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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 07.09.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-09-07
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110907013
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911090701
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911090701
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-09
- Tag 1911-09-07
-
Monat
1911-09
-
Jahr
1911
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Bezug-Preit M Lrtptt» » d v»r»rt< dvch »I«« Trüarr »nd SprdU«,»« Lmal t>glich In, yau, ,«bracht: «Pt.m»i«atl..r.7»Mt. vtlürljährl. Bei »n1«rn FUialrn u. An» »ahmrslrllrn odarbott: 7S y!. manatl, r.rs ««. v>«tt«fiahrl. r,n» bt^P-Ur Innerholb DruNckland» und der deutlch«, Kolonien vlerteljadrl. >.« Ml.. »onatl. I.HV Ltk. ou»lchl Volibelrellaeld Ferner in Belgien, TLnemark. den Donaallaaren. 3:oli«n. tiuremburg. Niederlande. Rar» wegen, Lellerreich» Ungarn, Rudland. Schweden. Schwei» n Evanren. 2n alle» übrigen Elaaien nur direkr durch die E«!chäii»ft«ll» de» Blaue» ertzaUuch. la, L«iv,i«»r Tageblatt «scheint r»al täglich. Sonn« u. Feiertag» nur morgen». Adonnement.-Unnabm« 2»banni»g»Il« >. bei unleren Trägern, Filialen. Spediteuren und Ülnnabmelrelle» lowt« Ponämrern und Bnelirägern. Morgen-Ausaabe kcVgcrTagMM Handelszeitung. Amtsblatt des Rates und des Vokrzeiamtes Ser Stadt Leipzig. U ittNl Prei- fiir Snierat« au» ü!«ip,ta und Umgnt», oi« lipaltig« Peltljeil« L Pf_ di« Neklame- »eU« t E.' van »»»wärt» LV Pf, Reklamen ÜL Mil' Inserate von Behörden im a»t- ltchen Teil di« P«ttt»eil« » Ps G»schäst»an»eig«n mit Platzvorschrifte« im Preis« erhöht. Nabatt nach Taris, Betlagegebilbr Gesamt» «tlag« S Mt. p. Tausend erkl. Pastgedühr. Tettbeilag» Häher. Iestertetlt, iilustrag« können nicht »»rLck« a«,ogen werden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kern« Garantie übernommen. >n»eigen« Annahme: I»hairni»»ast« 8. bei sämtlichen Filialen u. allen Annancrn» E»prdition«n de» 2n» und Ausland«». L«k nn» Beel», »»» Fisch« ch Kkette» Inhaber: Panl Akrfte». «edaktian üü^Geschäst.ftell«: Iohanntsgass« L Haupt-Filiale Dr«»d,n: Eeejtratze 4. l ilelephon Nr. 248. vonnerstsy. üen 7. Scptemver lSU. Die vorliegende Aufgabe nmsaht 16 Leiten. Dss Wichtigste. * Anläßlich der Jahrhundertfeier der Univesität Lhristiania wurden verschiedene Leipziger Professoren zu Ehren doktoren ernannt. (S. Leipziger Ang.) * Infolge der Gerüchte von einer angeblich be ¬ vorstehenden Mobilmachung dauert der Ansturm auf die Stettiner Sparkasse fort. Bisher ge langten 1400 000 zur Rückzahlung. (S. d. des. Art.) * Der österreichische Linienschiffsleutnant Graf Hieronymus Colloredo-Mannsfeld ist zum Marine- attachö bei der österreichisch-ungarischen Botschaft in Berlin ernannt worden. * Der frühere Sichcrheitschef der Pariser Polizei Eochefert, der in der Dreqfus- und Humbertaffäre eine Rolle gespielt hat, ist im Alter von 61 Jahren gestorben. * Die Zahl der aus ständigen Dockarbei terin Spanien nimmt stündig zu. (S. Ausl.) Gin neues Schönbrunn? Im Spätherbste des Jahres 1805 wurde der preußische Minister Graf Haugwitz ins Haupt quartier Napoleons abgesandt, um Rechenschaft für eine Preußen zugefügte Unbill zu fordern. Offiziell wurde bekanntgcgeben, daß der Bote Ueberbringcr eines Ultimatums sei. Die Pa trioten atmeten auf, daß die durch einen groben Neutralitätsbruch beeinträchtigte Ehre des Staates in guter Hand sei. Tatsächlich war aber der Gesandte neben feinem amtlichen Auf trage im Besitze einer besonderen Instruktion, den Frieden unter allen Umstünden zu wahren. An der Lösung dieser Quadra tur des Zirkels verzweifelnd, zog er es