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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.03.1914
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1914-03-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Lizenz-/Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19140321023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1914032102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1914032102
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1914
-
Monat
1914-03
- Tag 1914-03-21
-
Monat
1914-03
-
Jahr
1914
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Seite 2. nr. 14S. Nvena-Nusyave. Leipziger Logedtatr. Sonnavena, 2l. Ltsrz 1914. Briand, der einen Diebesgesellen verhaften wollte, nnd zwischen Caillaux, der ihn laufen lief?, fällt einem die Wahl nicht schwer. Die «schuld Caillaux' und seines Komplicen liegt offen zutage. Die öffentli<l>e Meinung wird ihre abscheulichen Machenschaften gebührend be urteilen und sich daran erinnern, daß nur die helden mütige Kampagne Cal mettes ihre Entlarvung ermöglicht hat. — Dagegen sagt di« radikale .Aurore": Die gegen Monis und Caillaux erhobenen Anklagen erwiesen sich als vollständig grundlos. .Kann Oberstaatsanwalt Fabre unter diesen Umständen noch länger in seinem Amte bleiben? — Heute wird der Ausschuß di« auf Er suchen des Oberstaatsanwalts geladenen sieben Mit glieder des Appellgerichts, ferner den Anwalt Rochettes, Vernarb, den Herausgeber des „Rappel", Dumesniel, sowie die ehe maligen Ministerpräsidenten Briand und Varthou vernehmen und schließlich Monis und Fabre einem diktatorischen Verhör unterziehen. — Iaur.-s erklärte in den Wandelgängen der Kammer mehreren Journalisten gegenüber, daß der Ausschuß sicb bemühen werde, sestzustellen, aus welche Weise der Bericht Fabres dem „Figaro" zu gekommen sei. Zu diesem Zwecke werde der Re- daktionssekretür dieses Blattes oorgeladen werden. Ein Mitarbeiter des ,,Figaro" bemerkte darauf, di« Untersuchung über diesen Punkt werde vergeblich sein, denn nur Calmette hätte diese Frage beant worten können. Deutsches Reich. * Beförderung. Der sächsische Militärbevoll- müchtigte in Berlin, Generalmajor Freiherr Leuckart »Weißdorf, ist zum General leutnant befördert worden. * Das Programm für den Wiener Besuch Kaiser Wilhelms. Am 23. März wird Kaiser Wilhelm in Wien emtreffen, um dem greisen Herrchen von Ocstcrrcich-Ungarn einen kurzen Besuch abzustatten. Für die Zeit des Aufenthaltes ist das folgende ojfi- ,iclle und endgültige Programm ausgestellt worken: Kaiser Wilhelms Zug läuft am 23. März um 11 Uhr vormittags im Bahnhof zu Penzing ein. Hier wird der deutsche Kaiser durch den Kaiser Franz Zcfeph selbst erwartet und begrüßt werden. Nur wenn be- 'ondcrs widrige Witterungsumstände ein Derweilen des greisen österreichischen Herrchers auf dem Dahn- Hofe nicht gestatten, wird dieser von einer persön lichen Begrüßung Abstand nehmen, und sie einem Erzherzog übertragen. In Begleitung des Kaisers Franz Joseph erscheinen ferner sämtliche Erzherzöge nebst ihrer Begleitung, auch hat Kaiser Franz Joseph ongcordnct, daß sich zum Empfang auf dem Pen- zinzer Bahnhofe die prominentesten Vertreter der militärischen, stattlichen und kommunalen Behörden cingifinden haben. Dom Bahnhof Penzing fahren die beiden Monarchen direkt nach schloß Schönbrunn, wo Kaiser Wilhelm absteigen wird. Hier soll an der sogen. Kapcllenstiegc die Begrüßung durch di« Erz herzoginnen erfolgen. Auf ^-'.2 Uhr nachmittags ist in der Großen Galerie des