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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 09.12.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-12-09
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19111209019
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911120901
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911120901
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-12
- Tag 1911-12-09
-
Monat
1911-12
-
Jahr
1911
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2. veUssr. Sonnaden-, 9. vezemver lSll. Leipfiyer Tagedlsn. m. 3^r. los. Iakrnrmls. pslilizcde Umschau. Sur veradlchleülmg üesvervcherungsseletzeskürrlngeltellte schreibt man uns: Zn der sozialen Dersicherungsgesetz- gebung des Reiches ist bisher noch kein einziger Fall zu verzeichnen gewesen, wo ein Gesetzentwurf in der endgültigen Abstimmung einstimmig zur Annahme ge langt ist. Aus dieser Tatsache darf man wohl ent nehmen, bah für di« Form der Angestelltenversicheruna eine Lösung gefunden ist, die zwischen den vielfach widerstrebenden Interessen einen Ausgleich geschaffen bat. Wenn noch im letzten Stadium der Beratungen in bezug auf die Anerkennung bestehender Verträge mit Versicherungsanstalten eine Abänderung der Kom- missionsbeschlüsse oorqenommen wurde, indem die Grenze für die Anerkennung bis zum 5. Dezember d. I. gezogen wurde, so geschah dies aus juristischen Bedenken gegen eine nachträgliche Anirulierung abgeschlossener Verträge, in der man «inen unzulässigen Eingriff in private Rechte erblickte. Es ist im Reichstag bei dieser Gelegenheit schon darauf hingewiesen, Latz ein« Umgehung dieser Bestimmung durch eine etwaige Vordatierung eines nach dem 5. Dezember abgeschlossenen Bersicherungs- Vertrages sich alsstrafbareHandlung charak, terisieren würde, die eine strafrechtliche Ahndung zur Folge hätte. Die Angestellte^ werden daher gut tun, allen etwaigen Versuchungen in dleser Beziehung zu widerstreben, da naturgemätz die Reichsanstalt eine sehr genaue Prüfung aller Verträge vornehmen wird, die eine Befreiung von der Versicherungspflicht her- Leiführen sollen. Auch in bezug auf einen weiteren Bericht, näm lich darüber, ob die Versicherung bei einer der neben der neuen Reichsanstalt zugelaßenen Privatver- sicherungsan st alten zu ihrer Rechtsgültigkeit bis zu einem bestimmten Zeitpunkte abge schlossen sein mutz, besteht noch vielfach Unklarheit. Nach Auskunft an amtlicher Stelle ist dies nicht der Fall. Die neben dem BAehen der Reichsversiche rungsordnung zugelassenen Privatkassen dürfen auch nach dem Inkrafttreten des G esetzes Mitglieder aufnchmen. natürlich nur Mitglieder im Rahmen der früheren Mitgliedschaft. Lebens. Versicherungen usw. bei reinen Privatgesell schaften. die vor den 5. Dezember abgeschlossen waren, behalten ihre Gültigkeit, nach dem 5. Dezember geht die staatliche Versicherung vor. Serztttüie KUMon in unseren Kolonien. Man schreibt uns: Auf den Versammlungen unse rer Kolonialgesellschaften ist jedesmal die dringende Notwendigkeit einer Vermehrung der Aerzte in unse ren Schutzgebieten betont worden. Nach dem letzten amtlichen Bericht waren vorhanden in Ostafrika tu Sanitätsoffiziere. 