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"r. »4. Iriedrich Heorg Wieck s ^ss. k Die Krankheiten und die Sterblichkeit in den einzelnen Gewerben und unter den arbeitenden Klassen im Allgemeinen. n. Schon im Allgemeinen drohen tausendfache Gefahren dem Men schenleben vom Tage der Geburt an und lichten bekanntlich nament lich in den ersten Perioden des Daseins die Reihen des jungen Geschlechts in ganz furchtbarer Weise. — Namentlich ist es der Mangel an genügenden Existenzmitteln, an hinlänglicher Kleidung, gesunder Wohnung und genügender Feuerung, der Mangel an hin reichender Pflege und Schonung des Körpers überhaupt, der die Menschen decimirt, vor Allem die unteren, ärmeren Klassen. Umge kehrt trägt jeder gewerbliche und überhaupt wirthschastlichc Auf schwung eines Volkes zu dessen Vermehrung an Zahl und beziehungs weise zur Verminderung der Sterblichkeit bei. Rohe, niedrig kultivirte Völker vermehren sich wenig, die grau same Behandlung des Weibes, der gegenseitige Vertilgungskrieg, Vielweiberei und geschlechtliche Ausschweifungen sind die Ursache hiervon. Je höher<die Kultur eines Volkes, je größer der Wohl stand ist, desto größer ist auch die durchschnittliche Lebensdauer des Menschen. Die gesundere Bauart der heutigen Städte, das Weg fällen der Festungsmaucrn und Festnngsgräben mit ibrcm faulenden Wasser, die rationellere Heilkunde, die große Ausbreitung von ge sundheitlichen Anstalten, die sorgsamere Sanitätspolizei, die bessere Armenpflege, zahlreiche Hospitäler und Krankenanstalten, medizinal polizeiliche und Armen-Behörden, die Reguliruug des Impfwesens, Klcinkrnderasylc, der große Aufschwung des Ackerbaues, die Aus breitung und Freiheit des Kornhandels, die gewaltige Vermehrung und Verbesserung unserer Transportmittel für Hcrbcischaffung von Lebensmitteln aus tausend Meilen weiter Ferne — Alles dies hat zur Aufbesserung der Lebens- und bezichendlich Gesnndheitsverhält- nisse beigetragcn. In London rechnete man noch während der zwei ten Hälfte des 17. Jahrhunderts alle 20 Jahre eine Rückkehr der Pest, von welcher durchschnittlich >/z der Bevölkerung hinweggcrafft wurde. Daselbst kamen noch in den Jahren 1770—1779 auf 1000 Tobte 102 Opfer der Pockenkrankheit, in den Jahren 1830 —1836 nur noch 25, in Preußen in den Jahren 1820 — 1835 sogar nur noch etwas über 8! Wenden wir uns direkt an Beobachtungen großer Aerzte, so hören wir auch von ihnen dieselben Erfahrungen. Mit der Civili- sation, sagt der Oberarzt am Leipziger Hospital, Prof. Di-, Wunder- lich („Handbuch der Pathologie und Therapie"), wächst entschieden die Lebensdauer, weil einerseits mehr Ordnung in das Leben kommt, andererseits eine Menge Anstalten und Maßregeln (wie wir sie oben anführtcn) Vorsorge für die Gesundheit des Volkes treffe. Gegen die Lebensdauer der Menschen im alten Rom ist die im heutigen Berlin für das Alter vom 20. bis zum 45. Jahre ungefähr 3 Jahre größer, für das Alter vom 45. bis 60. sogar 4—6 Jahre größer, wohl zu merken, die ärmsten Klassen mit eingerechnet. Vollständiger sind schon die Erfahrungen der letzten Jahrhunderte beobachtet wor den. In Genf war die durchschnittliche Lebensdauer während der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts 21 Jahre und 2 Monate, im 17. Jahrhundert 25 Jahre 8 Monate, von 1701 —1750 schon 32 Jahre 7 Monate, von 1751—1800 schon 34 Jahre 6 Monate, von 1801 —1813 bereits 38 Jahre und neuerdings 39,^ Jahre (Roscher, während Wunderlich noch höhere Zahlen angiebt). Erst im 60. Jahre beginnt die wahrscheinliche Lebensdauern allen Jahr Hunderten gleicher zu werden. Marshall hat au/ den Sterbelisten Londons gesunden, daß die durchschnittliche Lebensdauer von 1728 bis 1739 bei Neugeborenen 6 Jahre, 1820—1829 26 Jahre war! Die höhere Lebensdauer unseres heutigen Geschlechts und zwar bis zum Greisenalter ist unbestritten, sie wird nur bezweifelt von den Kaltwaffer-Enthustastcn und den Fanatikern gegen die Impfung. Einen außerordentlichen Unterschied in der Kränklichkeit und Sterblichkeit machen aber die allgemeinen äußeren Verhältnisse dcS Lebens, arm und reich, einen Unterschied, der sehr zu Gunsten der vermögenden Klasse ausfällt. Der Vermögende hat »ach Wunderlich im Durchschnitt eine fast doppelt so lange Lebensdauer, als der Un vermögende. Ungesunde Wohnungen, schlechte NahrnngSmitttl, »n- zweckmäßige Beschäftigung, Anstrengungen, Kummer und Sorgen und der Mangel an körperlicher Pflege bringt weit öftere und größere Gefährdungen für die arbeitenden unteren Kassen mit sich. Daher auch die schwersten hitzigen Krankheiten, wie Nervenfiebcr, Lungencnt zündungcn, hitzige Gelenkentzündungen (akuter Rheumatismusj, Ruhr, vorzugsweise hier zu finden sind. Ebenso suchen die schweren, langandauerndcn Krankheiten, wie Magenlciden, Hautübel, Herz krankheiten, Scorbut (Mundfäule), Knochenerweichungen mit Knochew Verkrümmungen, Scropbeln, Schwindsucht, Krebs, Wassersucht vor zugsweise diese Klassen beim nnd nur die Gicht ist ein mebr unter den böberen Ständen zu findendes Leiden.