Schlosses ein Dejeuner dinatoire angesagt mit anschließendem Cercle im Maria-Theresia Zimmer. Um 5,10 Uhr nachmittags wird Kaiser Wilhelm vom Hetzendorfer Bahnhofe wieder absahren. Für die Dauer seines Aufenthaltes bezieht Kaiser Wilhelm die Frcmden-Appartements des Schönbrunner Schlosses. * Begegnung des Kaisers mit dem König von Italien. Wie die „Agenzia Stefani" meldet, wird der König sich nach Venedig begeben, um mit Kaiser Wilhelm zusammenzutreffen. Er wird non San Giuliano und Gefolge begleitet. Am 25. d. M. findet im Königlichen Palais ein Frühstück statt und abends 8 Uhr ein Diner an Bord der „Hohenzollern". * Zur Taufe des Erbprinzen von Braunschweig. Wie der Linzer „Tagespost" aus Gmunden be- richtet wird, begibt sich das Herrogspaar von Cumberland zur Taufe des braunschweigischen Erbprinzen nach Braunschweig. Das Blatt schreibt, daß der Herzog von Cumberland damit seit t>-«ii> zum ersten Male wieder braunichwcigisch-lüne- bnrgifchen Stammesbooen betrete. -- Der Reichstag wird nach den augenblicklichen Dispositionen bis zum 27. März Sitzungen halten. Nach Erledigung des Kolonialetats werden das Etatnotgesetz nnd der Nuchtragsetat verabschiedet. 'Auch sollen die noch nicht beratenen Gemerbenooellen zur ersten Lesung gestellt werden. * Die Abgg. Mumm und Dr. Werner-Gießen iWirich Bgg.s haben im Reichstage folgende An frage eingebracht: Welche Maßnahmen sind vom Neichsversicherungsaint getroffen, um die Anstellungs bedingungen und Rechtsverhältnisse sowie die Be- Vas Schiffsunglück in Venedig. Unsere heutig« Karte zeigt die Unglücksstelle, an d«r sich am 19. März im Hasen von Venedig di« schreckliche Schiffskatastrophe ereignet«, welche 60 Per son«» das Leben kostete. Inzwischen ist es gelungen, mit Hilfe eines Kranes das infolge des Zusammen, stohes mit dem Torpedoboot« „D 54" gesunkene Dampfboot zu hoben. Es steht nunmehr fest, daß sich 72 Passagiere an Bord des Dampfbootes be fanden. Die Hauptschuld an der Katastrophe trifft d«n Steuermann d«s Dampfbootes. Der Hei zer und der Maschinist des Dampfbootes find gerettet und in Untersuchungshaft genommen wor den ebenso d«r Kapitän des Torpedoboot««. Di« Leichenfeier für die Opfer soll am Montag statvfinden, und zwar auf Kosten der Gemeinde. Es sind eine große Anzahl von Beileidskund- gebungen eingetroffen. soldung der Angestellten der Derufsgenos^nschaften nach den Vorschriften der 88 690/705 ver Reichsver- ficherungsordnung zu gestalten? Inwieweit haben die Berufsaeuvssenschaiten diese Maßnahmen durch geführt? Was soll geschehen, um all« Derufsgenosken- schaften zu einer angemessen«» De oldung ihrer An gestellten anzuhalten? Welches find die leitenden Gedanken des Reichsversicherungsamts für die weitere Gestaltung dieser Rechtsverhältnisse? * Der Wiederzusammentritt der RUstungskom- misfion. Es war in Aussicht genommen» in der Osterpause die nächsten Sitzungen der Kommission zur Prüfung der Rüstungslieserungen abzuhalten, unter der Voraussetzung, daß die Referate, die zur Erörterung der einzelnen Rüstungslieferungen fertig, gestellt werden sollten, vor Ostern beendet sein würden. Wie die offiziös bediente „Pol. Jnformat." hört, hat sich aber die Fertigstellung der Arbeiten der Referenten infolge der zeitraubenden Beratungen und Arbeiten des Parlaments verschoben, so daß die Ablieferung der Referate erst nach der Osterpause erfolgen wird. Da im Mai das Parlament tagt, werden voraussichtlich erst zur Pfingstzeit die nächsten Sitzungen der Kommission abgehalten, in denen die