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02-Abendausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 29.03.1911
- Titel
- 02-Abendausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-03-29
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110329028
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911032902
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911032902
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-03
- Tag 1911-03-29
-
Monat
1911-03
-
Jahr
1911
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...... .. ... -.^7.,--... ----- - Bezugs-Prers »«ch W» P«», I>o«k-*a> De»i»chlaiU»« »n» d« »«Schm «olmri-, vterteljLhrc. ».«» a»«1chl. Poftdestellaeld. Ferner « B-lgi-n, Dt» einer!, de» Donaustaaten. Italien, ii-rrmdur^ «taderlande, «ar- Oqierrrrch-U»D«n, itntzlaat, Lchwrde». Lchwei, ». Spanien. I» «ü« übrige» Staat»» »ar dtrekt durch »t« »chchttttlttll» da» «latt« erhtiuich. Da« Lerpgiger Lagebl att erscheint 2»ai »«glich, San».». g«erlag« «r mor^a«. «anneulent-Tana!,»«: Uuguita-platz 8, bet »nserrn Lrägeru, Kilialr«, kpedltrur,» und Lnnahmestrllen, sowie Postämter» und ivnesträger». «trnielverlanKpret« der Mora«- ««gab» 1t) der «bendautgab« a MbeAdM«dgade. nprigerTagtblatt Handelszeitttng. Amlsvkatt des Aales und des Nokizeiamtes der Ltadl Leipzig. d« stUntUch« Alliale» u. all« Laaancen. r^idttli«, d« I» »ad «uSlande«. «td Ggschäft*»««« Zw»a«,waaß« tt. Aerntprecher: 1««L 1«««, l««i. S«t»t»Siltalr Dresden: Serstradc 4,1 (Lelephou 4621-. Nr. 88. Mittwoch, üeu 29. Mörz l9N. los. Zshrysn-. preutzeu unü Sie Smelguun-ssts-e. Es ist in Preußen sonst nicht üblich, Berichte über einzelne Sitzungen der Kommissionen des Herren hauses vorzeitig zu veröffentlichen. Von dieser Ge pflogenheit hat man indes in einem Falle jetzt Abstand genommen, da es sich um die Erörterung einer Frage handelt, di« di« Oefsentlichkeit in den letzten Wochen wiederholt beschäftigt hat. In der Finanzkommiffion des Herrenhauses hat sich der Berichterstatter nach dem Stand der Enteignungsfrage erkundigt und darauf vom Lanbwirtschaftsminister Freiherrn v. Schorlemer-Lieser folgende Antwort er halten : Im Anschluß an die Erklärung, di« ich bereits am 17. Januar d. I. im Abgeordnetenhaus« ab gegeben habe, kann ich auch heute nur bestätigen, daß die Königliche Staatsregierung fest ent schlossen ist, die durch das Gesetz vom 26. April l886 inaugurierte Anfiedlungspolitik zum Schutze des Deutschtums in den Provinzen Posen und West preußen fortzuführen. Sie wird deshalb auch nicht darauf verzichten, von der ihr durch 8 13 des Gesetzes vom 20. März 1908 gegebenen Befugnis zur Enteignung in geeigneten Fällen und mit der Vermeidung jeder unnötigen Härte Gebrauchzn machen, sobald die gesetz lich bestimmten Voraussetzungen der Enteignung als vorliegend zu erachten sind. Di« Königliche Staats regierung allein hat die Verantwortung für die Prüfung dieser Voraussetzungen und die daraufhin zu treffende Entscheidung zu tragen. Sie kann sich deshalb in ihren Entschließungen auch nicht durch die in der Presse und von Vereinen und Versammlungen ge äußerten Wünsche, sondern lediglich durch eine sachliche und gewissenhaft« Beurteilung der vorliegenden Verhältnisse bestimmen lassen. Gegen wärtig schweben noch Verhandlungen über den frei händigen Ankauf einiger Güter und über die lieber- nahm« von Domänen, di« in früheren Jahren mit der Absicht erworben sink), sie der Ansiedlungskom- miffiou zur Besiedlung zu überlassen. Mit Rücksicht hierauf läßt sich noch