Volltext Seite (XML)
800 Klafter w '/z Rthlr.), die zum Theil noch fortbestehen. Auch verwirklichten die ersten Glashütten schon damals das Prinzip der Association, das in neuester Zeit zur Hebung der Gewerbe eine so bedeutsame Rolle spielt, indem mehre Werkstätten nur ei ne w Ofen hatten und sich um die gemeinschaftliche Hütte allmälig so viele Arbeiter ansiedelten, daß sie einen Gemeindeverband bildeten. Da her die Dörfer Fehrenbach, Piesau, Ernstthal, Gehlberg rc., die aus der Glasproduktion gewissermaßen herausgewachsen find. Fast in allen Hütten hatten sich gewisse Bräuche, wahrscheinlich von den ersten Ansiedlern her verpflanzt, allmälig eingewurzelt und vegetiren, z. B. der Morgengesang in Sckmalebnche, zum Theil noch jetzt. Nachdem durch Ungunst der Zeitverhältnisse mehre Hütten, wie Ha bichtsbach, Glasbach, Limbach, Bernhardsthal rc. eingegangen sind, wenn auch die Nachfrage nach thüringischen Glaswaaren immer »och recht lebhaft ist: so mögen auf dem Thüringerwalde etwa 20 Glas hütten (Lauscha, Alsbach, Ernstthal, Wollendorf, Gehlberg, Tam bach, Stützerbach, Sophienhütte rc.) im Gange sein, die Hohlglas, ! Tafelglas (zuerst in Habichtsbach seit 1805), Glasmärbel, künstliche (,,pariser") Glasaugen von L. Müller in Lauscha, dem einzigen Künstler dieser Art in Deutschland, und andere feine Spielerei, zum Luxus und zu wissenschaftlichen Zwecken fabriciren, und häufig von ausländischen Arbeitern (meist aus Böhmen), die sich in Schärer (Schmelzer), Einträger (Handlager), Ballote (Gehilfen beim Blasen), Vorbläser, Fertigmacher, Schleifer rc. thetlen, bedient sind. Das technische Verfahren der Glasfabrikation, um es mit kurzen Worten zu schildern, besteht darin, daß die Glassätze (kieselartiger Sand, Pottasche oder Soda und dergl.), nachdem sie sorgfältig gereinigt und durcheinander gemengt sind, im Flammen ofen geschmolzen werden, wozu ein Zeitraum von 3—4 Tagen er forderlich ist. Dieser Ofen, der wegen der starken Gluthitze sehr oft erneuert werden muß, besteht aus zwei Theilen, dem Feuerraume und dem Schmelz- oder ArbeitSraum. Um den Feuerherd herum stehen die thönernen GlaShäfen (Schmelzgefäße), die, bevor sie einge stellt werden, im Temperofen erhitzt worden sind. Sobald die Schmelztemperatur erreicht ist, werden die Häfen mit der bereits zu- sammengeschmolzencn (calcinirten) Masse nach und nach angefüllt. Nach fortgesetztem Schmelzungsprozesse schöpft man die Glasgalle (d. h. die auf der Oberfläche sich sammelnden Salze) ab, die jedoch nach erfolgter Reinigung auf manchen Hütten wieder eingeschmolzen wird. Darauf steigert man die Hitze durch „Heißschüren" bis zum höchsten Grade, wodurch die Läuterung der Glasmasse von allen noch vorhandenenUnreinigkeiten erzielt wird. Da aber dieselbe einen gewissen Grad von Zähflüssigkeit haben muß, wenn sie verarbeitet werden soll, so wird nun der Ofen durch „Kaltschüren" „abgelasscn", indem die Feuerung zwar fortwährend unterhalten, aber nach und nach vermindert wird. Ist jene Zäbflüssigkeit erzielt (gewöhnlich am Dienstag, nachdem der Ofen Sonnabends in Brand gesetzt worden), so beginnt das Glasblasen, indem der Arbeiter mit einer ! eisernen Pfeife etwas Glasmasse aus dem Hufen schöpft, diese Pfeife aus einen Holzstuhl legt und