3 Regierungsärzte und 4 Mis- sftnsärzte; in Kamerun 15 Militärärzte, 6 Rcgie- rungsärzte, 1 Reisearzt und 3 Mißionsärzte; in Deutjch-Südwestafrika 41 Militärärzte, 2 Regierungs ärzte, 4 Bahnärzte und 3 Privatärzte; in Togo 3 Regierungsärzte und 3 Schlafkrankheitsärzte; in der Südsee 9 Regierungsärzte und 1 praktischer Arzt. Insgesamt waren also in den deutschen Kolonien 138 Aerzte vorhanden. Diese Organisation des ärztlichen Dienstes mutz als durch aus unzureichend angesehen werden. Aber auf eine erhebliche Vermehrung der Privatärzte ist in abseh barer Zeit nicht zu rechnen, da ihre wirtschaftliche Existenz nur an wenigen Orten gesichert ist. Ebenso wenig ist eine nennenswerte Vermehrung der Re- gierungs- und Militärärzte wahrscheinlich. Aus diesem Grunde ist die Verwaltung bemüht, eine Vermehrung Les ärztlichen Personals durch Heranziehung von Missionsärzten herbeizuführen, indem sie den Missionsgesellschaften finanzielle Bei hilfen hierfür gewährt. Bei den guten Erfolgen, die andere Staaten mit diesem Prinzip gemacht haben, darf man hoffen, datz auch unsere Schutzgebiete auf diesem Wege zu einer besieren Eingeborenenhygiene kommen werden. Um die Leistungsfähigkeit der Mis sion in bezug auf die gesundheitliche Fürsorge für die weitzc wie für die eingeborene Bevölkerung zu steigern, ist das deutsche Institut für ärztliche Mission in Tübingen begründet worden. Hier sollen Medi ziner, die in den Dienst der Mission zu treten beab sichtigen, sich mit Tropenhygiene vertraut machen. Ferner werden Schwestern in Krankenpflege und Hebammendienst ausgebildet. Außerdem gibt das Institut Missionaren in einem Kursus von 10 Mo naten eine medizinische Ausbildung, die sie instand setzen soll, in Fällen, wo kein Arzt erreichbar ist, Hilfe zu leisten. Die Befürchtungen, es könnte auf diesem Wege ein ärztlicher Dilettantismus gezüchtet werden, sind unbegründet, denn es handelt sich um Verhältnisse, die von denen der deutschen Heimat grundverschieden sind. Auf jeden Fall ist es bester, datz eine medizi nisch« Tätigkeit durch einen in der angegebenen Weise ausgebildeten Missionar ausgeübt wird, als datz auf jede medizinische Tätigkeit verzichtet werden mutz. Der erste Sachverständige auf dem Gebiet unseres Mistionswesens D. Mirbt hat kürzlich auf einer ärzt- lichen Vereinigung diese Fragen eingehend erörtert und dabei ausgesprochen, datz der Notbehelf der missionsärztlichen Tätigkeit durch Nichtberufsärzte sich aus dem Ausnahmezustand in unseren Kolonien rechtfertigt, und datz die ärztliche Mission unter kolo nialem wie humanem Gesichtspunkte weitgehende Unterstützung verdient. Reformen im fronröMHen Leere. (Von unserem Pariser Mitarbeiter.) Neue Reformen im Heere plant Kriegsminister Messimy. Zunächst will er die Kaders um gestalten. Ein Gesetzentwurf schlägt die Bildung von Heeren vor: die Armeekorps und Divisionen sollen nur noch ihre ..elementaren Unitäten" sein. Die Ein teilung nach Brigaden soll in Wegfall kommen, wo durch die Zahl der Generale verringert wird und dle Altersgrenze herabgesetzt werden kann. Die vierten Bataillone der Infanterie sollen zur Platzoerteidigung verwandt werden. Die heute zu sehr angeschwollenen algerischen Tirailleur-Rogimenter werden gedreiteilt. Ferner sollen neue Alpenjägerbataillone und auch Nadfahrerbataillone geschaffen werden. Die Kavallerie soll durch Rekrutierung algerischer Eingeborener um zwei Regimenter verstärkt werden. Jedes Armee korps wird nur noch zwei Kavallerieregimenter haben; die übrigen werden zehn Divisionen zur Ver fügung