Referate, die auch gedruckt werden sollen, zur Er- örterung gestellt werden. Außer der wichtigsten Aufgabe der Kommission, durch eingehende Unter suchungen für die einzelnen Zweige des Rüstung«, wesens festzustellen, ob überhaupt und inwiefern eme Abhängigkeit des staatlichen Rüstungswesens von privaten Unternehmungen vorhanden ist, würde es sich auch wesentlich darum handeln durch eine Unter suchung festznstellen, ob sich der Ausbau des reinen Staatsbeiriebes für Rüstungslieferungen empfiehlt oder nicht. Ebenso müßte bas Problem einer ge meinschaftlichen Organisation einzelner Zweige des Rüstungswesens einer Erörterung unterzogen werden. * Deutsch «feindliche Kundgebungen in einem Petersburger Variete. Die „Oesterreichisch-Ungarische Correspondenz" meldet aus Petersburg, daß es im „Palast-Theater", dem vornehmsten Varietb der Resi denz. zu antideutschen Demonstrationen gekommen ist. Als ein Künstler in einem Couplet die Putilow-Affäre behandelte und dabei auch die Firma Krupp erwähnte, brach das Publikum in lärmende Rufe aus. die schließlich den Charakter einer antideutschen Demonstration annahmen. * Der XXI'. Deutsche Anwaltstag wird im Sep tember 191S in Frankfurt a M. zusammentreten. * Der Reinertrag de« Bayrischen Blumentag«« 191S betrügt nach Mitteilung d«s Bayrischen Landes- oerbanldes zur Bekämpfung der Tuberkulose 265 885 Mark. * Da« gerichtliche Rachspiel znm Metzer Duell. Vor dem Kriegsgericht in Metz findet heute die Verhandlung gegen den Leutnant La Valette St George vom 98. Inf^Regt. statt, der am Aschermitt- woch das tragische Duell mit dem Leutnant Haage von dem gleichen Regiment hatte. Arrrlan-. Zraukreich. * Tumult bei Calmette« Beerdigung. Wie aus Paris gemeldet wird, entstanden nach dem Leichenbegängnis Talmettes Raufe reien, die einen recht ernsten Charakter hatten. Unmittelbar nachdem der Sarg in der Familien gruft beiaesetzt war, begann der Friedas sich zu leeren. Eine große Schar von Studenten und andere monarchistische Parteigänger zogen von dem Friedhof Bortignolles in geschlossener Reihe an der Port de Clichy vorbei und begannen ihren Aufmarsch in der Avenue de Clichy. Die Studenten zogen in voller Ordnung ihren Weg. Plötzlich ertönte aus einer feindlichen Gruppe der Ruf: „Es leb« Cail laux!" Die „Camelots du Roy" erwiderten mit dem Gegenruff: „Nieder mit Caillaux!" Nun glaubt« die Polizei, einschreiten zu müßen. Es ent stand ein« furchtbare Schlägerei. Plötzlich krachte aus der Schar der Kämpfenden em Schuß. Ein Polizei- insoektor, der sein Leben bedroht glaubte und des halb meinte zu seiner Waffe greifen zu müssen, hatte ihn abgegeben. Im selben Augenblick ertönte ein Schrei: die Kugel war einem der Manifestanten in den Unter leib gedrungen. Man brachte den Getroffenen in eine nahegelegene Apotheke, und hier stellte es sich heraus, daß die Verletzung sehr schwer war. Der Verletzte war ein Advokat, namens d'Antemont. Die erbitterten Manifestanten stürzten sich auf den Polizeiinspektor und prügel» ten ibn halbtot. Vergebens bemühten sich die Polizisten, ihn zu befreien. Die Schlägerei nahm in kurzer Zeit einen geradezu kampfartigen Charakter an. Mitten im wildesten Tumult kam der Polizei präfekt Hennion im Auto herbeigeeilt, gefolgt von einer Eskadron berittener Gen darmerie. Der Polizeipräfekt gab den Befehl zur allgemeinen Attacke, und nun entwickelte sich die Szenerie zu einer förmlichen Schlacht. Ungefähr zehn Minuten währte das K a m p f g e t ii m m e l zwischen den Polizeimannschasten uno den Manifestanten. Eine