Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 18.04.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-04-18
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110418011
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911041801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911041801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-04
- Tag 1911-04-18
-
Monat
1911-04
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
jvlzußs-PrrU »«ch »k P.P: Innerhalb Deutschland» nnd der b«qch» «»lanien »lerteliährl. b» »k., «onatl. l.» »l. ana^chl. Poftdeftellgeld. Ferner in V«l,t«n, Danemarl. den Denanfta-ten. Italien, Luremdnra. Riede,land«. Sior- weaen, Österreich - U»,arn, Rnhland. Schweden, Lchweii » Spanien. 2n alle» iibriaen Staate» nnr direkt durch di» Seichhftdltell« de» Blatte» erhältlich. Da» Leipziger lagebla« «richetrrt r»al täglich. Sonn- ». Fetettag» nnr «ergen». Bdonnementa-Banah««: S»ha»»i»gah« bet »nie«» Trägern, Filialen.tzpedtlrnr«, »nd Annahmestellen, I»»t« Pastämter» »nd Briestri,er». «t«»«l»»rka»f»pr»1» »W. Morgen-Ausgabe rWWrTagMM Handelszeitung. Nmtsökatt des Rates und des Votiieiamtes der Atadt Leivirq. Anzeigen-Preis sür Inlerat« au» i.'cipzin unv Umgebung die llpaltig« Peliljeil« 25 Pt .die Viellame- zeile I Ml.. von auswärts Ä> Pi., Reklamen l.Ai Mk.; Inserate von Behörden im amt lichen Teil dir Petitzeile 50 Pf. Seschastsan,eigen mit Plasioor^chriilcr u. in der Abendausgabe >m Prei e erhöht. Rabatt nach Taris. Brrlagegeduhr Sieiami. auslag« 5 Ml. o Tausend erll. Pangcouhr. Teilbetlage hoher. Festerteilte Rasttage tonnen nicht .uralt- gezogen werden Für das Erscheinen an vegimmten Togen und Plagen wird lein» Garantie übernommen Anzeigen - Annahme Iogannisgassc it. bei lämtlichrn Filialen u allen Annoncen. Expeditionen des In- und Auslandes Druck und Verla, de, Leipziger Ta,»> blatte» E. Potz. Inhaber. Paul ttürsttir. Redaktion und Gejchistsstelle: Iohannisgasse 8. Fernsprecher. 11«!'.'. IttlM. llbill Haupt-Filiale Dresden: Secltta'ge l. l (Telephon tt>2l>. Nr. 107. vleaswg, gen >8. itpcil isil. lOS. Ishrgsng. Die »orliegeude Ausgabe »msasst 14 Seiten vss Wichtigste. Die Lage in M ex i k o hat sich bedenNich ver schlimmert. Bei Aguaprieta batte eine Schlacht stattgefunden. (S. Letzte Dep.) * Bei dem Nationalen Ballonwett- fliegen am Sonntag in Dresden hat sich ein schwerer Unfall zugetragen, bei dem fünf Personen zum Teil schwer verletzt worden sind. iS. den des. Art.) * Der Flugplatz Lindenthal wurde cn den Feiertagen durch mit Erfola ausgeführte Schauflüge eröffnet. (S. d. bes. Art.) * Im Dresdner Armee-Jagdrennen (Ehrenpreis des Königs und 4500 stk). das am Ostermontag gelaufen wurde, siegte Lntn. v. Egan- Kriegers br. H. „Der Dragoner" unter seinem Besitzer. — Im Großen Preis von Magde burg ging Herrn Pakheisers „Else H" unter Spear als erste durchs Ziel. — In dem Brix du President de laRepublique (Ehrenpreis und 50 000 Frcs.), in Paris-Auteuil, siegte der Außenseiter „Milo" unter Thibault. (S. Sport.) * Im Oster preis des Leipziger Sportplatzes siegte der Berliner Fritz Th ei le überlegen. (S. Sport.) Die slbsne ischen AuMnüe. Der seit Monaten angekündigte neue Albanesen- aurstand ist zur