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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 10.12.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-12-10
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191112109
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19111210
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19111210
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-12
- Tag 1911-12-10
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Monat
1911-12
-
Jahr
1911
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Seltt 2. Nr. S^2. ivs. Islrryamr. unvermeidlichen Au»fchretton-en gegen fremde« Lebe» »nd Eigentum die Ausländer zunt dritten Mal« in« Reich fllhren würden: auch ohne dies« De» fahr würde e« für Puanfchtkat wie für die Koming- lang gletck schwierig, die gerufenen vielster wieder lo« zu werden, wenn sie ihre Arbeit getan hätten. Immer mehr gewinnt man den Eindruck, daß die treioenden Kräfte de» gegenwärtigen Aufruhrs doch nickt in dem Mahr au» dem tiefen Grunde der Vclts- syele kervorströmen, wie «» uns im Anfänge weis, gemacht wurde. Der noch immer nicht ertötete Hag der unterworfenen Chinesen gegen das HerrscbcrvoH der Mandschu ist geschickt für die Zweck« der Urheber ausgenutzt; aber im Grunde handelt es sich durum, daß Puanfchikai wie die Komingtang ihre eigene Rechnung mit der Dynastie zu begleichen hatten. Hier ein abgesagter und über Undank vom Hause Mandschu scheltender Staatsmann, dort wegen po- litilckcr Unzuverlässigkeit von der Peamtenbahn aus geschlossene Akademiker: wie in Rußland, nur aus höheren sozialen Schichten ai» meistens daselbst, was der Bewegung doch «inen wesentlich verschiedenen Anstrich gibt, als der russischen Revolution von 1905. yuanschikaihatseinZielerreichtin voll stem Make. Er steht letzt neben einem ohnmächtigen Schattenkaiser wie di, athenischen Polemarchen vom Nelidenstamme neben den königlichen Thesiden, wie die fränkischen Majore« Domus neben den Mero wingern, di« japanischen Shogun» der verwichenen Jahrhunderte neben dem Mikado. Möglich, das; leine Diplomatenkunst, deren Wirkungen man schon jetzt »I spüren glaubt, im raschen Ermatten der noch von «einem tödlichen Streich« getroffenen Rebellion, in Bälde, durch »eitere militärische Teilerfolge unterstützt, die republikanischen v»r»fstonist«n zu einer Verständigung beredet; veß »in Versuch gemacht wird, die Herren Sunnatso und Genossen ihre persön lichen Fähigkeiten im Dienste einer auf neue Grund- laaen gestellten Monarchie bewähren zu lasten. Tenn daß die große Maste des lhincsischen Volkes nicht mit einem Schlage sich der seit Jahrtausenden an seine religiösen Vorstellungen geknüpften überlieferten Dersastungsform entwöhnen, in eine auf dem ganz anders gearteten amerikanischen Boden erwachsene politisch« Ordnung einlebcn würde, daran ist gar kein Zweifel. Tritt aber diese Wendung ein. dann darf man sich wohl seine eigenen Gedanken machen über den „Zufast", der dem chinesischen Wallenstein einen so gewaltigen Wiederaufstieg aus seiner Demütigung verschafft hat. Sie AriedenSverhandlnngen. Ter „Times" wird aus Peking gedrahtet: Der Hauptabgesandte der Regierung, Tang- schaoyt, näsle in einem Donderzuge nach Lankau, um dort heute mit dem NevolutionSsührer Ltyuan- Heng zusammenzukommen. Tann soll bestimmt wer den, ob die gemeinsamen Beratungen tn Hankau, wie Auanschikai wünscht, oder in S<l?anghai, wie es dle zurzeit in Nanking