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384 Dieß war nun ein ungeheurer Fortschritt in der Strvhhut-Jndustrie. Frankreich war den andern Ländern in der Anfertigung von Flechten aus gespaltenem Stroh nicht gefolgt, war aber dagegen die Wiege der neuen Moden und verwendete in seinen Fabriken zur Strohhutfabrikation enorme Quantitäten von ausländischen Flechten. Indessen blieben aber auch diese Hute, wie die italienischen, nur die Kopfbedeckung vou Frauen und Mädchen. Erst um's Jahr 1832 wurden die ersten Herrenhüte aus Amerika cingefübrt und erschienen unter dem Na men „brasilianische Hute" ans dem französischen Markt. Diese Hute waren vortrefflich; denn anstatt wie die europäischen zu sammengesetzt und genabt zu sein, bestanden sic, wie heutzutage die Pana- mahntc, ganz aus einem Stück, indem 400—1200 Hälmchen oder Fasern vou Blättern des LatanbanmeS (einer Art Palme) künstlich mit einander verschlungen waren, und ans diese Art ohne irgend eine Naht ein zusammen hängendes Ganze« bildeten. Die Schönheit ihres Stoffes, ihre Haltbarkeit, große Geschmeidigkeit und Leichtigkeit machte diese Hüte bald zu einer beliebten Sommerkopfbe deckung für Männer. Gleichwohl aber war dieses Product noch unvollkommen, da es von Wilden gefertigt war, die keinen Begriff von den Bedürfnissen civilisirter Nationen und den Ansprüchen der Mode haben. Es war daher erforder lich, diese Hüte in Europa zu fabriciren. In Frankreich wußte man alle Schwierigkeiten zu überwinden, indem mau die Art des Flechtens nach ahmte und die das Material bildenden Latanblätter aus den Erzeugungs ländern kommen ließ. Jetzt ist die Production solcher Hüte eine ungeheure, so daß selbst Ame rika, anstatt Frankreich damit zu versehen, dieselben von letzterem Lande zu bedeutend niedereren Preisen erhält. In Frankreich sind die Provinzen Nieder-Rhein, Meurthe und Mosel diejenigen Gegenden, in denen die Strohhnt-Fabrikation am stärksten betrie ben wird; die in diesen Departements befindlichen Fabriken wären im Stande, ganz Frankreich, die angrenzenden Länder und die Kolonien mit solchen brasilianischen Hüten zn versorgen, die ungefähr den fünften Theil des Gesammt-Consums von Strohhiiten ansmachen. Dieser Industriezweig hat sich Dank der Energie der Fabrikanten sehr gehoben; seine Products finden übrigens nur im Jnlande Absatz, indem der daraus lastende Zoll eine Ausfnbr in fremde Länder fast unmöglich machen würde. Der Zollverein batte nämlich die gewöhnlichsten Hüte mit einem Eingangszoll von 87 fl. per 50 Kilogr. belegt; obgleich nun durch den neuerdings abgeschlossenen Handelsvertrag der Hobe Zoll von 8 kr. per Stück uni ein wenig herabgesetzt wurde, ist er doch immer noch hoch genug, um die deutschen Fabrikanten vor jeglicher französischen Concurrenz hinrei chend sicher zu stellen, während im Gegentheil der französische Eingangszoll seit August 1863 auf ein Minimum reducirt ist, indem der Zoll für Flech ten auf 5 Fr. per Kilogr. und der für Hüte auf IO Fr. per lOO Kilogr. herabgesetzt wurde. Hieraus erhellt, daß alle Länder, die sich mit der Strohbutsabrikation beschäftigen, als England, Italien, Belgien, die Schweiz und Deutschland ihre Producte in Frankreich einführcu können, während dagegen die fran zösischen Prodncte an der Ausfuhr in den Zollverem durch eine» Zollsatz von 50 Fr. für 50 Kilogr., nach Belgien von ,2 Proc. vom Wertste, nach Italien und Spanien von 1 — 2 Fr. per Stück gehindert sind. Nun werden aber die brasilianischen Hüte französischer Fabrikation zu 8 bis 100 Fr. per Dutzend, oder zn einem Durchschnittspreise von 24 Fr. das