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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.09.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-09-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110929024
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911092902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911092902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-09
- Tag 1911-09-29
-
Monat
1911-09
-
Jahr
1911
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Zschryrmg FreUar», ücn 2S, SLptemder l9ll- IL?" Unsere heutige Morgenausgabe umsaht 20 Seiten, Vie Abendausgabe 8 Seiten, zusammen 28 Acitcu. Oer GinLruck ües Nitimstums. In der gallzen Presse wird das italienische Ulti matum an die Pforte eingehend besprochen. Ueber- einstimmcnd wird fcstgestellt, das; die Veröffentlichung eines derartig scharf gehaltenen Schriftstückes in einer Stunde stärkster Spannung bereits einer Kriegs erklärung gleichzuachten ist. Denn es ist völlig ausgeschlossen, daß die Pforte sich dem in der italienischen Note zum Ausdruck gebrachten Ver- langen fügt, wenn sich die jungtürkische Regierung nicht schwersten Gefährdungen aussetzen will. Da das Ultimatum in Konstantinopel erst am Donnerstag nachmittag ^3 Uhr dem Großwesir überreicht wor den ist, läuft die für die Erfüllung der italienischen Bedingungen gestellte Frist heute, Freitag, nachmittag ^3 Uhr, ab. Bis zu diesem Zeit punkt muh die Antwort der türkischen Negierung, die während der vergangenen Nacht vom türkischen Mi- nistcrrat beraten worden ist, erfolgen. Wenn die vorliegende Zeitung in die Hände unserer Leser ge langt, rst die Entscheidung bereits gefallen. Ob bei der zu erwartenden Ablehnung der italienischen For derungen noch eine formelle Kriegserklärung erfolgen wird, oder ob die Welt nach dem berühmten Vor gang im russisch-japanischen Kriege durch einen über raschenden Schlag vom Beginn der Feindseligkeiten Kenntnis erhält, steht dahin. * Die Pforte vor der Entscheidung. Konstantinopel, 29. September. (Lig. Drahtm.) Die P r ä s i d e n t e n des Senats und Ser Kam mer wurden in den Ministerrat berufen. Bisher ist nur bekannt, daß der Ministerrat erilärte, er könne sich mit der Forderung der vorzeitigen Einberufung Les Parlaments nicht befassen, da er ausschließlich mit dem Ultimatum beschäftigt sei. Der Ministerrat dauerte die ganze Nacht hin durch. Konstantinopel, 29. Septernber. (Wiener k. k. Telegr.-Korr.-Bur.) Die Nachricht von der U eb»e r - reichung des Ultimatums rief in Stam - bul Bestürzung hervor. An der Börse brach eine förmliche Panik aus. Der Wali von Tripolis reifte über Marseille ab. Etwa 80 Deputierte traten nachmittags über die Notwendigkeit einer vorzeitigen Einberufung des Parlaments zusammen. Die Debatte verlief ziemlich erregt. Die Abgeord neten von Tripolis klagten über die Zu stande in Tripolis sowie die Unfähigkeit der türkischen Beamten und forderten Abhilfe. Schließlich wurde einstimmig der Wunsch nach bal diger Parlamentseinberufung geäußert und dem so fort versammelten Ministerrat mitgeteilt. Der Mi- nisterrat befaßte sich mit der Vorbereitung der Antwort, die auf das italienische Ultimatum gegeben werden soll. Es verlautet, die Pforte soll in der Antwort erklären, sie sei bereit, den wirtschaft lichen Interessen Italiens in Tripolis Rechnung zu tragen, sie könne jedoch die Okkupation nicht a n n e h m e n. Die Pforte soll die Absicht haben, an die Loyalität Italiens und der Großmächte zu apellieren. Wffn, 29. September. (Eig. Drahtmeld.) Die türkische Negierung hat auf das italienische Ulti matum, das sie heute uni 3 Uhr nachmittags erhielt, wie vorauszuschcn