vor, den Ausgang der nächsten großen Schlacht abzuwarten. Nach dem Tage von Austerlitz war die Uebergabe des Ultimatums zur Unmöglichkeit geworden. Anderseits hatte eine formelle, nichtssagende Entschuldigung für Napoleon nicht das geringste Demütigende mehr. Es kam anders. Herr Haugwitz behielt einfach seinen amtlichen Schreibebrief in der Tasche, trat aber, um die Wiederkehr solcher Zwischen fälle zu verhüten, bequemlichkeitshalber die Markgrafschaft Ansbach, um deren verletztes Gebiet der Streit ging, einfach an Frankreich ab und noch Eleve und Neuenburg dazu. Als „Kompensation" aber brachte er Hannover mit. Das preußische Volk war höchst aufgebracht darüber — und der Krieg kam nun erst recht. Man wird die alte böse Erinnerung, gegen die Olmütz ein Nichts ist, nicht los, wenn man nunmehr zum zweiten Male lesen muß, daß ernsthafte Leute in Deutschland sich mit Kom binationen beschäftigen, nach denen bald — wie es zuerst hieß — Togo, bald der „Enten schnabel" von Kamerun abgetreten werden soll, „um die Gefühle der Franzosen bei einer Ueber gabe des Kongolandes zu schonen". Westen Ge fühle sind denn hier eigentlich schonungsbe dürftig? Die Frankreichs, dem ein Land aus geliefert werden soll, dessen militärischer, mo ralischer und materieller Wert von keiner älteren französischen Kolonie erreicht wird? Das seine feierlichen Vertragsverpflichtungen von Algeciras glatt gebrochen hat, wie seit Jahrzehnten in Europa keine internationale Versprechen mehr gebrochen wurden? Das unsere Industriellen, wie der Fall Mannesmann gezeigt hat, schon am grünen Holze der erst werdenden Französierung aus ihren Gerechtsamen herausdrängt und damit liebliche Aussichten er öffnet, wie es am dürren der vollendeten Tunisierung werden möge? Dieser triumphie rende Staat heischt noch besondere Schonung seiner Gefühle, wenn er den beeinträchtigten Staat jetzt wenigstens mit einem anständigen Trinkgeld abfinden soll? Wo liegt da die Schonungsbedürftigkeit? Und Deutsche nehmen das grandiose Ansinnen in ernstliche Erwägung! Ob unsere maßgebenden Männer, ob der Unterhändler, wissen wir ja nicht. Die Mitteilungen eines ungenannten „deutschen Diplomaten in wichtiger Stellung", die die „Münchner Neuesten Nachrichten" ge bracht haben, schienen es zu behaupten. Wenn es wirklich eins der neuerdings epidemieartig sich verbreitenden „Mißverständnisse" gewesen sein sollte, mag der deutsche Ungenannte den un geschickten Stilisten beim Schopfe nehmen. Mög lich, daß eine „Togofrage" nicht mehr existiert: daß aber der Marokko-Kongo-Dertrag eine recht unangenehme Enttäuschung sein wird, ist nicht nur möglich, sondern leider sogar sehr wahr scheinlich. Die frische, entschlossene Gegenwartsstimmung, die zu befestigen sich die Regierung angelegen sein lasten sollte, würde dann rasch verfliegen, und als Erdenrest zu tragen peinlich bliebe nur die nackte Enttäuschung. Das würde dann aber ganz besonders bei den Reichs tags wählen zu verspüren sein. Es gibt leider schlechte Musikanten genug in der deutschen Wählerschaft, die in solchen katzenjümmcrlichen Stunden sich an den roten Beelzebub anklammern, um von neuem ihre Unzufriedenheit zu bezeugen. Die Wahlschlacht von 1907 wurde gewonnen, weil es dem natio nalen Schwung gelang, einen beträchtlichen Bruchteil aus der „Partei der Nichtwähler" an die Urne zu bringen. Es steht leider zu be fürchten, daß die Wahl von 1912 durch die Partei derReichsverdrossenenzur furcht baren Niederlage werden wird. Diese Erwägung der nach innen sich richtenden Wirkungen müßte dazu drängen, an das Marokkoproblem erst nach tieferer Erfassung seiner volkspsychologischen Bedeutung heranzutretcn, die es tatsächlich bereits ge wonnen