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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.05.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-05-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191105255
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110525
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110525
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-05
- Tag 1911-05-25
-
Monat
1911-05
-
Jahr
1911
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Nr. l44. los. Jatlkyrlny. Leipziger Tsyedlstt. Oonnerstsg, 25. Mal idll. sächlich in Saloniki nieder, wo sie noch heute eine dominierende Stellung einnehmen. Später tolgten ihnen aus Osteuropa die deutschjprechenden „Ajchke- nasim" und bereits zur Zeit des Sultans Bajasets tl. besagen die Juden überall zahlreiche Gemeinden. Eine neue Einwanderung begann mit der Ein setzung der antisemitischen Bewegung in Europa, wobei die fast gleichzeitig beginnende zioni stische Agitation ihren Anteil hatte. Als im Jahre >880 Rußland 000 OOO Juden aus den Dörfern nach Polen jagte, liehen sich zahlreiche Juden auch in Palästina nieder, wo sie Kolonien gründeten. Sie haben mit Bewilligung der türkischen Regierung eine eigene Gerichtsbarkeit— unter Kautclen, die das Aussichtsrecht und die Oberhoheit der Türken sichern — eingesührt und einen Postdienst organi siert, der auch den Beifall der türkischen Behörden findet, und es ist begreiflich, dasi dies alles in der Oeffcntlichkeit nicht unbeachtet blieb. Aber die Ge rechtigkeit erfordert doch anzuerkenncn. dasi die Juden sich den Gesetzen des Landes fügen und keinerlei Agi lation gegen die türkische Autorität betreiben. c:ic sind arbeitsam, sparsam und fortschrittlich und leisten durch ihre vortrefflichen Lehranstalten für Landwirt schaft und Industrie dem Lande gute Dienste. Gerade in dieser Beziehung ist ja die Türtei noch sehr rück ständig und die Leistungen der Juden daher recht beachtlich. Sic stehen als Landwirte zwar nicht aus der Höhe der deutschen Kolonisten, deren Leistungen in jeder Beziehung als vorbildlich gelten können, aber es wird doch anerkannt, dasi die jüdischen koloni'icn weite Strecken Sumpf- und Sand boden für die Kultur gewonnen haben und als Wein- nnd Obstbauern Tüchtiges leisten. Der Ertrag ihrer Arbeit aber kommt mittelbar dem ganzen Lande zugute. So schosi denn der albanesischc Abgeordnete Hafis Ibrahim-Ipet den Vogel ab, als er die Kammerdebatte mit den folgenden, von der Mehrheit beifällig auf genommenen Wollen schloß: „Es ist geradezu lächer lich, sich fortwährend mit dem Hirngespinst einer zionistischen Gefahr zu beschäftigen. Wir verfügen über eine Million Soldaten und sollen uns vor lOOOOO Juden fürchten, die mit ihren Familien nach Palästina gekommen find'? Das ist einfach zum Lachen. Die Juden sind intelligent und rührig. Das sind sie überall in der Welt. In England sind die Roth schilds Juden. In Saloniki befindet sich der Handel in jüdischen Händen. Dari man sich darüber wundern'? So lange wir in Trägheit verharren, wird es so bleiben. Die Ausländer sorgen für ihre Bildung, sie lernen den Handelsbetrieb und verdienen Geld. Zeigen wir uns daher auch als Männer und regen wir uns nicht auf, wenn die Fremden bei uns Geld verdienen." Der Suchten-Runüklug. Der Flug Llremnih—Dresden, lspezialbericht des Leipziger Tageblattes.) " Dresden, 24. Mai. Wird der Abflug nach Dresden stattfinden oder nicht, das war die Frage, die alle Gemüter in Chemnitz am Dienstagnachmittag beschäftigte und sie nicht so leicht zur Ruhe kommen liesi. Am Montag abend bereits tagte eine Fliegerversammlung, in der nach längerer Aussprache der Beschlusi