der Heere bilden. Um di« llnteroffizierskarrier« anziehender zu machen, sollen die weiterdienenden Soldaten höheren Sold erhalten. Die Rekruten, dir entehrende Strafen erlitten, werden wieder den afrikanischen Regimentern zugeteilt. Damit auch das llnteroffizierskorps ver- üngt wird, ist die Altersgrenze hinfort auf 35 Jahr« estgesetzt und die Zahl der Zioilposten zur Ent- chädigunq vergrötzert; ferner wird zwischen dem «tzigen Grad des „Adjutanten" und dem des „Unter leutnants" «in neuer, der de» „Fähnrichs" (svrsisvo) geschaffen. Die Militärschulen werden gratis, bei Verpflichtung auf eine gewiss« Zahl Dienstjahre. Reserveoffiziere sollen unter gewissen Bedingungen aktive Offiziere werden können, wodurch di« gemischte Herkunft der Offiziere noch vergrötzert wird. Um zu einem höheren Grade aufzurücken, werden die Offi zier« ab«r jedesmal Prüfungen durchmachen müssen. veutlches Reich. Leipzig, S. Dezember. * Der Kaiser ist gestern Freitag nachmittag 3 Uhr von Primkenau kommend auf der Station Wildpark eingetroffen. Zum Empfang war die Kaiserin an wesend. Die Majestäten begaben sich nach dem Neuen Palais. — Weiter wird gemeldet: Der Kaiser emp fing den kürzlich auf Urlaub in Deutschland ein- getroffenen ersten Dragoman der deutschen Ge- sandtschaft in Peking Krebs und lietz sich ein- gehend Über die Aufstandsbewegung in China und der dortigen politischen Lage berichten. * Auflösung und Neuwahl des Reichstags durch kaiserliche Verordnung. Aus Berlin, 8. Dezember, wird gemeldet: Der „Reichsanzeiger" veröffentlicht heute eine kaiserliche Verordnung vom 7. Dezember, durch die der Reichstag aufgelöst wird, und eine zweite kaiserliche Verordnung vom 8. Dezember, nach der die Neuwahlen am 12. Januar 1912 vorzunehmen sind. — Durch die Verkündigung des Wahltermins treten Erleichterungen in der Abhaltung von Wahlversamm lungen ein. * Die Schisfahrtoabgaben und die Nachbarstaaten. Nachdem der Bundesrat am Donnerstag dem Schiffahrtsabgabengesetze in der vom Reichstage be schlossenen Form zugestimmt hat, werden vom Aus wärtigen Amt Verhandlungen mit Oesterreich und den Niederlanden einge leitet werden, um deren Zustimmung für die Er hebung von Abgaben auf der Elbe und dem Rhein zu erlangen. Nach den bisherigen Aeutze» rungen beider Regierungen scheinen diese einer Aenderung der Elbe- und Rheinakte abgeneigt zu sein. * Keine Aenderung der Steuern. Amtlich von Berlin aus wird erklärt, datz die Zeitungsmeldungen über die Abschaffung bestehender und die Einführung neuer Steuern reine Phan- tasieerzeugnisse sind. * Das Schicksal des Kreuzers „Berlin". Der kleine Krcnzer „Berlin" wird in den nächsten Tagen in den heimischen Gewässern eintyes- f e n. In Kiel wird er außer Dienst gestellt wer den. Zunächst wird er einer Grundreparatur unter zogen tverden, um hiernach bis zu seiner ander weitigen Verwendung in Reserve zu liegen. Er hat eine sechsjährige Jndiensthaltung hinter sich, die er in der Hauptsack)« im Verband der Auftlärungsscksisfe verbrachte, in der er auch als Begleitkreuzer der „Hohenzollern" in der Kaiserslottille diente. Auch während seiner Stationierung an der afrikanischen Küste hat er formell zum Verband der Hochseeflotte als Ausklärungssckftff gehört. „Berlin" ist noch mit Kolbenmasclstncn ausgerüstet. An seine Stelle wird einer der neueren kleinen Turbinen kreuzer treten. Tie Flottille der