versammelten Vertreter der Pro vinzen vorziehen würden, geführt werden sollen. Doch ob e« Schanghai ist oder Hankau, die Be ratung ivird jedenfalls stattfinden. Ter Vertreter der Times" erklärt sich überzeugt, das, dte Regie rung aufrichtig Ken Frieden wünscht , und zu großherzigen Zugeständnissen bereit ist. Veld für Vie Aufständische«. Dem „New Aork Herold" wird auS Schanghai berichtet: Tie Aufständischen Haden bei der chinesischen HandelSdampferschtffahrtS-Gesell- schast eine halbe Million Tael» ausaenommen. Um da» Geld zu beschaffen, hat die Aieseilschoft ihre Dampfer bei den auSlänotscl)en Banken für eine Million Tael» verpfändet. Kanton hat außer 10 000 TaclS, die eS bereits geliefert, den !Lufständisck>en weitere 100 000 Tael« zur Ver teilung unter ihre Verivundeten gesandt. Die Frage der Schiestbedarsllrferung. London, 9. Tezember. (Eigene Trabkineldung.) Ter deutsche Konsul in Schanghai erklärt da« Gerücht für unwahr, daß deutsche Häuser den Regierungstriippen Seb test bedarf liefern. Leipziger Tageblatt. Di« Chinesen baden mehrere deutsche Häuser boykottiert, und einige bedeutende Firmen sehen sich gezwungen, die Gehälter ihrer Angestellten aus die Halste zu oerintndern. Di« A«t»oomi, de« Nordmongolet. O Petersburg, S. Dezember. (Etg. Drahtmelb.) Au« Peking wird gemeldet, Satz sich di« Nord- mongoletautonom erklärt habe, dagegen haben sich die südmongolischen Für st en erbötig gemacht, zur Verteidigung der Dynastie 25 000 Mann zu stellen. Der Krieg um Tripolis. Die Kchwierigirr.trn des Wüstenkriegr« Für den Wüstenkricg, den die Italiener in Tripolis rorhaben, wird es in erster Linie nicht sowohl aus die Eignung des Feldsoldaten ankommen, sondern daraus, wie weit es ihnen gelingt, die außerordentlich umfangreichen Trans porte^ die zur Kriegssühruug notwendig sind, regeimätzig, schnell und sicher nachzujchieben. Und das wird keine geringen Schwierigkeiten machen. Schon die Beförderung der Artillerie und ihrer Munition ist ein sehr stachliges Problem. Ist es doch schier unmöglich, eine Kanone durch die Sahara vorwärts zu rollen, wo es bald gilt, regelloses Fels» wirrsal und Stetngeröst zu überwinden, bald di« Räder bi» zur Rabe in den Flugsand einsinken. Wahrscheinlich wird man daher im allgemeinen auf di» Mitsührung eine» irgend erheblichen Artillerie parke» verzichten müssen. Danz undenkbar aber ist es, den weiteren Kriegsbedarf aus Wagen zu setzen. Wie gewaltig der sein wird, lehrt die Ueberlegung, daß die vorrückenden Truppen im Land« selbst schlechthin nichts finden werden. Trink- wasser für Mensch und Vieh, Proviant und Futter, der ganz« Sanitatsbedarf, aste Munition, die Zelte, ja selbst das Brenn holz wird aus den Rücken der Saumtiere zu ver laden sein. Alles wird demnach davon abljängen, wie weit es den Italienern gelingt, sich brauchbar« Saumtiere in hinreichenden Mengen zu verschaffen. Und da ist von vornherein zu sogen, daß die Aus sichten dafür die denkbar schlechtesten sind. Das einzige Transportmittel der groben Wüste ist bekanntlich da, Kamel, und zwar dl« in Afrika heimische Art, da» einhöckerige Dromedar. Di« Italiener dürften im allgemeinen daraus angewiesen sein, Kamele in Tunt, und Aegypten «tnzu- kaufen, und sie werden sich dabei, angesicht» de» starken islamischen Solidaritätsgefüyl», noch Mittels männer bedienen müssen. Da» wie die Transport kosten wird ihnen den Zug ins Innere sehr ver teuern. Und vor allen Dingen bekommen sie