war, noch nicht geantwortet, doch in rhr Liane punkt, unterrichteten Quellen zufolge, folz-nder: Falls Italien in Tripolis landet, oder sonst eine feindselige Aktion unternehmen sollte, wird Vie Türkei sofort den Krieg er klären. Die Besatzung in Tripolis hat den Auf trag, jeden Versuch einer Landung Italiens mit Waffengewalt zulückziiweisen, gleichzeitig sollen alle Italiener aus der Türkei und Tripolis ausgewicsen, die Handelsverträge und Kapitalien gekündigt, die italienischen Schulen geschlossen und der Boykott gegen die italienischen Waren eröffnet werden. Einen Versuch Italiens in einem der Häfen des ägäischen Meeres oder der Levante zu landen, wird mit Waffengewalt zurückgewiesen werden. Auch für Komplikationen aus dem Balkan ist die Türkei vor bereitet. Die Armee ist vollständig schlag fertig. Italienische Preßstimmen zum Ultimatum. Nom, 29. September. (Eig. Drabtmelb.) Zur Tripolis-Angelegenheit schreibt „Tribuna": Im Falle eines italienisch-türkischen Zu sammenstoßes würde die italienische Re gierung die Pforte verständigen, daß türkische Unter tanen allzeit jeglichen Schutzes genießen würden, vor ausgesetzt, daß ihre Haltung mit dem Gesetz uno den Forderungen der Lage sich im Einklang befinde. Das Blatt fügt hinzu: In den Maßnahmen, die die Ne gierung bezüglich Tripolis zu ergreifen gedenke, sei auch die einbegriffen, mit den italienischen Streit kräften die Interessen und das Leben der in Tripolis ansässigen Angehörigen fremder Staaten zu schützen, ohne Unterschied mit den Italienern, natürlich in Sen durch die Lage gezogenen Grenzen. — „Giornale d'Italia" betont: Die Re gierung konnte nicht anders handeln, als wie sie mit voller Zustimmung der gesamten öffent lichen Meinung gehandelt habe. Auch die ge samte öffentliche Meinung Europas erkannte I in weite n Umfange die Legitim tät des Vorgehens Z Italiens an. Die Note der italienischen Regierung I spricht nur von einer militärischen Besetzung und läßt den im Wilajet einzuführenden Nechtszustand un bestimmt.— Der katholische „Eorricre d'J t a l i a" schreibt: Die Lösung ist das wichtigste Problem des Gleichgewichts im Mittelmeer und der Garantien für die Zukunft. Das Land nähert sich mit großer Schnelligkeit der Lösung, die, von den Ereignissen begünstigt, von der Nation gefordert werde. — „Rag io ne" veröffentlicht einen längeren Artikel des Abg. Barzilai, in dem die Beweggründe, die das Vorgehen Italiens notwendig machten, ausführ lich auseinandergesetzt werden. Mobilmachungsvorbereitungen in Italien. ?. O. Mailand, 29. September. (Eig. Drahtmeld.) Die Kriegsoerwaltung hat bereits sämtliche Trans- portdampser der italienischen Schiffahrtsgesellschaft zu Truppentransportzwecken gechartert. Von Syrakus sind heute zwei Dampfer der „Societa Navigatione" mit Waffen, Munition und Lebensmitteln an Bord abgegangen. Bisher sollen bereits 40 VVO Mann nach Tripolis eingeschifft worden sein. Die Armeeverwal tung wird noch im Laufe der nächsten Wochen weitere 100 000 Mann mobilisieren und nach Tripolis uer schiffen. Mailand, 29. September. lEig. Drahtmeld.) Auf dem hiesigen Zentralbahnhof sowie auf dem Bahn hof Porte Genova stehen Hunderte von Wag gons bereit, um noch im Laufe des heutigen Tages zu Truppentran Sport zwecken nach dem Süden abzugehrn. Alle Gleise sind mit weiteren Militärzügen belegt. Der Frachtver kehr ist seit heute früh vollständig eingestellt worden. Gestern nachmittag ging von hier ein starker Truppentransport, bestehend aus Infanterie und Artillerie, nach dein Süden ab. Die Soldaten wurden auf ihrem Marsche zum Bahnhof von einer ungeheuren Volksmenge mit patriotischen Kundgebungen der Begeisterung begrüßt. Aus sämtlichen Häusern wurden den Soldaten Blumen zugeworfen. Als mehrere Anarchisten Schmäh rufe gegen den Minister des Aeußern San Giuliano und die Regierung ausstießen, wurden sie von der Volksmenge mißhandelt. Blockierung von Tripolis. Nom, 29. September. (Eig. Drahtmeld.) Wie aus Sfax in Tunis gemeldet wiro, ist das erste ita- licuische Geschwader am 20. September vor Tripolis eingetroffen und hat in Schlachtlinie Anker geworfen. Das Geschwader ist von dem Admiral Aubry be fehligt. Es besteht aus vier Linienschiffen. 