kleinen Kreuzer der Auf klärungsschrift wird danach nur noch Turbinenkreuzer umfassen. * Eheschließung und Reichsoersicherungsordnung. Ueber die Erstattung det Hälfte der Beiträge an weibliche Personen, die eine Ehe eingehen wollen, waren nach Artikel 76 des Einführungsgesetzes zur Reichsversicherungsordnung Zweifel ent st an- den. die dahin gingen, ob Anträge auf die Erstattung der Hälfte der Beiträge auch noch nach der am 1. Au g. 1911 erfolgten Verkündung der Reichs versicherungsordnung zulässig seien. Wie uns mitgeteilt wird, hat sich vor kurzer Zeit das Neichsversichcrungsamt mit dieser Frage beschäftigt und eine endgültige Entscheidung getroffen. Demnach sind nach dem Artikel 76 des Einführungsgesetzes nur Erstattungen der Hälfte der Beiträge nach dem 1. Januar 1912 ausgeschlossen, wenn der A n - trag nicht vor der Verkündung der Reichsversicherungsordnung gestellt war. Ist der Antrag aber vor der Verkündung gestellt worden, d. h. vor dem 1. August 1911, dann können die Erstattungen auch nach dem 1. Januar 1912 erfolgen. Für Beitragserstattungen bis zum 1. Januar 1912 sind aber die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen maßgebend. Beitragserstattungen, die also bis zu die,em Termin erfolgen, können auch noch jetzt bean tragt werden. Der Termin für Anträge aus Beitrags erstattung wegen Eheschließung läuft am 31. Dezem ber 1911 ob. * Die Eisenbahnverwaltung gegen Ausschreitun gen bei Militärurlaubertransporten. Da kürzlich grobe Ausschreitungen anläßlich eines Transports beurlaubter Militärpersonen aus Bahnstationen be gangen wurden, hat die Eisenbahnverwaltung eine Verfügung erlassen, die derartigen Vorkommnissen in Zukunft und mit Rücksicht auf die bevorstehenden Fest tage entgegentreten sollen. Dor allem sollen für die in Zügen untergebrachten Militärurlauber beson dere Verkaufs stände auf den Bahn höfen bereitgcstellt werden, die außerhalb der Warteräume und der Lokalitäten liegen, in denen Speisen und Getränke erhältlich sind. Der Ver kauf von Branntwein darf nicht statt finden. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung sind gegebenenfalls Wachtmannschaften heranzuziehen, die auf den Bahnhöfen gestellt werden. Es wird ferner daraus aufmerksam gemacht, datz die Namen der Sol daten. die bei Ausschreitungen getroffen werden, so fort auf der betreffenden Station festzustellen sind, da di« Ermittlung der Schuldigen später meist un möglich ist. Ferner wird darauf hingewiesen, datz angetrunken« Soldaten von der Weiterfahrt ausge schloffen werden können. * Eine Haadelskammereingabe um Einführung von Postkarte» mit anhängenden unfrankierten Rück karte». Nach den Vereinbarungen des Weltpost vereins sind Postkarten mit anhängender bezahlter Rückantwortkarte und als Drucksache Postkarten- Formulare mit anhängender unfrankierter Rückant wortkarte zuaelaffen. Ferner sind in Oesterreich Korrespondenzkarten mit anhängender unfrankierter Rückantwortkarte zugelaffen; sie muffen auf Grund der mit der Deutschen Reichspost- und Bayerischen Postvenoaltung geschloffenen Verträge in deren Ge bieten befördert werden. Trotzdem dürfen dies« Post karten mit anhängender unfrankierter Rückantwort karte in Deutschland nicht verwendet werden. Da diese aber nicht nur eine wesentliche Verkehrserleich terung find, sondern sich zu einem direkten Bedürf nis herausgebildet haben und da gegen