hat. Man tue einen Blick in die Massenstimmung der nationalen Kreise, wie sie die Versammlungen in Berlin, Leipzig und an anderen Orten aufgedeckt haben, in das Uebermaß von Verärgerung und Mißvergnügen, das im Augenblicke gerade diese Kreise zur Oppositionspartei vorbereitet, und man wird verstehen, was auf dem Spiele steht. Wir wollen kein zweites Schönbrunn erleben. Auch Spanien verbittet sich die ihm angesonnene, eigentlich auch uns verletzende Verquickung der Marokko-Verhandlungen mit einem Abtausche seines Guinea. Wenn unser großer Dichter den Spanier stolz nennt, so soll die Welt jetzt erfahren, daß auch der Deutsche stolz geworden ist; zu stolz, um nicht zu er röten, wenn ihm ein Feilschen zugemutet wird, das sein unverdorbenes Gemüt in Freundes- wie Feindeslager anders denn als eine schwere diplomatische Niederlage und tiefe Demütigung bewerten wird- Ueber den Stand der deutsch-französischen Verhandlungen erfahren wir: Die französischen Borschläge unterliegen gegenwärtig noch der Prüfung seitens der deutfchen Stellen, und zwar geht diese Prüfung bis ins einzelne. Es werden dann von deutscher Seite Gegenvorschläge zur Uebermittlung an den französischen Botschafter niedergelegt werden. Man darf annehmen, daß Herr v. Kiderlen-Wächtcr und Botschafter Cambon nicht eher wieder zusammen kommen, als bis der deutsche Staatssekretär mit dem Reichskanzler Rücksprache genommen hat. Diese Rück sprache wird sofort nach der Rückkehr des Kanzlers in Berlin erfolgen. Der Sturm auf die Sparkasten. In Stettin und auch in andern Orten hat seit Montag infolge der allgemeinen Nervosität ein Sturm der Einleger auf die Sparkasten eingesetzt. In Stettin sollen an einem Tage 400 000 .st abgehoben worden sein, obwohl von der Behörde nachdrücklich darauf hingewiesen worden war, daß rm Kriegsfälle dis Sparkasteneinlagen nicht in. ge ringsten angctastet werden würden. Am Mittwoch hat sich dieser Sturm fortgesetzt, wie aus folgendem Telegramm ersichtlich ist: Stettin, 6. September. (Eig. Drahtmeld.) Der Andrang zu den Rückzahlungsschaltern der Städtischen Sparkaste war heute morgen ebenso stark wie am gestrigen Vormittag. Die Be mühungen der Kassenbeamten um Beruhigung des Publikums sind nur von geringem Erfolge begleitet. Stettin, 6. September. sEig. Drahtmeld.) Trotz aller beruhigenden Hinweise der hiesigen Presse und seitens der Sparkastenbeamten erschienen heute mor gen wieder Hunderte von Sparern zur Ab hebung ihrer Guthaben bei der Sparkasse. Es gelangten 266 000 zur Auszahlung, gegen 18 000 ,4t Einzahlungen. Im Publikum ist das Ge rücht verbreitet, daß die Sparkaste im Falle einer Mobilmachung das Kassenlokal schlie ßen und die Auszahlungen ein stellen werd«, doch ließ sich ein« ganze Reihe von Sparern durch Zureden bewegen, ohne Abhebung ihrer Ein lagen die Sparkaffe zu verlassen. Auch nachmittags war der Andrang wieder ziemlich stark. Seit Sonn abend gelangten insgesamt 1400 000 ,st zur Rück zahlung. Englische KriegsoerficheruAg. ?. O. Loudon, 6. September. sEig. Drahtmeld.) Eine große Anzahl Geschäftshäuser haben gestern wieder ihre Waren im Falle eines deutsch französischen oder deutsch-englischen Krieges ver sichern lassen. Sie müssen eine monatliche Prämie von 10 Prozent der Versicherungs summe zahlen. Leine Vertuschung. Man schreibt uns: „In cciier Kieler Korrespondenz der „Kölnischen Zeitung" lese ich: „Einige größere Blätter regen sich unnötig über die angebliche Spionage im Kieler Hafen auf und legen dem Vorkommnis ganz unverdiente Wichtigkeit bei. Die Bedeutungslosig keit erhellt am besten aus dem Bericht Les „Foue- blad" in Kolbing, wo beide Engländer die Fahrt nach den deutschen Gewässern antraten. Nach dem Koldingcr