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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 26.08.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-08-26
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110826025
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911082602
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911082602
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-08
- Tag 1911-08-26
-
Monat
1911-08
-
Jahr
1911
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Mit der am Donerstag erfolgten Präsidenten wahl ist die Etablierung Portugals als Republik vollendet worden. Allgemein herrscht die Ansicht vor, das; das Land sich zu der Wahl Arriagas gratu lieren kann, da der neue Staatschef schon lange das Vertrauen werter Kreise genossen hat. Seit dem 5. Oktober vorigen Jahres lag die provisorische Leitung der Regierung in den Händen Theophilo Bragas. Dieser hatte damals nach dem Sturze des Königtums keine leichte Auf gabe übernommen, denn eine Verwirrung ohne gleichen herrschte in Lissabon. Dem ersten Enthusias mus über die Wendung der Dinge folgte bald eine Ernüchterung, die für die Regierung grosse Gefahren barg. Einen nicht geringen Teil dieser Enttäuschung hatte die Regierung selbst verschuldet, denn diese liess in schneller Aufeinanderfolge eine Masse von Gesehen entstehen, die sehr oberflächlich vorbereitet waren und zum Teil, wie dasjenige über die Miet verhältnisse, die besitzenden Klassen vor den Kopf stiessen. Das Ehescheidungsgesetz erregte in vielen Kreisen Aergernis, ebenso das dem Volke zuerkannte, später aber wieder genommene Streikrecht. Fort dauernde Unruhen, die bald aus diesem, bald aus jenem Grunde ausbrachen, beeinträchtigten in hohem Masse die innere Gesundung des Landes. Dazu kam noch, das; namentlich in der Provinz royalistische Umtriebe entstanden, die sich selbst bis in die Armee und die Marine erstreckten. Unter der provisorischen Regierung hat das Wahl recht eine bedeutende Erweiterung erfahren, auch dem gemeinen Soldaten, wenn er nur des Lesens kundig ist, ward eine Stimme zugeteilt. Am 19. Juni trat in Lissabon die konstituierende Natio nalversammlung zusammen, deren erste Hand lung die Proklamierung der Republik war. Die neue Verfassung wurde eingehend beraten und vor acht Tagen endgültig angenommen, so dass es nur noch der Präsidentenwahl bedurfte, um den Ueber- gang in die neuen Verhältnisse zu vollenden, was, wie schon gesagt, nunmehr geschehen ist. Damit wird auch die Anerkennung der Republik durch diejenigen Mächte, die mit diesem Schritt noch gezögert haben, akut. Zu letzteren gehört Deutsch land, das erst die definitive Ordnung der staats rechtlichen Verhältnisse in Portugal abwarten wollte. Kürzlich wurde gemeldet, die Anerkennung werde erst erfolgen, wenn die oon der deutschen Regierung in Lissabon erhobenen Reklamationen wegen der aus den portugiesischen Kolonien ausgewiescnen deutschen Missionen erledigt worden seien. Sobald diese Ange legenheit geregelt ist, wird auch die deutsche Regie rung der Republik Portugal die Anerkennung nicht mehr versagen können. Marokko. Die Darstellung französischer Blätter, wonach ein durch den Botschafter Lamdon nach Berlin zu überbringender Vertragsentwurf von Deutsch land ohne Abänderung angenommen werden müsse, ist selbstverständlich unrichtig. Die französische Regierung stellt vielmehr einen Ent wurf auf, von dem sie wünscht, dass er in Berlin als Grundlage weiterer Verhandlungen nicht zurückgc- wiesen werden möge. Es wird in