deren Ver wendung kein« stichhaltigen Gründe vorliegen, hat di« Würzburger Handelskammer beschlossen, sowohl bei der Bayerischen als auch bei der Deutschen Reichs- postvenoaltuirg dahin vorstellig zu werden, datz Post karten mit anhängender unfrankierter Rückantwort karte zugelaffen werden. Um diesem Antrag mehr Nachdruck zu verschaffen, ist unter den Handelsckam- mern eine Einvernahme angestrebt, di« darauf hin ausläuft, nahezu alle Handelskammern des Reiches und Bayerns ftir diesen Antrag zu gewinnen. * 3«r gesetzlichen Regelung de» Theaterwefeas schreibt man uns: Die Beratungen über die gesetz liche Regelung des Thoaterwesens, die am 15. De zember im Reichstage zwischen Vertretern der Re gierung und Theaterfachmännern gepflogen werden sollen, dürften höchstens zwei Tage in Anspruch neh men. Die Regierung wird bei diesen Beratungen den Sachverständigen die Erundzüge des Entwurfes bekanntgeben und Gutachten über die Materie sei tens der Sachverständigen einholen. In Bühnen kreisen scheinen auf den Entwurf sehr große Hoff nungen gesetzt zu werden, es mutz deshalb schon jetzt gesagt werden, datz der Entwurf allein das Theater wesen gesetzlich regeln will, dagegen in interne Bühnenfragen nicht eingreifen wird. * Vom Streik in der Berliner Damenkonfektion wird geschrieben: Im Lager der Meister und Werk stätteninhaber in der Damenmäntelkonfektion kam es am Freitagnachmittag zu einer Spaltung. Eine Anzahl Meister, die geneigt sind, auf Grund der Fabrikantenvorschläae die Arbeit wieder aufzu nehmen. hatte eine Versammlung einberufen. Ob gleich der Zutritt nur gegen Karten gestattet war, hatten sich zahlreiche Vertreter der Gegenpartei ein gefunden. und es kam zu derartigen Tumulten, daß der Wirt die ganze Gesellschaft aus dem Lokal ver wies. Darauf zogen die arbeitsunwilligen Meister in ein anderes Etablissement und forderten dort zu energischem Festhalten an den einmal aufgestellten Bedingungen auf. Die Einberufer der ersten Ver sammlung traten an drei Stellen zusammen und beschloßen die Gründung eines neuen Vereins. Es bleibt abzuwarten, wie weit diese Spaltung von Einfluß auf die Lohnbewegung sein wird. * Reichstagswahlbereitungen. Im Wahlkreis Gorlitz-Lauban, vertreten durch Dr. Mug- dan, hat die Zentrumsleitung beschloßen, schon bei der Hauptwahl für den konservativen Kandidaten Oberst a. D. Reimer zu stimmen. 1907 wurden hier 1028 Zentrumsstimmcn abgegeben. — InBit - terfeld-Delitzsch hat die nationallibe rale Partei endgültig auf einen eigenen Kandi daten verzichtet. Um das Mandat werden die Fortschrittliche Volkspartei, die Kon servativen und die Sozialdemokraten ringen. — Die nationalliberale Partei in Brandenburg-Westhavelland tritt nach dem liberalen Abkommen für den Kandidaten der Fortschrittlichen Volkspartei Rem- mers ein. Eine Gegenkandidatin Dr. Eörckc ist von rechtsstehenden Parteien aufgestellt. — Die Baye rische Konservative Vereinigung hat für München I den Oberstleutnant a. D. Karl vonSpiesendgültig aufgestellt. — Die rechts stehenden Wahlorganisationen des Wahlkreises Reichenbach-Neurode haben den freikon servativen Landtagsabgeordneten Amtsrichter Krause- Naumburg als Reichstagskandidatcn auf gestellt. — Für Kattowitz-Zabrze wurde Oberbürgermeister Pohlmann-- Kattowitz als deutscher Kandidat aufgestellt. — Im Wahlkreis Oels ist Rechtsanwalt Merlin als freikonserva tiver