gefaßt wurde, dasi nicht gestartet werden sollte, wenn sich das Wetter nicht erheblich besserte. Am Dienstag früh lag Chemnitz in düsterem Grau da, das immer düsterer wurde, je mehr sich der Tag neigte, dabei war es kalt, aber immerhin nicht windig. Der Flugplatz war an seinen Peripherien nach allen Seiten hin in dichten Nebel getaucht, und so Simmelkshrtsbrsuche. Von L. Schenkling (Berlin). jScachoruck verboten.) Lik-NN auch der H i m m e l f ck h r t s t a g zur Er innerung an das Wunder der Himmelfahrt Christi im 4. Jahrhundert als christlicher Feiertag eingeführt wurde, so lassen doch mancherlei Festbräuche, die noch hier und da begangen werden, erkennen, dasi auch dieses Fest wie alle anderen seiner Art rm Grunde genommen heidnischen Ursprungs ist. Ter Himmelsahrtstag war wie der Gründonners tag dem Donar heilig. Unsere Vorsabren verlegten auf diesen Tag den Schlusikampf zwischen den bösen Geislern und Dämonen mit den lichten Frühlcngs- göncrn, und zu Ehren des Siegers, des grosien Don nerers, wurden Flurumgänge abgehalten, um den Segen des Gebierers über Regen, Donner und Blitz, der zugleich Beschützer des Diebes war, sür die Ernte zu erflehen. Da die christliche Kirche rn Len ersten Jahrhunderten ihres Bestehens einen schweren Stand hatte, beliesi sie kläglich dem noch stark heidnisch ge, jinntcn Volk seine liebgewordenen Sitten und nahm nur eine Umwertung der Werte vor, indem sie den allgermanischen Bräuchen ein christliches Mäntelchen umhing. Aus dem Tage Donars wurde ein Bettag, an dem man gelegentlich der Flurumgänge den Christcugott um Erhaltung der Saat und um Be scherung einer guten Ernte anflchte. Solche Bettage j Rogationen) finden wir bereits im 5. Jahrhundert. Sie waren .zur Abwehr von Landplagen eingesührt und allgemein in die Karwoche (Gründonnerstag) vorlegt. Erst später wurden die Umgänge in der Himmelfahrtswoche (Kreuz-, Bet- oder Gangwoche), zu welcher Zeit man in der Flur wirklich etwas sehen l.'iinle, abgehalten. Solche Flurgänge, auch Esch- gängc und Eschprozessionen genannt, haben sich in katholischen Ländern bis heute erhalten, und wenn man in protestantischen Gegenden derartige Prozes sionen auch nicht kennt, so findet doch mancherorten derselben (wie z. B. im Hannöver chen) die soge nannte Hagelfcicr statt, ein Kirchcnsest, das an einem Donnerstag zwischen Ostern und Pfingsten gefeiert wird. Und vielleicht gerade deshalb, weil der Him- melfahrtstag auf den Donnerstag fällt, blieb er trotz seiner christlichen Bedeutung im Volksglauben noch lange im Zusammenhang mit dem Donnerer, dem lkewittergott. Wo aber die Umzüge stattfandcn, da durchzog die Gemeind« di« Gemarkung. Voran schritt e n Priester mit den Chorknaben, die Räucherfaß und Weihwafierbecken trugen. An vier Stellen wurde Haltgemacht und ein Bibelabschnitt aus je einem Evangelium vorgelesen, der übliche Wettersegen ge. iprochen und Menschen, Tiere und Flur mit Weih wasser besprengt und eingesegnet. In einem schweizerischen Orte findet an dem sogenannten Wetterfreitag (nach Himmelfahrt) der Blutritt statt, eine Prozession, bei der di« Reliquie des Heiligen Blutes in feierlichem Umzüge durch di« Flur getragen konnte man wohl kaum erwarten, dasi noch gestartet würde. Eine neuerdings nachmittags abgehaltene Fliegerversammlung war gleicher Meinung, denn Lindpaintner wollte stiegen, gleich ihm Lt. v. Mosiner, aber die anderen nicht. Ebenso lagen die Verhältnisse beim Organisations- ausschuh. Die Chemnitzer Herren hätten es gern gesehen, dasi noch die ausstehenden Preise ausgefayren würben, und wollten deshalb den Start verschieben, aber die aus Leipzig, Dresden und Plauen anwesen den Herren