unterrichteten deutschen und französischen Kreisen angenommen, dass dieser Entwurf nichts enthält, was seine Ablehnung ä livtino zur Folge haben würde. Wie die offiziöse „Wiener Allgemeine Zeitung" von informierter Seite erfährt, soll der Schwer punkt der Verhandlungen in der Maroklofrage darin liegen, die beste For m zu finden, in der Deutschland die Rechte, die Frankreich in Marokko geltend mach:, anerkennen soll. Die französische Regierung legt das Hauptgewicht auf eine Erklärung, die Deutschland abgeben sott, wodurch die Wiederaufnahme der Marokkofrage ein für allemal unmöglich gemacht wird. Im einzelnen wird von Paris noch folgendes gedrahtet: Paris, 26. August. (Eig. Drahtmeldung.) Der „Temps", das Organ des Herrn Tardien, der zwar über gute Beziehungen zu den augenblicklichen Macht habern an der Seine verfügt, aber nicht immer als ihr unbedingtes Sprachrohr zu gelten hat, weis; über die Verhandlungen des gestrigen Ministerrats, der sich ausschliesslich mit der Marokkosrage beschäftigte, folgendes mitzutcilen: Die neuen Instruk tionen. die Botschafter Cambon nach Berlin mit nimmt, sind dazu bestimmt, den Standpunkt Frankreichs genau zu präzisieren, und Deutschland zur Kenntnis gelangen zu lassen, was wir ihm im Austausch gegen volle und ganze Aktio n s freiyeit in Marokko ge währen können. Wie es heisst, ist Deutschland bereit, sich politisch völlig uninteressiert in Marokko zu er klären (?) und sogar bis zur Anerkennung eines fran- zvinchen Protektorats l?) zu gehen. Dieses Zu geständnis scheint durch das Verlangen nach wirt- chaftlichen Garantien und durch Ansprüche auf an- ehnliche Gebiete im Kongo eingeschränkt zu sein. Es ist kaum möglich, vor der Rückkehr Lambons nach Berlin und der Wiederaufnahme der Verhand lungen, die nicht vor dem 1. September stattfinden dürften, vorauszusehen, innerhalb welcher Grenzen sich ein Ausgleich vollziehen kann. Die Abreise Cambons, der infolge der aufregenden Verhand lungen leicht erkrankt war, ist auf Montag oder Dienstag festgesetzt. In einem Leitartikel, der die Frage der Kom pensationen behandelt, weist der „Temps" dar auf hin, dass Deutschland bereits durch den Vertrag von 1909 sich der politischen Be tätigung in Marokko begeben habe, und daher kein neues Opfer bringe, wenn es jetzt Garan tien auf wirtschaftlichem Gebiete erhalte. Frank reich dürfe in den Kompensationen nicht mehr weitergehen, als was cs bereits geboten habe, selbst wenn Deutschland Gebietsabtretungen in Kamerun in die Wagschale zu werfen gewillt sei. Oie Lerttner unü üer englische Transpartarbeiterltrejk. Die „Daily Mail" hat die Behauptung aufge stellt, dass das Hauptquartier der Leitung des englischen Transportarbeiterstreiks sich in Berlin befunden habe. Diese Konstatierung ist nur bedingungsweise richtig. Ueder den authentischen Zusammenhang teilt die „Presszentrale" folgen des mit: .... Vor Ausbruch des Streiks wurde der 1. Prästdent der „Internationalen Föderation der Transport arbeiter", Herr Jochade, über die von den eng lischen Arbeiterführern getroffenen Dispositionen in formiert. Der Vorstand der Föderation, der sich seit ItiOl in Deutschland befindet, nahm diese Mel dung zur Kenntnis, ohne seinerseits Anordnungen zu erteilen, da der Vorstand nur eingreift, wenn ein Streik international wird. d. h. wenn die Transport arbeiter eines Landes die Unterstützung ihrer aus ländischen Kollegen erbitten. Dieser Fall wäre bei nahe eingetrcten. In dem kritischsten Moment hatten die Engländer in Berlin den Antrag gestellt, den internationalen