Kandidat aufgestellt worden. Der Preis gehört seit Bestehen des Reiches zum Besitzstand der Reichs- Partei. Suslsnü. England. * Die Weihnachtsausstände. Nachdem nach den Eisenbahnern auch die Postbeamte n ihre Ab sicht geäußert hatten, zur Durchdrückung ihrer Lohn forderung zu W e i h n a ch t e n in den Ausstand zu treten, hatte es einen Augenblick lang den Anschein, als sollte gerade zu der Zeit, wo man sie am meisten nötig hat, die Verkehrskarre vollkommen stillstehen. Jetzt sieht die Sache aber schon weniger schlimm aus. Zwar sollen die Postleute noch immer schmollen. Aber die Eisenbahner oder vielmehr die Ver treter der vier Trade Unions, die sie bilden sind mit den Vertretern der Eisenbahndirektionen zu- sammeimekommen, und die Verhandlungen scheinen einen Gang zu gehen, der auf eine friedliche Lösung der Schwierigkeiten hoffen läßt. Frankreich. * Eine politische Tischrede. Bei dem Festmahl, das der Landeskongreß der demokratischen Kammer-Linken beschloß, hielt der ehemalige Minister Louis Barthou eine Tischrede, in der er sagte: „Frankreich geht gegenwärtig durch eine Krise. Das Regierungsansehen, die Leitung, die notwendige Rangordnung, die Sorge um das Gemeinwohl sind allzuoft geschwächt. Wir wollen nicht übertreiben: Es gibt im Lande weder Feindseligkeit noch Abneigung gegen die Republik, aber das Vertrauen zu ihr hat sich verringert; dieses müßen wir zunächst wieder Herstellen. Was sehen wir fortwährend? Einzel personen, Gruppen, Verwaltungen, Verbände erheben Ansprüche, die dem Gesetz zuwiderlaufen und greifen zu Gewalt und Eigenmächtigkeiten. Das Parlament will sich an die Stelle der Regierung setzen; die Regierung läßt sich von allen ins Schlepptau nehmen und lebt von der Hand in den Mund. Sie gibt vor, theoretisch die Gütergemeinschaft zurllckzuweisen und gegen die geeinigten Sozialisten zu regieren, führt aber in ihren unnötigen Gesetzentwürfen sonderbare, unerwartete Zugeständnisse an sie ein. Hier schadet man dem Kleinhandel durch die Errichtung städtischer Fleischbänke und Bäcke reien, dort legt man Bresche in die recht mäßigsten Befugnisse der Eisenbahngesellschaften, indem der Staat sie seiner ungerechtfertigten Ueber- wachung unterstellt. Solchen Irrtümern kann die demokratische Linke nicht zustimmen. Was das Marokkoabkommen betrifft, so hat das Parla ment das Recht, seine Meinung über die schmerzliche Gebietsabtretung auszusprechen; mann kann von uns eine Abstimmung verlangen, durch die wir uns in das Unabänderliche fügen, man kann aber von niemand eine Kundgebung der Begeisterung erwarten. Es ist bedauerlich, daß Frankreichs Beziehungen zu Spanien bisher nur von einer verborgenen Diplo matie durch Geheimverträge geißelt worden sind. Es ist zu wünschen, datz die Marokkofraae auch Spanien gegenüber zu einer Versöhnung und Freund schaft führt. * Zur Kammer-Beratung de» deutsch-franzöfisLen Abkommen». Eine Versammlung von Vertretern der linken Kammer-Partei hat eine Resolution gefotzt, die besagt, die Versammlung !ei der Ansicht, die Aus sprache über das deutsch-französische Abkommen müsse ungehindert und ausführlich sein. Für die Klarheit und Ehrlichkeit der Debatte sei e» not wendig. die Interpellation abzuiondern. die kurz da nach beraten werden würde. Die Resolution fordert weiter, datz die Beratung des Abkommen» am 14. d. M. beginne. von und Schwei;. * Stürmische