Blatt standen die Engländer im Atter von 20 bis 30 Jahren. Sie trafen vor erwa 10 Tagen in Kolding ein und mieteten mit Hilfe des englischen Konsuls Eff das Boot des- Fischers Hermausen." Es wird dann in wenig Worten weiter berichtet, daß die Engländer sich mit Proviant, Orlzeug usw. versorgt Hütten und hinzugesügt, man hcr-be sich üocr Sie vermeintlichen Spione in Kiel nicht aufgeregt. Das ist gut. Man braucht sich auch über wirkliche Spione nicht auszursgen; bisher galt Aufgeregtheit überhaupt nicht als die dem deutschen Wesen ent- sprechcuoe Stimmung bei heiteren oder ernsten Vor fällen. Ans den Angaben des dänischen Blattes auf Harmlosigkeit der Engländer zu schließen, wäre aber reichlich naiv. Ich möchte dem Kieler Korrespon denten nur eine Tatsache enlgegenhalten. Einer der Engländer hieß Stagg. Er führte einen Ausweis Les englischen Konsuls in Lyon bei sich, wonach er Lehrer in Melbourne war; ob Las australische Mel bourne gemeint war. war nicht gesagt. Dieser Herr Stagg aus Melbourne war der dänischen Sprache kundig. Wenn man in der englischen Marincliste nach-chlüg-t, findet man einen englischen See- off'zier namens Stazg verzeichnet; Liefer Herr Stagg — ich meine jetzt nicht den aus Melbourne, sondern den englischen Offizier — ist zu Sprach studien zufällig nach Dänemark beur laubt. Man kann auch sonst noch einiges er wähnen. Der zweite der in Kiel beobachteten Ost- secfi hrer nannte sich Wacc. Auch er erklärte, Leh rer zu sein. Zufällig befand sich in seiner Tasche die Rechnung einer englischen Offizicrsinesse. Wiederum will es der Zufall, daß die englische Marine liste einen Seeoffizier namens Ware verzeichmet. Das wird, wie gesagt, alles nur Zufall sein, ebenso, daß die beiden Herren gar keinen brauchbaren Aus weis bei sich führten und auch absolut keine Stelle anzcigeben vermochten, bei der man sich über sie drahtlich erkundigen könne (jeder von uns wird wohl, wenn er im Auslande reist, in der Lage sein, eine solche Stelle zu nennen). Endlich wird es Zufall sein, daß die beiden Lustfahrer einen technisch be sonders vollkommenen photographischen Apparat mit sich führten, wie ihn nicht jeder Lehrer besitzt. Ich bleibe dabei, daß es richtig ist, wenn man sich in Kiel nicht über derartige Zufällig keiten „aufrcgt". Unrichtig wäre es nur, wenn man das Verhalten von Behörden belächelte, die für solche Zufälligkeiten Interesse haben. Gerade weil wir Deutschen von Spionenfurcht weit entfernt sind, ist die Mahnung am Platze, ernste Dinge auch ernst zu nehmen. Wer sich dss vor dem Reichsgericht geführten Prozesses gegen die englischen Offizier Trench und Brandon eriimert, wird der Ueberzeugung sein. Laß damals di« Wachsamkeit zu gering gewesen war, und daß man diese beiden Spione viel früher hätte fasten müssen. Jetzt ist der Engländer Schultz gefaßt, den man mit Grund für einen be zahlten Agenten der englischen Regierung zu halten hat; es ist der englische Rechtsanwalt und Reserve offizier Stewart gefaßt, der wieder zu der^ Gattung der Eentlemanspione gehört; in beiden Fällen ist die unmittelbare Beziehung zu einer Regierungsstelle wahrscheinlich nachweisbar. Anderseits wird in England ein großes Wesen von dem in Plymouth verhafteten Deutschen Schultz gemacht, bei dem jede Beziehung zur deutschen Negierung ausgeschlossen er scheint, der in Frankfurt a. M., wo man ihn zu kennen behauptet, als Hochstapler gilt, der sich als Doktor und Reserveoffizier aufspielt, aber niemals Student und Soldat gewesen sein soll: unter Liefen Umständen ist wirklich kein Grund vorhanden, den Kieler Vorfall zu vertuschen oder die Wachsameit der Behörden oder der Küstenbevölkerung einzufchläsern." Gin Umschwung in üen