Dutzend verkauft. Es ist somit nicht zu verwundern, wenn sich die Ausfuhr nach Deutsch land auf einige Proben neuer Faponen von Stroh- und brasilianischen Hüten beschränkt, deren Totalwerth die Summe von 150,000 Fr. per Jahr nicht überschreitet. Dagegen haben sich in Württemberg, dem badischen Schwarzwald, Bayern und Preußen ähnliche Fabriken wie die französischen gebildet, die unter dem Schutz der Zölle des Zollvereins sich entwickeln, gedeihen und prosperiren, in der Schönheit ihrer Productc aber allerdings keine großen Fortschritts machen. Die Ausfuhr von Flechten, Hüten und anderen Strob- waaren aus Deutschland übersteigt die Einfuhr nicht; im Gegentheil ist die deutsche Production für den inländischen Consnm nicht ausreichend, so daß Frankreich, England, Belgien, die Schweiz und vor allem Italien zur Deckung des Bedarfes in diesen Artikeln beitragen müssen. Die Beschaffenheit des Strohes, welches der deutsche Boden erzeugt, eig net sich übrigens nicht zur Anfertigung feiner Qualitäten, weßhalb die Fabri kanten gcuothigt sind, Flechten oder Hüte von schönem Stroh vom Auslande zu beziehen. Die Hanptorte für die Fabrikation von Tressen und Strohhüten sind der badische und der württenibcrgische Schwarzwald. Bon Lenzkirch bei Freiburg bi« Furtwangen, Triberg, Schramberg w. besteht die Hauptbeschäftigung des ärmeren TheilS der Bevölkerung in der Anfertigung von Uhren und Strohhiiten, und zwar sind es besonders die Weiber und Kinder, welche das grobe Stroh zu Körben und ordinären Hüten verflechten; diese letzteren staben eine cigenthümliche Form und werden größtentheils zum Gebrauche für Landleute in Frankreich ein geführt. In einigen großen Städten des Zollvereins werden Strobhüte aus vom Auslände bezogenen Flechten gefertigt; die bedeutendsten Fabriken von Brasil hüten befinden sich in Württemberg, Rheinbapern und Rbeinprcußen, allein ihre Gesammtproduction erreicht nur ungefähr den vierten Theil der fran zösischen. Frankreich setzt den Ueberschuß seiner Prodncte vorzüglich nach Nord- und Süd-Amerika und in seine Kolonien ab. Die Löhne in den französischen Strohhutsabriken sind folgende: Mädchen und Kinder, welche die groben Hüte für die ländliche Bevöl kerung flechten, erhalten 1 Fr. bis 2 Fr. 75 Cent., die Nähterinnen von Modebüten 1 Fr. 50 Cent, bis 2 Fr. 50 Cent., und der männliche Theil des Fabrikpersonals, der mit Zurichten und Formen beschäftigt ist, 2 Fr. 50 Cent, bis 5 Fr. per Tag. . Diese Löhne sind da« Resultat der in den letzten 10 Jahren um un gefähr 20 Proc. vermehrten Production. In Deutschland, der Schweiz, Belgien und Italien sind die Löhne für dieselbe Arbeit mn 20 Proc. niedriger als in Frankreich. England allein bezahlt seine Arbeiter ebenso hoch, wie Frankreich. Die französischen und englischen Prodncte werden aber auch wegen ihrer vorzüglichen Qualität nächst den feinen italienischen Strohhiiten am theuer- sten bezahlt. Unter dem Namen Brematinkerzen werden seit einiger Zeit von einer Bremer Fabrik Kerzen in den Handel gebracht, die aus einer Mischung von Stearinsäure und Paraffin bestehen. Neue Bücher. Schubert, Lehrbuch der technischen Chemie für Schulen und zum Selbstunterricht, mit 210 Holzschnitten. Zweite verb. und verm. Auflage. Erlangen 1866. Der Verf. behandelt auf 546 Seiten das ganze Gebiet der technischen Chemie und verfährt dabei mit großer Umsicht. Alles unwesentliche ist aus geschlossen und doch haben wir es nicht bloß mit einem Gerippe, mit einer Zusammenstellung von Fundamentalsätzen zu thun, sondern wir erhalten eine Fülle von Thatsachen, die besonders dem