nicht di« hochgezüchteten, an da» Land gewöhnten Tiere der Tuareg und Tibbu, sondern au» fremden Ver hältnissen herstammende Durchschnittstiere, war sie von vornherein in schweren Nachteil letzt. Ein anderer Nachteil ist selbstverständlich: während sich die europäischen Truppen höchsten« ein mal auf Stunden von ihren Transporten trennen können, so wett sie diese dadurch nicht der Gefahr des Ueberfalls und der Vernichtung aussetzen, sind di« Wüstenkrieger bet ihrer unglaublichen Genüg samkeit und ihrer außerordentlich weitgehenden Anpassung an dte heimische Natur von irgendwelchen Transporten ganz unabhängig. Und so haben sie aus ihren edlen berberischen Pferden, di« unvergleichlich genügsamer al» dte europäischen sind, vor allem, aber auf ihren blitzschnellen Reit kamelen, gegen di« das beste Pferd auf die Dauer versagt, gegenüber dem mühsam norwärtvschleichen- den Heereszug des Feindes den Vorzug ein«r drei- bis viermal so großen D«weglichkeit. Denn während ein gutes Lastkamel bei einer Beladung bis zu drei Zentnern am Tage höchstens 40 Kilometer zurücklegt, wobei es alle sechs bis acht Tage unbedingt eine» Ruhetages benötigt, legt das Reitkamel an einem Tage bi» zu 140 Kilometern zurück, und kann, richtig gehalten, solche Strapazen drei bis vier Tage hinter einander vertragen. Da» gibt den Herumschweisen den Scharen der braunen Krieger ein ungeheure. Uebergewtcht, da, die Franzosen oft genug zu kosten bekommen haben. Endlich kommt noch hinzu, daß gerade die Feinde der Italiener tn der Sahara, di« Tuareg und Itbb», über die vorzüglichsten Kamele verfügen. Nachtigal findet de» Rühmens der Ti«re der Tibbu kein Ende. Gleichwohl sieht er sich zu der Bemerkung gezwungen, er hab« später eingesehen, daß die Tuareg kund einige Stämme der arabischen Wüste) noch bester« Reitkamele züchten. Für den jetzigen Krieg kommt aber noch etwas anderes in Betracht. Für die Italiener muß «, sich tn erster Linie darum handeln, die natürlichen Festungen des Hinterlande«, die steilen Bergländer Ttbeltts und der anderen Oasen südöstlich von Tripolis zu forcieren. Hier wird das nicht dieses Gelände gewöhnte Kamel ganz unverwendbar, während, nach Nachtigal, erstaunlich ist, mit welcher Leichtigkeit und Sicherheit die einheimischen Tiere in ihren Bergen umhcrklettern. Für dieses Gelände kommen auch die sonst brauchbaren Esel nicht in Betracht, weil sie bei aller sonstiger Genügsamkeit außerordentlich wählerisch im Wasser sind. Man könnte am «l-csten noch an Maultiere denken, die fa fast so genügsam wie die Kamele, sehr aus dauernd, aut« Lasttiere und gute Berggeher sind. Da sich aber das Maultier im Innern der Sahara nirgends eingeführt hat, während es überall am Nord- und Ostrande der Wüste nicht nur gekannt, sondern auch außerordentlich hoch bewertet wird, so mästen öffenbar in den klimatischen Verhältnissen der Wüste uns unbekannte Bedingungen vorhanden sein, die dem Maultiere abträglich sind. Faßt man da» alles zusammen; nimmt man hinzu, daß die italienischen Soldaten selbstverständlich von der lehr schwierigen Behandlung der Kamele nichts verstehen, während erfahrene, einheimische Treiber kaum zu haben sein werden: dann muß man zu dem Urteil kommen, daß es kaum einen weniger beneidenswerten Posten als den geben kann, Ehef des Trains bei der italienischen Inoasionearmee in Tripoli» zu sein. * Urber dir Scharmützel bei Tripolis liegt folgende Meldung vor: Eine Abteilung Kavallerie, dt« über