Boykott über die eng lischen Schiffe zu verhängen. In diesem Falle hätte das Präsidium der Internationalen Föderation in Berlin die Streikleitung übernommen und die Ver handlungen mit den Arbeitgebern hätten satzungs gemäss von Berlin aus geführt werden müssen. — Dies sind die Vorgänge, die der englische Arbeiter führer Tom Mann in leiner vielbesprochener Liver pooler Rede erwähnte, in der erbetonte, dass nötigen falls das internationale Präsidium der Föderation, die 600 000 Arbeiter umfasst, eingreifen wurde. Weiter erfährt die zitierte Korrespondenz über die Gründe, die das Präsidium der Internationalen Föderation der Transportarbeiter veranlasst hat, nicht den von englischer Arbeiterscite gewünschten internationalen Boykott über die englische Schiffahrt zu verhängen, folgendes: In letzter Stunde ver ständigten die englischen Arbeiterführer das Präsi dium in Berlin davon, dass von dem geplanten inter nationalen Boykott abzusehen sei. Inzwischen hatte nämlich die englische Regierung ihre Friedensaktion eingeleitet und eine starke Pres sion sowohl auf Arbeitgeber als auch auf Arbeiter ausgeübt, um die Beilegung des Streiks zu erzwingen. Die Regierungsvertreter haben in der entscheidenden Sitzung einen warmen Appell an den Patriotismus der streitenden Parteien gerichtet und dabei unver hüllt auf die internationale politische Situation hingewiesen. — PMMe Nachrichten. Ueberführung des Bremer Spio.rs nach Leipzig. Leipzig, 26. Aua. (Eig. Drahtm.) Der Reichs anwalthat entschieden, dass die weitere Unt er- suchung des in Bremen wegen Spionage verhaf teten englischen Rechtsanwalts Bertrand Stewart oon Leipzig aus geführt werden soll. Die lieber- führuirg Les Verhafteten nach Leipzig wird bereits in den nächsten Tagen erfolgen, da er schon in den ersten Tagen des September zum ersten Male in Leipzig vernommen werden soll. Eine polnische Zeitung in Leipzig. Um die in Sachsen wohnenden Polen national zu organisieren, wird der bekannte Bochumer Polen agitator Anton Brejski seinen Wohnsitz demnächst, wie der „Wiarus Polski" (192, 23. 8.) meldet, nach Leipzig verlegen und dort oon Neujahr ab ein neues Polenblatt unter dem Titel „Gazeta L i p s k a" erscheinen lassen. Der „Wiarus" spricht dieHoffnung aus: es möge dem neuen Begründer, ter in Westfalen viele polnische Vereine ins Leben ge rufen hat und Mitbegründer des polnischen Berufs verbandes ist, gelingen, „Sachsen zu beleben und zu organisieren". (!) Zum Kampf in der Metallindustrie. Dresden, 26. Aug. (Eig. Drahtm.) Aus Anlass der orohenden Aussperrung in ixr deutschen Metall industrie halte die Freie Verelnigung Deut scher Metallarbeiter in Dresden ain 23. o. M. eine aussecord.'Nikiche Mitgliederversamm lung einberufen, die sehr zahlreich besuch: war. Der VervanLsvorsitzends Stöber gab in längerer Aus sührung eine Uebcrsichl über den gegenwärtigen Stand der Sache, wobei er ausführte, dass die Freie Vereinigung Deutscher Metallarbeiter in Tre ben für die allgemeine Aussperrung nicht in Frage käme, well diese laut ihren Satzungen auf friedlichen Wege.' in direkter Form mit den Arbeitgebern und Len einzelnen Werkgrup peil verhandelt, dass also Differenzen überhaupt nicht bestehen. Der Auswertung selbst tonne aber die Der- einigung mit grösserer Ruhe als 190«» entgegensetzen, weil sie sich inzwischen zu einer festen Organisation mit einer bedeutenden Mitglicderzahl und auch be deutenden Mitteln zusammengeschlossen habe. Es stehe zu hoffen, dass nach Beendigung Lei Aussper rung die Zwecke und Ziele des wirklich