Suche löschen...
02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 21.04.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-04-21
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110421023
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911042102
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911042102
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-04
- Tag 1911-04-21
-
Monat
1911-04
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
BezugS-PreiS Mr L«tp»t« «n» v»r»kt« d»rch nnt«« Tria er und S»«dU«»r« 2««ltl»lich in, pan» gebracht: M PI. »»»atU, 2.7» Ml. oieneljähiU Bei unlrrn giltal«» ». An. nnhm»ftell»n abneholt: 7S Pl. »«»att, L» Ml. »tertrllrhrt. Dnrch dt« P.,: innerhalb Drvtlchland» und d»r b«nttch«n Kolonien vtrrteljährl S.SÜ Ml., moaatl. l.rv Mk. an»Ichl. Pol«b»ft»lla»ld. 8«rn»r in Belgien, Dänemark, den Donauftaaten, Italien. Lurembnrg, Niederlande, Nor wegen, Österreich-Ungarn, Nnhland, Schweden, Schwei, ». Spanten. In all«» übrigen Staaten nur direkt durch di« Selchästssielle de» Blatte, erhältlich. Da» Leipziger Tageblatt «richetnt 2 »al täglich. Sonn- n. Feiertag, nur «argen». Bdannementr-Bnnahm«: 3»ha»»i,,«ll« >, bei nnleren Trägern, Filialen. Spediteuren und Annahmestellen, lowt« Postämtern und Briefträgern. Pt»»«l»«rka»s,pret» »Pf. Abend Ausgabe. MpMer Tageblatt Handelszeitung. Amtsvkatt des Nates und des Nokizeiamtes der Stadt Leipzig. Ätt;«.lqtN.Prcis für Jnlerat« au» Leipzig und Umgebung die Hpalti,«Petitt»tl« L Pf .dte Neklame. ^il« l Ml.' von au»wärt» M Pf, Nellamen 1^0 Ml.: In>«rat« von Behörden im amt, lichen Teil di« Petit,eil, SV Pf. S«ichäst»an,eig«n mit Platzoorichristen a. »n der Abendausgabe im Preis» erhöh». Nabatt nach Tarif. Beilagegebühr Sesomt» auflag« b Ml. p Tausend erli. Postgebühr. Teildeilage Hoyer. Festertetlt« Austräar können nicht »urück- arzogen »erden. Für da» Erscheinen an bestimmten Tagen und Plätzen wird kein» Earanti« üdrrnommrn. An,«tg«n» Annahme 2»h«»»i,,aff« bei sämtliche» Filialen n. allen Annonre» Lrpedttion»» de» In- und A»»land«a. Dr»« in» »«»lag »r« L«t»,ig«r Tag» blatt«» S. PoU. 2nhab«r. Paul Kiest«,. Redaktt»» an» »«schSst»ft«kl»r Iohannisgass« 8. Fernsprecher: l<8»2. ltkSZ, 14 «4 Heuvl - Filiale Dr«»,«»: Srestrag« 4, t lTelephon 4821). Nr. 110.. /reltag, üen 21. «pril lSll. 105. Jahrgang. Die vorliegense Aufgabe »m^aßl 6 Seile». , Die Neberwschung üer Kemüen in Gnglanü. Das dem englischen Unterhause am Dienstag zu gegangene Gesetz über eine schärfere Kontrolle der im Bereinigten Königreiche lebenden Ausländer stellt sich als eine Ergänzung des vor sechs Zähren erlassenen Einwanderungsgesetzes dar. Während letzteres unerwünschte Fremde, d. h. solche, bei denen die Gefahr vorliegt, daß sie der öffentlichen Armenpflege anheimfallen, oder die im Auslande wegen eines Verbrechens verurteilt worden sind, wegen dessen die Auslieferung verlangt werden kann, vom englischen Boden überhaupt fernhalten sollte, zeigt der jetzt vorliegende Gesetzentwurf die Tendenz, Ausländer, die sich in England aufhalten, wirksam zu überwachen, ihnen das weitere Verweilen in gewissen Fällen zu untersagen und die Strafen für jede Ueber- tretung der Ausweisungsorder zu verschärfen. In dem Gesetze, betreffend die Erschwerung der Einwanderung, befindet sich die Bestimmung, daß