vir- to brak htnau» «in« Erkundung vornahm, traf auf eine klein« Karawane, di« von bewaffneten Arabern beglelt«t war. Die Abteilung griff die Araber an, verwundet« mehrere und zerstreute die übrigen. E» wurde festgestestt, daß dte Oase bi» zum Kap Tagtnra vollständig vom Feind« grränmt ist. Sin türkisch«, Dementi Da» türkisch« Kriegsministerium hat von dem Kommandanten der trtpolitantschen Streitkräfte Nesched v«i «in Telegramm erhalten, in dem die von italienischer Seit, erhoben« Anschuldigung, daß di« Türken LI italienisch« Soldaten lebend begraben und italienisch« Gefangen« getötet hätten, ent schieden zurllckg»wt«sen wird. Di« vag« t» Lyrrnaika. Derna, g. Dezember. (^Agenzia Stefans".) Drei italienisch« Bataillone mit einer D«btrg»batt«rie rekognoszierten gestern in südwestlicher Richtung und trafen bald mehrer, von berittenen Offizieren ge führte B«dntnengr»pp«n, dt« auf dt« Ita liener feuerten, aber sich der Umzingelung durch di« Flucht entzogen. Di« italienischen Batail- lone verfolgten sie b Kilometer und zerstörten zw«i Rethen feindlicher Verschanzungen. Dt« Italiener hatten zw«i Tob?. Derna, 0. Dezember. s^Agenzia Stefani.*) Auf altern vorgenommenen Erkundungszügen wurde testgestellt, daß die Türken und Arader sich noch weiter noch Süden zurückgezogen haben. Sonmsy, 10. Dezember lSN. Tobruk, S. Dezember. („Ngenzia Stefant.*) Der italienisch« Torpedobootszerstörer „Bersagliert" hat in der Nacht zum 1. Dezember zwei hier «ingetrosfen« türkisch« Segler genommen, deren Be satzungen nach Italien geschickt wurden. Benghasi, 9. Dezember. sEia. Drahtmeld.) Gestern nachmittag stieß eine Kavallenepatrontlle auf einige Abteilungen Araber, von denen sie einig« tö tete und die anderen vertrieb. Di« Patrouille hatte «inen Leichtverwundeten. Die Lag« ist un verändert. Neue Unruhen in Tuui». Marseille, 9. Dezember. (Ecg. Drahtmeld.) Die Zeitung „Petit Marseille" erfährt aus Tunt»: Täglich kommt es zu Streitigkeiten zwischen tripolita- nischen Arbeitern und Italienern, so daß die Lage für die Europäer beunruhigend ist. Ein In genieur ist 24 Stunden widerrechtl.ch gefangengehatten worden. In Ksar Mezonar Haven 200 Zuaven und Polizeibeamte das Lager der tripolitani'chrn Ar beiter, in dem viele Gewehre, Revolver und Dolche gefunden wurden, umstellt. 235 Tripolitaner sind ins Gefängnis gebracht worden, alle anderen sollen an die Grenze gebracht werden. Kutzlsnü unü Persien. Persien kommt, wie aus Teheran gemeldet wird, zu keiner Entscl-eidung. Sadar Assad rät, ein Ministerium mit weitgehenden Vollmachten zn bilden und das Parlament nach Hause zu schicken. TaS Kabinett soll mit dem Regenten zusammen die Frage des russischen Ultimatums von neuem aufrollen und lösen. Tas Parla ment, welches furchtet, das kalnnetl werde Ru.,laues Wünsche erfüllen, will deshalb in den Schluf; nicht einwilligen. Tie Mutelpartei ist zu den Lcniolralen übergegäugen, so daß diese jetzt die Mehrheit haben. Sre verlangen ein demokratische» Kabinett. Es finden keine össentlich>en Parlcunentssipuugen mehr statt, es wird vielmehr hinter verschlosteneu Türen verhandelt, daher sind die Nachrichten nicht ofsiziell. Tagegen durste nach einer später eingeganxze:cn Reuterfchen Meldung doch mehr der Wunsch ver breitet sein, mit Rußland bald zu einer Verständi gung zu kommen. In diesem Sinne heißt eS: London, 9. Dez. (Eig. Drahtm.) Die persische Regierung hat die Ernennung LacossreS zum Mitarbeiter im Finanzministerium