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auf Erden sich weihen und Gesundheit und Talent in rest loser Hingabe dem Dienste im Heiligtum und an den Seelen opfern. Und seltsame Fügung der Vorsehung Gottes! Ich sollte den Hirtenstab aus der Hand eines Freun. des empfangen, mit dem ich vor bald vier Jahrzehnten innige Freundschaft schloß. Noch denke ich mit Rührung an die fruchtbaren Tage unseres Studiums in der ewigen Stadt zurück, an die nachbarlichen Zimmer, in denen wir wohnten, an den regen Austausch der Gedanken, den wir so oftmals in jugendlichem Ausglühen der Seelen pflogen, an die verborgene Kirche des heiligen Berchmanns und an die Renaissancepracht von Al Gesu, wo wir gemeinsam den römischen Choral dirigierten. Es ist mir das heute wie ein Symbol. Die Leitmotive, die er in der neuerweck- len Diözeie Meißen anstimmte, soll ich in meine künftige Arbeit wie in eine Fuge verweben, die Töne, die er meister haft in den Seelen wie in willigen Instrumenten anschlug, sortklingen lassen und zu einem Chore katholischen Glau bens und Wandelns harmonisch verbinden. Damit berühre ich einen neuen Grund, der es mir leichter machte, dem Ruse des Heiligen Vaters zu folgen. Während ich in den letzten Jahren fast ausschließlich der inneren Verwaltung meiner Heimatdiözese diente, nehme ich jetzt eine Arbeit wieder auf, die mich ein Vierteljahr hundert hindurch als Seelsorger mit den Menschen innig verband. Ich stand mit der Freude des Opfernden täglich vor dem Volk am Altar, mit der Freude des Gnade und Wahrheit Spendenden an den Taussteinen, auf den Kan zeln und in den schweigsamen Beichtkapellen der Kirchen und vor der ausmerksam lauschenden Schar der Jugend lichen und Kinder, in der Freude des Streiters für Gott und die Kirche in den wogenden Kämpfen des öffentlichen Lebens, in der Freude des Tröstenden und Ausrichtendeu an den Betten der großen Spitäler oder in den düstern Kammern der Arbeiter und Armen und in der Freude des Bergenden und Heimsührenden am Lager der zum letzten Weg sich rüstenden Brüder und Schwestern. Wohl blieb mir auch das Bittere der Seelsorge nicht erspart, und ich verkostete oft genug jenen überschäumenden Kelch de-r Enttäuschung und des Schmerzes bis zur Hefe, den die katholischen Priester so manchmal angesichts des wach senden religiösen Zerfalls und der sittlichen Auflösung trinken. Aber immer überwog in mir das Glück, „Aus spender der Geheimnisse Gottes" zu sein, unermeßliches Vertrauen zu genießen und das Kostbarste auf der Welt, die unsterblichen Seelen, mit Christi Blut zu befruchten. Darum freue ich mich auch jetzt so sehr, denn ich darf den Seelen wieder Vater sein und Führer, mit ihnen tragen und leiden und die unermeßlichen Gnadenschätze eröffnen, die uns die heilige katholische Kirä-e vom Heiland her vererbt. Ja, wenn ich noch näher zusehe, bin ich in meinem Bistum als Seelsorger hier noch viel mehr am Platze, als in der badischen Heimat. Dort leben die Katholiken in überwiegender Zahl und in wohlgeordneten Pfarreien und zehren von uraltem heiligem Gute, das sie in ununter, bcochener Linie mit der christlichen Vorzeit verknüpft Dort läuten allüberall in Stadt und Land in frohlocken der Freiheit die Glocken, dort brennen anbelend still die ewigen Lampen wie die zahllosen Sterne der Milchstraße vor den Tabernakeln der Kapellen. Kirchen und Münster. Dort rütteln zwar auch schon die Gefahren der Gegen- wart für den christlichen Glauben und das sittliche Leben ungestüm und dreist an den Türen, aber die Katholiken stehen wie eine geschlossene, kampfgerüstete Schar, an der selbst Schwache und Wankende einen sicheren Hall und eine seelische Aufrichtung finden. Hier ist es anders. Hier gilt das Wort des Heilandes von der kleinen Herde, denn hier verschwinden wir fast unter der Menge dei anderen. Hier leuchten die ewigen Lichter nur da unv dort, wie die Sterne am Himmel, wenn es Nacht wird oder morgendlich dämmert. Hier zehren wir nicht vom Segen