nationa len A r b e i t e r g c d a n ke n s, Len die Freie Ver einigung in Dresden verfolgt, in weitere Kreise dringen und ein bedeutender Aufichwung zu verzeichnen sein werde, wie dies bis jetzt bei allen ähnlichen Gelegenheiten überall der Fall gewesen ist. Tue Versammlung sasste hierauf einstimmig ene diesen Ausführungen entsprechende Resolutwn. Torpedoboot ,,'l? 21". Kiel, 26. August. (Eig. Drahtmeld.) Das Torpedoboot „T 21", das gestern glücklich ge hoben wurde, ist nachts in die hiesige Kaiserliche Werft eingeschleppt worden. Die Wünsche der Berliner Strassenbahner. Berlin, 26. Aug. (Eig. Drahtm.) Die Lohn- bewegu ng unter Len Angestellten der Grossen Berliner Strassenbahn hat jetzt bestimmte Formen angenommen. Wie die „Press-Zentrale" er fährt, hat eine Anzahl -von Vertrauensleuten der Strassenbahner an die Direktion ein Schreiben ge richtet, in dem verschiedene Wünsche n'.cdergelegt sind. Im Laufe des heutigen Tages wird zwischen der Direktion und den Verrrauenslcuten eine Aus sprache über die Forderungen stattfinden, von deren Ausfall es abhängen dürfte, ob die Reichs Hauptstadt einen Strassenbahnerausstand erleben wird oder nicht. Gerechtfertigte Entschädigungsansprüche. Barmen, 26. August. (Eig. Drahtmeld.) Zwei Firmen hatten gegen 67 ausständige Metallarbeiter Entschädigungsklagen wegen Kontrakt bruchs angestrengt. Das Eerverbegericht ent schied, dass die Ansprüche im Grund gerechtfer tigt seien. Die Höhe der Entschädigungen wurde noch nicht fcstgeftellt. Eine Firma bezeichnet ihren Anspruch allein auf 26 000 Matrossnavsstand in Odessa. Odessa, 26. August. (Eig. Drahtmeld.) Die Be satzungen der Dampfer der R a ssij ch en D a mp- fer-Gcselljchaft sowie der Russischen Trans portgesellschaft sind wegen Lobndifferenzen a u s st ä n L ig. Nuf üer Golüwsge. 1» I Roman von Marie Stahl. (Nachdruck verboten.) Lines Tages kam Hulde und bettelte: „Liebes, süsses Fräulein Kläre, am Erlendamm, hinter der Waldhöhe, wird ein Fischteich ausgelassen. Kuno und ich wollen natürlich dabei sein. Bitte, bitte, kommen Sie Loch mit mir hinaus und lassen Sie uns Kaffee und Kuchen im Ponywagen mit nehmen. Es gibt nichts Schöneres, als draussen im Freien Kaffee zu kochen. Sie werden sehen, wie lustig das ist." Und Frau von Flamberg sagte: „Sie täten mir einen Gefallen, wenn Sie mitführen, liebes Fräulein. Hulde ist so harmlos, aber, im Vertrauen gesagt, es könnte doch Anlass zu Gerede geben, wenn sie stets allein mit Kuno ist." Es war ein mild verschleierter, weicher Frühlings tag als sie im kleinen Ponywagen, einen grossen Korb mit allem Nötigen zu einem Kaffeepicknick zwischen sich, hinausfuhren. „Kläre", sagte Hulde, die die Zügel führte, „heute muss ich dich du nennen, ich kann nicht anders, ich bin jo vergnügt. Und ich muss dir einen Kuss geben. Darf ich ? Ich finde dich entzückend." Kläre erwiderte diese Liebeserklärung herzlich und warm. Aber sie fügte hinzu, es sei besser, in Gegen wart anderer die übliche Form der Anrede beizu behalten. Dagegen protestierte Hulde lebhaft. „Du bist noch zu weltunkundig", wandte Kläre ein. „Aber es könnte sein, dass deine Angehörigen diese Intimität zwischen uns als Taktlosigkeit von meiner Seite auffassten, und dem möchte ich mich nicht aus setzen." Es gab einen lebhaften Streit; Hulde wollte sich nicht überzeugen lassen. Sie fuhren langsam über die weichen Land- und Wieicnwege, und der Zauber des Frühlingstages nahm sie gefangen. Der Winter war lang und hart gewesen, nur schwer rang sich die Natur aus den Banden des Todes