englischen LrmübeWnerhMMen. Etwas Merkwürdiges vollzieht sich gegenwärtig, noch wenig beachtet, in England. Die großen Land lords veräußern einer nach dem andern große Teile ihres Besitzes, meist an frühere Pächter. Weite Lati fundien verwandeln sich im Handumdrehen in zahl reiche selbständige kleine Bauernstellen- und die Neigung für eine solche Wandlung äußert sich überall mit eiper Kraft, daß ein Kenner der eng lischen Landwirtschaft bereits vermutet, man be fände sich „am Borabend eines großen Umschwunges in den Bedingungen des Landbesitzes". D«r Herzog von Bedford machte kürzlich den Anfang, indem er «in Gut von 4000 Hektar an seine Pächter verkauft«. Diesem Beispiel folgten rasch mit ähnlich großen Landveräußerungen der Herzog von Westminster, Lord Sandes in Kent, Lady Carnaoon in Notting hamshire und andere. Seit zweihundert Jahren hatte das Grundeigen tum in England die Neigung gehabt, sich in immer weniger Händen anzusammeln. Noch in den letzten Jahrzehnten des 17. Jahrhunderts war die yeo- manry, eine unabhängige Bauernschaft, zahlreicher als die Klaffe der Pächter, waren selbst noch die länd lichen Lohnarbeiter Mitbesitzer am Gemeindeeigen tum. Um 1750 war die Neomanry verschwunden, und in den letzten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts die 105. Jahrgang. letzte Spur vom Gcmcindeeigentum der Ackerbauer. Heute besitzen in den drei Teilen Großbritanniens 2191 Personen fast die Hälft« des ganzen Landes und 28 Familien immer noch den vierzehnten Teil. Seit 1830 kam der Latifundicnbildung der rasche Rückgang der Preise landwirtschaftlicher Produkte zugute. Diese sanken bis 40 v. H. der früheren Höhe, während die Betriebskosten dieselben blieben. Der Ackerbau lohnte schließlich für kleine Besitzer kaum mehr und führte ost zu Verlusten. In dieser Hinsicht hat sich jedoch in den letzten Jahren vieles zum Besseren ge wendet. Die Preise landwirtschaftlicher Erzeugnisse sind unaufhaltsam gestiegen. Große Arbeitserspar nisse wurden ermöglicht. Zwar gingen die Löhne be deutend in die Höhe, aber dafür wurde die Zahl der beschäftigten Arbeiter durch Anwendung von Ma schinen verringert. Die englisclie Landwirtschaft ist ln'ute die i n t e n s i o st e, die es gibt. Nach den Er mittlungen des Internationalen Ackerbauinstituts in Nom wird in England von einem Hektar Ackerland durchschnittlich ein höherer Ertrag als in irgend einen! andern Lande Europas oder Amerikas erzielt. Alle diese Umstände haben in letzter Zeit zusammen gewirkt, um die Landwirtschaft in England im Kleinbetriebe wieder rentabel zu macken und da durch die Nachfrage nach Land zu steigern. Die Groß grundbesitzer können infolgedessen unter günstigen Bedinaungen einen Teil ihres Besitzes losschlagen, wozu sic an und für sich geneigt sind, weil sie ihre finanzielle Lage aufbesscrn, wenn sic den Erlös in Industrie- oder Kolonialwertc.n anlegen. In der Londoner „Times" wird von einem Sachverständigen genau berechnet, daß ein Besitzer von 4000 Hektar Ackerland hcutx sein Jahreseinkommen um 43 000 -st ausbessern kann, wenn er die Hälfte verkauft und den Erlös anderwärts anlegt. Auf diese Weile wird durch die obwaltenoen Umstände der Großgrund besitzer ebeifiosehr zum Berkaus wie der Pächter zum Kauf von Land gedrängt, die großen Latifun dien beginnen zu zerfallen, und was jahr zehntelange Anstrengungen der englischen gesetzgeben den Kräfte nicht vermocht haben, bringt so ein Um schwung in Len natürlichen Lebcnsbedingungen der englischen Landwirtschaft spielend leicht zuwege. Mttitittische Reformen in Rutzlonü Durch einen Befehl an das Kriegsministerium ist der Personalbestand der über ihre Dienstzeit hinaus in dcr aktiven Armee verbleibenden