kalendermäßigcn Zeit ausgebrochen. Aber er unterscheidet sich erheblich von seinem Bor gänger im abgelausenen Jahre. Der stand noch in einem mittelbaren Zusammenhänge mit der Ent fernung Abdul Hamids, oder besser mit der Revo lution der Jahre 1808 und 1000. Denn trotz aller Bevorzugung des Arnautcnoolkes durch deN Selbst herrscher: sollten sie für die Person des gestürzten Gönners die Waffen ergreifen, so müßte erst die Tugend der Dankbarkeit neu in ihren Katechismus ausgenommen werden. Aber für sein System, für schnellere Beförderung ihrer Offiziere, für ihre Ver schonung mit Steuern mit Hineinregieren der Malis und Kaimahams in ihre Selbstverwaltung, dafür, daß der Albanese in Konstantinopel zu befehlen hat und daheim nicht zu gehorchen braucht, erhoben sie sich gegen die neue Regierung, die ihnen lächerliche Perfassungsparagraphen von der Gleichheit aller „ottomanischcn Untertanen" vor dem Gesetze ins Land bringen, die ihnen ihre Waffen wegnehmen und ihre Kinder in Schulen hineinsteclen wollte. Jener Aufstand spielte im Herzen des albanssischen Gebietes und umfaßte im wesentlichen mohammeda nische Stämme. Der diesjährige ist im äußersten Westen, an den Grenzen Monte negros, zum Ausbruch gekommen. In diesem Winkel spielen römisch-katholische Stämme die Hauptrolle. Insbesondere die ausgebreiteten Miriditen beanspruchen ein« Art Vormacht stellung, wenigstens in ihrer unmittelbaren Um gebung, am liebsten über die gesamte albanische Rasse. Tatsächlich hat ihr weißhaariger „Prenk" s— principe) Bib Doda in jahrzehntelanger kluger Dorstandschaft großes Ansehen auch bei Moslemin und christlichen Orthodoxen erworben. Er gilt als die festeste Säule des türkischen Einflusses und hat auch bis zur Stunde noch keinen Anlaß ge geben, an seiner Treue zu zweifeln. Aber verdächtig ist die Sache doch. Zwar verhalten die Miriditen sich noch ruhig. Aber daß die gleich falls katholischen, also der Vormacht nächststehenden Malissoren auf den Kriegspfad gegangen sind, gibt zu denken. Entweder muß also der Ratschlag des türkentreuen Greises seine Kraft verloren haben, oder der Ehrgeiz des alten Mannes hat niemals auf gehört, gewiße Iugendträume fortzuspinnen, die ihm in jenen Tagen nachqesagt wurden, als Oesterreich seinen Einmarsch in Bosnien vorbereitete. Schon damals freilich widersprachen sich die Meinungen, nach welcher Seite sich die Neigungen der Miriditen wendeten. Denk katholischen Stamme mußte ja eigentlich ein Anschluß an den Kaiserstaat mit seiner kirchentreuen Dynastie am nächsten liegen. Wenn nur ihre Religion tiefer im Herzen der Albanesen säße! Aber daß ihr größerer Teil im Gegensatz zu den meisten Balkanvölkern verhältnis mäßig rasch nach dem Erscheinen der Osmanen und ohne dringenden Zwang den Islam angenommen hat, beweist schon, daß es ihnen im Blute steckt, mit ihrem „Bekenntnis" nicht gerade auf Tod und Leben ver knüpft zu sein. Demgemäß sprach man denn auch schon vor einem Menschenalter von italienischen Machenschaften am Ostgcstade der Zldria, die damals durch den unerwartet schnellen Abschluß des Berliner Kongresses durchkreuzt seien. Italiens sehr weltliche und wenig papstgefällige Politik trägt jedenfalls die geringste Schuld, daß