3 Panzer- treuzern und einer Anzahl Torpedobooten. Das zweite Geschwader wartet in Len Gewässern Siziliens bei Torrent. Bisher ist kein Italiener an Land ge- gangen. Damir ist also die Blockade der Küste von Tripolis in aller Form vorbereitet, die sofort nach Ablauf des Ultimatums begonnen werden kann. Gefährdung der türkischen Flotte. Konstantinopel, 29. September. (Eigene Drahtmeldunq.) Die vor Beirut befindlick>e tür kische Flotte ist hierher beordert worden. Ob es ihr noch gelingen wird, Konstan- tinopelzu erreichen, gilt als fraglich. Bei der italienischen Regierung scheint der Plan zu oeitehen, sie auszuhalten. Sie soll als Pfand dienen, falls Ausschreitungen gegen das Leben und Eigentum der Italiener in der Türkei vorkommen. Sie befindet sich schon seit vorgestern unter der Kontrolle eines italienischen Ge schwaders. Ein Widerstand der türkischen Flotte gegen die italienische gilt als aussichtslos. Marokko. Paris, 29. September. (Eig. Drahtmeldung.) Die nationalistische Presse bezeugt einige Un Zufriedenheit, weil die deutsche Antwort auf die Note der französischen Regierung noch nicht die definitive Beendigung der Ma rokkoverhandlungen bringt. — Der „Fi garo", der in dieser Angelegenheit die Stimmung der Negierung stets getreu widergespiegelt hat, er klärt hierzu, nach Erkundigung an bestunterrichteter Stelle muß man sich hüten, die Dinge zu s ch w a r z z u s e h e n. In offiziellen Kreisen weigert inan sich, in dem deutschen Verlangen etwas zu er blicken, was die Besprechungen irgendwie zum Schei tern bringen könnte. Ministerpräsident Caillaux hat gestern eine lange Unterredung mit dem Minister des Aeußern de Selves gehabt und beschloß in Uodereinstinimung mit diesem, die Antwort der fran- zöjischci! Rasterung nach Berlin zu senden, ohne daß der Mmistenai ersl darüber ;u diskutieren brauche. Wir können uns zn dieser Beschleunigung nur beglück wünschen. Das Blatt will ferner wissen, daß es sich bei den letzten Differenzen zwischen der deuljck-cn >md französischen Negierung hauptsächlich um die Frage der Bergwerke in Marokko handle. Die üllentjich-rechtlichen Lelsliunyeli oon Geme.kc, Hnnüe! mrü IüüuittLe. Das vom Hailsabund in Angriff genommene Werk über die öffentlich-rechtlichen Belastungen von Ge werbe, Handel und Industrie steyt vor der Veröffent lichung. Am Grund einer umfaßenden Enquete und genau geprüften Zahlenmaterials, das dem Hansa- bund von einer großen Zahl industrieller und ge werblicher Unternehmungen in dankenswerter Weife zur Verfügung gestellt wurde, ist eine konkrete Darstellung der für den Gewerbestand so wich tigen Frage unternommen worden. Dies geschieht in der Hauptsache in 40 st a t i st i s ch e n T a b e l l e n. dis sich u. a. mit der Belastung der Montan industrie. der Textilindustrie, der Maschinenindusiric. der Schiffbauindusleie, der chouiischeu Industrie, der Holzindustrie, der Elektrizilätsinduitrie, des Ver kehrswesens, der Ban.ken. der Bierbrauereien und Malzfabriken usw beschäftigen. Unter anderem ist ferner in einem besonderen statistischen Teil eine Aufrechnung der öffentlich-rechtlichen