katholischer Liebe, die ost in längst schon vergan- genen Zeiten das Brot für die Gegenivart brach, sondern bezahlen mit dem Scherslein der Witwe und der Gabe der Armen und Arbeitslosen die katholische Wahrheit, das unblutige Opfer der Messe und den Tisch des Herrn. Hier sind wir bis aus einige wenige Pfarreien eine ganz neue Gründung, die noch des notwendigen Ausbaues bedarf. Hier hebt uns nicht der Schwung der katholischen Ge meinschaft und der Auftrieb einer lebenskräftigen Ueber- lieferung. Hier stehen wir wie einsame Bäume auf unwirt licher Berghohe, ausgesetzt jedem Wetter und Sturm. Wenn irgendwo in Deutschland, ist für die Katholiken der Seel sorger und Bischof hier nötig, damit die Zerstreuten gesam melt, die Angepflanzten verwurzelt, die Wankenden gestützt, die Verirrten gesucht, die Dahinsiechenden geheilt werden; und die Toten mit der Macht der göttlichen Gnade wieder zum Leben des Glaubens und der Gnade erwachen. Ach, wie brennt jetzt schon in mir der priesterliche Schmerz, wenn ich in der Statistik lese, daß wir sächsischen Katho liken in den letzten Jahren statt zu wachsen oder uns zu behaupten, zurückgingen, ja daß manche, obwohl von treu, katholischen Eltern geboren und glaubenssreudig erzogen, unter dem Sturme, der die deutschen Gaue durchbraust, wie welke Blätter vom Stamme der Kirche fielen. Aber die tiefe Trauer über die empfindliche» Ver luste entmutigt mich nicht. Ich baue aus die sieg hafte Kraft unseres göttliä)en Glaubens — „das ist der Sieg, euer Glaube" — auf die überzeitliche Lebensbürgscl)aft, die der Heiland selbst seiner Kirche gab — .siehe ich bin bei euch bis an das Ende der Welt" — auf t ie Sehnsucht der menschlichen Seele, die nach dem uralten Worte christlich von Natur aus ist, auf den Hun ger des genußllbersättigten neuzeitlichen Menschen nach dem Geistigen, Ewigen und Göttlichen, auf de» Rest von gesunder Kraft im Volkskörper selbst, der nur durch die Rückkehr zu Christus und Gott die gefährliche Krise einer schweren Krankheit überwindet. Wohl versteht es der Unglaube trefflich, seinen bedauernswerten Opfern die Augen zu verbinden, die leuchtende Lampe zu löschen und den noch glimmenden Docht in den Seelen mit den Vor- urteilen des Hasses und der Verleumdung zu ersticken. Aber die Dunkelheit draußen und drinnen genügt nur toten und schlafenden Menschen, und nicht jenen, die leben und erwachen und die Augen zu öffnen versuchen. Je dunk ler der Abgrund ist, in den sie durch eigene Schuld und fremden Anstoß versinken, desto mehr schreien sie zuletzt nach der Höhe und dem Licht, das von der göttlichen Sonne durch die Kirche in die Seelen und in die mensch liche Gesellschaft bricht. Wie gerne möchte ich nun dazu beitragen, diesen ewigen Lichtslutcn den Weg zu eröff nen, damit jener wieder in den erloschenen Herzen er glühe, der „auf die Erde gekommen ist, um Feuer zu brin gen" und jener wieder die Herze» erleuchte, der von sich ohne Einschränkung sagte: „Ich bin das Lickt der Welt." Wo Abgründe sind, ragen aber auch Höhen und Gipfel empor. So sehr mich die statistische Tatsache schmerzt, daß wir der Zahl der Katholiken »ach a'onah- meii statt wüchse», so sehr freue ick mich über jene, die treu sind wie Gold und unerschütterlich fcststeheii wie die gra nitenen Berge meiner Heimat. Ich habe bei einem ande ren Anlässe das hohe Lied der Diasporakatholiken schon einmal bewundernd gesungen, als ich im goldenen Mainz auf einer Tagung des Bonisatiusvereins der unzähligen Opfer der in der Zerstreuung lebenden Brüder und Schwe stern gedacht und sie als Vorbilder für die anderen emp fahl, die inmitten einer geschlossenen katholischen Welt ost leichtsinnig und undankbar vergessen, was sie an der Kirche und ihren Segnungen besitzen, lind noch ehe ich den Boden meines Bistums betrat, hat mir manch einer mit Ehrfurcht die zahllosen sächsischen Männer und Frauen gerühmt, die wie die deutschen Eichen jedem Sturme widerstehen und in der Pracht ihres christlichen Wachs-