Sitzung i« Schweizer Nationalrat. Im Schweizer Nationalrat fand am Donnerstag eine stürmische Sitzung statt. Der Sozialist Haine griff das Budget heftig an und erregte einen kolossalen Tumult, als er erklärte, datz die Schweizer Fahne seit dem Jahre 1815 keinen ruhmreichen Tag mehr gesehen habe. Diese Aeußerung verursachte im ganzen Hause einen ohrenbetäubenden Lärm. Zwischen dem radikalen Abgeordneten Zschokke und dem Sozialisten Greulich wäre es beinahe zu einem Handgemenge gekommen, wenn man die beiden Abgeordneten nicht noch im letzten Augenblick getrennt hätte. Die Sitzung mutzte auf längere Zeit unterbrochen werden, bis die Ruhe wieder hergestellt war. Sächsischer Lsnülsg. Zweite Kammer. (:) Dresden,- 8. Dezember. Auf der Tagesordnung der Zweiten Kammer stand heute die Erledigung einer Anzahl von Ka piteln deS ordentlichen Staatshaushalts - Etats, worüber sich wider Erwarten eine lebhafte und langandauernde Debatte entwickelte. Am Minister tische: Staatsminister Seydewitz, Ministerialdirektor Tr. Schröder eine Anzahl Räte des Finanzministeriums. Abg. Merkel (Wildlib.) verlas zunächst im An schluß an die gestrige Erklärung des Abg. Niem eine Gegenerklärung, in der er konstatierte, Las; die sozialdemokratischen Abgeordneten des Reichs tages be> d?. Abstimmung über das He.narbc'ts- gesetz nicht im Saale anwesend gewesen seien. Abg. Anders (Natl.) referierte hierauf namens der Finanzdeputation über Kapitel 25, 26, 27 und 28 deS ordentlichen Staatshaushaltes-Etats, be treffend die Verzinsung der Staats- und Finanzhauptkassenschulden, die auf den Staatskassen ruhenden Jahresrenten; die Ab lösung der demTomänen-Etatnicht an gehörigen Lasten, sowie die Abfindungs zahlungen bei Nechtsstreitigkeiten. Er empfahl namens der Tevutation bei Kapitel 25 die Ein nahmen mit 23 355 480 Mark, die Ausgaben mit 26 950 498 Mark und die Vorbehalte zu Tit. 7, 8 und 9 zu genehmigen. Ebenso beantragte er bei Kapitel 26 betreffend die Tilgung der Staatsschulden die Einnahmen mit 10398040 Mark, die Ausgaben mit 11838 997 Mark und die Vorbehalte zu Tit. 5 zu bewilligen. Für Kapitel 27 betreffend die auf den Staatskassen ruhenden Jahresrenten beantragte er namens derselben Deputation die Ausgabe mit 405 388 Mark und für Kapitel 28 betreffend die Ablösung der dem Domänen-Etat nicht angehörigen Lasten sowie Abfindungszahlungen bei NechtSstreitigkciten mit 20 000 Mark Ausgaben zu bennlligen und den Vor behalt unbeschränkter Ucbertragbarkeit zu geneh migen. Im Anschluß an sein Referat wandte er sich in seiner Eigenschaft als Abgeordneter gegen ein Wahlflugblatt der sozialdemo kratischen Partei, das von einem Mitglieds dieses Hauses, dem Abg. Andermann, unterzeichnet worden sei. In diesem Flugblatte sei von einer schlechten Finanzwirtschaft Sachsens, von einer Er höhung der Schuldenlast und von einer Steuer erhöhung um 25 Prozent die Rede. Ties sei jedoch durchaus nicht der Fall, und tatsächlich sei die gegenwärtige Finanzlage Sachsens eine durchaus be friedigende. ES gehe dies auch daraus hervor, datz die Staatsschuld SachsenS im Jahre 1902 rund 980 000 000 Mark betragen habe. Hiervon seien bis zum Jahre 1911 rund 110 000 000 Mark getilgt worden, und zwar lediglich aus den Ueberschüssen des Etats, so datz die Staats schuld Sachsens 870 000 000 Mark betrage. In Preußen sei die Staatsschuld in dem gleichen Zeit räume um 