Abgaben von Gewerbe, Handel und Industrie aus der einen Seite und der Landwirtschaft ans de: andern Seite erfolgt. Die dem Werke zugrnnoe ge legten Ziffern umfassen den Zeitraum von 1900 bis 1909. Aus den beantworteten Fragebogen sind nur diejenigen berücksichtigt worden, bei denen die Ziffern sür die ganze Periode zurüäreichcn und wo jede ein zelne Zahl durch sorgfältige Bilanzuniersuchnng kon trolliert werden konnte. Die slatistisckren Darstel lungen werden einen überzeugenden Ueberblick geben über die immer steigende Linie der auf Handel. Ge werbe und Industrie ruhenden öffentlichen Lasten, ohne daß bereits bisher dis neuen Lasten der Reichs- sinanzgesetze vom Jahre 1909 berücksichtigt werden konnten. Besondere Schwierigkeiten hat die Unteriuchung über die Belastung des Gewerbes gemocht, La alle zahlenmäßigen Angaben in verhältnismäßig nur ge ringem Maße zu erlangen waren. Eine statistische Darlegung ist auch hier in Vorbereitung. Das Werk wird vervollständigt durch einen Abschnitt über die Belastung der Gesellschaften mit beschränkter 5>ai tung in den einzelnen Teilen des Reichs und beson ders in den größeren Städten, so z. B. in Berlin. Hamburg, München. Köln. Stuttgart. Mannheim re. Das Werk enthält ferner eine gedrängte Zusammen fassung der im Reich und in den einzelnen Bundes staaten geltenden Steuern, sofern sie für Gewerbe. Handel und Industrie in Frage kommen. Endlich eine Ucbcrsicht der rein venvaltunasrechtlichcn Be schränkungen, denen diese Wirtschaftszweige unter worfen sind. Die unter rein sachlich» Gesichts punkten ausgeführte Arbeit zeigt, daß der bei weiten, größte Teil der öffentlich rechtlichen Lasten von Ge werbe, Handel und Industrie getragen wird, ein Vor gang, der geeignet erscheint, die nationale Bcdeutunq der deutschen Industrie und des deutichen Kauf manns- und Oiewerbestands-'' übcrhaum im n'.ikest'u Sinne in ein besonderes Licht zu setzen. Vor ''er Veröffentlichung des Gesamtwerkes wird eine solche der wichtigsten statistisckrcn und sonstigen Abschnitt? des Werkes alsbald fortlaufend erfolgen. Nervus rerum. Satirischer Zeitroman von Edward Stilgebauer. (Nachdruck verböte».) Damals, als die Sorene seines jungen Ruhmes aufzugehen sich anschickte, hatte er die kleine Meta Norden, die zu Mühlmann in die Malstunde ging, kennen gelernt. Und nun, da ihn alle beglückwünsch ten und alle von ihm sprachen, da meinte er mit einem Male, er sei ein anderer, er sei ein neuer Mensch geworden. Er meinte, er sei gar nicht mehr Konrad Leuchs aus der letzten Hütte des Dorfes, er meinte, er sei jetzt der große Maler und er dürfte den Blick erheben zu den Mädchen der Gesellschaft, die ihn. den Künstler, in ihren Schoß ausgenommen hätte. Er sah empor zu ihr und Meta Norden erwidert« seinen Blick. Ja. eine Zeitlang schien es, als wolle sich Meta wirklich mit aller Energie der Malerei in die Arme werfen, weil Konrad Leuchs ein großer Maler war. Sechstes Kapitel. Das Welthaus Salomon von Fink L Eo. hatte sich aus kleinen Anfängen heraus zu einer der ange sehensten und bedeutendsten Importfirmen in Deutschland emporgefchwungen. Und nicht nur über ganz Deutschland war sein Ruf verbreitet. In London und in Paris, in Wien, Pest. Neapel, Rom und St. Peterburg besaß es ausgezeichnete Verbindungen und auf den amerikanischen Getreide markten wurden bedeutende Abschlüsse für die Firma Fink L Eo. gemacht. Boshafte Zungen, die da gewohnt waren, das Strahlende zu schwärzen und das Erhabene in den Staub zu ziehen, pflegten den alten und einfluß reichen Kommerzienrat von Fink den berühmten altadeligen MehlhänÄler zu nennen. Denn das Hauptgeschäft, aus dem sich das Welthaus Salomon