Volltext Seite (XML)
rationellen Mittel zur Verhütung einräumen müssen; so genau auch viele derselben, gleich uns, ihre Beobachtungen auf alle Erscheinun gen und Verhältnisse gerichtet hatten, wobei nur irgend ein Einfluß denkbar wäre, so wenig sind sie damit zu einem bestimmten Resultat gekommen. In den London Chartered Gas-Works glaubte man bereits mit größter Bestimmtheit mit der Sache im Reinen zu sein. Wie bereits erwähnt, fabricirt diese Gesellschaft zwei Gas-Qualitä ten aus Boghead- und aus gewöhnlicher Gas-Kohle. Da nun bei den Cannel-Kohlen, soweit ich nur habe in Erfahrung bringen kön nen, Naphthalin-Verstopfungen nicht vorkommen, so versuchte man das gewöhnliche Gas mit Boghead-Gas zu mischen. Offenbar zeigte sich auch hiervon Erfolg, so daß man bereits als feststehend annahm, mitZusatz von 10"/,, Boghead-Gas nicht blos die Naph thalin-Verstopfungen verhüten, sondern sogar die vorhandenen auf lösen, gleichsam aufsaugen zu können. Nichts desto weniger traten aber bald wieder Beispiele auf, wo das Mittel, das eben noch ge wirkt hatte, sich wieder als völlig unwirksam zeigte. Es scheint nun aus unfern Beobachtungen und den von so vielen Seiten er haltenen Mittheilungen doch immer Folgendes hervorzugehen. Ein mal entstehen die Verstopfungen weniger beim schweren Gase, wo man sie doch am ersten wegen des größern Gehalts an Kohlenwas serstoffverbindungen vermuthen sollte; im Uebrigen lassen sich aber mit Ausnahme der Cannel-Kohlen durchaus nicht etwa bestimmte Sorten der gewöhnlichen Gas-Kohlen auffinden, bei denen sie vor zugsweise auftreten oder wegbleiben. Dann scheinen neben chemi schen insbesondere physische Ursachen, namentlich Temperatur-Dif ferenzen, bedeutend einzuwirken. So wurde mir auf vielen An stalten die Aequinoctialzeit, namentlich der Uebergang der Som merzeit zum Herbst, als die Zeit angegeben, wo die Verstopfungen am stärksten, ja bei manchen Anstalten ausschließlich aufträten, während sie im Winter gar nicht oder nur sehr schwach vor kämen. Dies stimmt ganz mit unfern Erfahrungen in Frankfurt a./O. überein. Endlich scheinen neben chemischen und physischen namentlich auch rein mechanische Ursachen mitzuwirken, wie denn z. B. bei scharfen Biegungen der Rohre die Ablagerungen am stärk sten zu sein pflegen. Die vielfach verbreitete Ansicht, daß blos bei überhohen Ofentemperaturen die Naphthalin-Erzeugung stattfinde, haben unsere Versuche in Frankfurt a./O. widerlegt. Eine fortge setzte genaue Beobachtung — worüber gegenseitige Mittheilungen mit verschiedenen Ingenieuren eingeleitet sind — wird gewiß mit der Zeit auch die Mittel zur Beseitigung dieser Unannehmlichkeiten aufdecken. Bis dahin bleibt nichts übrig, als sorgfältig auf das Entstehen von Verstopfungen achten und die vorhandenen durch Wasser oder durch Ausräumen auf trockenem Wege (Dampf ist weniger zu empfehlen, da sich dabei das Naphthalin leicht zu festen Klumpen bildet) zu beseitigen. Aus der vorhergehenden Darstellung ergibt sich nun im Gan zen und Großen, daß unsere besten deutschen Gas-Anstal ten, was Einrichtung und Betrieb betrifft, nicht blos nicht hinter dem Ausland zurückstehen, sondern umge kehrt demselben als Muster hingestellt werden können. In der Gasproduction erzielen wir bei gleicher Qualität entschie den bessere Resultate, sowohl was die aus einer bestimmten Menge Kohlen gezogene, als was die in gegebener Zeit mit denselben Oefen und Retorten gelieferte Gasmenge betrifft. Ein bedeutender Minderverbrauch an Feuerungs-Material geht hiermit Hand in Hand, wobei die Vergleichung sich selbstverständlich blos auf die Resultate des vollen Betriebes erstrecken kann. Unsere Oefen, Ap parate und Einrichtungen stehen auf der Höhe der von den ersten Ingenieuren angenommenen Systeme. In unserm Reinigungs verfahren haben wir bereits seit Jahren das System adoptirt, wel ches, wenn auch ursprünglich in England erfunden, doch erst jetzt dort zur allgemeinen Anerkennung gelangt. Und da, wo wir im Nachtheil stehen, namentlich im Verhältniß des Anlage-Capitals zur Productionsfähigkeit, sowie in einzelnen Posten der Selbstko sten, da beruht dies auf natürlichen, theils in den kolossalen Ver ¬ schiedenheiten des Consums, theils in den geringern Preisen der Materialien gegebenen Ursachen, die zu ändern nicht in unserer Macht liegt. Die ersten Anstalten des Auslandes haben uns kaum erreicht, übertroffen keine. Nach keiner Richtung hin ergab sich mir demnach für unsere Anstalten aus den Beobachtungen dieser Reise Veranlassung zu eingreifenden Veränderungen, zu kostspieligen Neuerungen, zum schroffen Bruch mit dieser oder jener Methode. Dagegen eröffnete sie im Einzelnen eine fruchtbare Anregung zu Detail-Verbesserun gen, zu technischen, ökonomischen und wissenschaftlichen Fortschritten, so daß ich vielleicht auch manchem Fachgenossen mit dieser Veröf fentlichung einen Dienst leiste. Deßau, Anfang Novbr. 