zur Auferstehung. Osterstimmung lag in der Luft. Der erste, leise erwachende Lebens jubel. An den dunklen Eeländen der Fichtenwälder schimmerte hier und da ein schwaches Grün, und aus den braunen Ackerkrumen mit ihrem kräftigen Erd geruch brachen die jungen Saaten. Die Ferne war in feuchtes Grau gehüllt, und nur ab und zu lichtete sich der Wolkenhimmel zu einem blassen Blau; doch aus den Höhen schmetterten schon die süssen Jubellieder der Lerchen. Und aus allen Fernen und Höhen kam mit tausend Stimmen, mit Dust und Klang, mit Licht und Farbenschimmer das grosse Frühlingssehnen allen Lebens zu seiner Erfüllung. Die Augen der beiden Freundinnen in dem kleine« Geführt wurden gross und glänzend, als sie tiefer und tiefer in das Frühlingsweben gerieten. Hulde stimmte an: „Wenn der Frühling auf die Berge steigt, wenn im Sonnenstrahl der Schnee zerfliesst." Und leise sang Kläre mit: „War's nicht auch zur schönen Frühlingszeit, als mein Herz sich deinem Herz er schloss?" - Am Fischteich, der zwischen einem Erlendamm und einem Birkenwäldchen eingebuchtet lag. herrschte ein reges Leben. Schon von weitem sahen sie die dunklen Gestalten einiger Männer an den Schleusen mit dem Ablassen des Wassers und mit dem Stellen der Netze beschäftigt. Haideklang, der Gärtner Marzahn und der Kutscher Wieprecht leiteten die ganze Aktion. Und jetzt lösten sich zwei aus dem Tross, Kuno voran und Alexander, den sie nicht erwartet hatten, und kamen ihnen mit lautem Willkommenruf ent gegen. In ihren grauen Joppen, mit den ländlichen Jägerhüten, trat die Ähnlichkeit zwischen beiden her vor, nur dass Kuno etwas grösser, blonder und korpu lenter war, ganz Landjunker und Offizier in Zivil, während Alexander sich bereits zum Typns des Welt mannes umformte, der weniger an eine beschränkte Kaste gebunden als international ist. „Gott sei Dank, jetzt kommt die Kaffeekanne!" rief Kuno, Hulde vom Wagen hebend. „Nischt als Wasser fällt mir auf den Magen, und die Fische wirken mit der Zeit langweilig. Wenn man sie noch mit dem Tesching schiessen könnte wie deine Ratten, Hulde, das wäre noch was fürs Gemüt." Hulde stellte sich entrüstet, dass ihm der Kaffee das wichtigste sei, und während sie sich neckten, half Alexander Kläre vom Wagen, die sich sofort an die Zubereitung des Picknicks machen wollte. „Sehen Sie sich doch erst einmal die Fischerei an", sagte er und führte sie nach den Teichen, zu denen Kuna und Hulde vorausgelaufen waren, denn Hulde war sofort mit ganzer Seele bei der Sache und mussce ihre Freunde, den Inspektor, Gärtner und Kutscher, jeden persönlich bcgrüssen. Alexander ging an Klärcs Seite das ganze Tcichgebiet ab und gab ihr überall die Erklärungen, Li« sie interessierten. Sie sprachen nur Dinge, die zur Sache gehörten, aber es war, als ob Liese Sache ein erhöhtes Interesse dadurch gewänne, dass sie zwischen ihnen besprochen wurde. Hier draussen in Wald und Feld wehte eine andere Luft als im Satzenselder Hause und Familienzimmer, hier wurde alles freier, zwangloser, und niemand konnte sich dem lebenweckcnden Zauber des jungen Lenzes entziehen. Ein« seine frische Nöte lag auf Kläres Wangen, die sonst blass waren, und ihre Augen fingen an, oon innen heraus zu leuchten. Alexander sah sie fast staunend an. Wie schön und distinguiert sie wirkte mit diesem einfack)«n Sck,.'ier- hütchen, in dem glatten, dunklen Schneiderklcid. Einmal standen sie ausruhend nebeneinander unter einer Birke, deren Gezweig wie langes, braunes Haar herabhing, und genossen di« Aussicht über die blanken