nichts daraus wurde. Viel mehr fällt ins Gewicht, daß seit Jahrhunderten etwa 100 000 Albanesen in Italien, meist in Apulien, an sässig sind. Auch der große Staatsmann Crispi rühmte sich ihres Blutes. Vor allem aber lautete damals die allgemeine Losung der Nordalbanen: Gegen Montenegro? Der nationale Gegensatz gegen den Slawcnstaat wurde zur Leidenschaft gesteigert durch seine Er oberungsgelüste, die sich ganz besonders auch auf albanisches Gebiet bezogen. Tatsächlich sind ja auch Vodgoritza, Spuz und Dulcigno durch den Berliner Vertrag und seine Nachträge von den Fluren der Schkipetaren abgerissen, und eben jene Malissoren, die heute im Aufruhr stehen, haben die Kosten der großmächtlichen Fürsorge für das Volk Nikitas be zahlen müssen. Es gewährt ein eigentümliches Bild, wenn nun mehr nach 80 Jahren die alten Todfeinde sich ver brüdert haben, um zusammen dem Türken auf den Leib zu rücken. Denn daran kann kein Zweifel mehr bestehen, daß Montenegro hinter den Auf ständischen steht! Schon die lange Dauer des Kampfes, das immer erneute Hervarbrechen der von den Truppen zurückgeworfenen Rebellen, sobald die Sieger den Rücken gewandt haben, ist bei der Nähe der Grenz« Beweis genug. Aber auch ausdrücklich ist die Teilnahme bewaffneter Eernagorzen, sogar von Offizieren, bezeugt. Da darf es denn nicht wunder nehmen, wenn die Pforte scharfe Noten nach Cetinje entsendet und schon ihren Gesandten abberufen zu wollen scheint, wenn sie bittere Beschwerde bei den Großmächten, den zum Schutze des Balkanfriedens verpflichteten Hütern der Verträge, erhebt. Ist doch auch bereits in Konstantinopel das Wort gefallen, daß man mit dem kleinen Montenegro kurzen Prozeß machen solle! Freilich wird man selber empfinden, welche Unsumme non Gefahren hinter einem zu schneidigen Vorgehen trotz alles besten Rechtes lauert! Man braucht sich aber nicht lange den Kopf über das Wunder zu zerbrechen, daß die unruhigen Grenz stämme jetzt von ihren einst bittersten Feinden unter stützt werden. Di« enge Familienoerbin dung der Dynastien Savoyen und Njegus gibt des Rätsels Lösung leich genug. Man vergesse auch nicht, daß die türkisch-italienischen Reibungen in Tripoli- tanicn ununterbrochen ihren Fortgang nehmen. Frei lich hat Minister di San Giuliano vor wenigen Monaten in feierlicher Erklärung gewünscht, daß Tripolis immer türkisch bleiben möge. Aber Italien ist an Anwärtern auf die Nachfolge des Herrn di San Giuliano noch lang« nicht verarmt. Ob aber jemals die Zukunftsträume der Albanesen von einem eigenen freien Staate reifen werden, steht sehr dahin. Die Dreispaltung in Moslemin, Katho liken und Orthodoxe ist das geringste Hindernis ihrer Einigung. Aber die zahlreichen Clans, die in viel tausendjähriger Geschichte immer nur gelernt haben, sich als Miraditen, Malissoren, Gheghen. Tosken. Solioten usw. zu empfinden, die trotz halbtausend jähriger Lehrzeit in der Schule des alten Römer reiches nicht ein einziges Mal eine Staatsgründung illyrischer Nation fertig gebracht haben, werden schwerlich unter eine Zentralregierung eigenen Ur sprunges zu bringen sssin. Und wenn es vorüber gehend gelänge: die Blume des „Königreiches Illyrien" blühte gewiß nur einen kurzen Herbstestag. Diesem