Volltext Seite (XML)
Herausgegeben von I)i'. Otto Oammcr NkllllUllbzUllllizisistel' ^llfsksillllls. Z» beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter. Wöcheiltült) ein Bllsillll Ur. 24. Iriedrich Heorg Wiecks Deutsche 1884. Thiiringeus I n d u st r i e. Eine Skizze von H. Schwcrdt. (Fortschung.) Eine überwiegende Bedeutung für Thüringens Industrie haben die Erzeugnisse des Bergbaues und Hüttenwesens. — Beachten wir zuvörderst, wenn sie auch nicht zum Bergbau im enge ren Sinne gehören, die inländischen Erd- und Steinarten, die zu technischen Zwecken benützt und in der mannigfachsten Weise ver arbeitet werden. Obgleich viele dieser Schätze schon seit undenklichen Zeiten der menschlichen Industrie dienstbar find, so hat sie doch die Gegenwart in manchem neuen Erwerbszweig ausgebeutet. Da sind zunächst die Thonwaaren von der ordinärsten Sorte für Küche und Haus bis zu den feinsten, kunstvollsten Arbeiten. Allerdings ist der Absatz der irdenen Geschirre wegen der zunehmenden Wohlfeilheit von Steingut, Porzellan rc. merkwürdig zurückgegangen; dennoch gehören sie als Erzeugnisse eines ächt thüringischen Kleingewerbes, in einigen Orten, wie Bürgel, Gerstungen, Kranichfeld und Ummer stadt, noch immer zur Landesindustrie, die viele Hände beschäftigt. Wenn auch die altmodischen Formen hinter den Anforderungen der Zeit zurückgeblieben sind, so ist doch der Thon so vorzüglich und die Masse so exakt, daß man das thüringische Steingut dem rheinländi schen gleichstellt. Dagegen klagt man über die geringe Haltbarkeit der Ziegel, die um so nachtheiliger ist, als man bei den Bedachun gen keine Strohnntcrlagen mehr verwenden darf. Desto willkommener j find die feuerfesten Ziegel und Backsteine, die man, gleich Chamot- ! tensteinen, bei Krode und Neuhaus, sowie in Melsungen, Oeslau und Koburg fabricirt. Daß viele Ziegelbrennereien neuerdings auch Drainröhrcn liefern, braucht kaum erwähnt zu werden. Auch die Wasserleitungsröhren, theilS auS gebranntem Thon, theils aus Steingutmasse, theils aus Cement, der jetzt gleichfalls im In land hergestellt wird, bilden in neuerer Zeit einen nicht zu unter schätzenden Fabrikationsartikel; denn es werden diese Röhren in die fernsten Städte ausgeführt, um statt der hölzernen oder eisernen ver wendet zu werden. Die bedeutendsten Fabriken find in Erfurt (Borna), Blankenhain (Oels), Unterköditz bei Königssec iMöller), Elgersburg (Arnoldi), wo man gebrannte Porphyrmasse dazu ver wendet. — Ebenso konkurrirt jetzt Thüringen in der Herstellung weißglasirter Stubenöfen mit Berlin, wäbrend die alten Familien kachelöfen mehr und mehr verschwinden. Böhme in Jena, Arnoldi ! in Gotha, Sältzer in Eisenach, Schmidt in Weimar liefern derglei chen „Berliner Oefcn" in möglichster Vollkommenheit. — Auch die Bauverzierungen aus gebranntem Thon, die in denselben Fabriken sehr geschmackvoll hergestellt werden, gewinnen immer größere Ver breitung: so wie denn überhaupt das Töpfergewerbe in einzelnen Händen zu einem beachtenswerthen Kunstgewerbe geworden ist (z. B. in Eisenach), oder, wie in Blankenhain, fabrikmäßig betrieben wird. Besonders machen wir auf die Thierköp sc und Thiergruppen aufmerksam, welche, in Gräfenroda bei Elgerburg auS gebranntem Thon fabricirt, nicht blos von großer Naturtreue, sondern auch so billig sind, daß sie von den Reisenden gern gekauft werden. Mit den Thonwaaren ist mehr oder weniger die seit alter Zeit in Thüringen heimische Porzellan- und Glasfabrikation ver wandt. Zwar sind die zahlreichen Fabriken, welche die überaus wich tigen und ausgebreiteten Industriezweige kultiviren, wegen des immer spärlicher werdenden Brennmateriales nicht mehr so natur wüchsig und einträglich, wie sie ehedem waren, und namentlich liegt die Glasproduktion, insonderheit der Glasperlenhandel, merklich darnieder. Dennoch bilden Porzellan und Glas noch immer einen Hauptpfeiler der thüringischen Gewerbthätigkeit, und werden über alle Meere versendet. Weil jedoch die meisten Fabriken aus den Staatsforsten nur eine bestimmte Quantität Holz, größtentheils für ermäßigte Preise erhalten — z. B. die Porzellanfabrik in Gotha jährlich 2000 Klaftern — und ihre Arbeit einstellcn müssen, wenn diese aufgebraucht find: so sind in neuerer Zeit viele Oefen, zuerst in Blankenhain zur Kohlenheiznng eingerichtet worden; obwohl cs immerhin schwer kält, mit den Preisen auswärtiger Fabriken, welche diese „schwarzen Diamanten", wie man sie in England nennt, aus der Nähe und darum ohne erheblichen Transportaufwand bezieben, zu konkurriren. DenRcligionsstürmen des 16.Jahrhunderts verdankt Thüringen seine Glasfabrikation. Der Glasmeister Hans Greiner aus Schwaben („SchwabcnhanS") und Christoph Maller aus Böhmen waren, als Anhänger der evangelischen Lehre, aus ihrer Heimath vertrieben worden und fanden in Thüringen, wo religiöse Unduldsam keit fast niemals heimisch war, eine gesicherte Freistatt. Nachdem sie sich in Lauscha (Meininger Oberlandl niedergelassen, gründeten sie daselbst 1595 die erste Glashütte des Thüringerwaldes, aus deren Mutterstamm sich andere derartige Anstalten da- und dorthin, zuerst nach Schmalebuche, verzweigte». „Die Gläser" wurden von den Regierungen begünstigt und erhielten mancherlei Holzvorrechte (z.B.