groß« Anzahl der Kämpfenden wurde zu Boden getreten, und mehrere Polizisten stürzten von ihren Pferden. Endlich gelang es der Polizei, di« Menge auseinanderzutreiben. * Die richterlich« Befugnis des Rochette-An» schusse». Aus Paris, 21. März, wird drahtlich ge meldet: Im Senat stand am Freitag der Bericht der Kommission zur Beratung, die zur Prüfung des Vor schlages der Kammer, dem Rochette-Ausschuß richterlich« Befugnisse zu erteilen, eingesetzt worden ist. Der Senat beschloß mit 254 von 274 Stim men, daß die Rochette-Kommission berechtigt sein solle, das Nichterscheinen von Zeugen und die Verweigerung der Eidesleistung mit Geldstrafen von 100 bis 1000 Franken zu belegen. Weiter solle sie berechtigt sein, die Vorführung von Zeugen zu verfügen, sowie Ze-u» genbestechung und falsche Aussagen zu bestrafen. Englanö. * Verschärfung der Ulsterkrisis. Aus London, 21. März, wird gemeldet: Die Ulster krisis hat eine außerordentliche Verschärfung er fahren. Die Morgenblätter veröfscntl.ckien eine In formation, nach der sämtliche Offiziere vo'n Canagh sich geweigert hinten, gegen di« Oran- giften oorzug«hen und ihre Demission ein reichten. Weiter wird gemeldet, daß eine Anzahl von Offizieren der Garnison Dublin gleicknalls gedroht haben, ihr D«mi,fionsg« uch einzureichen, wenn ihre Leute gezwungen würden, gegen die Ulsterleut« zu marschieren. — Die „Times" berichten, daß die Minister über die Drohungen der Offiziere sehr beunruhigt seien, und daß Freitag abend noch ein Ministerrat stattgefunden habe dem auch hervor ragend« Führer der Parteien beiwohnten. Der Kriegsminister erklärte dem Vertreter der „Times" gegenüber, daß gegen di« betreffenden Offiziere die notwendigen Maßnahmen getroffen würden. Der Marineminister Churchill hatte mit dem Kriegs minister eine längere Konferenz. Mit welcher Be sorgnis man in di« Zukunft blickt, geht auch daraus hervor, daß die großen Versiche rungsgesellschaften, darunter Lloyds, sich weigern, irgendwelche Versicherungen für die in Frage kommenden Gebiete abzuschließen. Die Ber- sicherungsquote der Abschlüsse für das Ulstergebiet er reichte schon in den letzt»» Tagen die dreifache Höhe gegen früher. RußlanS. * Zur Affäre Poljakow wird aus Petersburg, 21.Marz gemeldet: Der KapitänleutnantPoljakow, der am Freitag dem Marineminister Vortrag ge halten hat, ist wieder nach Elbing adgereist, um seine Mission zu beenden, die in der Ueberwackmng der russischen Torpedoboote auf der Schichau-Werft besteht. — Die Blätter veröffentlichen eine von Poljakow gegebene Darstellung über seine Verhaftuna in Köln. Wenn diese sich bestätigt, so hätte die Kölner Polizei einen schweren Miß griff begangen. In russischen Marinekreisen wie im Ministerium des Aeußern besteht man auf einer exemplarischen Bestrafung der Schuldigen. Selgierr. * Der Nachlaß König Leopolds II. Aus Brüssel 21. März, wird gemeldet: Die Kammer hat das Abkommen der Regierung mit den drei Töchtern König Leopolds II. über den Nachlaß des Königs genehmigt. Sulgarien. « Der Kampf um das parlamentarische Re> gierungssvstem. Aus Sofia, 21. März, wird ge meldet: Die sozialdemokratische Partei und dieAg ra rpa rtei der neugewählten Lobranje haben mit Unterstützung der Radikalen ein neues taktisches Zusammengehen im Parlament gegen die Regierung König Ferdinands abgeschlossen. Unter Ausschaltung der monarchischen Frage be schlossen. „Retsch" zufolge, die Vorstände der drei Par teien im Wege parlamentarischer Obstruktion den Rücktritt der Regierung und die