bestanden darauf, dasi zur Etappenfahrt gestartet würde, am meisten Dresden, wo sich für Mittwoch König Friedrich August angesagt hatte. Das alles hätte aber nicht den Ausschlag gegeben, wenn nicht plötzlich Lindpaintner erklärt hätte, dasi er aus jedenfall fliegen würde, da er lieber den Rebel in kauf nehmen würde als scharsen Wind, und so blieb denn nichts weiter übrig, als zum Start anzutrcten. Um 5 Uhr 15 Min. stieg denn auch Lindpaintner mit dem Leipziger Leut nant Kormann als Passagier in die Lüste, non dem zahlreichen Publikum lebhaft begrüsit. Rach einer Pause von 15 Minuten gingen dann auch nacheinander, wie schon gemeldet, die anderen ab. und zwar Laitjch mit Oberleutnant Eysen, Leutnant Mosiner mit Fräulein Beese, Büchner, Dr. Wittenstein mit schriftsteller Adelt, Grade und kahnt. Bon allen sind nur Laitjch, Lind paintner und Büchner angekommcn. während die anderen wieder zurückgekehrt sind. Auf der Tour sahen wir unterwegs Leutnant v. Mosiner bei Oedcran landen, ehe wir aber mit dem Wagen an ihn herankommen konnten, war er bereits wieder aufgestiegen und fuhr nach Chemnitz zurück. Das Terrain aus der Strecke Chemnitz-Dresden ist im allgemeinen nicht zur Verfolgung von Flugzeugen geeignet, da man stets zwischen Bergen zu fahren hat und so nicht viel sehen kann. In Freiberg aber er hielten wir schon die Mitteilung, dasi nur zwei Fliegerdort paisiert seien, und zwar Lindpaintner um st'/, Uhr in der Rühe von Waltersdorf, während Laitjch kurz daraus die Stadt selbst überflogen hatte. Beide wurden dann auch noch in Mohorn gesichtet. Laitsch hat somit die erste Etappe gewonnen und dies wohl in der Hauptsache der guten Terrain kenntnis zu danken. Er ist Chemnitzer von Geburt und hat dort auch die königliche Gewerdeatademie besucht, um sich zum Ingenieur auszubilden. Er war dann bei der Parieval-Gejelljchaft tätig und wandte sich im Frühjahr 1910 der Flugtechnik zu. In Mourmelon le Grand erwarb er auf einem Voisin-Zweidecker das Pilotenzeugnis. Als er nach Deutschland zurückgekehrt war, nahm er an ver schiedenen Flugmeetings mit Erfolg teil und trat dann bei den Albatros-Werken als Lehrer ein, die dann von der Luftverkehrsgesellschaft übernommen wurden. Laitsch benutzte einen Albatros-Zweidecker, der mit einem 70 1'.starten Gnomemotor aus gestattet ist. In Chemnitz herrscht natürlich ob des Erfolges von Laichch grosier Jubel. Die Dresdener Wettbewerbe. tSpezialbericht des Leipziger Tageblattes.) Die Erwartung der Dresdener, heute noch mehr Flieger aus Chemnitz ankommen zu sehen, wurde auf eine harte Probe gestellt. Bis nachmittags '/,5 Uhr war deren keiner zu sehen. Wohl war die Meldung cingelaufcn, dasi Grade und kahnt kurz nach 12 Uhr in Chemnitz gestartet waren, aber Stunde um StunZie verrann, ohne dasi sie in Sicht kamen. Schliesilich traf die Meldung ein, dasi kahnt am Lindberg wegen starker Luftwirbel hatte landen müssen, jedoch nachmittags bestimmt in Dresden einlreffen würde. Ueber Grade lagen Nachrichten vor, oasi er in Oederan gesichtet worden war und später in der Rühe von Dippoldiswalde gelandet lei. Auf dem Flug plätze hatte sich inzwischen eine riesige Menschen menge angesammelt, die sehnsüchtig der Ankunft des Königs und dem Beginne der Wettbewerbe harrte. Das Wetter hatte sich aufgeklärt und wandelte sich m Verlause des Rachmittags zu einem wirklich idealen Flugwetter um. Die Ankunft des Königs. Gegen Uhr erschien König Friedrich August auf dem Flugplätze. In seiner Begleitung befanden sich der Kronprinz Georg sowie die Prinzen Friedrich Christian und Ernst Heinrich. Ferner waren an wesend Kriegsminister Freiherr von Hausen, die ge samte Generalität und viele