis bietet, nicht vorübergehen lassen. . . . Orientieren wir uns; schicken wir Emissäre nach Guru, sondieren wir die Absichten des Führers der mächtigen Brüderschaft und machen wir ihn mit den unsrigen bekannt. Zeigen wir ihm die Türken als die Verfolger seiner Vorgänger und seiner Sekte als Träger einer wirk lichen Gefahr für ihn und seine Anhänger, falls sie sich in Vilma und im Süden des Hinterlandes von Tri polis niederlassen wollen; versichern wir ihn unseres festen Willens, das Gedeihen seiner Oasen und Grün dungen, die Sitten und Gewohnheiten seiner An hänger zu respektieren; zollen wir seinem Reform eifer Bewunderung; erinnern wir ihn daran, daß schon vor mehr als hundert Jahren.in Aegypten ein französisches Heer die wahre Reli^n des Pro pheten gegen die Usurpatoren von Konstantinopel verteidigte; überzeugen wir ihn von den Vorteilen, die unsere Freundschaft sowohl für die kolonisato rischen Aufgaben, die er verfolgt, als für den reli giösen Ritus, den er vertritt, mit sich bringen würde." Mit diesen Hoffnungen scheint es aber nun vor - be i zu sein, nachdem es den Jungtürken gelungen ist, die Senussi zur Anerkennung des Sultans von Kon stantinopel als ihrem religiösen Oberhaupt zu be wegen. Zu diesem Zwecke traf vor einiger Zeit eine Ge sandtschaft in der türkischen Hauptstadt ein, und nach dem „Pariser Temps" weht seitdem über der Oase Ain Galaka in der Provinz Borku, die zwischen Tri polis und dem französischen Tschoddgebiet liegt, und wo die Senussi heute ihren Hauptsitz haben, die tür kische Flagge. Auch soll eine Kompanie türkischer Truppen unterwegs sein, um sich in Ain Galaka fest zusetzen. Sie steht nach dem „Temps" augenblicklich in Bardai, vor der Gebirgskette, die Tibesti von Borku trennt. Um zu beurteilen, welche Bedeutung einer dauernden Harmonie zwischen den Türken und den Senussi innewohnen könnte, ist cs nötig, auf diese Sekte etwas näher einzugehen. Diese Sekte wurde im Jahre 1830 von dem Scheck) Si Muhamed ben Alis Senussi trotz der Gegnerschaft der amtlichen Vertreter des Islam gegründet und hat seitdem nicht aufgehört, an Verbreitung und Ansehen zu gewinnen. Ueberall, wo der Scheck, Si Muhamed während seiner langen Pilgerschaft weilte, in Bu Sada, Warpla, Tunis, Kairuan, Eabes, Tripoli, Kairo und Mekka, predigte er und gewann Anhänger; überall aber auch zog ihm sein Resormeifer die Feindschaft der muselmanischen Geistlichkeit zu. Im Jahre 181.3 sah er sich gezwungen, Mekka zu verlassen; er ließ sich in Dschebel Agdar, in der Nachbarschaft von Devia und Benghasi nieder, bis er 1855 seinen Wohnsitz nach der Oase Dscherbub zwischen Benghasi und Kairo verlegte, die er durch zahlreiche Anlagen umgestaltete und wo er 1859 starb. Der älteste seiner beiden Söhne, El-Mahdi wurde sein Nachbar. Seit dem hat sich die Sekte unaufhaltsam ausgcbreitet, be sonders in Zentralafrika. In den Provinzen Tebu, Borku, Ranem, Wadai, Bagirmi haben sie zahlreiche Niederlassungen; ihre Sendboten sind sogar schon bis nach Timbuktu vorgedrungen. El-Mahdi verlegte 1895 seine Residenz nach Kufra ,1899 nach Guru in der Oase Ain Galaka, die zu Borku gehört. Der Gründer der Sekte Si Muhamed Senussi pre digte die Rückkehr zu den Gewohnheiten der ersten Anfänge des Islam und legte den Koran ohne Rück sicht auf die Erklärungen der vier orthodoxen Imame aus. Darum erklärte ihn der offizielle Islam für einen Ketzer; in Tunis wie in Kairo und in Mekka wurde er im Stich gelassen und genötigt, nacheinander jede dieser Städte zu verlassen, so erklärt sich sein heftiger Haß gegen die Türken, der sich einmal in den Worten Luft machte: „Die Türken und die Christen sind