Gewerbtreibenhen beim Nachschla gen willkommen sein werden. Ein sorgfältig ausgearbeitetes Register er leichtert den Gebrauch ungemein. Bei diesen Vorzügen, welche das Buch besitzt, ist es nm so mehr zu bedauern, daß eine nicht unbedeutende Anzahl von Jrrthümern stehen geblieben ist, die zwar jeder Kundige sofort als solche erkennt, die aber gerade für den Schüler und für den Gewerbetreibenden sehr gefährlich sind. Ferner wäre es in einem für Schulen bestimmten Buche wünschenswertb gewesen, daß der Verf. aus die Ausdrncksweise etwas mehr Sorgfalt verwendet hätte. Seine Redeweise läßt an Verständlichkeit nichts zu wünschen übrig, aber der Schüler darf doch nicht aus den Gedan ken kommen, daß die Technologie und technische Chemie ein Privilegium be sitzen, den gewöhnlichen Regeln des Satzbaues ein Schnippchen zu schlagen. Leider findet inan den hier gerügten Uebelstand in sehr vielen technischen Werken, aber Schulbücher sollten ilm unter allen Umständen verbannen, da man sonst Gefahr läuft, ihn zu einer „ewigen Krankheit" heranwachsen zu sehen. Wir wünschen, daß es dem Verfasser gestaltet sein möge, recht bald in einer neuen Auflage zu feilen und zn sichten, dann möge er aber auch seine Holzstöcke durch neue ersetzen, da diese kaum vor 10 Jahren mäßigen An sprüchen entsprochen haben würden. Man vergleiche nur die Abbildungen in den Bieweg'schen Verlagsartikeln und man wird sich sofort überzeugen, was hier versäumt ist. Für die Schule aber ist das Beste nur eben gut genug. Von der Eisengießerei, Maschinenbau-Anstalt und Dampf schiffswerft von C Keßeler u. Sohn in Greifswald geht uns fol gende Mitteilung zu: In Nr. 43 der Wieck'schen Gewerbezcitnng ist ein Bericht aus der ErbkanLschen Zeitschrift für Bauwesen ttbergegangen, betreffend die Ramm arbeiten auf dem Grundstück an der Carlsstraße. In diesem Berichte wird Ramme Nr. III als von Schwartzkopff gebaut bezeichnet, während über den Ursprung von Nr. I und Nr. II. nichts gesagt ist. Diese beiden Dampf rammen und noch eine dritte, welche außer der Schwartzkopff'scheu auf jenem Grundstück arbeiteten, sind von uns constrnirt und gebaut. ErwähnenSwcrth ist noch folgende Ergänzung und Berichtigung der mitgetheilten Zahlen: 1) sagt der Bericht in der Erbkam'schen Zeitschrift am Schluß, daß ein Pfahl mit der Zngrnnme eingeschlagen 8 Thlr. 24 Sgr. 3 Pf. gekostet hat, ein Factum, das von höchstem Interesse ist. 2) sind die Zahlen des erwähnten Berichtes insoweit zu ändern, als bei der letzten Aufstellung in Bausch und Bogen für alle Dampframmcn 1 Tblr. pro Pfahl für Änschafsuuskosten gerechnet ist. In Wahrheit kostet iudeß eine Schwarztopff'sche Ramme mindestens h, mehr als eine nach un serer Constructiou. Kostet also ein Pfahl mit unserer Ramme geschlagen 1 Thlr. an Anschaffungskosten, so ist für einen Pfahl mit der Schwartz- kopff'schen Ramme l'Z Thlr. hierfür zu rechnen, also ist das Endresultat zu berichtigen: Ramme I pro Pfahl 4 Thlr. 15 Sgr. „II do. ..... 4 „ — „ „ III do. (schwartzkopff) . 5 „ 4 „ (10 Sgr. höher) Ramme II ist für unsere Constructiou maaßgebend, da sie in besserein Zustande war, als I, ^s stellt sich also eine Ersparnis; von 1 Thlr. 4 Sgr. pro Pfahl gegen die Schwartzkopff'sche Ramme heraus oder 22"/«. Alle Mittheilungcn, welche die Versendung der Zeitung betreffen, beliebe man an F. Berggold Verlagshandlung in Berlin, Links-Straße 10, für redactionelle Angelegenheiten an kr. Otto Dammer in Hildburghausen, zu richten. F. Berggold Verlagsbandluug in Berlin. — Für die Rcdaction verantwortlich F. Berggold in Berlin. — Druck von Wilhelm Baensch in Leipzig.