von Firstk L Co. allmählich entwickelt hatte, bestand in dem Import ausländischen Getreides. Aus diesem Grunde stand der Kommerzienrat vor allem mit Rußland. Ungarn und Amerika in regstem Verkehr. Seitdem es ihm gelungen, ein Reichstags mandat zu erlangen, war er eine öffentliche Per sönlichkeit geworden. Die Zeitungen aller Partei- richtungrn hatten sich vor und während der Wahl mir seiner Person zu beschäftigen gehabt und jene bösen Zungen meinten, seitdem er auf Staatskosten nach Berlin gefahren sei, wär« er noch dicker und aufgedlasener geworden, als er schon vordem ge wesen. Denn wie über dem Genie Otto Nordens, so schien auch über der kaufmännischen Hand Salomon von Finks ein glücklicher Stern zu walten. Allein, während Frau Katinkas oerstovbener Gatte nach allen Seiten mit vollen Händen ausgeteilt hatte, ge sellte sich in dem Innern des Kommerzienrates der Genius des glücklichen Geschäftsmannes mit dem Geiste des sparsamen Haushaltes. Noch sein Vater hatte keine Ahnung davon ge habt, zu welcher Bedeutung sein Sohn das kleine, von der Familie seit Generationen betrieben« Ge schäft emporbringen sollte. Michael Fink, Salomons Vater, hatte in dem ältesten Teile der Stadt ein altes Haus besessen, in Lessen unteren Räumen Mehl und Hülsenfrüchten «n gros und en detail ver kauft morden wären, währeiü» die Familie Iden zweiten Stock als Wohnung inne gehabt und den ersten an Fremde vermietet hatte. Als Salomon siebzehn Jahr« zählt«, hatte ihn die Wanderlust erfaßt uud ein glücklicher Zufall hatte ihn nach Ungarn geführt. Ein Detter seines Vaters war nämlich in Pest als Angestellter in einem Exporthaus hängen geblieben und dieser hatte dem alt«n Fink geschrieben, daß Salomon als Vo lontär in diesem Hause etwas lernen könne. In Pest, wo er Gelegenheit gehabt, sich von der gewaltigen Getreideproduktion der ungarischen Tiefebene ein« Vorstellung zu machen, war ihm die Erkenntnis gekommen, daß er das väterliche Geschäft nach der Seite des Rohprodukten-Importes hin aus bauen müße. Damals hatte die imponierende Ent- faltung Les osteuropäischen Eisenbahnnetzes ihren Anfang genommen, damals hatte di« Schiffahrt auf der Donau und dem Schwarzen Meere die russischen und ungarischen Kornkammern den westeuropäischen Gebieten erschlossen. Salomon von Fink lernte in Pest angesichts der gewaltigen Donau einsehen, daß er das Geschäft seines Vaters auf ein« ganz neu« Grundlage stellen müsse, wenn anders er au» dem Mehlladen des alten Michael das machen wollte, was seinen ehrgeizigen und habsüchtigen Plänen entsprach. Um diese neue Grundlage zu schaffen, bedurfte er aber des Kapi tals und der nötigen Verbindungen im Südosten. Beides wußte er sich mit einem Schlage zu ver schaffen, indem er sich auf einem anderen (Gebiete die Verhältnisse des Auslandes zunutze machte. Die deutsche und vor allem Li« reformierte Ko lonie Posts bildete damals ein« sowohl durch ihre Sprache als auch durch ihre Konfession von der ungarischen Gesellschaft streng abgeschiedenen Kaste. In den reichen, mit Töchtern gesegneten deutschen Handelshäusern der ungarischen Hauptstadt hielt nun der junge Salomon Fink Umschau, denn imr in einem solchen konnte er Las nötige Kapital und die nötigen Verbindungen für seine weitausblickenden Pläne finden. Das Glück war ihm günstig. Der Chef eines großen ungarischen Exporthauses war vor wenigen Monaten auf dem Balkan bei einem Eisenbahn zusammenstoße verunglückt und hatte seine steinreiche Witwe mit zwei heiratsfähigen Töchtern in Pest hinterlassen. Im Lurus erzogen, in Hülle und Fülle lebend, hatte die Witwe des Handelsmagnaten Weiß von den tatsächlichen Verhältnissen des Lebens nie