widerru fen und damit eine der russischen Forde rungen erfüllt. Ferner have Persien sich bereit erklärt, in freundschaftliche Unterhand lung mit Rußland über die übrigen russischen Forderungen einzutceten, eS sei aber nicht in der Lage, die Notwendigkeit anzuerkennen, die Frage der zukünftigen Ernennungen fremder Beiräte England und Rußland zu überweisen. Persien gibt der Hoffnung und dem Wu»sä>c Aus druck, daß der gegenwärtigen unbefriedigenden Lage dadnrch ein Ende bereitet werden möge, daß auf diesen Punkt nicht gedrungen werde. Borkehru».gea zur Abwehr. TäbriS, d. Tez. (Petersburger Telcgrcrphenagen- tur.) Tie Fidai begannen, tue Zitadelle von Täbris zu befestigen und Proviantvorräte anzusammeln. Ter Endfchumen behauptet, Depeschen auS Teheran besagen, daß der standhafteste Wider stand in Täbris notwendig sei, um die Russen zu' zwingen, die Forderungen herabzu setzen bzw. völlia zurückzuziehen. Tie Fidai sam meln unter der friedlicksen Bevölkerung Unter schriften für ein Telegramm, in dem der tür-, ktsche Sultan um die Entsendung von Truppen nach Täbris gebeten wird. Ein russisches De tachement ist tn Hoi eingetroffen. Weiter wird gemeldet: London, 9. Dezember. (Eig. Drahtmeld.) In hiesigen diplomatischen Kreisen verlautet, daß Ruh- land an seinen Forderungen gegenüber der persisck)«n Regierung fest halt en werde. Dor allem jedoch würde Rußland auf dt« Entlassung Shustera Zn üen rviiümtten Lrsllltens. Unter diesem Titel ist in den letzten Tagen im Berlage von R. Voigtläudcr, Leipzig, ein Werk er schienen, da- zum Verfasser Herrn Tr. Fritz Krause, Tirettorialasjistent am Museum für Völkerkunde, hat. Dies Buch dürfte in be sonderem Maße das Interesse unserer Stadt in An spruch nehmen, nicht allein, weil eS von einem Mitbürger geschrieben worden ist, sondern auch, weil in ihm die Ergebnisse einer Forschung-erpe- dttlon niedergeleqt sind, die im Jahre 1908 09 au» Mitteln unserer Stadt, privaten und städtisch», ausgerüstet wurde. Tiefer Erpedi- tion kommt insoiern besondere Bedeutung zu, als mit ihr zum ersten Male die Stadt Leipzig, dte ein großes Bülkermuseum ihr eigen nennt, die Pflege der Forschung und Wissenschaft in dieser Rici>- tung in die Hand nahm. Leipzig hat damit einen Schritt getan, der es in die Reine mit anderen deut schen Großstädten unserer Zeit stellt, an deren Spitz« als leuchtendes Beispiel un>ere Reichshauptstadt Ber lin steht. Unverkennbar Hot diese Beioegung, F-or- schungsexpeditioi.en auSzurüsien und zu unterstützen, in den letzten Jahren auch andere dcuts.che Städte ergriffen, beispielsrveise Hamburg, Lübeck, Bremen und auch TreSden. Diese Expeditionen standen viel fach tm Ttenstc der Völkerkunde, dieser jungen Diszi plin von der Kulturlebre der gesamten Menschheit. Nachdem tm Laufe der letzten Jahre daS hiesige städtische Museum f ü rr Völkerkunde sich aus einem mittleren Institut seiner Art zur zweit größten Prlegstätte der Völkerkunde in Tcntscblaud entwickelt hat — nur der Riese Berlin ist ihm dank besonderer günstiger Umstände noch weit überlegen — nnd alle Anzei-chcn dafür vorhanden sind, daß die nächsten Jahre neck einen sehr beachtenswerten und schnellen weiteren Ausbau bringen werden, wurde cS eine unabweisbare Pflicht, wenn unsere Stadt, wie cS vor ihr schon andere Städte taten, auch die Ausrüstung eigener Expeditionen al» ein gegebenes Mittel verwandten, unser Pölkermuseum ^n seiner jetzigen Stellung zu erhalten und