von demselben Schlage; ich werde sie mit dem selben Hiebe zerschmettern." Es will unter diesen Umständen nicht wenig be sagen, daß es den Iungtürken gelungen zu sein scheint, die Senussi ihren Zwecken dienstbar zu machen. Sie können um so wertvollere Werkzeuge ihrer Pläne werden, als sie sich bisher als vorzügliche Kolonisa toren und Träger weltlicher Kultur bewährten. Wo sich ihr Einfluß geltend macht, verwandeln sich wüste Gegenden in fruchtbares Land, entstehen gute, be queme Straßen, breiten sich Friede und Ordnung aus. Die junge Freundschaft zwischen dieser, schon über ganz Nord- und Mittelafrika verbreiteten Sekte mit den Jungtürken kann sich für die franzö sische Herrschaft im schwarzen Erdteil daher leicht zu einer großen Gefahr auswachsen, Frankreichs Farüerungen unü Lugeltsnünille? Der „Temps" meint, daß die Kompensationsfrage erst als dritter Punkt der am 3. oder 1. September tu Berlin neu anzuknüpfenden Verhandlungen in Aussicht steht. Die zwei ersten Punkte würden zu lauten haben: „Die künftige politische Lage in Marokko" und „Wirtschaftliche Neuerungen in Marokko". Diese Anordnung er schiene im französischen Interesse um so dringender geboten, als von deutscher Seite bisher jeder An haltspunkt dafür fehlt, wie weit man in Berlin über das Abkommen von 1909 hinaus zu gehen vor habe. Die allgemeinen Aeußerungen des Herrn von Kiderlen-Wächter im vorigen Monate seien unzu reichend. Frankreich verlange, so heißt es weiter, ein regelrechtes, alte.politischen und wirtschaftlichen Angelegenheiten erschöpfendes Protokoll, welches auch die Mittel enthalten soll, deren sich Frankreich bedienen wird, um die in Marokko erworbene Macht stellung dauernd festzuhalten. Frankreich will, daß das Hoheitrecht des Sultans über die öffentlichen Arbeiten und das ganze Verkehrswesen einschließlich der Post und des künftigen Telegraphen unangetastet bleibe. Was die unterirdischen Produkte anbetreffe, so würde ein Einvernehmen zwischen der Union des Mines und dem Hause Mannesmann in die Wege geleitet werden. Der von einigen Abendblättern nach der Pariser Agenture Information mitgeteilte Text der von Frankreich zu machenden Zugeständnisse wird vom Ministerium des Aeußeren als apokryph bezeichnet. Im übrigen hat am Sonntag Minister de Seloes deni Präsidenten Fallieres in Rambouillet einen Be such gemacht, uni ihm über die Marokkofragen Be richt zu erstatten. Der englische Botschafter in Wien. In Wiener gutunterrichteten Kreisen gilt die Stellung des englischen Botschafters in Wien Lartwright für erschüttert. Man macht den Botschafter für das Erscheinen des gestrigen Artikels in der „Neuen Freien Presse" verantwort- TheaphUe Gautier. Von Mar Krell (Berlin). (Nachdruck verboten.) Dasselbe Jahr, das Len Engländern W. M. Thackeray, den Verfasser des „Snobs-Papers", gab und uns Deutschen Len unglücklichen, großen Kleist »ahm, schenkte auch der rrraircks oatir-n eine Dichtergröße: Thäophile Gautier. Heute sind hundert Jahre ver flossen, daß er in Tarbes geboren wurde. Gautier war, wie viele Männer der Literatur, eine vielseitige Natur. Und er war stark genug, nicht an dieser Vielseitigkeit zu scheitern. Zunächst schien es, als ob der welschen Malerei in ihm ein neuer Raffael erstehen sollte. Denn gleich manchem seiner parnassischen Kollegen — ich erinnere nur an die Deutschen I. V. o. Scheffel und Arthur Fitger — führte ihn erst die Muse der bildenden Kunst zu ihrer Schwester, der Muse des bildenden Wortes. Gautier war so klug, der farbigen Kunst ganz zu entsagen und Pinsel und Palette auf dem Altar des Wortes zu opfern. Die Doppelnatur eines Lionardo oder Michelangelo