nun die flüssige Masse herausbläst, die vermittelst einer Scheere oder anderer Werkzeuge, hauptsächlich aber durch das beständige Drehen der Pfeife, zu jeder beliebigen Form mit bewundernswerther Schnelligkeit gestaltet wird. Auch der Laie kann sich das Vergnügen machen, mit eigenem Munde ein Trinkglas zu blasen und solches, gegen ein Trinkgeld, als Andenken mitnehmen, nachdem es-im Kühlvfen allmälig erkaltet ist. — Vorzüglich berühmt ist Thüringens Glasindustrie durch die daraus hervorgehenden phy sikalischen, chemischen und meteorologischen Instrumente und Apparate, die namentlich in Lauscha, wo 3 Glashütten sind, in Stützerbach und Gehlberg mit größter Sorgfalt und Zierlichkeit verfertigt wer den. Die Fabrikation der Luxusgläser ist seltener, sowie auch die Glasschleiferei fast eingegangen ist. Indessen liefert die Glasfabrik Sophienhütte bei Ilmenau geschnittene und geformte Glasartikel, die Gehlberger gepreßte Glaswaaren, andere z. B. Lauscha, Jgels- bieb, Neuhaus, die berühmten, wcitversendeten Glasperlen, deren Absatz allerdings in Stockung gcrathen. Die sogenannten „Pcr- lismacher", welche diese Spielepeien blasen, besitzen darin eine so bcwundernSwerthe Geschicklichkeit, daß sich einzelne mit ihrer Kunst fertigkeit in großen Städten produciren, indem sie ihre kleine Werk statt überall aufschlagen und ihre zerbrechlichen Gebilde aus feinen Glasröhren mittelst GebläSlampen augenblicklich Herstellen können. Vor einiger Zeit waren die schwarzen Glasperlen sehr gesucht, so daß ein geschickter Knabe täglich 3—5 Groschen verdienen und auch noch die Schule besuchen konnte. Die Mode hat jedoch gewechselt, so daß man jetzt lieber weiße „Ftschperlen" oder gemalte Obstfrüchte auf den Markt bringt, da ohnehin die gläsernen Spielwaaren wegen ihrer Zerbrechlichkeit schwer zu versenden find. Eine größere Bedeutung hat die Porzellanfabrikation — die trotz der amerikanischen Wirren auch jetzt noch im schwunghaften Betriebe ist — schon deshalb, weil sie bei geringerem Holzverbrauch mehr Hände beschäftigt und für sehr viele Waldorte geradezu die Lebensader ist, die ihnen Nahrung und Gedeihen zuführt, auch eine solche Vollkommenheit erreicht hat, daß die Thüringer Maaren in Form und Güte jeder Concurrenz die Spitze bieten können. Die Porzellanfabrikatioil war in Europa lange Zeit ein Geheimniß, auch dann noch, als man das „Meißner" Porzellan in Berlin, München nnd Petersburg bereits nachgeahmt hatte. Endlich (1759) ver suchten Gotthilf und Gottfried Greiner zu Alsbach, in ihrem Glas ofen ein ähnliches Produkt zu erzielen, und gründeten, als sie die dazu erforderlichen Materialien ermittelt hatten, eine Fabrik in Katz hütte, die bald darauf nach Wollendorf verlegt wurde. Um dieselbe Zeit fand ein alter Canditat, Namens Macheleid, der Sohn eines Laboranten aus Cursdorf, der neben der Theologie auch Chemie studirt hatte, an demselben Sonntag, an dem er seine 90. Can- didatcnpredigt gehalten, bei Königsee einen so schönen Sand stein, daß er alle Taschen seines Rockes und daheim vor Allem j seine Streusandbüchse damit füllte. Indem er nun mit dieser Sand- ! erde mehrfache Versuche anstellte, kam er aus den Gedanken, Por- i zellan daraus zu fabriciren, so daß man gesagt hat, Macheleid habe