uralten Volke fehlt auch die geringste Anlage zum Kulturstaate. Der Ausgang wäre ein Ende mit Schrecken. .Europas Ruhe aber ist keineswegs so ge festigt, daß sie in diesem Wetterwinkel gefährliche Ex perimente vertragen könnte. Ballon-Unglück in Dresüen. Ballon „Norüttsulen" erpwüiert. Am Sonntag, deni Tage, an dem vor einem Jahre sich das furchtbare Un stück dos Ballons „Delitzsch" ini Gewitier in der Nähe von Reichensachsen bei Eschwege abspielte, das vier Opfer forderte, genau an demselben Tage hat sich in Dresden ein Unglück ereignet, das gottlob bisher kein Menschenleben ge fordert, aber fünf Personen schwer zu Schaden gebracht hat. Die Verletzungen, die Haupimann v. Oidtmann-Halle davongctragen hat. sind so schwer, daß vorläufig noch an seinem Auskommen gezweifelt wird. Wieder sind auch bei dem Unglück zwei Leipziger Herren beteiligt, die Beinbrüche davongctragen haben, doch rst bei ihnen jede Lebensgefahr ausgeschlossen. Verursacht ist die Katastrophe durch den herrschenden starken Wind, sodaß sich vier der bei dem Ballonwettfliegen be teiligten Führer entschließen mußten, ihre Ballons wieder zu entleeren, da ihnen ein Aufstieg zu gc fährlich schien. Die Führer der Ballons „Rübe zahl" tDr. Loebner) und „Nordhausen" (Haupt mann von Oidtmann) wollten jedoch den Ausstieg wagen, nur bestand die Geiahr, daß die Ballons, ber der gerade auf die Gasanstalt zngebcndcn Wind richtung, dort kollidieren könnten. „Rübezahl" kam auch alatt hoch und nun wollte auch Haupimann von Oidtmann den Aufstieg wagen: ehe es jedoch dazu kam, riß der Ballon los und nahm den als sportlichen Leiter fungierenden Fabrikbesitzer O.to Korn, der sich im Netzwerk verfangen hatte, mit in die Luft. Das Uebcrgewicht ließ aber den Ballon nicht außer Bodenbereich kommen und ehe man cs verhindern konnte, war das Unglück schon geschehen. Unser Dresdner Korrespondent, der Augenzeuge des Unglücks war, berichtet uns folgende Einzel heiten: Es war das zweilemal, daß der Kgl. Sächsische Verein für Lufischiffahrt in Dresden den ersten Osterfeiertag zur Veranstaltung eines Nationalen Ballonwettsliegens auseriehen hatte. 2m Dor jahre stiegen 26 Ballons ohne jeden Unfall auf: 10 zu einer Fuchsjagd und 16 zu einer Wettfahrt. Die Fuchsjagd endete, wie noch erinnerlich sein dürfte, bei Älgersdors östlich von Teilchen, wo ber Fuchs niedergegangen war: die Teilnehmer an der Weitfahrt kamen in Ungarn, Siebenbürgen und Rumänien glatt nieder. Dieses Jahr wurde an Stelle der Fuchsjagd eine Ziclfahrt veranstaltet Ziel war Markt,ssa bei Liegnitz in Schlesien. Es hatten genannt und waren am Start erschienen zwölf Ballons, und zwar: „Rübezahl" (1600 <-l,m Inhalt), „Zwickau" (1600). „Nordhausen" (1600), „Augusta" (1606), „Dresden" (1437), „Pegnitz" (1600), „Elbe" (945). „Harburg" (1200), „Hilde" (680), „Pelikan" (920, „Anhalt" <1200) und „Delitzsch" (1200). Außerdem sollte eine Weit fahrt mit sechs Ballons stattfinden. Das prächtige Wetter, nur durch einen heftigen Wind beeinträchtigt, hatte wieder eine vicltamend- löpfige Menschenmenge nach der Radrennbahn in Reick gelockt, die auch als Ballonsüll- und Aufstieg station eingerichtei ist. Mit der Eisenbahn, dein Auto, der