steckte nicht in ihm Seine Malereien wären Halbheiten und seine Dichtungen unfrei und in den Fesseln einer zweiten Liebe geblieben. Man sagt: er sei für die bildende Kunst kein zu schmerz licher Verlust gewesen. Sie darf sich jedenfalls freuen und geehrt wissen, dem Schrifttum solch illustres Haupt gesandt zu haben. In jungen Jahren schon sattelte Theophil« Gautier um. Mit dem heiligen Feuereifer und sieg haften Enthusiasmus seines blühenden Alters warf er sich in den Kampf der Neuen gegen die Alten. Der um ein knappes Dezennium ältere Viktor Hugo ward sein Meister und Berater. Und der pathetische, fanatische, von revolutionären Ideen durchglühte und im Grunde seines Lebenswerkes doch so marmorkühle Dichter der „^lioei-ablos" stellte Len jungen Freund in die Reihe der romantischen Schule. Wir dürfen heute behaupten, daß Theophil« Gautier der charak teristischste Kopf dieser Hugoschen Anhängerschaft war, die ja mit gleichen anarchistischen Temperamenten gegen Ueberlebtes zu Felde zog, wie rund ein halbes Säkulum später die Liliencron, Holz, Conradi, Hart und wie sie alle hießen, die der blassen literarischen Salonschnörkelei grausamen Garaus machten. Wir können heute im Zweifel sein, welchem Teil des Eautierschen Schrifttums wir die Palme zu erkennen sollen. Denn, ähnlich Goethe, war auch er innerhalb seines dichterischen Schaffens äußerst viel seitig. Er hat sich als Lyriker einen internationalen Namen erworben; Laien wie Kenner preisen seine glänzenden Novellen; in seinen Prosawerken liegen reiche kulturhistorische Fundgruben, deren Wert uns vielleicht noch nicht hoch dünkt, weil unsere zeitlich« Nähe tieferer Erkenntnis wehrt; die Kommenden werden hier Gold schürfen; in seinen kritischen Waffengänqen sieht der Theater- und Kunstreferent unserer Zeit noch ein unvergleichliches Paradigma; und endlich: der Reiseschilderer Gautier war mehr gefeiert und geliebt, als es heute der in Frankreich vielgelesene Pierre Loti ist; einzig als Dramatiker muß er im Lorbeerwettlauf von vornherein als un tauglich aufgeben. Der Neunzehnjährige publizierte, noch Schüler Les Malers Nioult, seine „Fxeirüei-os s;oösi«s", zu denen während der folgenden 33 Jahre vier weitere Lyrik bände kamen, darunter hauptsächlich die 1852 er schienenen „Linaux «t oaruvos". Sie alle zeigen den malerischen, an Farbenkraft entzückten und an der liniösen Sicherheit des bildenden Künstlers gereiften Sinn für Formvollendung. Gautier ist das aus geprägteste Gegenstück zu Paul Verlaine und seiner dichterischen Wurstigkeit. Er ist klar und vornehm, seine bilderreiche Sprache gesund und fesselnd; und wo sie kalt und uninteressiert läßt, trägt sie den Stempel Hugoscher Einflüße auf der Stirn. Nicht viel anders lassen sich seine novellistischen Arbeiten charakterisieren, von denen besonders eine „^lackernoisvils cko Hlnupin" bekannt geworden ist. Man kann sich zu diesem Buche lebhaft Illustrationen aus dem Rokoko denken, etwa von Boucher oder FragouarL. Heute würde es wohl staatsanwaltlichcr Konfiskation anheimfallen. Denn Milieu und Vor wurf überschreiten um etliches die Grenze, die man kürzlich den Flauberttagebüchern des „Pan" zog, mit denen „ÄlaclomoiscIIo ckv Hlaupin" allerdings auch die Vorzüge glänzender Diktion und instinktiv ge schickter Komposition gemein hat. Aus der Zahl seiner weiteren Novellen sind „Vno Iria-me <ln cliablv" unü „I-a pe»u ckb ligxo" am meisten gelesen. Thöophile Gautiers Novellen und Gedichte sind später gesammelt erschienen unü haben in Frankreich hohe Auflageziffern erreicht. Es darf daher wunder nehmen, daß die Kenntnis seiner Werke diesseits der Vogesen eine verhältnismäßig