Teichspiegel hinweg in die ver schleierte Ferne, in die der Horizont mit einigen duftblauen Linien, wie mit feinem Pinjelstrich, ge zeichnet war. „Gibt es etwas Schöneres als unser Land?" sagt« Kläre, ein Schweigen unterbrechend. „Diese feinen, sehnsüchtigen Stimmungen zwischen Melancholie und Lebensjubel hat wohl kaum eine üppigere Natur." „Das ist aber seltsam", rief Alexander überrascht, „dass ich eben den Mund öffnete, um fast wörtlich das selbe zu sagen." Und wie sich ihre Blicke begegneten, stand fast ein Erschrecken darin. Aus den. Kaffeepicknick wurde ein« reizende Idylle. Kuno und Huld« schleppten einen grossen Reisighaufen zusammen und machten ein F«u«r, dessen Wärme in der feuchtkühlen Teichatmosphäre wohltuend wirkte. Die Zubereitung des Kaffees ging unter einigen Schwierigkeiten vor sich; man hatte dabei mit dem Rauch zu kämpfen und wurde selbst fast gebraten. „Kinder, das versteht ihr alle nicht, das verstehen blofl Pinnow und ich, denn wir Haden unsere Biwak- erfabrungen und so manchen Kessel im Freien abge- kocht. Und überhaupt — Frauen sind zu so was nicht zu gebrauchen", sagte Leutnant Kuno mit Ueber- legenhe t. Pinnow, kommen Sie mal her, jetzt kochen wir beide Kaffee." Pinnow, der Bursche, der sich ebenfalls beim Fisch, fang beteiligt hatte, kam gelaufen „Zu Befehl, Herr Leutnant." Er wollte mit Eleganz den bereits kochenden Wasserkessel vom Feuer ziehen, stiess ihn jedoch um, unü in demselben Augenblick kochte auch schon die Milch über. Jetzt gab es «in grosses Hohn- gelächter und schliesslich war es doch Klär«, die alles zu einem glücklick)«n Ende führte. Sic Halte Körb chen mir Kuchen und Butterbroten appetitlich auf ein Tischtuch, das unter ein paar alt« Föhren aus gebreitet wurde, gestellt und die Tassen verteilt. Man suchte sich Baumstümpfe und Reisighaufen als Sitzgelegenheiten, und nun begann ein vergnügtes Schmausen, nachdem Pinnow mit einer grossen Por tion Kaffee und einem gewaltigen Paket von Butter broten an das Arbeitspersonal entsandt war. Kuno l-att« sich auf einen Baumast geschwungen und liess sich Kaffee und Kuchen nebst ungezählten Broten hinaufreichcn, bis Hulde erklärte, sie allein könne es nicht mehr schaffen, es gehörten ein paar stark« Männer dazu, die Portionen auf den Baum zu befördern. Und gerade, als er wieder wohlver. sorgt mit einer vollen Tasse sass und behaglich in den Kuchen biss, knackte und brach der Ast und er befand sich, im wahren Sinne des Wortes, begossen der Länge nach unten auf dem Moos. Hulde bekam dar auf einen Lachkrampf, so dass sie fast an einem Brot krümel erstickte, und die beiden Teckel, di« die Grupp« vervollständigten, fassten die Sach« tragisch auf und sprangen mit ohrenzerreissendem Gekläff um Kuno herum. Alexander hatte sich neben dem Baumstumpf ge lagert, auf dem Kläre fass. Sie musste ihm die Tasse Kaffe« bereiten und ihn versorgen, worauf er behaup tete, es habe ihm noch nie im Leben etwas besser geschmeckt. Es war, als ob heute etwas von dem Frost ihres Wesens wegtaute; auch sie konnte scherzen und einmal hörte er sie herzlich lachen. Später schickten sie Pinnow mit dem Pony wagen nach Haus« und gingen all« vier einen wunder schönen, weiten Waldweg zurück. Die Dämmerung wob schon um Stamm und Ast, und leise verklang hie und da der letzte Vogelruf. Das Raunen und ge heimnisvolle Weben der Lenznacht begann mit all den gärenden Säften und keimenden Trieben des LebensLranges. ^Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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