Elektrischen, Droichken, Omnibussen und zu Fuß strebten unausgesetzt neue Mafien nach der Rcnnbabn: gegen 2 Uhr — um diese Zeil sollte der erste Ballon aussteigcn — mögen 39 60 000 Menschen am Rennbahngelände anwesend gewesen sein, un gezählt die vielen Tausende, die die zahlreichen Restaurants der umliegenden Höhen besetzt hielten. Im Jnnenraum der Bahn, am Füllplatzc, der gleichzeitig acht Ballons speisen kann, herrschte reges Leben: etwa 200 Mann Militär der Dresdner Gar nison waren zur Bedienung kommandiert worden und besorgten die nölige Kleinarbeit beim Füllen, dem Festhalten der Ballonseile u,w.: ihre Arbeit wurde durch den heftigen Wind sehr erschwert: unren 12. in 200 in Höhe 17 und mehr Setundenmeter. Die sechs ersten Ballons waren bereits gefüllt und warteten, vom Winde hin und ber getrieben, auf die Abfahrt. Kur; nach 2 Uhr stieg „Rübezahl", von Haupimann a. D. Baarnrann losgclassen, als erster tadellos auf Inzwischen hatte aber der Wind eine solche Stärke angenommen, daß man sich ernstlich mit der Frage beschäftigte, die Fortsetzung der Flüge auf den zweiten Osterfeiertag zu verlegen. Für oie Verlegung der Flüge iprach auch ein anderer Umstande die Ballons „Zwickau", „Dresden", „Augusta" und „Pegnitz" wiesen Defekte am: einige Maschen ihrer Netze erwiesen sich für einen io starken Wind als nicht tragiähig genug: man sah daher vorsichtsweise von der Abfahrt dieser vier Ballons ab und entleerte sie durch Ziehen der Reinleine Ms Kieürich Sssle in Leipzig Direktor wsr. Eine Theatererinnerung von Dr. Max Oberbreqer. (Nachoruck verboten.) Fast vierzig Jahre sind es her. Als ich Ostern 1872 vom Nudol,lädier Gymnasium zur Leipziger Univer sität kam, um dort meine beiden ersten Semester der klassischen Philologie zu widmen, war das Interesse für das Theater in Leipzig bedeutend reger als später, und wir jungen Studenten wurden uoloutes volovtos in die ziemlich heftigen Theaterkämpfe jener Zeit hineingezogen. Das größte Interesse konzentrierte sich damals auf die Person des Direktors der vereinigten Stadttheater Herrn Friedrich Haase. Dieser in hohem Alter jüngst entschlafene vornehme Künstler von pikanter Eigenart und scharfqeprägter Phnsiognomie ist wohl «dem Publikum interessant gewesen, vor dem er ge piekt hat. Ob er seine sogenannten Paraderollen gab, ene feinen italienischen Mosaiken, in denen Hunderte von kleinen Edelsteinchen zu farbenreichen Figuren, zu Bildern, die der Pinsel des Malers nicht feiner abiönen kann, zusammengefügt sind, ob er in einer ge haltreichen Novität mit virtuoser Kunst eine neue Figur schuf, sein Name wirkt« stets magnetisch und kassefüllend. Sein Genre war nicht groß, aber er war groß in seinem Genre. Die Eleganz der Erscheinung einte sich bei ihm mit dem Ton weltmännisch blasierter Vornehmheit zu ebenso charakteristischen wie heiteren Wirkungen: die Blasiertheit des Lebemannes der guten Gesellschaft und das affrontierte Verhalten zweifelhafter Ehrenmänner mit gutsitzendem Frack, tadellosen Handschuhen und korrekter Krawatte — oll das vermochte Haase meisterhaft darzustellen und überall merkte man seinen Darstellungen «in unab lässiges Studium des Lebens an. Wie so viele andere war auch ich derzeit für den großen