nicht übersehen, in- wieweit der Landbedarf der Anfiedlungskom- Mission für das Jahr 1912 aus freihändigen An käufen gedeckt werden kann. Daß für das laufende Jahr die Ansiedlungstätigkeit keinen Rück gang zu befürchten hat, ergibt sich schon daraus, daß noch Stellenland für 2290 Ansiedlerstellen verfügbar ist. Die Beratung der in'diesen Tagen zur Vor lage kommenden Denkschrift wird Gelegenheit bieten, über die Tätigkeit der Ansiedlungs kommission und insbesondere über die in der Besitz befestigung auch im Jahre 1910 erzielten günstigen Erfolge nähere Mitteilungen zu machen. Diese ministerielle Erklärung ist nichts weni ger als befriedigend. Vor allen Dingen ist festzustellen, daß die vom Minister behauptete ausge zeichnete Versorgung der Anstedlungskommrsfion mit Stellen Land nicht in Einklang zu bringen ist mit Mitteilungen von kundiger Seite, wonach es vielmehr an Land für Ansiedler gebricht. Noch weniger glück lich ist aber in der ministeriellen Kundgebung die Nichtachtung von „Presse, Vereinen und Ver sammlungen", die eine Anwendung des Enteignungs gesetzes fordern. Das Recht der freien Meinungs äußerung werden sich die Staatsbürger eines konstitu tionellen Staates jederzeit auf das entschiedenste zu wahren wissen; ein geringschätziges Urteil darüber wird entstandene Verstimmungen nicht beschwichtigen, sondern nur noch verstärken. Nicht nur in Preußen, sondern im ganzen Deutschen Reiche wird man daher die Auskunft des Landwirtschaftsministers, di« die Berücksichtigung der Wünsche aus nationalen Kreisen glatt ablehnt, zum mindesten als sehr aus weichend empfinden, und mehr denn je wird die Meinung an Boden gewinnen, daß die Verzögerung in der Anwendung des Enteignungsgesetzes ni ch t auf sachliche Gründe zurückzuführen ist, sondern auf Rücksichten persönlicher Art, die die Regierung zu nehmen für gut befindet. Zur Grmorüung ües Oberstleutnants von Schlichting. Wie wir in der heutigen Morgennummer melde ten, ist Oberstleutnant v. Schlichting, der erst vor wenigen Wochen als Reorganisator der türki schen Armee nach Konstantinopel gegangen war, seinen Verletzungen erlegen. Berliner Blätter bringen noch folgende nähere Einzelheiten: Der beklagens werte Vorgang spielte sich am Donnerstagvormittag ab, als Oberst!, v. Schlichting in Gegenwart des Divi sionsgenerals in seiner Kaserne hinter Iildis die Wache ablösen ließ. Dabei korrigierte «chlichting einem Posten in üblicher Weise die Kopfhaltung und rückte mit der Hand die Schulter des Mannes zurück; alles das geschah im unmittelbaren Beisein des Generals ohne jegliche Heftigkeit. Als Schlichting dann zum nächsten Posten trat, schoß der korrigierte Mann die noch geladene Waffe auf Schlichting ab. der sofort besinnungslos zu Boden fiel, jedoch bald wieder zu sich kam. Er wurde, da beide Beine durch den Schuß gelähmt waren, in die Kaserne getragen, wo er einen deutschen Arzt ver langte, der sofort geholt wurde. Als der dirigierende Arzt des deutschen Krankenhauses Dr. Schl« ip bald darauf in die Kaserne kam, hatte Schlichting einen Brief an den Kriegsminister Mahmud Schef- ket geschrieben, in dem er ihm dafür dankte, daß er ein so gutes Regiment gehabt habe. Er habe seine Leute aufrichtig geliebt. Die übrigen Soldaten und Offiziere waren durchweg über das Attentat entrüstet, und bezeigten Schlichting ihre Sympathie. Noch während des Transports zum Krankenhaus gab Schlichting dienstliche Aufträge und ordnet« Mitteilungen für ferne Frau und seine Löhne an, die noch in Eharlottenburg sind, da der Oberstleut