e- weiter zu fördern. Tazu birgt unsere Stadt bereit» eine kleine Anzahl von Männern, die au» privaten Mitteln oder aus anderem Wege im Tienste der Völkerkunde und unseres Institute» al» Forschungsreiseude tätig waren. Als solcher ist an erster Stelle Herr Gebeim- rat Proiefsor Tr. Haus Mever zu nennen, fer ner sein Bruder, Herr Konsul Tr. Hermann Meyer, von dem wissenschaftlichen Grabe unsere« Museum» selbst find außer Herrn Tr. Krause noch Hwn andere Herren bereit» in diesem Ginne tätig ge wesen. Professor Tr. Neu le, der Direktor ume- reS Völkermnseum», machte im Jahre 1906/07 den Anfang durch seine bekannte Forschungsreise nach dem südlichen Teutsch-Ost-?sirikä, deren Ergebnisse in zwei Werten niedergrlegt wurden: „Wisicnschafi- liche Ergebnisse meiner ethnographischen Fori mngs- reise tn den Süden Teutsch-Ost-AfrikaS", Berlin 1808 (Mittler L Sohn), und „Neaerleben tn Deutsch- Vst-Afrikö", Leipzig 1908 (F. s vrockhau»), von »««» la das letzter« t« wette Lolk»kretse drang. Während der Jahr« 1909/10 nahm der Assistent am Museum, Tr. Sarfert, an der großen Hain burger Südsee-Lxpedition durch unseren deutschen Kolonialbesitz in der Südsee, die Karolinen und den DiSinarck-Archipcl teil, wovon die Publikationen noch zu erwarten sind. Von Herrn Geheimrat Mever, zugleich auch von Professor Weule, ging übrigen» auch aus dem »weiten Deutschen Kolonialkongreß 1905 die auf fruchtbaren Boden gefallene Anregung aus. in systematischer Weise unfern speziellen deutschen Kolonialbesitz in den verschedenen rn Betracht kommenden MlsinSzweigen zu erschließen. Ti« Expedition von Professor Weut« war seinerzeit dte erste tn dem Dienste dieser neuen systematisch rveitergeführten Bewegung. Wie man hieraus ersehen kann, hat Leipzig tn der jüngsten Zeit eine ganze Reihe von Kräften gestellt, dte draußen im lebendigen Forschungsgebiet sich frucht bar betätigt baden und der Ehre unserer Stadt in dieser Hinsicht dienten. Wollen wir der Hoffnung Ausdruck geben, daß dem auch weiter so sein wird, und daß unsere Stadt selbst auch sürderyin dazu bei trägt. ES besteht ja kein Zweitel, daß aus diese Weis« nuferem städtisnrn Völkermuseum und damit der Völ kerkunde als Wissenschaft am besten gedient wird. Nicht bloß wird dadurch daS wissenschaftltck)« Mate rial tn der billigsten Art und tn größter Vollständig- kcit diesem Institut zugeführt, eS erfahren damit auch die tvisienschastilchen Kräfte diese« Institutes die zweckmäßigste und weitgehendste Ausbildung und Schulung. Mlt Recht betont die genannten Glicht«- punkte Tr. Krause auch in den curlettenden Worten zu seinem Werke. DaS Werk selbst zeichnet sich durch seinen Um fang von 511 Seiten und durch seine gut gelungene Ausstattung mit nicht weniger als 517 Tertavbil- düngen, 337 photograplnsck'en Abbildungen und 2 Karten al» ein Buch von großem Fleiß, syste matischer Bebaudlung deS Stoffes und außerordent licher Reichhaltigkeit au». Neber den Verlauf und die Tätigkeit der Erpedision brachten, wie erinnerlich sein wird, seinerzeit hiesige Tageszeitungen aus- fübrlick)« Berichte an der Hand der Briefe, die im Museum von Tr. Krause e,»gingen, so daß eS sich erübrigen wird, auf die Einzelheiten der Expedition näher einzugehen. Ta« Arbeitsfeld war das zentrale Südamerika, und zwar da« mittlere Flußgebiet de« Araguava etwa vom 14 —7. »rad süvlicver Breite, in dem die Indianerstämme der Karaja, Kabavo und Sckmvaje wohnen. Ter Araguaya ist der mächtigste