geringe ist. Wohl be sitzen wir eine feine und gut ausgewählte Ucber- tragung des Ehepaares Ewers-Wunderwald (er schienen bei Georg Müller in München 1903—1901). Aber eine sechsbändige Ausgabe ist für Popularisa tionszwecke schon zu umfangreich, zumal bei einem ausländischen Dichter. Don Len billigen Sammlungen — Reclams Universalbibliothek. Hendel, Hesse — führt leider keine Gautier, höchstens hier und da eine Anthologie mit Gedichtproben. Auch die Kenntnis seiner Persönlichkeit vermittelt bisher kein gutes Essay, während Frankreich über treffliche zeit genössisch« Arbeiten von Feydeau, Bergerat. Baude laire und anderen verfügt. Der Einwurf ist hinfällig, daß man seine Bücher französisch lesen müße. Auch an ihm behält Emerson recht: „Was an jedem Buche wirklich das Beste ist, das läßt sich übersetzen — jede wirkliche Erkenntnis, jedes allgemein menschliche Ge fühl." Unsere Großen behalfen sich zumeist mit Ueber- setzungssurrogaten. Gautier verdiente jedenfalls mehr als die heutigen zahllosen Verkünder fran zösischer Glantericn. deren nichtssagende Spielereien unsere Feuilletons überschwemmen, durch gute lleber- tragungen geehrt und populär gemacht zu werden. Auch mit seinen Reisebüchern. Wir haben heute viel Interesse an solchen Werken, die von unseren ersten Schriftstellern gepflegt werden (Bahr, Haupt mann. Bierbaum, Meier-Gräfe usw.). Gautier war auch unterwegs Dichter und Künstler; er war cm Freund der Stimmungen und ein Feind aller Bae- dekcrei. Er lebte in der Natur und s a h sie, s o, daß seine Feder ihre Konturen mit den Fleischfarben Les Lebens malen konnte, gleichgültig, ob in Petersburg, Rom, Byzanz oder Madrid — oder weit von Menschen fort in einsamer Stille. Ein Zauber von Licht und Farben ruht in seinen Worten, der Sehnsüchten weckt. Nur an ihm konnte sich der sehr überschätzte Pierre Loti, dem eine starke, ursprüngliche Note wohl eignet, heranbilden. Erreichen wird er Gautier niemals; denn den Jünger hemmt eine sanfte Dekadence, die besonders in Len ägyptischen Schilderungen hervor bricht. Für unsere Zeit, die sogenannte moderne, erscheint Theophile Gauiie- ais öcr Kritiker Denn sie betont das Geistreiche unü bekümmert sich oft zu wenig um die Form, woraus ja vor allem unsere großen Kritizi von Lessing bis Freytag sahen. Gautiers Kritik ist fabelhaft gewandt, sliiyrg, vor nehm, leider oft recht nachgiebig und allzusehr chevale- resk — französisch. Ist ihm das Thema uninteressant, so steigt ihm wohl auch der Hochmut in den Nacken, und mit ein paar liebenswürdigen, inhaltlich unschweren Komplimenten dienert er davon. In Lieser Weise ist er der geborene Theaterrezensent Und seine in der „Presse" und im „Moniteur" veröffentlichten Refe rate sind mit Recht zu einem Bande vereinigt, der unter dem Titel „Ili^toirr- sic- l'nrt «ivomatsizuo on Fi-onoo cl<-pnis 2.5 (1834—59) ein« Art Machia- vell der Theaterkritik darstellt, oder aber auch eine „Pariser Dramaturgie" sanalog Lessing). Den Haupt raum dieser kritischen Ergüsse nehmen zumeist Schil derungen ein, die den geübten Stilisten kennzeichnen. Liegt schon auf diesem Sechs-Bände-Werk ein ge wißer historischer Ton, so gilt dies noch mehr von einer kleinen Zahl seiner Bücher, die, teilweise erst nach seinem (nm 23. August 1872 zu Neuilly bei Paris erfolgten) Tode erschienen: eine Art Literatur geschichte: „Fez ClrotorguLs", dann persönliche Er innerungen an Balzac und an die Weggenoßen Gautiers auf seiner literarischen Lebensreise. Seine , tlistoivn <iu ri monii^-mo" dürfte Lereinst ein wich tiger Faktor sür die Beurteilung Gautiers als Zu gehörigen zur Hugoschen Zeit werden. Heber seine dramatischen und pantomimischen Dichtungen dürfen wir schweigen. Theater uns Konzerte. Leipzig. 