Offiziere. Der König wurde von den Herren des Organrsationsausschusses empfangen und in das für ihn errichtete Zelt ge leitet. Gleich darauf wurde das Zeichen zum Beginn der Flüge gegeben. Büchner, der zuerst abfliegen wollte, konnte wegen Motordefektes nicht in die Höhe kommen. Rach ihm startete Lindpaintner mit Leutnant Kormann-Leipzig. stieg sofort glatt auf und landete nach längerer Zeit. Gerade, als Lind paintner sich mit seinem Begleiter erhoben hatte, erschien am Horizont eine Riesenlibelle; Hans Grade steuerte dem Flugplätze zu. Unter den stürmischen Begrüsiungsrufen des Publikums landete der lang Ersehnte 5 Uhr 40 Min. sehr glatt, kurz darauf wurde bekannt, dasi auch Hoffmann 5 Uhr 50 Min. in Chemnitz aufgestiegen sei. Der König verliest den Flugplatz noch während Lindpaiatners Fluges. Die Prinzen verweilten noch bis zur Landung des Fliegers. Sowohl der König als auch die Prinzen wurden bei ihrer Abfahrt von den Zu schauern lebhaft begrüsit. Der Höhenpreis. Gegen 7 Uhr wurde es auf dem weiten Platze noch einmal lebendig. Denn Lindpaintner, Laitsch und Grade starteten zum Höhenpreis. Erster Preis träger wurde Lindpaintner mit 1005 m, Zweiter Laitsch mit 090 ,o und Dritter Grade mit 500 m. Roch während dieser Bewerb ausgctragen wurde, erfolgte ganz plötzlich die Landung von Leutnant Mosiner mit Leutnant Steffen als Begleiter. Sie überflogen 7 Uhr 29 Min. die Ziellinie. Von der Abfahrt dieses Fliegers war man von Chemnitz nicht unterrichtet worden, umsomehr überraschte dessen Ankunft. Anscheinend liegt eine Verwechslung mit Hoffmann vor, der gemeldet, aber noch nicht er schienen ist. Kahnt ist inzwischen noch zweimal gelandet und zwar in Niederhermsdorf und dann in Corschütz, von wo er nach der Meldung wieder aufsteigen wollte. Der Königspreis. Der köniaspreis; der sür Offiziere offen war und in einem Erkundungsfluge, ähnlich dem in Chemnitz ausgetragenen, bestand, wurde von Leutnant Kormann-Leipzig gewonnen. Der Führer des Siegers, Lindpaintner, erhielt einen Preis von 3000 Mark. Kahnt ist bis jetzt noch nicht in Dresden eingetroffen. Leipziger Fluglage. Die Flugzeuge der Flieger^ die nicht zu dem Nundflug genannt haben, werden am Donnerstag nachmittag durch die Abnahme-Kommission abgenommen. Der Abnahme schliesien sich voraus sichtlich einige Probeflllge an, auch der Fesselballon des Leipziger Vereins für Luft schiffahrt wird bereits bei günstigem Wetter seine Fesselaufstiege auf dem Flugplatz in Lindenthal unternehmen. Um das Beste von den Leipziger Flugtagen im Bilde festzuhalten, hat der Leipziger Verein sür Luftschiffahrt ein Preisausschreiben erlassen für die beiden besten Photographien, die während der Fluglage auf dem Flugplatz in Lindenthal- Leipzzg gemacht werden. Der Preisbewerb ist offen für Amateurphotographen, bezieht sich auf bildliche Darstellung der Flieger in der Luft oder auf dem Boden, Gruppen bilder (soa. Genrebilder). Das Preisgericht hat die Gesellschaft zur Pflege der Photographie in Gemein schaft mit Herrn Oberbaurat Scharenberg über nommen, und sind die Bilder spätestens bis zum 12. Juni in dek Geschäftsstelle des Lerpziger Vereins für Luftschiffahrt, Juwelier Heinrich Schneider, Markt, Altes Rathaus, einzureichen. Thester unü Konzerte. Leipzig, 25. Mai. Neues Theater. Das gestrige Gastspiel der Kammersängerin Frl. Frida Hempel bildete ein künstlerisches Ereignis. In der Tat, ihre Regiments tochter kann mit Recht beides, nämlich sich sehen und hören lassen. Denn sie ist ohne Frage eine der ersten unter den noch übrigen Vertreterinnen des Belcanto. Die große und doch allen noch so hohen Anforde rungen Les Koloraturgesanges sich anpasscnde und