1750 000 000 Mark gewachsen. Jedenfalls sei die Verminderung der sächsischen Staatsschuld kein Zeichen einer Schuldcnwirtschast, sondern er müsse die Behauptungen des erwähnten Flugblattes als unberechtigt zurückweiscn. Infolge der Schuldentilgung sei es möglich gewesen, über 3 000 000 Mark für allgemeine Staatszwecke mehr auszuwenden als in der vorigen Finanz periode. Bezüglich der Schulden und Schuldenbil dung seien auch Vergleiche mit anderen Staaten besonders interessant. In Sachsen entfalle bei der Verzinsung der Staatsschuld pro Kops auf das Jahr 6,24 Prozent, in Preußen 8,32 Prozent, in Bayern 12,1 Prozent und in Württemberg 9,61 Prozent. Bezüglich der Schuldentilgung stelle sicb das Verhältnis pro Kopf wie folgt: Sachsen 2,63 Prozent, Preußen 1,53 Prozent, Bayern 0,84 Prozent und Württemberg 1,68 Prozent. Tie Staatsschulden vertei len sich pro Kopf in den genannten Staaten in folgender Weift: Sachsen 198 Mark, Preu ßen 235 Mark, Bayern 332 Mark und Würt temberg 263 Mark. Nach alledem lasse sich wohl nur Günstiges über die sächsische Finanzlage sagen. Ter Redner besprach dann noch daS Verhältnis der sächsischen Staatsschuld zum Vermögen und hob hervor, daß das Staatsvermögen Ende 1909 876 Millionen Mark betragen habe, bis Ende 1911 sei das Vermögen um 171 Mil lionen Mark gestiegen und die Staats schulden um 69 Millionen Mark gefal len. Ter Redner verbreitete sich dann noch über die Steuererträgnisse und betonte, daß in Sachsen 84 Prozent direkte und 16 Prozent indirekte Steuern erhoben werden. Gerade dieses Verhältnis entspreche ja den Forderungen der Sozialdemokratie. Steuer zuschlag sei auf die unteren Steuerklassen über haupt nicht entfallen, denn es seien 41 Prozent aller eingeschätztcn Personen von dem 25prozentigen Zu schläge befreit. Wenn nun in dem sozialdemokra tischen Flugblatte der Wegfall der Steuererhöhung gefordert werde, so müsse dies bei den oberen Klassen geschehen, da, wie er bereits gesagt habe, die unteren Klassen überhaupt keinen Zuschlag bezahlen. Abg. Merkel (Wildlib.) betont, daß wohl nie mand die glänzende Finanzlage SachsenS gegenüber anderen Bundesstaaten leugnen könne. Hierzu hätten jedoch die Steuerzahler wesentlich mit beigetragen. Tie jetzige Art der Steuererhebung dürfe nicht fortgesetzt werden, da die Einkommensteuer doch dazu da sei, um den Staatshaushalt zu balancieren, und nicht um Gelder anzusammeln. Bis jetzt seien immer zu viel Steuern erhoben worden. Ter Redner wandte sich dann gegen daS jetzige System der Schulden tilgung bei den Staatseisenbahnen und be antragt, Kapitel 25 und 26 nochmals an die Deputation zurückzuverweisen, um eine Nachprüfung zu ermöglichen. Staatsminister von Seydewitz bebt hervor, daß das gegenwärtige Verfahren der Schuldentilgung schon seit 10 Jahren geübt werde und von den Ständen geprüft worden sei. Tie Ergebnisse seien rechnerisch als gut anerkannt worden. Ter Minister widerlegte dann die Behauptungen des Abg. Merkel und betonte, daß eS sich nur um Schätzungen und nicht um eine Belastung des Eisenbahn-Etats mit künftigen Ausgaben Handeft. Infolgedessen seien di» Behauptungen de» Abg. Merkel nicht zutreffend. Er bitte die Kammer, den beiden Kapiteln zuzu stimmen. Abg. Ritzsch« (soz.) bespricht die Ausführungen des Abg. Anders über das sozialdemokratische Flugblatt.
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