Charakteristiker begeistert, wenn ich auch erst später meiner Würdi gung in der Presse entsprechenden Ausdruck geben konnte. Haases Bilder, zum Teil Dedikationen des gefeierten Schauspielers, bedecken noch heute eine weile Fläche — die „Haasenheide"! — meines Künstleralbums, von jener Zeit an, wo erst drei Ehrenzeichen seine Brust schmückten, bis zu den Tagen, wo die Sterne, „die man begehrt", sich auf seiner linken Frackseite sammelten ... Ich besitze sogar ein ganz seltenes Bild von Haase, nämlich eines ohne jeden Orden: man wird das vielleicht bezweifeln, aber es ist Tatsache! . . . Di« Photographien Friedrich Haases waren 1873 in Leipzig so zahlreich wie Sand am Meer: die Gegner des Theaterdirektors sagten deshalb: „In allen Schaufenstern finden wir Bilder von Haase in den verschiedensten Rollen: den Schau spieler Haase haben viele photographiert; fände sich doch auch jemand, der uns den D i r c k t o r — ab nimmt" . . . Haase hatte nämlich als Direktor in Leipzig mit einer starken Opposition zu kämpfen. Be sonders nahm man ihm seine auswärtigen Gastspiel reisen, die ihm Gold, Lorbeer und Auszeichnungen eintrugen, gewaltig übel. Oskar Blumenthal, derzeit ein junger Student, der die „Deutsche Dichter halle" redigierte, brachte in seiner „Thcaterlaterne", deren erste Nummer Mitte Februar 1873 erschien, folgende bissige Ausfälle: „Nachdem sich Haase in Leipzig genug hatte beweihräuchern lassen, erinnerte er sich, daß sein Frack zu einem Asyl für obdachlose Orden prädestiniert sei, und weilte zunächst, um einer tiefgefühlten Lücke im Knopfloch abzuhelsen, in den Mauern Dresdens. Es folgten Gastspiele an liliputanischen Residenzen, weiter in Kobnrg, Gera, in — wer zählt die Völker? nennt die Namen? — Endlich nahm Haase, dessen Verhältnisse immer ge ordneter wurden, eine mehrwöchentliche Sommer- Dillegiatur in seiner Villa zu Koburg und erschreckte von hier aus alle zärtlichen Leipzigerinnen durch be- trübsame Bulletins über ein gastrisches Fieber. Kein Wunder, daß Herr Haas« gastrisch fiebriert, nachdem er vorher so fiebrisch gastiert hat!" Und dieselbe Nummer brachte ein bitterböses „Zoologisches. Als Haase aus Dessau kam, Hatte er den Bären 4. Klasse Als Haase aus Weimar kam, Hatte er den Falken 3. Klasse. Als Haase aus Dresden kam, Hatte er einen Vogel 2. Klasse. Als Haase aber nach Leipzig kam, Hatte er ein S ch w e i n 1. Klasse." Pan Oskar Blumenthal erschienen im Februar 1873 als „Karnevalsspende" auch die „Leipziger Theater-Tenien", ein Büchlein geistvoller Epigramme. das längst vergriffen ist. Hier wurden den „beiden Dioskuren" Haase und o. Strantz dies« Verse ge widmet: «Daß Ihr zusammen geht in jedem Streben, Hat oft zu bösen Witzen Stoff gegeben. Ich muß von mir das Eegcmeil gesteh n: )ch säh Euch wirklich gern — zusammen gehst«!" Ganz ähnliche Wünsche hegten die „Zwanglosen" in ihrem Kalender für das „Schaltjahr 1873", wo es über Haase hieß: „Er ist ein Künstler: vor der Rampe Macht er das Publikum fast toll; Er ruft: ein wunderbarer Lampe, Er mimet sich das Knopfloch voll; Komtur selbst in dem Negligck — Ach, wenn's nur wieder bröckelte! — O, langer Friedrich. Fürst der Bühne, Besprich dich mit dem guten Schmidt, Bediene