Gemeinen be deutend erhöht worden. Es wird beabsichtigt, wie der Korrespondenz „Heer und Politik" von militäri scher Seite aus mitgeteilt wird, allmählich im Laufe von 5 Jahren den Bestand außer den über ihre Dienstzeit hinaus verbliebenen Bizefähnrichcn auf 24 000 Mann zu erhöhen, die eine neue Kategorie von Unteroffizieren und Ge freiten bilden sollen. Diese Neubildung ist auch in einem gewissen Grade materiell sichergestellt worden. Außer voller Verpflegung, Uniform usw. erhalten solche Unteroffiziere ein Ergänzungsgehalt von 180 Rubel jährlich zu den 48 Rubeln, welche ein älterer Armeeunterofsizier bezieht, während ein Ge freiter 120 Rubel jährlich zu den 7 Rubel 50 Kopeken Gehalt Zulage erhalten soll. Wenn Liese Leute zwei Jahre im Dienst geblieben sind, so erhalten sie eine Unterstützung von 120 Rubel und nach zehnjährigem Dienst eine Subvention von 500 Rubel. Nach 15jährigem Dienst wird einem solchen Unteroffizier eine Pension von 9li Rubel jährlich bewilligt. Den über ihre Dienstzeit hinaus bleibenden Soldaten wird die Verheiratung gestattet, worauf sie 72 Rubel im Jahre Zuschuß erhalten. Sollte keine Wohnung für solche Unteroffiziere vorhanden sein, so werden ihnen Wohnungsgeloer ausgezahlt, welche den halben Be trag der für den jüngeren Offizier bestimmten Weh- nungsgelder ausmachen. Die materielle Lage der Unteroffiziere erscheint soweit gesichert, daß sich an nehmen läßt, es werden sich genügend Freiwillige finden. Dadurch werden der Armee 24 000 zuvor» lässige Instrukteure zugeführt, die sich mit der Aus bildung der Rekruten zu beschäftigen haben werden. Allerdings werden diese 24 000 Instrukteure stark ver streut werden, da die russische Armee über 5000 Kom panien, Batterien, Schwadronen und Ssotnien zählt. Vis zur letzten Verkürzung der Dienstzeit waren es nur die Vizesähnriche, die zur Rekrutierung des nötigen Bestandes an Unteroffizieren herhalten mußten. Jetzt, wo sich ein recht fühlbarer Mangel an tüchtigen Unteroffizieren in der rus sischen Armee bemerkbar macht, hat das Kriegs ministerium auf der oben angedeuteten Basis die Heranziehung eines weiteren Kontingents versucht. Bekanntlich halten viele die dreijährige Dienstzeit für einen zu kurzen Zeitraum, um mit allen Einzel heiten des Dienstes vertraut zu werden. Bei einer längeren Dienstzeit werden die Bauern allzu oft von ihrem Beruf entwöhnt. Auch gehen durch die längere Dienstzeit viele Ehen in die Brüche. Zudem wird durch die kürzere Dienstzeit die Zahl der Reserven erhöht. Während der kurzen dreijährigen Dienstzeit ist die Vorbereitung tüchtiger Unteroffiziere geradezu unmöglich. Durch die Neueinführung wird dieser Mangel abgestellt. Es findet sich jedoch eine Reihe von Autoritäten, darunter auch der bekannte Militärschriftstcller General W. §. Kriwcnko, der sich gegen ein allzu langes Festhalten von Unteroffizieren im Dienst aus spricht. Der Ansicht des Generals Kriwenko nach dürften diese Unteroffiziere in den ersten Jahren ihrer Dienstzeit sehr wertvolle Gehilfen der Offiziere sein, jedoch sehr bald an Wert verlieren. Sic werden meist dick und schwerfällig, und verlieren jede Energie. Selbstredend müßten solche Elemente verabschiedet werden, aber wer wird sich bei unserer Schwerfällig- keit und Nachsicht dazu bergeben, einen Mann zu ver- abschieden, dem 2—3 Jahre fehlen, um die Sud- vention von 500 Rubel zu erhalten? Ist dieses Sta dium passiert, so tut es einem wieder leid, den Mann um seine Pension zu bringen. Aus diestm Grunde schlägt General Kriwenko vor, diese Kategorie von Unteroffizieren nicht über 5 Jahre im Dienst zu behalten. Dieser Vorschlag besitzt insofern «och
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