Nebenfluß de« Tokantin«, mit dem vereint er von Süden her in den tzauptstrom Südamerika«, den Amazona«, und zwar nahe in dessen Mündungs gebiet fick ergießt. Er liegt eingebettet in ein riesige« Hochplateau von 400—500 Meter Höhe, da» im Osten au» Gnei«, im Westen an» Sandstein be steht, zum Teil von vulkanischen Gesteinen durch- brocken wird und dem im Osten außerdem Urgcbirge ausgesetzt sind. ES ist das der Ausläufer des großen, durch seine Trockenheit berüchtigten oftbrasilianischen Hochlande«. Aus der Landkarte macht sich der Ara- auaya wie andere Ströme Südamerika« nur wenig bervorsteck-end geltend: dabei ist er ein mächtiger Strom, der in seiner Brette in dem von Dr. Krause reretsien Gebiet zwischen 400 und über 1000 Meter chwankt. D«r Fluß schlängelt sicu tn seinem Bett n unglaublichen und sehr veränderlichen Serpen tinen dahin und »ourde von der Expedition auf eine Entfernung von etwa 1000 Kilometer tn kleinen Booten befahren. Tas Flußbett ist markiert durch 6—8 Meter hohe Steilufer, die von dem Wasser in der Regenzeit fast auSgefüllt werken; darüber hinaus dehnt stck dann dte Flußedene, dte etwa die Breit, von 130 Kilometer erricht, ebe sie zur eigentlichen Plateauebene ansteigt. Diese Flußebene, ein trockene« Steppenland mit Wald und Baum beständen nur »n ausgedehnten SO rupfen nnd sumpfigen Queklgebieten. belebt von Jaguar, Ta pir, Rehen und Straußen und reicher Bogelwelt, wird tn Hochwasserszetten, die etwa alle 14 Jahre etntreten, weithin zu einem Binnenmeere über schwemmt, vor dem sich Menschen und Tiere aus die höchsten Stellen der Ebene flüchten müssen. Tas eigentliche Flußbett, das in der Trockenzeit vom Wasler nicht ganz auSgefüllt wird, tst mit üppigem Sumpfurwald bewachsen, der durch sein dichte« Unterbolz und die Unmenge von Schlingpflanzen, sowie durch Wasserläufe und Sümpfe fast undurch dringlich ist und seinerseits von Wildschweinen, Wassersclpveinen und Affen belebt wird. TieS For schungsgebiet hatte dte Expedition aus einem äugerst langen Anmarsch erst zu erreichen, von Lao Paulo ab durch eine 879 Kilometer lange Bahnfahrt bi« zum Endpunkt der Bahn, Araguary, von da durch einen über 700 Kilometer langen Landweg bi« Leo poldina, der mit einer Maultterkarawane zurück gelegt werden mußt«. Dieser lange Anmarsch schon vot reichlich Gelegenheit zu Beobachtungen aller Art, des Landschaftsbildes, der Bevölkerung und des Lebens. Ter am weitesten vorgeschobene Bra silianerposten ist das Städtchen Leopoldina, bereits am Araguaya gelegen, dessen Bewohner sich an scheinend nicht gerade besonderer Kulturtätigkeit er freut. Kürz charakterisiert Tr. Krause ihre Beschäf tigung damit, daß sie nur in Rauchen, Schwatzen und Spucken besteht. Ten Araguava abwärt-5 herrscht jetzt bereits ein geringer Handelsverkehr, da von Leopoldina aus da- etwa 1000 Kilometer weiter abwärts gelegene Eonceieao mit Lebensmitteln mit versorgt werden muß. Diese Stadt der Kautschuk händler ist in seiner plötzlichen Entstehung und roscl^er TreibhciuSblüte ein typischer Ort, wie solche die neue Welt vielfach hervorgebracht hat. Erst 1896/97 al« Missionsstation gegrnnder, ist sie fetzt bereits zu einer vorübergehenden Zentrale des Kaut schukhandel« mit einer Bevölkerung von etwa 10 000 Seelen geworden, dte zum großen Teil tn den Wäl dern verstreut ist. Die Glnaeborenn, de« berührten Flußgebiete« sind zum ersten Male von einem wissenschaftlichen ForschungSreisenden im Jahre 1888 besucht