nant erst vor wenigenWochen hierher kam. DerMinister Mahmud Schefket und em kaiserlicher Prinz sprachen noch mittags im Kran kenhaus«! vor, um sich nach Schlichtings Be finden zu erkundigen. Sadreddin-Bei versichert, daß das Kriegsgericht zweifellos auf sofortige Er schießung des Verbrechers entscheiden werde. Der deutsche Botschafter erhielt die erste Nachricht von dem Vorfall durch den deutschen Instruktions offizier Oberst Veith, der um l4l Uhr in der Bot schaft anlangte. Der Botschafter begab sich sofort zu dem Minister des Aeußern Rifaat-Pascha und ver langte sofortige Aburteilung des Verbrechers. Ri faat-Pascha sprach dem Botschafter das tiefste Be dauern der türkischen Regierung über den beklagens werten Vorfall aus und sicherte weitestgehende Satis faktion zu. Ueber die letzten Augenblicke des Ge mordeten erfahr« ich, daß er, umgeben von seinen Freunden, gefaßt gestorben ist wie ein deutscher Offi zier. Von hervorragender türkischer Seite wird an geregt, dieUeberführungdesTotenzu einer großartigen Demonstration zu gestatten. Einem Telegramm des „B. L." zufolge, wollte Oberst leutnant v. Schlichting am nächsten Tage zur Kon - firmierung seinesSohnes nach Deutschland auf Urlaub gehen. Das tragische Vorkommnis wird in ganz Deutschland lebhaft« Teilnahme erregen. Koplch kontra Süllen. Der preußische Landtagsabgeordnete Kopsch, auf dessen Angriff« gegen den Generalintendanten Grafen Hülsen-Haeseler dieser in einer Versammlung des Personals der Kgl. Theater Stellung nahm, schickt den Berliner Zeitungen eine Zuschrift, die in folgen dem Satze gipfelt: „Der Herr Generalintendant be gründet sein Abschiedsgesuch der Oefsentlichkeit gegen über damit, daß ihm staatsrechtlich nicht die Möglich keit gegeben sei, im Abgeordnetenhaus« selbst die Intendantur uiü) den Stand der Vühnenangehörigen als Fackmann zu verteidigen. Demgegenüber ist darauf yinMwersen, daß dem Herrn Intendanten sehr wohl die Möglichkeit gegeben war, durch einen von ihm informierten Regierungskommis sar bei der dritten Lesung des Etats der van mir geübten Kriti entgegenzutreten." Im übrigen bildet diese Zuschrift eine Wieder holung der Ausführungen Kopschs im preußischen Ab geordnetenhaus«, nur daß sie noch schärfer im Ton gehalten sind als die ursprüngliche Rede. Jedenfalls wird bei der dritten Lesung des Etats die ganze An gelegenheit einmal aufgerollt werden und auch durch einen Regierungskommissar die nötige Aufklärung finden. In der Finanzkommission des preußischen Herrenhauses wurde die Kritik Kopschs „zu scharf und nicht annähernd gerecht" genannt. Angesehene Kritiker Berliner Zeitungen geben Kopsch dagegen in vielen Beziehungen recht. paUMche Nachrichten. Liberale Verständigung im 8. Sächsischen Reichstags» Wahlkreise. Zwischen dem Nationalliberalen Verein im 3. säch sischen Reichstagswahlkreise Bautzen-Kamenz und dem Verein der Fortschrittlichen Lolkspartei von Bautzen und Umgebung ist folgende Vereinbarung getroffen worden: Der Nationalliderale Verein im 3. säch sischen Reichstagswahlkreise verzichtet bei der bevorstehenden Reichstagswahl im Interesse der liberalen Sache auf die Ausstellung eines eige nen Kandidaten. Die Fortschrittliche Volks partei ttn Königreich Sachsen, sowie der liberale Verein von Bautzen und Umgebung verpflichten sich, aus gleichem Grunde bei der nächsten Land tag s w a h l im 2. städtischen Kreise dem natio nalliberalen Kandidaten keinen Kandidaten gegenüberzustellen. Fortschrittlicher Kandidat für den 3. sächsischen Reichstagswahlkreis ist