Einführung des parlamentarischen Regierungs- Der gute Name. 38j Roman von Georg Engel. ^'opyrixkl ww >>.v c rvililoi i . m. i>. II. I Noch einmal sah sie sich mit grossen, neu- gierigen Angen nm. Alles war grösser gewor den, gewaltiger, seit ein anderer hier herrschte. Auf dem abschüssigen Terrain, das sich sanft zum Wasser avflachte, lagen auf ihren eisernen bestellen zwei gen'altigc, metallene Schiffs gerippe. Dröhnend klangen die Hämmer der schmiede ans ihrem Inneren heraus, die Zim merleute schnitten singend gewaltige Bohlen ans, nnd ans den rotdurchlohten Hochöfen klang dumpfes Gedröhn. Dort wurden ungeheure Dampfkessel sestgeschweisst, mit dreimal eiserner Wandung, und dort stand auch der Kapitän und feuerte seine Leute zur Arbeit an. Man sah es seinen glühenden Wangen nnd der erhitzten Stirn an, dass er schon stundenlang hier seine Anordnungen erteilte. Marie überwand ein furchtsames Zittern, als sie seiner ansichtig wurde, denn ihre frauen hafte Natur empörte sich dagegen, diesem rück sichtslosen Manne ihr ganzes Unglück zu ent hüllen. Aber schon war cs zu spät. Holstein hatte den anfahrcndcn Wagen erkannt, und im gleichen Augenblick fragte der wachthabende Be amte, der in einem kleinen Häuschen an der Einfahrt fass, nach Mariens Begehr. Die Baronin gab stockend ihre Wünsche an. Neugierig betrachtete der Portier die schöne Frau, über deren Wangen eine flüchtige Röte huschte, nnd schüttelte bedauernd das Haupt. „Ter Herr fft um diese Zeit nicht zu sprechen. Wie ist Ihr Name?" setzte er teilnehmend hinzu, jedoch zu seiner Ueberraschnng eilte sein Ge bieter schon auS der Schmiede heraus und näherte sich rasch den« Wagen. Höflich öffnete ec den Schlag und reichte der Zögernden hilf reich die Land. „Sie bereiten mit eine grosse Freude," be grüßte er sie zuvorkommend und suchte seine Ueberraschnng zu verbergen, aber heimlich legte sich eine niederdrnckende Enttäuschung auf ihn. Also endlich ist doch dieser grandiose Stolz gewichen und sie kommt wahrscheinlich, um für ihren Abzug so viel wie möglich herauszu schlagen? dachte er achselzuckend. He, man soll nichts verschwören auf dieser Welt. Er bot ihr ritterlich den Arm, sic in sein Empfangszimmer zu geleiten, aber die zitternde Fran lehnte es scheu ab. Wieder lies; er einen forschenden Blick über das verhärmte Antlitz schweifen und schritt ihr rasch über die kleine Treppe in den behaglichen Raum voran. „Es scheint ihr doch schwer zu fallen," kal kulierte er im stillen, „merkwürdiges Weib, wirklich." Mit ausgesuchter Liebenswürdigkeit bot er ihr einen Sessel an nnd beschloss, der Aerinsten den widrigen Handel so leicht wie möglich zu machen. Jedoch seine junge Stiefmutter blieb unbeweglich stehen lind hob nur den Schleier ein wenig zur Höhe. „Sie werden sich wundern, mich hier zu sehen," brachte ste in ihrer Herzensangst her vor, nnd in ihrer Stimme lag ein solches Beben, dass selbst der rücksichtslose Mann betreten vor sich hinstarrte. „Aber ich wünsche auch nur eine einzige Frage von Ihnen beantwortet zu haben. Diese Antwort werden Sie mir geben und mich nicht nach dem Grunde fragen. Wollen Sic mir daS versprechen?" Holstein nickte nur nnd blieb betroffen vor ihr stehen. Oie erschreckende Blässe des schönen jungen Weibes crsüllte ihn mit tiesem Mitleid. Marie richtete sich aus nnd stützte sich schwer auf die Lehne eines hocharmigen Stuhles. „Sie werden mir die Wahrheit sagen," sprach sie atemlos weiter, „denn Sie suhlen nichts für uns iina stehen uns fremd gegenüber. Nur in dieser