gegen Fremde, die in England eines Verbrechens überführt worden sind, als Teil ihrer Strafe die Ausweisung verfügt werden kann, wenn dies von einem Gerichtshof empfohlen wurde. An scheinend ist von dieser Befugnis von den britischen Gerichten bisher nur selten Gebrauch gemacht worden, und deshalb soll künftig die Praxis der Ausweisung verschärft und letztere gegenüber abgeurteilten Ver brechern zur Regel gemacht werden. Von größerer Tragweite ist auch die von der Regierung verlangte Vollmacht, in gewissen Fällen von den Ausländern Bürgschaften für eine gute Führung zu fordern. Man darf gespannt se.n, welche Länder von den britischen Behörden als solche angesehen werden, wo Mord und Totschlag an der Tagesordnung sind, und wo jeder Polizeibeamte als Feind und jede staatliche Einrichtung als Tyrannei betrachtet wird. Zn dieser Allgemeinheit trifft da wohl bei keinem Lande zu, während es in jrlem Staatswesen, selbst in dem kulturell am höchsten stehenden, Elemente der beschriebenen Art gibt, auf die die Bestimmung von der Zulässigkeit einer Bürg- schaftsgestellung Anwendung finden kann. Ob die vorgesehene Einschränkung des Tragens von Schutz waffen den erhofften Erfolg hinsichtlich der Ver hütung von Verbrechen Haden wird, darüber dürften die Ansichten geteilt sein. Wie England in dem Ein- wanderungsgejetze von 1905 das Asylrecht un angetastet lieh, indem bestimmt wurde, daß die Er laubnis zur Landung nicht wegen Mittellosigkeit allein verweigert werden soll, wenn der Fremde nachweist, daß er nur Aufnahme nachsuckt, um sich einer Verfolgung wegen politischer Vergehen zu ent ziehen, so sollen auch di« erwähnten Bürgschaften nicht von Leuten verlangt werden, die ein Opfer ihrer religiösen oder politischen Anschauung geworden sind. Daß die britische Regierung aber sonst geeignete Maßnahmen trifft, um die Bewegungsfreiheit inter nationaler Lerbrecker einzuschränken und England nicht für den Abschaum von ganz Europa offen zu halten, ist nur zu billigen; auch außerhalb Groß britanniens hat man ein lebhaftes Interesse daran, dem Verbrechertum jeglicher Gestalt den Boden abzu graben. Selbstverständlich dürfen alle Anschläge der Anarchisten der Tat, der Nihilisten usw. nicht die Vergünstigung genießen, als Akte politischer Art ein geschätzt zu werden, sondern sie sind als Verbrechen schlimmster Natur zu behandeln. Es ist kaum daran -u zweifeln, daß di« Vorlage vom Parlamente gebilligt werden wird, im übrigen erscheint die Erinnerung daran interessant, daß Minister Churchill, der am Dienstag das Gesetz dem Parlamente unterbreitete, sich im Zahre 1904 als Unterhausmitglied bei der Opposition gegen das Einwanderungsgesetz besonders hervortat. Oer LosngeUlch»luttzeritche Schulverein Mr üss Königreich Suchten trat am Mittwoch in Freiberg zu seiner dies jährigen Hauptversammlung zusammen, die aus der geschlossenen Mitgliedersitzuiig am Nach mittage und der öffentlichen Versammlung am Abend bestand. In der Mitgliederversammlung, die der Vorsitzende, Oberverwaltungsgerichtsrat o. d. Decken-Dresden, eröffnete, wurden u. a. die Vor standswahlen vollzogen und die bisherigen Vorstands mitglieder wiedergewählt; Amtsgerichtsrat Dr. Oerrel-Leipzig, Finanzamtmann Dr. Vang-Dresden, Pfarrer Merker-Altmittweida und Sekretär Keller- Dresden wurden neu in den Vorstand berufen. Zu einer längeren Besprechung führte die Eingabe, die der Verein Mitte Januar dieses Jahres an das sächsische Kultusministerium gerichtet hat. Er stellt darin ausführlich begründete Anträge zum Entwurf eines Volksschulgesetzes. Der Verein wünscht, daß der Religionsunterricht auch zukünftig nach dem Bekenntnis der Kirche zu erteilen ist, daß das Gelöbnis konfessioneller Treue nicht abgeschwäckt werde, daß der Religionsunterricht nur solchen Lehrern übertragen werden darf, die sich freiwillig erbieten, ihn nach den Bekenntnissen der Kirche zu erteilen, und daß das Ge löbnis konfessioneller Treue nur von den Lehrern zu leisten ist. die hiernach Religionsunterricht zu erteilen haben. Allgemein trat man den Ausführungen dieser Eingabe bei. Zum Schluß beschäftigte man sich noch eingehend mit den Aufgaben des Vereins und mit seiner Gepflogenheit, die öffentliche Diskussion über kirchliche und Schulfragen aus seinen Veranstaltungen auszuschließen. Zn der öffentlichen Versammlung sprach zunächst Universitätsprofessor v. Kunze- Greifswald über: „Die Herrlichkeit, Wahrheit und Gewißheit unseres Friedens". Den zweiten Vortrag hielt Rektor Grünweller-Mülheim (Ruhr) über das Thema: „Der Kampf um den alten und den neuen Glauben auf dem Gebiete der Volksschule". Der Redner führte u. a. aus; Wir müssen uns darüber klar sein, daß es sich nicht um theologische oder pädagogische Streitfragen, sondern um grund verschiedene Religionen handelt. Zwei Grundideen lasten sich vor allem im Neuglauben nachweisen: der Einheits- und der Entwicklungsgedanke. Auf Grund des Monismus ist überhaupt keine Religion im ge gebenen Sinne möglich, weil diese Religion einen Dualismus zur Voraussetzung hat. Warum tritt nun der Verein für die christlich« evangelische Volks schule im Sinne des geschichtlichen Christentums ein ? Weil wir kämpfen wollen für Recht und Gerechtigkeit, für das Heil unserer Zugend und unseres Volkes, weil wir uns auch nicht hergeben wollen zu Toren gräbern unserer Volkskirche. Wir führen diesen not wendigen Kampf nicht gegen Personen, nicht gegen Reformmethoden, sondern für eine große heilige Sache. — Nach einem Schlußwort des Vorsitzenden endere die Versammlung mit einem gemeinsamen Gesänge. polltilche Nachrichten. Aus dem 13. sächsischen Neichstagswahlkreise. Zm Vaterländischen Verein zu Leipzig- Li n d e n a u sprach am Donnerstagabend Landtags abgeordneter Dr. Zöphel über di« kommenden Reichstagswahlen. Er gab eine umfassende Natur geschichte der politischen Parteien und schilderte, wie die drei Momente, die das alte Deutsche Reich schwer gefährdet hätten: der Partikularismus, die Geldnot und die römische Kirche, auch dem neuen Deutschen Reiche gegenwärtig gefährlich würden Lurch di« Koa lition zwischen Konservativen und Zentrum. Es sei bedauerlich, daß die. Konservativen sich vom Bülow- block abgewandl hätten; sie müßten scharf bekämpft werden, weil sie das Zentrum wieder zur ausschlag gebenden Partei gemacht hätten. Noch entschiedener sei der Kampf gegen die Sozialdemokratie zu fuhren, mit der es für die Nationalliberalen keine Verständigung gebe. Eine sozialdemokratische Mehr- heit im Reichstage würde die reaktionären Mächte zu der Verzweiflungstat einer Aenderung des Reichs tagswahlrechts hinreißcn. Eine derartige Maßnahme würde allerdings die schwerste innere Erschütterung berbeiführen. Um eine solche Möglichkeit zu ver hüten, müßten liberale Männer in den Reichstag ge sandt werden, die für einen Ausgleich sorgen würden. Das Voll dürfe sich in seiner Verstimmung nicht dazu hinreißen lassen, sozialdemokratisch zu wählen, es müsse vielmehr erkennen, daß jede Vermehrung der sozialdemokratischen Reickstagsmandate nur der Reaktion nütze. Zum Scyluste seiner von den zahl reich erschienenen Mitgliedern sehr beifällig aufge nommenen Rede forderte er auf. bei der Reickstags wahl mit aller Kraft für den nationalliberalen Reichstagskandidaten Dr. Günther einzutreten. Dem Vortrag folgte eine sehr lebhafte Aussprache, an der sich auch der anwesend« Kandidat Dr. Günther beteiligte. Das ehrliche Kricgsministerium in Frankreich. Paris, 21. April. (Tel.) .bezüglich des von einem Roaylistenblatte veröffentlichten Gerüchtes, daß auch im Kriegsministerium Unregelmäßigkeiten aufgedeckt worden seien, erklärt das Kriegsmini sterium in einer amtlichen Rote: Zm Laufe der Budgetdebatte wiesen mehrere Deputierte aus Un regelmäßigkeiten hin, die bet der Ausführung ver schiedener vertragsmäßiger Arbeiten begangen wor den seien. Der Kriegsminister ordnete sofort eine Prüfung der Ausgaben an. Es handelt sich übrigens nicht um Veruntreuungen, sondern lediglich um unbedeutende, wenn auch den Wert der gelieferten Arbeiten anscheinend überschreitend« Zu wendungen. Eine vorauszusehende Ablehnung. Wir berichteten vor einigen Tagen von der Auf forderung des französischen Ministers der öffentlichen Arbeiten an di« Eiseubahngesllschaften. die entlassenen Angestellten wieder einzustellen. Wie kaum anders zu erwarten war, lehnten die Gesellschaften die Aufforderung ab. Folgendes Telegramm liegt vor: Paris, 21. April. (Tel.) Das „Echo de Paris" will wissen, daß die Eisendahngesellschasten der von dem Minister der öffentlichen Arbeiten an sie ge richteten Aufforderung nicht entsprechen und keinerlei Wiederanstellung entlassener Eisenbahner vornehmen werden. Dieser Beschluß sei von den Direktoren der verschiedenen Bahngesell- schäften gemeinsam am letzten Sonntag gefaßt worden nach der Sitzung, in der die Kammer den drohenden Erklärungen des Ministerpräsidenten und des Ministers der öffentlichen Arbeiten ihre Zu stimmung erteilte. Zur Maimou-Affäre. Konstantinopel, 21. April. (Tel.) Zn der Maimon-Angelegenheit wurde auf der Pforte der Unterchef des Archivs des Großwesirats Zussuf Said verhört. Er erklärte, er habe Maimon in Konstantinopel kennen gelernt und sich gemeinsam mit ihm um di« Konzession der Bahnlinie Homs — Bagdad beworben. Hierüber hab« er eine Korrespondenz mit Maimon gepflogen. Irgend eine andere Beziehung habe er zu Maimon nicht. Zur Lage in Marokko. Part», 21. April. (Tel.) Nach einer Blätter- Meldung aus Tanger ist die Lage der Mahalla Bremonds eine nahezu verzweifelte. Major Bremond richtete an einen Freund einen Brief, der mit den Worten schließt: „Nicht: Auf Wieder sehen? sondern: Adie u!" Ein anderer Offizier schrieb an einen Freund in Tanger, daß er sich, fall» nicht ein Wunder geschehe, als ver loren betrachte. Unruhe« in Algier. Oran, 21. April. (Tel.) Die Truppen, die wegen der Gärung unter den Stämmen am Muluja - fluß und zur Verstärkung einiger Posten an die Westgrenze Algeriens abgesandt werden, um fasten vier Bataillon« Infanterie, drei Schwadronen Kavallerie, zwei Feldbatterien und eine Abteilung Gebirgsartillerie mit zusammen 3000 Mann, die im Lauf« der nächsten Woche an ihrem Bestimmungsort angelangt sein dürften. Dokumentendiebstahl. Smolensk, 21. April. (Tel.) Zn der A r t i l l e r ie- brigade verschwanden zwei eiserne Kisten mit Reskripten des Zaren und geheimen Dokumenten. Eine Kiste wurde von spielenden Kindern im Sande gefunden. 40 Soldaten sind ver haftet worden. Das Grüne Snw. Roman von August Weißt. 24f (Nachdruck verboten.) Brigitta und Marietta waren ängstlich um sie be müht. Die Herrin fieberte. Di« Berufung eines Arztes lehnt« sie jedoch entschieden ab. Am Abend nach dem Nachtmahl sagte sie zur alten Brigitta: „Morgen nachmittag wird mit dem Zupe, mit dem Marietta heute gekommen ist, ein Herr einireffen und nach mir fragen. Mach' in den oberen Zimmern Ord nung und führ' ihn in den kleinen grünen Salon. Am Abend reise ich dann ab. Du. Marietta, bleib' heute nacht in meiner Nähe, vielleicht brauche ich dich. Z h fühle mich nicht ganz wohl." Die beiden Alten hätten natürlich uni ihr Leben gern erfahren, was die plötzliche Ankunft der Baronin und all das geheimnisvolle Treibe r zu be deuten habe. Zn den zwanzig Zähren, die das Landhaus im Besitze des Senators sich befand, war nur ein einz ges- mal ein Mitglied der Familie während des Winters plötzlich im Hause erschienen. Die alte Brigitta er- innert« sich noch jener stürmischen Nacht, da plötzlich der junge Oberleutnant Giorgio di Tastellmari Ein laß begehrte und sich ebenso merkwürdig benahm wie jetzt die Baronin. Und damals wie heut« hinderte der Respekt die Alte, Fragen zu stellen. Sie hatte damals den jungen lebenslustigen Oberleutnant zum letztenmal gesehen. Eine Woche hielt er sich im Hause verborgen, dann ging er eines Nachts fort und nie. mand sah ihn wieder . . . Und jetzt schien sich wieder Sehnliches abzuspielen. Die Baronin tat ebenso geheimnisvoll, wie er damals. Wenn es nur nicht auch ein so böses Ende nehmen würde! Aber Teilnahme und Neugierde der Alten wurden nicht befriedigt. Marietta sprach kein Wort, und die Baronin schwieg beharrlich. So brach der -weite Morgen an, der Tag, an dem di« Baronin den Gast erwartete. Sie legt« eines ihrer schönsten Sommerkleider an, andere hatte si« nicht zur Verfügung. Freude und Erregung färbten ihre -lasten Wangen. Der Salon wurde instand gesetzt und geheizt. Die Baronin stellte sich vor di« Balkontür und sah ungeduldig auf den schneeigen Feldweg hinaus, der zur Station führt«, bis sie «inen schwarzen Punkt auf dem weiten Felde wahrnahm, der immer näher rückt« und größer wurde. „Er ist's!" rief sie, als sie einen Wagen erkannte, der dem Landhaus« zufuhr. Sie flog die Treppen hinab in die Vorhalle, riß di« Tür auf und winkte grüßend. Der Wagen hielt vor dem Landhause. Ein junger Mann mit einer Aktentasche in der Hand sprang heraus, ein älterer Herr folgte ihm. - Die Baronin wollte zurücktreten, aber da wurde sie angerufen. „Meta!" klang es scharf, wie befehlend. Ernst und bleich trat der junge Mann vor sie hin und sagte: „Gestatte, daß ich dir hier gleich einen Bekannten vorstelle, der dich dringend zu sprechen wünscht: Herr Polizeirat Wurz aus Wien." Zwölftes Kapitel. Zn Wien war während der Zeit, die Doktor Martens in Venedig verbrachte, von der Polizei mit vollem Eifer gearbeitet worden. Die Berichte des Kommissars gaben Polizeirat Wurz beachtenswerte Winke und ließen ihn zu dem Schluß gelangen, daß alle Mühe vergebens wär«, eh« man di« Identität des Ermordeten nicht unzweifelhaft festgestellt habe. Wohl hatte Doktor Martens den Beweis erbracht, daß Adolf Strebinger und Bartolomeo Giardini ein und dieselbe Person waren, aber damit verloren sich auch die Spuren. Wer war dieser Bartolomeo Giardini eigentlich? Woher kam er? Wie kam er ins Haus und vor allem in die Familienintimität des Senators? Die Nachforschungen über diesen merkwürdigen Giardini, die die Behörde in Marcon« anstellen ließ, ergaben nichts Greifbares. Zu der Ansicht, daß Eiar. dini der Bräutigam der Baronin Sternberg gewesen, konnte sich Polizeirat Wurz nicht bekennen. Für ihn lag die Annahme näher, daß der alt« Senator aus politischen Gründen mit Giardini verknüpft war, und daß die Tochter, die um diese Verbindung wußte, den Vater zu decken versuchte. Der Name Giardini mußte nach allen Berichten des Kommissars ein für das Haus Castellmari bedeutungsvoller sein. Lautete früher die Frame: Wer ist Adolf Stre binger? so hieß si« jetzt: Wer ist Bartolomeo Giar dini? Die, au» dem gegebenen Material heraus-ufinden, stellt« sich Polizeirat Wurz als erste Aufgabe Der Restaurateur Schneder wurde wiederholt einver. nommen, an sämtliche Behörden des Zn- und Aus landes wurden Photographien des Ermordeten ver schickt, in den Strafanstalten wurde nachgeforscht, alle die Hundert« von Mitteln gelangten zur Anwendung, über die der große polizeiliche Apparat verfügt, ohne daß man zu irgendeinem Resultat gelangt wäre. Doktor Specht verbrachte Nächte über den Auf zeichnungen Strebingers, um jene Zahlenschrift zu dechiffrieren, die bei dem Ermordeten gefunden worden war. War das einmal gelungen, so hatte er auch «inen Menschen, der über Strebingers Wiener Aufenthalt Auskunft zu geben imstande war. Alle Methoden, die zur Dechiffrierung dienen, arbeitete der Kommissar durch. Er entwarf selbst Kombinationen und versuchte deren Anwendung. Die Tatsache, daß in einem achtbuchstabigen Wort keine Zahl wiederkehrte, bracht« ihn schließlich zur Ver mutung, daß die Aufzeichnung mit Hilfe eines Buches hergestc'llt worden war, ohne das ein« Enträtselung von keinem Menschen der Welt erfolgen konnte. Dieses Buchsystem ist sehr einfach. Die beliebig« Seite irgendeines willkürlich gewählten Buches dient als Schlüssel. Will man nun Worte oder Buchstaben chiffrieren, zählt man auf der gewählten Seite so lange di« Buchstaben, bis man zu dem gewünschten ge langt, und setzt statt besten die Zahl, zu der man im Zählen gekommen war. Wie sollte nun Doktor Specht herausfinden, welches Buch, respektive welche Seite irgendeines Buches Strebinger als Schlüssel benutzt hatte? Die wiederholt« Durchsuchung des Zimmers ergab kein Resultat. Außer einem alten Jahrgang der „Gartenlaube", der dem Mohnungsinhaber gehörte, wurde nichts gefunden. Dieses Buch aber konnte nicht gebraucht worden sein, denn es zeigte nirgends Spuren neuerer Benutzung. Wie sich so der Kommissar den Kopf zermarterte, durchblitzte ihn ein Gedanke. Bei dem Ermordeten war eine Nummer der „Städtischen Nachrichten" vom 12. Januar gefunden worden. Vielleicht brachte dieses Blatt die Lösung. Er versuchte es mit der ersten, mit der zweiten, mit der dritten Seite, von oben nach rückwärts, von unten nach oben und brachte nur ganz unmögliche Laut oerbindungen heraus. Bei der sechsten Seit«, der ab- ^riffensten, ergaben die Ziffern folgende Buchstaben- I'. v. r. v. st. s. v. Dieselbe Methode, von unten nach oben an- gewendet, ergab k. «.k n. I. o. t. v. Also wieder nichts! Der Kommissar warf den Bleistift ärgerlich auf den Tisch und starrte vor sich hin. Und da streiften ganz gedankenlos seine Blick« die Vuchstabenreihen, di« er untereinandergeschrieben hate. I'. r. r. zf. st. s. r. I*. v. k. n. I. o. t. n. Wie wenn er es mit einer Kombination dieser beiden Reihen versuchen würde? Und diesmal glückte es ihm. Nachdem er alle Möglichkeiten durchprobiert hatte, versuchte er auch, abwechslungsweise je einen Buchstaben der beiden Reihen zu verwenden. Er begann beim ersten oberen Buchstaben I', dann nahm er den zweiren in der unteren Reihe v, dann den dritten oberen r und so weiter. Und so bracht« er das Wort „Ferntorn" heraus. Die Aufzeichnung lautete also: „Morgen Fernkorn anrufen!" Fernkorn! Das war ja der Name jenes Haupt manns, der Eeneralstabschef des Feldmarschall- leutnants Holmhorst war, der in üen ersten Tagen der Affäre beobachtet worden war. Wie kam der Er mordete in Verbindung mit diesem Mann, dessen Tadellosigkeit außer allem Zweifel stand? 'Polizeirat Wurz, dem der Kommissar dieselbe Frage oorlegte, zuckte mit den Achseln und meinte: ,.3a, sehen Sie, lieber Doktor, die ganze Sache ist recht geheimnisvoll. Es müssen da irgendwo Fäden zusammenlaufen, von denen wir, Gott sei's geklagt, keine Ahnung haben. Ich habe ein Gefühl, als wenn uns noch einig« Ueberraschungen beoorstünden; und nicht von der angenehmsten Art. Wir werden den Hauptmann jedenfalls wieder beobachten lasten müssen. Wie das alles zusammenhängt, ist mir natür lich auch nicht klar, aber die Wahrscheinlichkeit eines recht innigen Zusammenhanges ist durch zwei Um stände gegeben. Erstens: Giardini soll ja der frühere Bräutigam der Baronin gewesen sein, die jetzt für die Braut des Hauptmanns Fernkorn gilt. Das wäre eine Erklärung mit Rücksicht auf die Person des Hauptmanns, dessen Ehrenhaftigkeit ja unzweifelhaft ist. Aber wir müssen mit allen Möglichkeiten rechnen, infolgedessen auch das zweite Verdachtsmoment ins Auge fasten. Dem Feldmarschall-Leutnant Holwhorst wurden bei jener Soiree die Dokumente gestohlen. Wer mußte wissen, daß sie sich im Besitze des Generals befanden? Sein Generalstabschef! Wer konnte wissen, wo er sie aufbewahrt hielt? Haupmann Fern korn, zu dem der General, wie Sie ja wissen, un begrenztes Vertrauen hatte. Denken Sie dabei, daß der Hauptmann an jenem Abend Gast de« Generals war, und daß die chiffriert« Aufzeichnung eines Spions den Namen de» Hauptmanns nennt, so ergibt das ein Gesamtbild, da» wir in Zukunft nicht ignorieren dürfen. Dazu kommt noch, daß den Be richten Ihres Kollegen Martens zufolge die Laronin bei Nennung des Namens Fernkorn ungemein er schrak und plötzlich die verdächtige Frage stellte, cb der Polizei Beweise dafür vorlägen, daß der Haupt mann in die Affäre verwickelt sei." (Fortsetzung folgt.)
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)
Erste Seite
10 Seiten zurück
Vorherige Seite