anschmiegende Stimme, die besonders im 2. Akte zu prachtvoller Geltung kam, die mühelose, schlackenfreie Tongebung und vollkommene Ausgleichung der Register, ferner die Feinheit des Legato, Staccato und Portamento sowie die außerordentliche Atem schulung — das zusammen addiert garantiert schon am rein Technischen einen großen Genuß und ge- srecgertes Interesse. Indessen ist dieses eminente können nicht Frida Hempels Kunst allern. In ihrem Gesi nge liegt auch Seele. Ihre Kantilene läßt die rrahilich nicht gering zu bewertende persönliche Note zu bedeutender Geltung gelangen und ihr sa fein aus- gearbeiterer Vortrag macht unverzüglich den exzellenten Musiker erkennen. Gewiß sind die dravourensen Variationen über das kindlich einfache Mozcrtische Thema von A. Adam nur technische Kunst- stücke und gesangliche Seiltänzerei, also an sich nur die Probe aufs Exempel einer auf allerhöchster Stuf« befindlichen Ausbildung der Frauenstimme. Aber einer Frida Hempel gelingt hier ein« liebenswürdige Täuschung, denn sie vermag wenigstens einigen Variationen den Anschein eines gewissen musikalischen Werts zu geben. In den Ensemblesätzen war der Sopran der Künstlerin von strahlendem Glanze und behauptete sich gegen alle, auch gegen das Orchester, das Herr Kapellmeister Conrad an unerbittlich, ober auch unbegreiflich straffem Zügel hielt und ganz unnötigerweise des öfteren allen Regeln zuwider im Kampf der Lieder und Gesänge dominieren lasten wollt«. Frl. Hempels Auftreten empfing noch einen andern, nicht zu unterschätzenden Reiz durch ihre schauspielerische Begabung. Sie gab die Marie ohne allen sentimentalen Beigeschmack als forsches Sol- datenkind, das mit dem Regiment durch dick und dünn gehr und sich als hochgeborene Baronesse im langen Schleppkleide so unglücklich als möglich fühlt. Reizend war diese naturfrische, aber der angeborenen weiblichen Grazie instinktiv folgegoben-de Regiments tochter besonders in dem frohen Zusammenspiel mit dem bärbeißigen Sergeanten Sulpice, den Herr Kunze ebenso fein humoristisch als realistisch dar stellte. Die Künstlerin wurde aufs lebhafteste und wärmste gefeiert von d«n das Haus fast füllenden Zuhörern, die ganz mir Recht an der Oper des hoch talentierten Bergamaskers Donrzetti noch viel Ge fallen fanden. Luxem Kerxaitr. und die junge Saat vom Priester gesegnet wird, da mit sie vor Unwetter bewahrt bleibe. Einzelne der Teilnehmer erscheinen zu Pferde; einer von ihnen trägt die „Blutglocke", welche ertönt, sobald der Segen gesprochen wird; wenn dann auch eine Musik kapelle spielt und Gewehre abgefeuert werden, so wird man unwillkürlich an das Wetterjchiesien der Neuzeit erinnert. Aber noch gravierendere Spuren erinnern an die heidnische Zeit; es tauchen nämlich hie und da aus der Versenkung der heidnischen Vorzeit alte Opfer bräuche aus. So ist es in manck-en Gegenden Himmel- fahrlsbrauch, dasi man eine Strohpuppe in ein Ge wässer senkt, die nichts anderes verkörpern soll als ein Menschenopfer der Heidenzeit. Die Enz bei Bietigheim verlangt ein Brot, ein Schaf und einen Menschen, der Neckar bei Mittelstedt einen Bienen korb, ein Lamin oder einen Menschen als Opfer. Dein Dünnerer mögen wohl Menschenopfer gebracht wor den sein, das Christentum mildert« dem Brauch und opferte neben Lamm und Bienenkorb eine mensch liche Nachbildung. Gänzlich davon abkommen mochte man aber nicht, denn sonst holten sich die Flüsse ihr Himmelfahrtsopfer selbst: es ertrank eine Person der Gemeinde, welche das Opfer zu bringen hatte, oder der Fluß trat aus seinen Ufern und vernichtete Saat und Ernte. Weit lieblicher als jene Opfer, di« man den Flüssen brachte, muten die an, die den