eine rechte Vorstellung gehabt. Seit dem Tode ihres Mannes lebte sie mit ihren Töchtern in strengster Zurückgezogenheit. Dor dem Handelsstande hatte sie natürlich eine große Ach tung, da ja der verstorbene Weiß durch seinen fabel haften Reichtum und seine geschäftlichen Erfolge auf dem Gebiete des ungarisck»en Exportes eine hervor ragende Rolle in der Welt gespielt hatte. Es war Salomon nicht leicht geworden, in das Haus der Frau Weiß einaeführt zu werden. Allein der Verwandte aus der Heimat, der ihn nach Pest gebracht hatte, kam auch hier zu Hilfe. Durch ihn lernte Salomon von Fink den deutsch-reformierten Pfarrer in Pest kennen, und dieser war natürlich mit dem Hause Weiß eng befreundet, da doch die Wirwe mit ihren Töchtern nach dem Tode des Gatten und Vaters des geistlichen Zuspruches bedürftig gewesen war Zur Zeit, da Salomon von Fink in Pest geweilt, war Johannes Ostenhagen, der deutsch-resormierte Pfarrer, der Abgott seiner Gemeinde gewesen. In jungen Jahren, noch nicht 25jährig. war er in seine Stellung gekommen und hatte durch seine hinreißend« Rednergabe und durch seine glänzenden gesellschaft lichen Talente bald alle Herzen im Fluge erobert. Er war der Pfarrer, wie ihn die Gesellschaft sich wünscht und wie sie ihn braucht. Er war der Mann, dem man eine Bitte nicht abschlagen konnte, wenn er mit einer solchen kam, dem man die internsten Familienangelegenheiten rückhaltslos anvertraute als einem Freundes weil sein ganzes Wesen und sein ganzes Auftreten das Vertrauen geradezu heraus fordern mußten. Dieser Mann, der in den Seelen seiner Beichtkinder zu lesen verstand wie in einem Buche, der niemanden zu nahe trat und niemanden kränkte, weil er Politiker genug war, um bei jedem die richtige Saite anzuschlagcn, das war Johannes Ostenhagen. Das Christentum wurde in seinem Munde in der vornehmen deutschen Cxffcllschast Pests vor einem Zuhörerkreije von Großkaufleutcn und Millionären aus einer Religio» der Mühseligen uno Beladenen zum Evangelium einer heiteren, wenn auch ge mäßigten Lebensfreude. Der starre Aszeusinus des Paulus, des Nazareners herbe Lebensweisheit, daß cs leichter sei, daß ein Kamel durch ein Nadelöhr gehe, als daß ein Reicher in das Reich Gottes komme, verloren in der Ostcnhagenichcn Fassung alle Bitterkeit uno büßten die Spitze in seinen Predigten ein.' Denn Pfarrer Ostenhaqen verstand cs, dem Worte stets den sür den Hörer paßenden Sinn abzu gewinnen. Die Mühseligen und Beladenen, die da» Wort des Heilandes einst zu sich gerufen, die ließen sich für ihn auch in einer Gemeinde finden, deren Mitgliedern Reichtum und Genuß als des Lebens einzige Endzwecke erschienen. Seine fließende Rede, sein Brustton der lleber- zeugung, die herrlichen Bilder, in denen er sprach, di« er geschickt in seine Predigten zu verweben wußte, die beimlichen persönlichen Anspielungen, mit denen er seine Auslegungen des Gottesmortes würzte und die Betreffenden kitzelte, das alles fesselte diese Hörer an seine Lippen. Und so war aus dem Diener Jesu Christi, der sich einst in seiner Antrittspredigt als der Geringsten einer einqcführt hatte, als einer, der nicht wert sei, daß er ein Apostel beiße, in der eleganten Pester Gesellschaft der Mensch ge worden, der in dem Mittelpunkte Les Interesses stehen muß, um leben zu können. Seine Freundschaft bedeutete bald eine Macht, seine Gunst war ein Vor zug, denn sein Einfluß auf Herzen und Sinne war ein allgemeiner, da Ostenhagen sich in die Eigenart eines jeden zu finden, da er einen jeden nach dessen individueller Veranlagung zu behandeln verstand. (Fortsetzung in der Morgenausgabe.)
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