1860. Die Treibgärtuerei des Herrn G. Gcitncr zn Planitz bei Zwickau in Sachsen. Jahr um Jahr wächst der Zug von Fremden, welche, zum Theil von weit über den Grenzen Sachsens und Deutschlands her, Zwickau und sein Muldenthal aufsuchen, um die Schätze der Natur und die Schöpfungen des Gewerbfleißes zu bewundern, mit denen > beide, über wie unter der Erde, so überaus gesegnet sind. Magne- ! tischer aber wirkt kaum etwas auf den erstmaligen Besucher der alten Kreisstadt, als die südlichen Begrenzungspunkte seiner inter essanten Umgebung, die Dörfer Nieder-Cainsdorf mit der Königin- Marienhütte und Planitz mit der berühmten Treibgärtnerei auf seinen noch berühmter» Erdbränden. Ja selbst der eilige Geschäfts und der grillige Badereisende lassen am Chausseehaus vor der Brücke zwischen Schedewitz und Bockwa nicht selten die Deichsel rechts abwärts lenken, um über den sanftansteigenden Höhenzug von Neudörfel hin jene Orte zu berühren, und reich belohnt für kurzen Umweg über die bedeckte Muldenbrücke bei Cainsdorf auf der Carlsbader Straße wieder einzumünden. Wir sagen — reich belohnt; denn wahrlich, ein entzückendes Landschaftsgemälde hat sich auf jenem Berggehänge vor ihren Augen aufgerollt! Links im östlichen Hintergrund auf Zwickau mit seinen hochragenden Thür- men, gegenüber auf das die jenseitige Hügelreihe bekrönende Ober hohndorf, rechts auf das am südöstlichen Horizonte amphitheatra- lisch emporsteigende Erzgebirge, und da unten im grünen Thal becken der Mulde auf das reiche Bockwa mit seinen,lachenden Vil len und rußigen Huthäusern, mit seinem sich münsterartig über siebenzig pyramidale Thürmchen emporgipfelnden gothischen Kirch thurm, mit seinem Wald von Dampfschornsteinen, seinen Land- und Wasserstraßen, Brücken und Eisenbahnen haben sie ihre Blicke schweifen lassen; sie haben lange Kohlentrains die schiefe Ebene des Bremsbergs vor sich hinab und hinauf ziehen sehen und sind endlich an den großen v. Arnim'schen Kunstschachten und Koksereien vorüber bei jenen mächtigen Anziehungspunkten selbst angelangt, um, je nachdem sie für die Cyklopenarbeit der Mechanik oder das Stillleben der organischen Natur, höheres Interesse in sich tragen, dem einen oder andern von ihnen einen längern Besuch zu widmen. Auch wir, und mit uns die gleichgestimmten Leser und Leserinnen dieser Blätter, schreiten, als größere Verehrer Florens, eilenden Fußes über den glimmenden Boden der Werkstätten des Hephästos hinweg, welche die von Hohöfen überragte Königin. Marienhütte in Gestalt von Eisengießereien, Schienenwalzwerken u. dergl. vor uns ausbreitet. Nur eine kurze Wanderung noch bergan durch ein Nadelgehölz und siehe! da stehen wir bereits un mittelbar vor und in der weltbekannten Gärtnerei selbst, nicht ohne einen lauten Staunensruf der — Verwunderung l nein, der Enttäuschung! Es ergeht uns hierbei wie der Mehrzahl von An kömmlingen. Man bringt die wunderlichsten, ja abenteuerlichsten Vorstellungen mit, wie z. B. von einer mächtigen Erderhebung mit kraterähnlichem, ewig dampfenden Gipfel, um welchen herum ' ein specifisch-tropisches Klima herrscht, und die Baum-und Blumen, labyrinthe der Wendekreise terrassenförmig emporsteigen. Statt dessen erblickt man eine ziemlich öde und, außerhalb des eben durch, schrittenen Wäldchens, fast baumlose Hochfläche, in deren Mitte ein mit wenig über 500Schritten zu umgehender Raum sich einge- zäunt befindet, welcher durch die Blumenbeete und Ziersträucher in seinem südlichen Ende sich zwar sofort als Garten pwäsentirt, dessen übriger, cxotischerGewächsreichthum aber, wie anderwärts im Jn- lande, eben auch nur unter Glas und Rahmen sich heimisch fühlt.