Brunnen und Quellen geweiht wurden. Sic waren besonders am Rhein und in seinen Nebentälern zu Hause und be standen darin, daß die Brunnen des Ortes und die Quellen im Wcichbilde mit Blumenschmuck versehen wurden; w«nn man dazu am liebsten rotblühende Blumen wählte, so erinnert das wiederum an den rothaarigen Donar. Bis in die Neuzeit wurde dieser Brauch zu Bacharach gepflegt. Dort zog die Jugend hinter dem Brunncnkranze her, der von Wagenrad größe und mit buntscidencn Bändern verziert, durch die Stadt getragen wurde. Man bekränzte sämtliche Brunnen und sang vor jedem Hause. Als Aeauwa- lent erhielten die Sänger Kuchen, Brot, Eier, Würste u. dcrgl., die dem Brunnenmeister abzuliefern waren, wofür dieser ein Mahl zu bereiten hatte. Blumen opfer am Himmelsahrtstag« treten uns noch in an derer Form entgegen. Auch sie erinnern an die alt heidnische Zeit, da man die Räumlichkeiten mit den Symbolen der guten Geister bekränzte, wie sich eben daher die Sitte herleitet, an diesem Tage die Kirche mit Blumen zu schmücken; wobei in den verschiedenen Gegenden verschiedene Blumen gewählt werden. In der Mark Brandenburg taten es die Blüten d«s Waldmeisters; in Schwaben sammelten die Mädchen am frühen Morgen des Himmelfahrtstages die Blüt chen einer Vergisimeinnichtart (Himmelfahrtsblu men), wanden Kränze daraus und hingen sie in Wohnräumen und Stallungen zum Schutz gegen Blitzschlag auf. Aus demselben Grunde suchen im Harz die jungen Mädchen die rötlichen und weißen Blüten des Allermannsharnifch (Dnaphalium dtci- cum); so sagen sie wenigstens; denn, je zahlreicher sie das Pflänzchen finde», desto mehr steigt ihre Hoff nung, bald dem Jungfraustande Valet jagen zu können; finden sie aber nichts, dann heißt's wohl: Dat Allermannsheeren, dat böse Krut, Det hew ick e socht, Un bin doch noch keene Brut! Einen Blick in die Zukunft gewährt auch die Knolle des Aronstabes (Arum maculatum), die man früher im Stadtwald bei Frankfurt a. M. suchte. Der hier und da gepflegte Brauch, am Oster- morgen auf die Berge zu steigen, um zu sehen, wie di« Sonne beim Aufgang drei Freudensprünge tue, wird in Hessen und Schwaben am Himmelfahrtstage geübt. Selbstverständlich hat der Tag auch seine be sonderen Speisen und Gerichte. So bäckt man am Main die sogenannten Kugelhoppen in großen Mengen und jedermann kauft sie. In manchen Orten laufen am Kugelhoppenfest (Himmelfahrtstag) die Kinder nach diesem Gebäck um die Wette. In Holland verzehrt man Himmelfahrtskugeln. Auch in Oesterreich gibt es in vielen Gegenden ein besonderes Gebäck, das Himmelfahrtskuchen oder Christikuchen heißt. Es hat ein kreuzähnliches Zeichen aus Mus oder Marmelade. In Schlesien verzehrt man die Himmelfahrtssuppe, eine Art Kräutersuppe, wie sie in anderen deutschen Gegenden am Gründonnerstage verspeist wird. Am großartigsten aber wurde der Himmelfahrtsschmaus in Frankreich gefeiert. Er be stand nämlich darin, daß jeder Tischgenosse einen Vogel zu vertilgen hatte, sei es nun eine Taube oder «ine Gans — es mußt« Geflügel sein. Welches der Grund dieser französischen Sitte ist, läßt sich schwer entscheiden. Einerseits wird angenommen, der Vogel deute auf die Taube des Pfingstfestes hin, die den Heiligen Geist verkörpere. Andere wollen in dem Vogel die figürliche Darstellung des Gottessohnes sehen, sei es, daß der gen Himmel fahrend« Christus die Gestalt einer Taube angenommen habe, sei es, daß er wie ein Vogel d«m Bösen die Seelen entrissen hab«. . Will man nicht jene Vögel als Erinnerung an altheidnischc Tieropfer arischen, so könnte auch daran erinnert werden, daß bereits nach jüdischer An schauung der Eingang der Seele Ku Gott unter dem Bilde des