Gewissheit habe ich mich an Sie ge wandt Sagen Sic mir also," rief sie plötzlich leidenschaftlich, „haben Sie —" Die Unglückliche erbebte und sank in den Sessel. Uebergroße Scham hatte die verhängnis volle Frage erstickt. Augenblicklich sprang der Kapitän an ein eichenes Schränkchen und drückte der Kämpfenden ein mit kölnischem Wasser getränktes Tuch in die Hand. Marie lächelte matt. „Ich danke," flüsterte sie leise. „Verzeihen Sie diesen Auftritt — die lange Fahrt — Sie sind sehr gütig," wehrte sie, als der Kapitän darauf bestand, ihr den Mantel abznnehmen. „Aber Sic sehen, mir liegt ettvas an der Frage, die ich an Sie richte." Und von neuem ermannte sie sich und fuhr plötzlich ganz ruhig fort: „Haben Sie meinem Gatten durch Herrn Pilz 500 Mark für allerlei Besorgungen an gewiesen?" So angstvoll und flehend blickte sic ihn an, dass dem erstaunten Holstein das Lächeln über die geringe Höhe der Summe verging, nnd im Augenblick durchzuckte ihn der Gedanke, dass diese elende Lüge die reine Fran von seinem Vater trennen würde. „Sie wollen mir nicht antworten?" flüsterte Marie. Holstein fuhr auf, und sein rascher Geist hatte entschieden. Lächelnd verbeugte er sich vor der Zusammengesunkenen nnd antwortete achtungs- voll: „Sie brauchen sich darüber keine Sorge zu machen, gnädige Frau. Ich habe die angegebene Summe allerdings meinem Vater angewiesen und bedaure nur, dass es nicht Ihren Beifall findet." Er hatte so sicher gesprochen, dass die blasse Frau aufatmete und sich lange und schwer über die Stirn strich. Dann erhob sic sich, und Hol stein bemerkte mit Freude, dass sich ihre Züge erhellt hatten. „Mein Besuch hat damit seine Erledigung gefunden. Ich danke Ihnen, und bitte, mir die Belästigung Nachsehen zu wollen. Leben Sie wohl." Sic neigte gemessen das Haupt und wandte sich zur Tür. Holstein tat einen schnellen Schritt hinter der Enteilenden her. „Und weiter hatten Sie nichts von mir zu fordern?" rief er noch immer zweifelnd. Seine junge Stiefmutter blickte ihn durch ihren Schleier hindurch gross an: „Nein, Gott sei Dank, weiter nichts!" „Leben Sie wohl," sagte Holstein ehrfurchts voll und machte der Abgehenden eine Verbeu gung, wie er sie schwerlich einer Fürstin zu erkannt hätte. Eine Minute später rollte der Weltiner Wa gen unter den Fenstern des kleines Gemaches von dannen. Der Kapitän schlug die Arme untereinander und trat rasch an seinen Gurderobenschrank. Hier musterte er einen Augenblick und griff einen eleganten Leibrock heraus. Zerstreut warf er ihn auf den nächsten Stuhl und begann, sich hastig nmzukleiden. Plötzlich hielt er inne und schlug sich leicht gegen die Stirn. „Und es war doch die albernste Dummheit, die ich jemals begangen," urteilte er bereuend, „wie kam ich dazu, der Frau einige Unannehm lichkeiten ersparen zu wollen? Sie hätte sich sicher noch zur rechten Zeit von meinem famosen Vater zurückgezogen. Aber der Teufel soll so einem Paar verrückter Weiberaugen widerstehen." Er trat an den Spiegel und betrachtete sich lüchtig. „Aber ein ganzes Weib ist eS doch," Prack, er ganz laut vor sich hin, „nur schade, dass ne hier landläufige Sentimentalität sie bei mei nem Vater festhält. Bei dem Alten," lachte er bitter, „der nicht einmal kouraaiert genug ist, um mehr als jämmerliche 50 Mark zu räubern. Pfui Teufel!" Auf der Werft begann die Feierabendglocke zu läuten und erinnerte den Zaudernden, dass er aufbreck-en müsse. Wohin? (Fortsetzung t» der Morgenausgabe.)
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