dich der Eisenichienc Und nimm den Strantz und Hanke mit"... Ferner apostrophierte Blumenthal den Direktor so: „Daß du den Shakespeare wunderbar tragierst, Daß dich beseelt ein idealer Glaube, Wie schön du Leipzigs Bühnenstaat regierst: „Die Botschaft hör ich wohl, allein mir fehlt der — Laub e." Was man so mancher Direktion vorwirft, daß sie nicht genügend Neuheiten der Literatur bring«, warfen die Leipziger „Theaterfreunde" auch Haase vor: „Ein neues Stück zu nehmen Herrn Haase nur gefällt, Wenn er sich die Tantiemen Recht billig hergestellt. Er knausert, zwackt und zaudert, Bis er erreich? sein Ziel. So tut zwar Haase wenig. Jedoch er — handelt viel!" Friedrich Haas« macht« damals unternehmen was er wollte — alles wurde mehr oder weniger stark be krittelt und benörgelt. Der Künstler trat z. B. in der Titelrolle des von ihm pomrös avsgestatteten „Richard III" auf. Sofort hieß es: „Du haltest die blinkendste Harnifchzier, De'«« Mantel war schön ohne Tadel. Dein Soiel jedoch bat mich o-moriert schier - - Kein Zoll von tragischem Adel! Ein Klingsbcrg, Fresineau, Rocheferrier — Das sind deine Nollen. Spiel du se! Dem Richard aber sag' Ade! Dies bittet: Melpomene, Muse." Oder Haase spielte den Marinelli in Emilie Galorti, zu der Zeit, wo die Frau Prin-'ina Gaacg gestorben war. Sogleich erschien von anderer Sst die Anfrage: „Daß Er als Marinelli trug, Moderne schwarze Galla, War wohl ein feiner Höflingszug. Weil Trauer am Hof Guastalla? . . ." Im Foyer gab es folgende Gespräche: „Weshalb wird denn bei Haases Abgängen immer so sehr applaudiert?" Weil die Leipziger Herrn Haase mit Vergnügen ab gehen sehen." — „Wundern Sie sich nicht über Haases Vorliebe für K u n st p a u s c n ?" „Nicht im mindesten: unter seiner Direktion ist doch überhaupt für die Kunst Pause!" — „Weshalb trägt Haase als Richard III. einen so teuer«, Krö nungsmantel?",.. „Damit man nicht sagen kann, daß «r durch wohlfeile Kulissenesfekle blende!" — „Der Schauspieler Haase ist doch so viel photo graphiert. Wißen Sie keinen der uns den Direk tor — a b n i m m t?" .. . Genug. Man sieht, daß Haase als Direktor in Leipzig vor 38 Jahren nicht zart behandelt wurde. Aber merkwürdig: die Ab neigung verwandelte sich bald in ihr Gegenteil, der art, daß 1875 das Leipziger Publikum am Wagen des scheidenden Direktors seine Spannkraft übte und man den großen Künstler später stets als liebsten Gast der Saison an der Pleiße begrüßte. Auch mit seinem Hauptgegner, dem „blutigen" Dr. Oskar Blumenthal, der inzwischen selbst als Berliner Theaterdirektor die Leiden und Freuden eines Bühnenleiters kennen ge lernt hatte, versöhnte sich Friedrich Haase und zwar vor dem Leipziger Publikum. Am 11. März 1885 trat Haas« als Baron von der Egge in Blumenthals „Probepfeil" im Neuen Theater auf und verneigte sich zum Schluß Hand in Hand mit dem anwesenden Dichter, dem er auch einen Kranz überreichte. Und der tlleheimrat o. Gottschall gab im Leipziger Tage blatt seinen Segen dazu, mit diesen Worten: „Aclrere Theaterfreunde mußten unwillkürlich bei diesem Vor gänge auf der Biihne der Zeiten gedenken, wa Blumenthal mit seiner blutroten, an allen Eck?n an-
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite