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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 22.04.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-04-22
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110422018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911042201
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911042201
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-04
- Tag 1911-04-22
-
Monat
1911-04
-
Jahr
1911
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M, S»s«,ar« «u» Leipzia »nd Um,«bu«g di« IIpaltl,«Betttzrtl« L Ps di« R«klam«. »«ile l Mk.: »on au»wärt, 30 Ps^ Reklamrn 1.2V Mk.^ Inserate von Behörden im amt ltchen T«il die Petitjeile SV Bi. Geschast»anj«iaen mit Plaur>orichrist«» ». in der Ud«ndau»gad« im Preis« erhöht. Nadatt nach Tarrs, Berlagegedüdr tbesami. auslag« L Mk. o Tausend ^rtl. Posigedühr. Teildeilagr ho^er. FrltertetU« «utträge können nicht zurück gezogen werden Für da» Erscheinen an beuimmten Tagen und Plätzen wird kein« Garantie übernommen. »»«rtge» - «»nahm, I»d»»»i»««Is» 3, bei sämtlichen Filialen ». allen Annoncen- Expeditionen de» In- und Au»lanoe». D^ck »»» Verl», »«» ii«i»zlg«, I»g« blatte» S. Poiz. Inhaber P«»l »»rite». NebaMo» und Geschäl«»stell«: Iohannirgasse 8. Fernsvrecher^ 1169.'. ItkiN. 14 KS« Ha»o« - Filiale Dr»»d«»: Seestratz« 4, 1 (Telephon 4821^ Nr. IN. Lonnabenü, ürn 22. «pril tSll. los. Zshrgsng. Die vorliegende Ausgabe umfaßt 16 Seiten. vss Dichttglte. * Die Chemnitzer Handelskammer spricht sichgegen die Vorlage desPrivatbeam- tenoersicherungsgesetzee aus. (S. d. des. Art.) * Am Freitag hat in Berlin die Vernehmung des Pfarrers Iatho vor dem Spruchkollegium begonnen. (E. Dischs. R.) * Kaiser Franz Joses leidet an einer leich ten Heiserkeit, die das Abhalten von Audien zen vorläufig unmöglich macht. (S. Ausl.) * Die montenegrinische Skupschtina wird zum 27. April zu einer außerordent lichen Tagung einberufen. * Der Eroßscherif von Mekka ist mit 9006 Mann zur Bekämpfung der Aufständischen gegen Assir (Jemen) aufgebrochen. Der gekährüete Delbrück. Früher als in anderen Jahren setzt diesmal das große Raten darüber ein, wer bei dem im Sommer fälligen Ministerrevirement von den gegenwärtig amtierenden Staatsmännern wohl von seinem Posten scheiden werde, wer von ihnen sich durch „Gesundheitsrücksichten" be stimmen lasten dürfte, sein Abschiedsgesuch ein zureichen. Hellhörige Leute wollen etwas von einer Amtsmüdigkeit des Staatsministers des Neichsamtes des Innern Dr. Delbrück vernommen haben und glauben, ihre Ver mutungen über besten baldigen Rücktritt mit der Behauptung begründen zu können, daß das Ergebnis der Reichstagsverhandlungen über die reichsländische Verfassungs frage dem Staatssekretär die weitere Mitarbeit an seinem Platze unmöglich gemacht habe. Einem nur schlecht maskierten Vorstoß des preußischen freikonservativen Abgeordneten von Zedlitz im „Tag" folgte ein von „wohlinformierter Seite" verfaßter Artikel in der „V. Z. a. M.", der Delbrücks Rücktritt in sichere Aussicht stellt, wenn die Verfassungsvorlage für Elsaß-Loth- ringen fällt. Man beliebt es, dem Staats sekretär den Vorwurf einer falschen Behand lung des schwierigen Problems zu machen und ihm eine Täuschung des Reichskanzlers zur Last zu legen infolge der Bemerkung, daß der Ent wurf der elsaß-lothringischen Verfassungsreform ein»- sichere Mehrheit finde, sobald die drei Bundesratsstimmen gewährt würden. Nun hätten sich aber neue Schwierigkeiten bei Er örterung des Wahlrechts und der Wahlkreis einteilung gezeigt. Durch Delbrücks Führung der Verhandlungen sind aber nach Ansicht der Angreifer auf seine Position die Hemmnisse eher gehäuft als gemindert worden, und dafür soll er nunmehr geopfert werden. Gegenüber derartigen Versuchen, den Staats sekretär des Innern wegen der reichsländischen Verfastungsfrage auszubooten, muß indes mit aller Entschiedenheit darauf hingewiesen werden, daß die treibende Persönlichkeit in der ganzen Angelegenheit nicht eigentlich Delbrück, sondern der Reichskanzler von Bethmann Hollweg selbst ist. Er hat bereits früher, als Staats sekretär des Innern, einen Verfastungsentwurf für Elsaß-Lothringen ausgearbeitet; er hat seit dem Beginn seiner Kanzlerschaft für die Verwirklichung dieses Planes geworben; er hat im Reichstage im Januar sich ganz persönlich für seine Vorlage eingesetzt und er hat sie endlich im preußischen Abgeordneten hause gegenüber den Abgeordneten von Heyde- brand und von Zedlitz mit einer bei ihm bisher noch nicht vorgefundenen Festigkeit und Kraft verteidigt. Wenn aber irgend jemand an dem Verfastungsentwurf persönlich interessiert ist, wenn jemand dessen Scheitern als persönliche Niederlage empfinden müßte, so kann dies nach Lage der Dinge einzig und allein der Reichskanzler, nicht aber der in seinem Auftrag die Vorlage verteidigende Staats sekretär des Innern sein. Delbrücks Rücktritt wäre also au» diesem Grunde unverständlich, wenn der Kanzler im Amte bliebe, auch ohne daß die Reichslande ihre neue Verfassung erhalten. Ein Abschied Delbrücks von seinem Amte wäre aber gegenwärtig auch recht unzweck mäßig, denn der Reichstag hat, nach den Ab- sichten der Regierung, noch eine ganz statt- I liche Zahl umfangreicher sozialpolitischer Gesetzentwürfe zu erledigen, an deren Gelingen der Staatsekretär für Sozialpolitik zweifellos ebensosehr interessiert sein muß wie an der glücklichen Vollendung des reichsländischen Ver sorgungswerkes. Wir können uns nicht gut vorstellen, daß Delbrück kurz vor Abschluß der Reichsversicherungsordnung, um die er sich doch sehr gemüht hat, aus dem Amte schei den soll. Es ist aber auch nicht recht glaublich, daß zur weiteren Vertretung der anderen sozialen Gesetze — wir erinnern nur an die Privatbeamtenversicherung und an das Heim arbeitergesetz, die doch angeblich in der Herbst session zur Verabschiedung gelangen sollen — ein neuer Mann ausersehen sein soll, dem man im Reichstage schließlich erst eine gewisse Schonzeit zum Einarbeiten und Eingewöhnen bewilligen müßte. Das würde eine nicht unwesent liche Verzögerung der glatten Erledigung der in Frage kommenden Entwürfe bedingen, und die Regierung will doch mit der ganzen gesetzgeberischen Arbeit, wenigstens den offiziösen Aeußerungen nach, möglichst bald fertig werden. Die verschiedensten Gründe sprechen also gegen eine Verwirklichung gewisser geschickt lancierter Veränderungswünsche im Staats sekretariat des Innern, und es ist im Interesse eines ruhigen Fortgangs der Reichstagsarbeiten nur zu hoffen, daß die Erwartungen derer, die bald einen andern Mann an Delbrücks Stelle sehen möchten, zurzeit nicht in Erfüllung gehen. Oer Vormarsch üer Ksnzalen suk Le;. (Pariser Brief.) I-. Pari», 20. April. Der bevorstehende Vormarsch der Franzosen aus Fez erregt nicht die volle Aufmerksamkeit, L:e er ver dient; er wird für die französische Kolonialgeschichtc eines der bedeutend st en Ereignisse wer den. Die vielen Pariser Skandale beschäftigen die Press« sehr ausgiebig und dienen zum Vorwand, daß der Vorbereitung der militärischen Expedition nach der marokkanischen Hauptstadt nur kürzere Mit teilungen gewidmet werden. Auch die Berichte aus Tunis, wo Präsident Fälliges, Herrn Delcasse an seiner Seite, triumphierend dem einstigen Herrscher und jetzt protegierten Bei die glänzenden Erfolge der französischen Invasion vortoastete, füllen ganze Spal ten. Nur die Organe der Kolonialpartei verfolgen fieberhaft die Beschlüsse des Herrn Cruppi und er teilen ihm Ratschläge, wie er am schnellsten dem marokkanischen Dilemma ein Ende bereiten könnte. Das Ministerium des Auswärtigen befindet sich in einer sehr heiklen Lage; es Hai den Signalarmächten der Algecirasakte mitgeteilt, daß es im äußersten Notfall an die Befreiung der in Fez eingeschlossenen Europäer denken werde, und sowohl von Herrn v. Kiderlen-Wächter in Berlin, wie von Herrn Canalejas in Madrid solche Vorbehalte zu hören bekommen, daß es wohl am liebsten den Marsch nach Fez vertagen und die Besitzergreifung der marok kanischen Hauptstadt durch allmähliche Verstärkung der militärischen Mission erlangen würde. Aber anderseits kann es Muley Hafid nicht mehr im Stich lasten; denn unleugbar sind die Instruktoren eine Hauptursache des Aufstandes der Berberstämme, die ihre Entlassung vom Sultan fordern. Die Aufhebung der Mission würde aber einen solchen Rückschritt für die Entwicklung der „friedlichen Durchdringung" be deuten, daß Herr Cruppi schon das vorzieht, was Jean Jaures in der „HumanitL" mit Recht ein „Aben teuer" nennt. Vier neue Bataillone und Artillerie gingen nach Casablanca ab; weitere Truppenentsen- düngen dürften folgen. Der „T e m p s" billigt nicht den Plan, vom Schaujaland aus Fez entsetzen zu lasten, La General Moinier nur 5000—(MO Mann zur Befreiung der Europäer abschicken könnte; zur Aufrechterhaltung der Ordnung und der Verbindungs wege bis zur Küste bedürfe der General einer größeren Truppenzahl; obendrein wäre der Weg von Casa blanca nach Fez viel weiter und schlechter, als der von der Grenz« Algiers nach der marokkanischen Hauptstadt. Darum rät das Blatt dem Ministerium, nicht Las Schaujaland, sondern Algerien zur Basis des Vormarsches zu machen. Der „Figar o" dagegen wünscht, Lag man gleich- ^eitig von der algerischen Grenze und vom schaujaland oorrucke. Es wäre vielleicht genü gend, wenn sich jetzt schon einige Truppenabteilungen rn Bewegung setzten; die Nachricht daoon könnte die aufständfichen stamme erschrecken und Fez Luft geben, so daß der Entsatz überflüssig wäre. Wie wenig freundschaftlich gegenwärtig die Beziehungen zwischen Madrid und Paris sind, mag man aus den folgenden Zeilen des „Fiaar o" ersehen: „In Tanger ist große Aufregung darüber entstanden, dag Oberst Silvester, üer Kom mandant der spanischen Besatzung in Casablanca, mit etwa 15 Soldaten nach Marakeich aufgebrochen ist, unter dem Vorwand, Pferde für die spanischen Trup pen im Riffgebiet zu kaufen. Diese Nachricht muß uns mit vollem Recht überraschen und ein wenig ärgern. In Marakesch gibt es kein« Pferde, und selbst wenn es welche gäbe, könnte man sie nicht von dort wegholen für die Regimenter in Melilla und Ceuta. Was würden di« Spanier sagen, wenn einer unserer Offiziere mit schwacher Eskorte nach jenen Teilen Marokkos gehen würde, die sie als unter ihrem Einfluß stehend betrachten? Sie würden sich gewiß lebhaft beklagen, worin sie recht hätten. Unsere Freunde in Spanien brauchen sich also nur an unsere Stelle zu setzen, um ohne Mühe zu begreifen, Laß wir nicht sehr zufrieden sind. Wir messen dem Zwischen ¬ fall nicht mehr Bedeutung bei, wie er verdient, man muß jedoch darauf Hinweisen." Daß es die Franzosen nach der Eroberung Marokkos gelüstet, kann man verstehen, wenn mau Herrn Fallrdres in Biserta die in Tuniserziel ten Erfolge also rühmen hört: „Als der Ver trag von Bardo abgeschlossen wurde, befanden sich hier 700 Franzosen, heute sind es ihrer mehr als 40 000. 3 Millionen Hektar Land sind heute bebaut, und der Preis pro Hektar, üer 1881 zwischen 5 bis 15 Franken schwankte, stieg auf 150 bis 300 Franken. Der Wert der in französischen Händen befinülichen Häuser über steigt 210 Millionen. In Tunis wird seit einigen fahren durchschnittlich täglich ein neues Haus gebaut. Die 42 Bergwerke ergaben mehr als 500 000 Tonnen Eisen, Zink und Blei, die Phosphate mehr als 1 300 000 Tonnen. 4000 Kilometer Wege, 1600 Kilo meter Eisenbahnen wurden seit 1881 geschaffen. Die vier heute gur eingerichteten Häsen Haden «inen Ver kehr von über 3 Millionen Tonnen. Der Handels umsatz stieg von 76 Millionen Franken 1884 auf 223s/> Millionen 1909; Frankreichs Anteil sind 119 Mil^ lionen, d. h. 54 Prozent, während wir 1884 nur 35 Prozent hatten." Und der Präsioent sagte nicht einmal, daß die Tendenz der Zollgesetzgebung auf «ine Union mit den Kolonien und damit den immer größeren Ausschluß der Fremden aus dem Handel abzielen soll. Oie Chemnitzer LZanüelsksmmer gegen üie privstdesmtenvervltzerung. Nunmehr hat auch die Chemnitzer Handelskammer zu der aktuellen Frage der Privatbeamlenverjichcrung Stellung genommen, und zwar in einer Weise, die verschiedentlich sehr überraschen wird. Der Referent, Syndikus Dr. Schlenker, wandte sich speziell gegen die Schaffung einer Sonderversiche rung; da, wie er ausführte, in diesem Fall« auch noch Detaillisten, Handwerker, Rechtsanwälte und Aerzte mit der Forderung einer besonderen Pensionsversicherung kommen würden. Und das sei d«r Z u k u n f t s st a a t in optima iorma. Die Handelskammer nahm einstimmig eine Reso lution an, die sich den Ausführungen Les Referen ten anschloß, und der wir folgendes entnehmen: „Die Handelskammer warnt auf das entschiedenste vor einer überstürzten Behandlung der ganzen Frage und empfiehlt dringeno, den Entwurf vor Ein bringung an den Reichstag einer Umarbeitung zu unterziehen und nach Möglichkeit die Lösung der Frage in einem die besonderen Wünsche der Angestell ten berücksichtigenden Ausbau der Alters- und In validenversicherung zu suchen. Einer solchen Umarbei tung wär« aber nach Auffassung der Handelskammer auch der Gedanke zugrunde zu legen, daß eine Aus dehnung der Zwangsversicherung auf Angestellte mit einem Einkommen von über etwa 3000 Mark dem leitenden Grundsatz unserer ganzen Sozialversicherung, den wirtschaftlich Schwachen Schutz vor Not zu gewähren, widerspricht, und daher geeignet ist, das Verantwortlichkeitsgefühl des Ver sicherten herabzusetzen, die Entfaltung des Triebes der Selbsthilfe zu hemmen, sowie im Zutammenhang da mit die Kapitalbildung zu beeinträchtigen. Die Han delskammer befürwortet deshalb, insbesondere auch mit Rücksicht duf di« nicht unbeträchtliche Zahl der jenigen Unternehmer, die sich wirtschaftlich in einer ungünstigeren Lage befinden, als die Angestellten mit einem Einkommen von über 3000 .tl, für die Versiche rnngspflicht ein« obere Gehaltsgrenzc von etwa 3000 Mark ins Auge zu fassen und gleichzeitig die Möglichkeit freiwilliger Weiterversicherung zu schaffen. An dem vorliegenden Entwürfe ist neben der Tatsache, daß er insbesondere auch dem Grund sätze der Selbstverwaltung in einer durch aus ungenügenden Weise Rechnung trägt, im ein zelnen so außerordentlich vieles zu beanstanden, daß er als unannehmbar zu bezeichnen ist." Wir vermögen die Bedenken der Chemnitzer Han delskammer nicht zu teilen. Von einer überstürzten Behandlung der ganzen Angelegenheit kann wohl kaum die Nede sein, wenn man bedenkt, daß die grundlegenden Erörterungen ber diese Maieric be reits vor vier Jahren begonnen haben. Gin Diplomat Lider üie prelle. Der bisherige deutsche Botschafter in Tokio, Frei herr M u m m v. S ch rv a r z e n st e i n, hat vor seiner Abreise aus seinem Wirkungskreise den Vertretern deutscher und japanischer Zeitungen in Totio ein Festmahl gegeben und sich dabei in einer Tischrede über Wert und Bedeutung der Presse so vorurteilsfrei und zugleich so vorbildlich ausgesprochen, daß wir diese Nede nach dem „Ostasiat. Lloyd" hier wiederzugedcn uns für verpflichtet halten. Der Botschafter sagte u. a.: „Meine Herren, mich hat diese Aeußerung einer Ihrer deutschen Kolleginnen mehr gefreut, als manches andere verdiente oder unverdiente Kompli ment über meine amtliche Tätigkeit. In der Tat habe ich in meiner langen Laufbahn jederzeit des größte Interesse für die Presse gehabt, das zu einem nicht geringen Teil der Ueberzeugunq entspringt, daß Presse und Diplomatie in gewissem Sinne an einem Strang« ziehen. Die Zeiten, in denen die Diplomatie als eine Art schwarzer Kunst angesehen wurde, die im geheimen allerhand Ränke und Intrigen schmiedete, find längst vorüber. Heute gilt es als eine der ersten Pflichten des Diplomaten, das friedliche Zusammenarbeiten von NationzuNationzu fördern und die Schranken Hinwegzuräumen, die die Völker bei dieser Arbeit voneinander trennen. E» gibt aber keine Schrank«, die dieses hohe Ziel so sehr erschwert, als das gegen seitige Mißverstehen zwischen den Völkern. Dieses ist der wahre Erzfeind des Völkerverkehrs, auf dessen Schuldkonto drei Viertel aller internationalen Ver stimmungen und Zwistigkeiten zu setz«n find. Die vor nehmste Pflicht des Diplomaten ist es daher, gegen seitiges Verstehen anzubahnen und Miß verständnisse, wo sie vorhanden sind, aus der Welt zu . schaffen. Die Presse aber, soweit fi« sich mit aus wärtiger Politik befaßt, hat ganz dieselbe Aus gabe. Jeder Publizist, der es unternimmt, über auswärtige Politik zu schreiben, übernimmt damit ein Mandat, dies vorurteilslos, nach bestem Wissen und Gewissen, zu tun. Und wenn er sich allezeit der großen Verantwortlichkeit seiner Ausgabe bewußt ist, so ist er wie kein anderer dazu in der Lage, die öffentlich« Meinung seines Volles von Mißverständnissen über das Ausland zu befreien. In diesem Sinne meinte ich cs, wenn ich sagte, daß Presse und Diplomatie an einem Strange ziehen, und diese gemeinsam« Seite der beiden Berufstätig keiten ist der Grund dafür, daß ich stets Wert darauf gelegt Halle, die Presse nicht nur ein gehend zu beobachten, sondern aucb mit ihr Füh lung zu unterhalten. Es ist selbstverständlich, daß mir, seitdem ich in diesem Land« zu wirken die Ehre habe, di« Förde rung des gegenseitigen Verstehens zwischen Japan und Deutschland in ganz besonderer Weise am Herzen gelegen hat. Und ich darf La mit aufrichtiger Freude fesrstellen, daß offen bar ein bedeutender Teil der Mißverständnisse, die in dieser Hinsicht leider bestanden haben, gewichen ist. Ich darf konstatieren, daß ein gewißer wenig erfreu licher Ton in der hiesigen Presse, der früher mit dem Namen Deutschland verknüpft war, fast verklungen ist, und daß gewiss« grundlose Verdächti gungen, die lediglich auf einer Unkenntnis der po- lirischen Ziele Deutschlands beruhten, sich i m in e r seltener in den leitenden Zeitungen Japans fin den. Auf der andern Seite kann ich mit der gleichen Befriedigung darauf Hinweisen, daß auch die Mehr zahl der maßgebenden deutschen Organ« jetzt Japans Stellung in der Weltpolitil volle Anerkennung und Würdigung angedeihen läßt. Dieser Wechsel, meine Herren, ist aber nichts anderes, als der Ausfluß eines wachsenden gegenseitigen Verstehens. Ich kann nur dem aufrichtigen Wunsche Ausdruck geben, daß dieses Verstehen immer weitere Kreise ziehen mochte! Dieses ist bei meinem Scheiden aus Japan mein Abschiedswunsch an die hiesige Internationale Presse vereinigung, di« in besonderem Maße dazu berufen ist, die Wege für ein gegenseitiges Verstehen zwischen den Nationen zu ebnen." Freiherr Mumm von Schwarzenstein hat damit Gedanken ausgesprochen, die in allen publizistischen Kreisen lebhafte Zustimmung finden werden. Es wäre allerdings zu wünschen, daß unsere Diplomaten mit derartigen Anschauungen über die Presse nicht vereinzelt blieben, und daß man so sachliche und zu treffende Worte über die Presse aus deutschem Munde nicht nur im Auslande, sondern auch im In- lande des öftern hören würde. Die Türkei unü Kreta. Nach den Erklärungen, die der Großwesir Hakki- Pascha am Mittwoch im türkischen Parlament adgab, müßten die Kreter jegliche Hoffnung, von der Herr schaft des Halbmondes befreit und mit Griechenland vereinigt zu werden, definitiv begraben, ja sie hätten Grund zu der Befürchtung, daß über kurz oder lang der jetzige nur lose politische Zusammenhang ihrer Insel mit der Türkei einer engeren Vereini gung Platz machen könne. Die Pforte hat zwar immer die Erhaltung der Souveränitätsrechte über Kreta betont, jedoch nicht verhindern können, daß ihr der maßgebende Einfluß nach und nach entzogen wurde. Schon seil dem Jahre 1878 erfreut sich Kreta einer Verfassung sowie besonderer Vorrechte, und nach den Ereignissen der Jahre 1896/9? genießt es eine weitgehend« Autonomie unter dem Schutze der vier Großmächte England. Frankreich, Italien und Ruß land, die zuerst den Oberkommissar der Insel ein setzten, aber seil der Niedeclegung dieser Funktion durch den Prinzen tbeorg von Griechenland im Jahre 1906 dem König der Hellenen die Ernennung des Oberkommissars übertrugen und auch genehmigten, daß griechische Offiziere di« Organisation der kreti schen Miliz übernahmen. Hierauf bezieht sich die Be merkung des Großwesirs, daß Kreta aus der Verwal tung der Mächte in diejenige der Pforte zurückkehren und die Einmischung Griechenlands aufhüren müsse. Es ist noch gar nicht lange her, daß die Meinung allgemein verbreitet war, an der schließlichen Ver- einigungKretasmitGriechenland könne gar nicht gezweifelt werden. Die vier Großmächte haben dabei meist eine recht zweideutig« Rolle ge spielt, indem sic di« Hoffnungen der Kreter und Griechen halb und halb bestärkten und auf der an deren Seite wieder die Rechte des Sultans wabren zu wollen vorgaben. Trotchem in den letzten Jahren die Vereinigung der Insel mit Griechenland nicht minder eifrig als früher betrieben, ja sogar von der kretischen Nationalversammlung feierlich proklamiert wurde, ist die Aussicht auf Verwirklichung dieser Wünsche weit geringer geworden, seitdem mit der Einführung des neuen Regimes in der Türkei dort das 'Nationalbewußtsein erstarkt ist. Vernünfti gerweise haben sich die maßgebenden Kreise in Athen bisher allen Lockungen der Kreter gegenüber ab lehnend verhalten und sich damit ein wesentlicher Verdienst um die Wahrung des Friedens erworben. Natürlich hat man darüber nie die Hoffnung auf gegeben, früher oder später Kreta mit dem griechi schen Staate vereinigt zu sehen, und deshalb wird die energische Erklärung des Großwesirs in Athen große Enttäuschung, auf der Insel selbst aber scharfen Widerspruch Hervorrufen. Man könnte «ine neuerliche Aufrollung der Kreta frage erwarten, wenn Hakki-Pascha nicht versichert hätte, daß die Regelung nicht gewaltsam, sondern nur im Einvernehmen mit den vier Schutzmächten erfolgen solle. Das ist vernünftig und gewährt die Gewißheit, daß der heutige Zustand noch weiter in Kraft bleiben wird. Die Kreter aber täten gut. sich ruhig zu verhalten und nicht etwa ein« definitiv« Entscheidung des Schicksals ihrer Insel heraufzube schwüren, das ihren Wünschen vielleicht nicht ent sprechen würde.
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