Kaufmann Richard Pudor, Klein-Storkwitz. Im Interesse der liberalen Sache ist zu hoffen, daß diese Verständigung in diesem Wahl, kreis« auch auf die übrigen Reichstagswahlkreise eine günstige Wirkung ausüben wird, denn nur durch gemeinsames Vorgehen von Nationalliberalen und Fortschrittlern kann dem Gesamtliberalismus im Lande und im Reiche Erfolg erwachsen. Der Entwurf des englisch-amerikanischen Schicdsgerichtsvertrages. Washington, 29. März. (Tel.) Der schriftliche Entwurf des englisch-amerikanischen Schiedsgericht »Vertrages macht solche Fortschritte, daß Taft hofft, ihn dem Senat bei der herannahenben außerordentlichen Tagung vorlegen zu können. Die Verfasser wollen ihn zu einem Muster für zukünftige Verträge machen; er soll tatsächlich in jedem Streitfall eine schiedsgerichtliche Lösung vorsehen. Zwischenfall an der türkisch-serbischen Grenze. Saloniki, 29. März. (Tel.) Infolge des Auf tretens der Malissoren wurden vorläufig zwei Ba laillone von Ipek in das Aufstandsgeoiet beordert. Die Mohammedaner in der Nähe der Grenze werden schleunigst bewaffnet. Eine serbische Bande beschoß in der GegLitd von Prifchtina einen türkischen Grenzposten. Zwei Soldaten sind gefallen, die Serben entkamen. Die zufriedenen Chinese«. Petersburg, 29. März. (Tel.) Die Petersburger Telegraphcn-Agentur meldet aus Peking: Die hiesige offiziöse Presse spricht ihre Genugtuung über die Beseitigung der gegenseitigen Mißverständ nisse aus, die nicht jo ernst gewesen seien, um die traditionelle Freundschfat zu verletzen und noch weniger, um einen bewaffneten Konflikt hervorzurufen. Eine chinesische Militärverschwörung. Wladiwostok, 29. März. (Tel.) In Baodingfu iChina) wurde eine Militärverschwörung entdeckt. Ein Teil der sechsten Division ist mit den Waffen in der Hand desertiert. Um einem Ausstand vorzubeugen, sind in Peking ent schiedene Maßnahmen getroffen worden. Zur Lage in Mexiko. Canada, 29. März. (Tel.) Berichte der Regie- rungstruppen melden von einer Niederlage der Aufständischen bei Hermosillo. Siebzig von ihnen wurden getötet und über hundert verwundet. Die Bundestruppen hatten sechzehn Tote und zwanzig Verwundete. New York, 29. März. (Tel.) Nach einem Tele gramm aus Elpaso gibt ein Dekret Madcros bekannt, daß üie Revolutionäre in Mexiko den Guerillakrieg formell aufgegeben haben. Sus Leipzig unü Nmgegenü. Leipzig, 29. März. Wetterbericht der Kgl. Sachs. Landeswetterwarte zu Dresden. Voraussage für den 30. März. Keine Witterungsänderung. Pöhl berg: Glänzender Sonnenunter- und -aufgang, Himmelsfärbung orange. Fichtelberg: Gute Schlittenbahn bis Ober wiesenthal, glänzender Sonnnmuer- und -aufgang, Abend- und Morgenrot, Schneehöhe 220 Zentimeter. Das Grüne Suto. Roman von August Weißt. 8s (Nachdruck »erboten.) Viertes Kapitel. Kommissar Doktor Mattens war ein ungemein ehrgeiziger Beamter. Es erfüllte iHn mit Stolz, daß der Pottzeirat gerade ihm den schwierigen Fall über geben hatte. Ein« Stunde nach der Beratung beim Präsidenten war Doktor Martens mit zwei Detektivs auf dem Wege nach der Grillhoferstraße. Er wollte die Daten des Polizeirittes überprüfen und auf Grund eigener Wahrnehmungen weiter handeln. Vor dem Hause Nr. 46 blieb der Kommissur stehen und sah sich aufmerksam nach allen Seiten um. In dem einen Punkte hatte der Polizettat zweifel los recht: auf der Straße konnte der Mörder nicht ge standen sein. Von der Straß« aus sah man nur den oberen Wandrand und die Decke des Zimmers im Hochparterre. Der Kommissar begab sich in das gegenüberliegende Haus, wo im