bas Geheimniß der Porzellanfabrikation in seiner Streusandbüchse entdeckt. Zu dem Ende baute er einen kleinen Brennofen; und als ! die ersten Porzellangeschirre daraus hervorgingen, bildete sich eine Aktiengesellschaft, die in Volkstadt eine Fabrik anlegte und von dem ! Landessürsten, der sich selbst dabei betheiligte, mit einem Hoizprivi- leg von 1000 Klaftern bedacht wurde. Macheleid hatte die technische Leitung in den Händen, bielt aber die Glasur des Porzellans selbst ! vor seinen Geschäftstheilhabern geheim. Als diese jedoch von den Arbeitern verrathen wurde, zog er sich mißmuthig zurück und lebte bis 1801 als Hagestolz in Schwarzburg, wo er einen kleinen Jahr gehalt verzehrte, und auf dem Trtpstein, der bis dahin kaum bekannt war, das Lusthäuschen baute, das von jener Zeit an, wegen seiner prachtvollen Aussicht, zu einem Wallfahrtsort aller Touristen ge worden. — Seitdem hüllen sich die Porzellanfabriken nicht mehr ! in den Schleier des Gehcimuisses. Man weiß, daß sie ihr Präparat aus einer mehlartigen Thonerde (Kaolin), oder noch öfter aus thon artigem Sandstein, der aus den Massemühlen gestampft, ausge schlemmt und gemahlen wird, und einem Flußmittel bereiten, das aus Feldspath, Gyps oder Kalk besteht. Das breiige Gemengsel wird in großen Kübeln oder Kesseln, mit porösem Boden vom über flüssigen Wasser befreit, dann auf der Töpferscheibe oder in Gyps- formen zu den mannigfachsten Gegenständen gestaltet, die, nachdem sie abgetrocknet, im Glühofen stark gebrannt, und, wenn sie mit Por zellanfarben bemalt oder vergoldet worden, im Muffelofen zum drit ten Mal gebrannt werden. — Das thüringsche Porzellan stand sonst so hoch im Preise, daß für einen schlichten weißen Pfcifenkopf nahezu 1 Gulden gezahlt wurde. Dies war die Glanzzeit der Por zellanindustrie, die längst abgelausen ist. Dennoch ist die Zahl der Fabriken, die viele tausend Menschen beschäftigen, auf einige dreißig gestiegen, die immerhin, trotz aller Concurrenz, ein gutes Geschäft machen, besonders dann, wenn sie Kohlenhcizung einführen nnd sich den Modeartikeln der Nippfigurcn und Spielsachen zuwenden, die zuerst von der Scheiber Fabrik bei Königsee (Dressel und Kister), nachdem sie früher die Porzellanmärbel erfunden hatte, massenhaft hergestellt und meist nach England und Amerika abgesetzt wurden. Ihre „Biscuitstatuen" und Porzellanblumen erhielten auf der thü- ringschen Gewerbeausstellung zu Weimar den ersten Preis. Diese Fabrik, die renommirteste in Thüringen, bcsckäftigtZ—400Menschen. Andere, namentlich zu Plaue, Volkstadt, Ohrdruff, Limbach, König see, Sitzendorf, Kahla rc. sind ihr nachgefolgt und versorgen die Kin derstuben und Nipptische mit den niedlichsten Spielereien, aber auch die Prachtzimmer mit technisch und plastisch vollendeten Gruppen und Bildwerken. Noch andere, z. B. Ohrdruff, fabriciren fast ledig lich die so beliebt gewordenen „Badevuppen" und alle möglichen Puppenköpfe, welche die alten (von Paviermack«) zum Theil ver- ! drängt haben. Dort, z. B. in Kloster Veilsdorf, liefert man zahl lose Pfeifenstummei und Tasse» ohne Henkel nach Holland; hier, wie in Sitzendorf, Ilmenau, Blankenhain rc. die prachtvollsten Blumen- ! Vasen und Tafelservice; da (Volkstadt) Weihgefäße mit Figuren aus