28. August. Neues Theater. Es berührte wirklich erfrischend, von dem vorgestrigen irrelevanten Getriebe der Operette wieder zu der großen Form der Oper zu- rückzukehren und an Stelle des wenig künstlerisch ge fügten musikalischen Mosaiks aufs neue der weitge zogenen Schönbcitslinie zu folgen, obwohl, wie gestern der Fall, des urfranzösiscbcu Saint Sa< us Oper „Samson und Da lila" keineswegs sich deckt mit den Anschauungen des deutschen Musik dramas. Aber es sind doch in diesem Werke, das sich auf unseren Bühnen dauernd behauptete, bedeu tende Momente, es ist mit feinem Geschmack geformt und von erheblichem melodischen Reiz, wenn ihm auch anderseits die große Leidenschaft und echte, tiefe Empfindung an nicht wenigen Stellen abgehcn, die eine unverkennbar dominierende strenge Akademik nicht zu ersetzen vermögen. Einige Neubesetzungen gaben Anlaß, die seil längerer Zeit nicht mehr ge gebene Oper wieder zu hören, deren Aufführung sehr lebhaften Beifall fand. Zunächst aber muß als recht und billig Herr Urlus an erster Stelle genannt werden. Seine Darstellung des Samson bedeutete ihrer stimmlichen, gesanglichen und schauspielerischen Art nach schlechthin wieder eine Meisterleistung, des höchsten Lobes würdig. Frau Grimm-Mittel- m a n n (die sich unlängst auch in der Ortrudpartie vornehmlich in dein Zwiegesang mit Elsa und dem Anrufe Odhins bedeutend hervortut) sang gestern die Dalila und glänzte aufs neue mit der strahlenden Höhe ihrer Töne. Sie verlieh der Philistäerin einen beinahe zu strengen Zug und stellte somit eigentlich weniger eine verführerische Hetäre als weil eher ein Weib in die Szene, das in den Händen des Dagon- priesters politischen Zwecken dienen soll. Andernteils hätte die Darstellerin in der Schlußszene den an Samson gerichteten Zuruf noch verbissener und höhnischer ausstoßen sollen. Als Oberpriester machte Herr Buers eine gute Figur und gab mit seiner machtvollen Stimme charakteristisch bedeutende Akzente. Ein besonderes Lob verdienten auch die, der Oper häufig einen fast oratorischen Anhauch ver leihenden ganz vortrefflich gesungenen Chöre, als deren gewichtiger Sprecher und Führer im antiken Sinne Herr Napp er)chien. Herr Kapellmeister Porst sorgte sür die Belebung des musikalischen Teils, und Herr Marion durch mannigfache seine Beleuchtungseffekte für stimmungsvolle noch beson ders anziehend wirkende Bühnenbilder, denen die choreographischen Künste des Frl. Grondona überdies einen gewißen malerischen und erotisch an mutenden Reiz verliehen. L. 8. * Neues von Richard Strauß. Im Verlage von Adolph Fürstner in Berlin erschien so«b«n eine ältere Komposition von Richard Strauß, zu deren Herausgabe er sich erst jetzt entschlossen hat. Es handelt sich um sein Opus 1, eine Suite (B-Dur) sür 13 Blasinstrumente, die er im Jahre 1883 komponiert hat. Die Besetzung des Werkes, das aus 4 Sätzen (Präludium, Romanze, Gavotte und Introduktion und Fuge) besteht, ist die folgend«: folgende: 2 Flöten, 2 Oboen, 2 L-Klarinett«n, 2 Fa gotte, Kontra-Fagott (od«r Baß-Tuba) und 4 Hör ner. Die Uraufführung der Suite fand unter per- sönlicher Leitung des Komponisten mit oen Mei ningern im Jahre 1884 in München statt. — Be sonders interessieren dürfte es, daß Richard Strauß, der für gewöhnlich Klaoiertranskriptionen seiner Or- chesterwcrke nicht selbst vornimmt, für die Suit« seinerzeit einen Klavierauszug zu vier Händen ge schrieben hat, d«r sich gegenwärtig im Stich befindet und der in etwa 14 Tagen erscheinen dürft«.
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