worden, von dem Amerikanisten Tr. Ebrenreich in Berlin, der im Anschluß an die zweite lingu-Erpedition eine flüchtige Fahrt den Araguaya abioärtS unternahm. Yon Ackerbau (besonder« aus Mandioka), zumal von Fischfang lebend, haben sie ihre wenig dauernden, zahlreichen Giedelungen aus den häufigen Sand- dLnken de« Araguaya aufgefchlage». Ein bisher noch von keinem Europäer besuchtes Vvkk sind die Schavafe im Innern der 330 Kilometer langen Insel Bananal, die von zwei Armen des Araguaya gebildet wird; von ihnen, dte Tr. Krause durch einen Landmarsch erreichte, erfahren wir durch das Werk die ersten Nachrichten. Ebenso besuchte er als erster Forsä>er den Jndtanerstamm der Kayapo, den er von Con- ccicao aus erreichte. Zu einem der interessantesten Kapitel zählt der Bericht über den Vorstoß zu den Tapirape-Jndianern. Es war da« bis dahm ein nur dem Namen nach bekannter Jndianerstamm, der nach den vorhandenen Nachrichten seine Heimat am Oberlauf de« Tapirapeslusie» haben sollte. Tiefer Fluß selbst tst noch von keinem Europäer befahren worden. Sein Mündungsgebiet schien breit genug, um da« Vordringen zu Wasser bis an da« Ziel möglich zu machen. Diese Vermutung stellte sich aber al« unrichtig heraus. Zwar glückte e? Herrn Tr. Krause, 240 Kilometer weit auf dem Flusse vorzu dringen, doch war das nur unter außerordentlichen -Schivterigkciten möattch. Tiefe boten die zahlreichen Baumhindernisse, die bald den Fluß versperrten und beiseite geräumt, und dte besonderen Wasserverhält nisse und vielfachen Sandbänke des Flusse«, über die stet« tn harter Arbeit die Boote geschoben werden mußten. Nicht weniger al« 14 Kilometer wurden auf die letztere Weise zurückgel-'gt. Ueberall fand man zahlreiche Indtanerspuren de« unbekannten Stammes, nirgend» bekam man diese selbst aber zu Gesicht, so daß e« stck al« nötig eriisie«, al« der Fluß kein BorwärtSkommen mehr ermöglichte, auf dem Landwege weiter vorzudringen. Tr. krause unternahm so zwei Vorstöße über daS trockene und unwegsame Eamp Zentralbrasiliens mit seinen spitzen und scharfen Gräsern, die Schuhiverk und Füße zer schneiden und verletzen, mit dem Erfolg, daß er auf drei verlassene Törser des unbekannten Volkes stieß. Damit ergab sich, daß daS Volk einen Wechsel seiner Heimat, seiner Fisch- und Jagdplätze vorgeuoinmcn hatte, und zwar infolge ständiger verlustreicher Reibe reien mit den Indianersiämmen des Araguaya; zwar boten sich einzelne Anhaltspunkte, wo wahrscheinlich die neuen Wohnsitze des Stammes sich finden, doch abgesehen von der nicht vorgesehenen großen Ent fernung verbot sick ein weiteres Suchen danach schon von selbst, da da« vollständige Fehlen von Wasser auf dem Eamv die kleine Karawane mit großen Eristenzgefahren bedrohte. Recht vorteilhaft erscheint die Zweiteilung deS Werkes in einen Reisebericht und wissenschaftliche Ergebnisse. Dadurch wird daS Werk den Inter essen der verschiedenen Leser gerecht, mag er nun ein Ethnologe sein, den besonder« die Kulturschtl- derung de« zweiten Teile» angehen wird, »der mag er ein Laie sein, dem der Reisebericht mit seiner Schilderung der LxpedltionStechnik de« fernen Lande« und der Eingeborenen eine Fülle von Anregungen gibt. Ein Teil der ErpeditionSergebnisse ist, wie noch nachzutragen ist, in einem Sonderheft deS „Baeßler-Archivs" Band 2 Heft 1, 1911) unter dem Titel: „Tie Kunst der Karaja-Jndianer" be sonder« erschienen. —t.
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