ersten Stockwerke der Buchhalter Pfleg ling wohnte. Ein gemütlicher, alter, dicker Herr empfing ihn in einem möblierten Speisezimmer, durch dessen Fenster man das Haus Nr. 46 sah. Der Kommissar stellte einige belanglose Fragen und trat zum Fenster, um sich von dem Buchhalter bas Zimmer zeigen zu lassen, in dem der Ermordete aufgefunden worden war. Ein einziger Blick überzeugte ihn von der Un möglichkeit, daß von hier aus geschossen wurde. Blieb also nur noch die unbewohnte Wohnung im Hochparterre. Der Kommissar winkle den auf dem Gange warten den Detektivs und stieg zum Hausbesorger hinab. „Kommen Sie mit mir in di« leere Hochparterre wohnung", befahl der Kommissar. „Ich haoe einige Fragen an Eie zu stellen." „San Sö von der Polizei?" „Gewiß." „Bitt' schön", erwiderte der Hausbesorger, „kom men S' mit." Zu der fraglichen Wohnung führten nur einige Stufen. Sie lag am Ende des dunklen Ganges. Der Eingang war in «ine Nische hineingebout. Dem Hausbesorger, der eilig öffnen wollte, ge lang cs nicht gleich, das Schloß aufzusperrcn. „Dös Malefizschloß! Nit zum Ausbringen", knurrte er. „Es muß wer in dem G'schloß umananber g'stiLlt ha'm. Teixel! ob's d' aufgehst ft' Endlich schnappte der Schlüssel ein. Der Kommissar beauftragte einen Detektiv, sofort einen Schlosser zu holen. Er selbst betrat mit dem Hausbesorger und dem zweiten Detektiv die Woh nung. «ie bestand aus Zimmer, Kabinett und Küche. Doktor Martens durchschritt die Räume und blieb im Kabinett stehen. Nur um Liesen Raum konnte es sich handeln. Dom Fenster aus übersah man klar das jenseits der Straße liegende Zimmer. Hier mußte der Mörder gestanden sein, als er den tödlichen Schuß abgab. Hatte er Spuren hinterlassen? . . . Aufmerksam prüfte der Kommissär alles; den Fuß boden, die kahlen Wände, endlich das Fensterbrett. In dem leeren Raum war nichts Besonderes zu entdecken. Staub lag überall umher. In einer Ecke neben dem Fenster war er zu einem Häufchen zu sammengekehrt. „Wer hat denn da gekehrt?" „Mei Alte, bitt' schön, Herr kaiserlicher Rat." „So, wann denn?" „Sie hat a bisserl rein g'macht. wie s' g'hört hat, daß die Herren von der Polizei herüberkommen wer'n, damit die Wohnung a bissel a G'sicht kriegt. Der Kommissar überlegte. Jedenfalls mar nach dem Morde gekehrt worden. Wenn überhaupt Spuren vorhanden waren, so konnte er sie nur dort finden. Doktor Martens nahm einen großen Bogen Papier und ließ den Detektiv den Staub bis au» das letzte Nestchen daraufkehren. Mitten in der Arbeit hielt der Agent plötzlich inne. „Was gibt'» denn?" ..Herr Doktor, ich hab' was g'funden." Der Detektiv hielt dem Kommissar einen kleinen, schmutzigen Gegenstand hin. Doktor Martens betrachtete ibn genau. Es war eine kleine Spange, wie sie Frauen zum Festhalten der Haare an den Seitenteilen der Frisur benützen. Doktor Martens trug die kleine Spange zum Fenitcr und drehte sie im Licht nach allen Seilen. An dem Klemmer der Spange hingen bestaubt und ineinander verwickelt rotblonde Härchen. Der Kommissar wandte sich an den Hausbesorger: ..seit wann steht die Wohnung leer?" „Seit dem 1. Januar." „Und wer hat als letzte Pattei hier gewohnt?" „Ein alter Schustermeister. Er hat in der Küchel g'fchlafen, die Lehrbuben da drin in der Werkstart: und da im Kabinett hat er zwa Bettgeher g'habt." „Frauenspersonen waren keine im Haus?" „Ja, die alte Masterin." „Wie hat sie denn ausgesehen?" „Na, schön war s' net. Kane Zähn', zaundürr, und die paar weißen Haar', dö s' no g'yabt hat, hat s' wror a Striezel h:nt' 'sammg'flochten