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Herausgegeben von Or. tz?tto Dammer Nennundzwanzigster Jahrgang. Zu beziehen durch alle Buchhandlungen und Postämter Wöchentlich ein Bogen k Die Krankheiten und die Sterblichkeit in den einzelnen Gewerben und unter den arbeitenden Klaffen im Allgemeinen. 1. Die schärfere Beobachtung der Lebensdauer der Menschen nach Ständen und Berufsarten Seitens der neueren Aerzte und Statistiker hat allmälig die bemerkenSwerthe Thatsache klar zu Tage gelegt, daß die Sterblichkeit der einzelnen Arbeitsklassen nach dem Gebiete ihrer Thätigkeit eine sehr verschiedene ist, und daß einige Berufsarten einen großen Theil ihrer Angehörigen sehr frühzeitig dem Tode ver fallen sehen, ein Opfer ihrer Wirksamkeit im selbstgewählten Berufe und, kann man sagen, im Dienste der Menschheit. In diesen Dienst find wir Alle gestellt und zahlen hier, spät oder früh, das Geschenk des Daseins und das Schuldkapital unserer Erziehung zurück mit Arbeit, mit Jahren unseres Lebens und Tod. Freilich aber ist die Größe des Opfers verschieden, je nach Beruf und Stand. Man hatte früher fast nur die gelehrten Stände, Geistliche, Lehrer, Juristen und Aerzte, der Prüfung in Bezug auf die Dauer ihres Lebens unterworfen, einem Frankfurter Arzte, Le Neufvillc, ge bührt das Verdienst, die Sterblichkeitsverhältnisse auch der Hand werke zum Gegenstände seiner Forschung gemacht zu haben. Es lagen ihm 6867 Todesfälle in der Stadt Frankfurt aus einem Zeit räume von 33 Jahren, und zwar vom Jahre 1820 bis 1852, vor. Seitdem find an anderen Orten und in anderen Ländern zahlreiche Beobachtungen gemacht worden, aus denen wir die gewonnenen Er fahrungen, welche ein großes Interesse bieten, hier kurz zusammen stellen wollen. Neufville fand nun die durchschnittliche Lebensdauer in Frank furt a. M. bei den einzelnen Berufsständen folgendermaßen: Bei den Geistlichen Lehrern, Gärtnern und Fleischern Kaufleuten Gerbern Fischern und Schiffern Juristen Aerzten Bäckern Bierbrauern 49 Jahre 2 Monate, 48 47 47 47 46 46 45 43 65 Jahre 1k Monare, 56 56 56 55 54 52 51 50 Zimmerleuten Maurern Weißbindern, Malern, Lackirern Schuhmachern Buchdruckern Tischlern Schlossern und Schmieden Schneidern Steinmetzen Schriftsetzern, Schrift- und Zinngicßern 41 Lithographen und Kupferstechern 40 Man muß nun freilich hinzufügen, daß sich in Frankfurt, der reichsten deutschen Stadt, so ziemlich wohl alle Berufsartcn in sehr günstiger Lage befinden und auch die zum unmittelbaren Leben noth- wendigen Bedürfnisse hier, wie überhaupt in Süddeutschland, gut und billiger sind, als vielleicht in den meisten Städten Mittel- und Norddcntscblands. Escherich beobachtete im Königreich Baiern 15,730 Todesfälle von Beamten (Aerzten, katholischen und protestantischen Geistlichen, Schullehrern, Forst- und Justizbeamten) und fand, daß in Baiern alle gelehrten Stände im Durchschnitt eine kürzere Lebens dauer als die verschiedenen Bernfsarten der übrigen Stände haben. Unter den angeführten 6 Berufsständen haben die Forstbeamten noch die höchste durchschnittliche Lebensdauer, was auf der gesunden Lebensweise in freier Luft beruhen mag. Die protestantischen Geist lichen bringen es zu den meisten Greisen. Wenn sie, so lehren die Beobachtungen EscherichS, nur das Jahrzehnt vom 50. —60. Jahre überschritten haben, alsdann dürfen sie auf hohes Alter rechnen, in diesen Jahren aber stirbt die Mehrzahl. Die Schullehrer stehen in Bezug auf eine günstige Lebenshoffnung den protestantischen Geist lichen am nächsten. Die Jnstizbeamten haben zwischen dem 60. und 70. Jahre eine erhöhte Sterblichkeit, die katbolilcben Geistlichen zwischen dem 45. und 65. Jahre. Die Aerzte haben unter allen Klaffen die größte Sterblichkeit, am meisten im frühesten Alter; Theile unterliegen schon vor dem 50. Jahre und vor dem 60. Jahre. Daß unter dieser Berufsklasse, die wir fortwährend tm Kampf gegen töttliche Krankheiten sehen, die fortwährend den größten Strapazen ausgesetzt ist und die tausende von Nächten in der Luft ansteckender Seuche» am Krankenbett mitverwachcn muß, der Tod so frühe und so viele Ovfer fordert, wem möchte dies Wunder nehmen?