Vogclflugs gebräuchlich war. Wie in Frankreich, so kannte man auch rn England dies« „Pogelopfer" am Himmclfahrtstaae, und von dort aus mögen sie am Rhein und im Holsteinischen Ein gang gefunden haben, wo in wohlhabenden Bauern häusern noch heute an diesem Tage die erste junge Gans auf den Tisch kommt. Aber nicht nur durch allerlei Volksbräuche wurde der Tag in seltsamer Weise ausgezeichnet, auch die kirchliche Feier des Festes gestaltete sich vielfach sehr eigentümlich. Während des Gottesdienstes wurde nämlich eine eigenartige, jeden Unbefangenen geradezu komisch anmutend« Himmelfahrt improvi siert. Eine hölzerne, buntfarbige Christusstatu«, die einig« Wesen, die «in« gewisse Aehnlichkeit mit höl- zerncn Engelsfiguren nicht verleugnen können, um schwebten, wurde an Seilen durch eine Oesfnung des Kirchenhimmels gezogen, kurz darauf entstand auf dem Kirchenboden ein furchtbares Getöse, das den Kampf Christi mit dem Teufel darstellen sollte. Der letztere fiel dann in Gestalt einer buntbemalten, mit Pech und Schwefel bestrichenen und in Flammen ge setzten Puppe unter allgemeinem Jubel der Gemeinde in die Kirche herab. Wennschon Lurch diese rrä «xrulos demonstrierte Himmelfahrtsszene mancherlei Unglück angerichtet wurde, so erhielt sich der Brauch, der wahrscheinlich ein Ueberbleibsel aus den geistlichen Spielen des Mittelalters ist, bis in unsere Zeit, so daß 1835 der Bischof von München-Freysing ein aus drückliches Verbot gegen das Ausziehen einer Christus- figur erlösten mußte. Den Bauern war aber weniger an der bildlichen Darstellung der Himmelfahrt gelegen; sie schauten zwar mit Spannung dem davonsliegenden Heiland samt seinem Ge'olge nach, aber nur um zu erkunden, in welcher Richruilg zuletzt di« himmlische Versamm lung verschwindet; denn aus dieser Richtung werden während des Sommers die schweren Gewitter kom men. So wären wir zum letzten Abschnitt unserer Mitteilung gekommen. „Wie wird zu Himmelfahrt das Wetter sein?" so fragen alljährlich Tausende und aber Tausende, um den Alltagsstaub von den Füßen zu schütteln und draußen in der Natur, in dem tau frischen Grün mit eignen Augen den Frühling zu sehen. „Wie wird zu Himmelfahrt das Wetter sein?" so fragten schon vor Jahrtausenden unsere Vorfahren, aber nicht, weil sie einmal ausnahmsweise hinaus ziehen wollten, sondern weil ihnen der Himmelfahrts tag eine wichtige Bedeutung für das ganze Jahr hatte. Himmelfahrt war ihnen von alters her der Tag der Gewitter. Das prägt sich, wie wir sahen, heute noch in zahlreichen Volksbräuchen aus. Als Friedrich der Große einmal die Feier des Himmelfahrtstages in Preußen abschaffen wollte, stieß er auf großen Widerstand. So tief war die alt heidnische Bedeutung des Himmelfahrtstages im Volksbewußtsein eingewurzelt, daß man es dem König zur Last legte, als in den darauffolgenden Jahren tatsächlich große Schäden durch Gewitter an gerichtet wurden. Die Unzufriedenheit des Volkes machte sich in Petitionen Luft. Aber der König gab nicht nach, und durch einen Erlaß (1773) wurde der Himmelfahrtstag als Festtag gestrichen. Indes über lebte dieser Erlaß den großen König nur um drei Jahre; denn im Jahre 1789 setzte sein Nachfolger Friedrich Wilhelm H. den Himmelfahrtstag wieder in seine Rechte ein. Schließlich sei noch an eine sehr praktische Gewohnheit erinnert, die in England ge pflegt wird. Dort sind die Bewohner gesetzlich ver pflichtet, bis Himmelfahrt die Blitzableiter in Ordnung zu bringen: behördliche Revisionen über zeugen sich davon, ob man dem alten Donnergott bis zu diesem Tage seinen Tribut gezollt hat. biOkiir Mlllkfi 8. pelSNLSll' s. o«»»
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