tragen." „Wer hat die Wohnung angeschaut, seit die Partei ausgezogen ist?" „Zwamal war'» Leut' da. Arme Leut' aus'n Be zirk. Und amal aner von der Polizei. Sonst neamd." „Frauen haben die Wohnung nicht angesehen?" „Ä ja freili. A Stücker dreie — viere waren 's." „So? Was für Frauen? Noble?" „Ah beilei'! Im Kopftüchel san s' kommen." „Was hat denn Ihre Frau für Haare?" „Na . . . wenig . . „Die Farbe meine ich." „Na — a nimmer so schön schwarz wia s' früher war'n." „Töchter haben Sic keine?" „Na, Kinder Ham ma nie nöt g'habt." „Sagen Sie mir, wohnt da in der Nähe ein Kammacher?" „I bin selber aner. Dös is ja mei G°schäft." „Schauen Sie sich einmal diese Spange genau an. Was ist das für ein Stuck?" Der Hausbesorger trat an das Fenster und prüfte die Spange mit wichtiger Miene. „A seins Stück'l". sägte er endlich, „echtes Schild kröt. vom besten, ganz hellblond. Muß a sechs Gulden kost' Ham. Wer dös nur da verlor'n ha'm kann?! So a sein s Frauenzimmer, die dös tragt, is bei mir net aus- und ein'qangen." Der Kommissar nickte. So viel war also klar: eine rotblonde Frau, die niemand kannte, war hier gewesen. Stand sie mit dem Morde in Verbindung? Doktor Martens zog ein Vergrößerungsglas aus der Tasche und untersuchte das Fensterbrett sorg fältig. Und da fand er die Spuren einer Hand, die sich wohl auf die Brüstung gestützt haben mochte. Er betrachtete sie aufmerksam. Es war unzweifel haft die Spur einer rechten Frauenhand. Für einen Mann war der Abdruck zu klein, für ein Kind zu groß. Unter dem Vcrgrößerungsglase konnte man das ganze Handbild deutlich erkennen. Ehe Doktor Martens an die wettere Untersuchung schritt, nahm er die Spur auf und stellte mit Stearin pulver ein deutliches Ebenbild her. Inzwischen war der Schlosser gekommen. Er entfernte auf Wunsch des Kommissärs das Schloß von Der Einganastür und öffnete es. Eine Schichte verdickten Oels und Staubes lag über dem Mechanismus. An einzelnen Stellen waren glänzende, frische Kratzer und Risse bemerkbar, ein Beweis, daß nicht nur mit dem Schlüssel in normaler Weise daran hantiert worden war. Auch der Schlosser bestätigte diese Ansicht. Doktor Martens ließ das Schloß von einem De» tektio verpacken und wandte seine Aufmerksamkeit wieder dem Fenster zu. Der Mörder muffte das Fenster geöffnet haben, ehe er den Schuß auf sein Opfer abgab. Bei der Kälte war es höchst unwahrscheinlich, daß er beim offenen Fenster auf den günstigen Moment gepaßt. Auch wäre es zu gefährlich gewesen. Den Passanten, speziell dem patrouillierenden Wachmann Stolzen- gruber. hätte es auffallen müssen, wenn mitten im Schneesturm ein Parterrefcnster offengestanden wäre. Der Täter mußt« also hinter dem geschlossenen Fenster so lange gewartet haben, bis sich ihm die günstige Gelegenheit bot. Doktor Martens untersuchte die schmutzige Fenster scheibe mit dem Vergrößerungsglas?. Knapp am unteren Rande der oberen Innenscheib« fand er fünf Punkte, die Abdrücke von Fingern einer Hand. Die feinen Ritzer oberhalb der Flecken deuteten auf läng liche. oval zugeschnittene Nägel. Also war es eine sorgfältig gepflegte Hand, di« sich hier eine Stütze gesucht. Vermutlich dieselbe Hand, deren Spuren er auf Sem Fensterbrett« im Staube entdeckt. Er verglich die beiden Bilder und maß die Finger abdrücke. Zweifellos ein und dieselbe Hand. Die photographischen Vergrößerungen konnten sa das nach träglich nachweisen. Also ein Weib . . .? Nun begann die Sache einen romantischen Bei geschmack zu gewinnen.
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