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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.03.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-03-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110325014
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911032501
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911032501
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-03
- Tag 1911-03-25
-
Monat
1911-03
-
Jahr
1911
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vemwer Arlchst«-. ISS. Sitzung. Berlin. 24. März. (Priv.-Tel.) StimmungsüUü. Der neu« Kolonialstaatssekretär v. Lind«, quist verzichtet auf klein« Regiekünst«, durch die ein Reichstaasredner sich die erhöht« Aufmerksamkeit der Oeffentluhkeitsichert. Er hat gestern zu einer so späten Stunde das Wort genommen, daß er in den Presse berichten keine vorteilhafte oder überhaupt kein« Statt finden konnte. Heute äußerte er sich zu früherer Zeit über den Etat sür Ostafrika. Bekannt lich gibt es eine alte Opposition gegen das nach dem Gouverneur Ostafrikas benannte „System Rechen berg". das im Grunde mit dem System Dernburg rdentisch ist. Im vorigen Jahr ist die Opposition nicht laut geworden, in diesem Jahre meldete sie sich wieder. Sie wurde vertreten durch alte Kolonialfreunde, wie Arendt (Rpt.), Dr. A r n i n g Dr. P a a sch e und nachher Dr. Stresemann (Natt.). Der Schutz der Schwarzen, heißt das bekämpfte System in positiver rein weichlicher Fassung. Zn dieser Form hat es die Zustimmung des vom christlich-ästhetischen Gesichtspunkt ausgehenden Zentrums, auch der So zialdemokraten und im allgemeinen der Frei sinnigen gefunden. Zn negativer Form heißt es: Ab schleppung der Ansiedler und Kapitalisten. Die Oppo sition beschwerte sich heute namentlich über bureau- kratische Form beim Erwerb von Landbesitz und darüber, daß der Gouverneur in einem bestimmte^, Falle von der Ansiedlung abgeraten habe. Erz- Verger (Ztr.) und der Saatssekretär v. Linde- quist sowie Semler (Natt.) fanden, daß ein solcher Rat unter Umständen pflichtgemäß und dankenswert sei, was ja im Prinzip unmöglich be stritten werden kann; man mühte den Einzelfall kennen, um ein Urteil fällen zu können. Beim Etat für Südwestafrika brachte der Württem berger Haußmann (Vpt.) die Nachoerzollung zur Sprache. „Formell fehlerhaft, in der Sache zu treffend", war das übereinstimmende Urteil von Lindequist, Ministerialdirektor Contze und Abg. Semler (Natl), der zugleich Berichterstatter war. Arning dachte auch in dieser Frage anders als sein Fraktionsgenosse, und Abg. Dove (Vpt.) »chloß sich nachher seiner Kritik nochmals an. Vergeb lich focht der Staatssekretär für eine den Beamten in Lüderitzbucht zu gewährende Zulage von 500 Wie die Kommission, so erklärte sich auch das Plenum dagegen und wandte den unbarmherzigen Rotstift an. Eine große Debatte über Samoa vermied man; in der Kommission war man auch nicht dazu gekommen. Es ging im Eiltempo vorwärts, und gegen 7 Uhr war der gesamte Kolonialetat erledigt. — Sonnabend und Montag bleiben sitzungsfrsi. Am Dienstag wird die zweite Etatlesung fortgesetzt. Sitzungsbericht. Am Bundesratstische: Staatssekretär v. Linde quist. Präsident Graf Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung um l Uhr 15 Min. Aus der Tagesordnung steht der Kolonialetat, ilnd zwar der Etat für Ostafrika. Abg. Sommer (Fortschr. Vpt.); Unsere Kolonial schulen müssen von ihrem konfessionellen Schutz be freit werden. Sodann ist es notwendig, die Gehalts- dezüge der Regierungslehrer aufzubessern; von ihnen wird eine ganz besondere Berufsfähigkeit und Tüchtig keit verlangt. (Beifall.) Abg. Dr. Arning (Natl.) klagt über die Benach teiligung eines Kolonialinvaliden bei Erlangung einer Anstellung als Militäranwärter. Die Selbst- Verwaltung muß auch in Ostafrika durch Landüber- weisung gefördert werden, sonst sind die Staats verbände nicht lebensfähig. Die Gründung einer Handelskammer ist recht notwendig. Die Schulver- bältnisse im Schutzgebiet verlangen dringend eine gründliche Reform. Ein Kreditinstitut halten mir für Ostafrika wenigstens für ebenso notwendig wie für S ü d w est a f r i k a. Die Frachttarife der Osiasrikalinie sind zu hoch. Das Zuschlagwesen bei diesem Taris erschwert den Frachlverkehr ganz außer ordentlich. Bei einer neuen Subvention sollte sich der Staatssekretär diese Tarife genau ansehen. Der Bahnbau bis zum Tanganjikasee ist eine alte nationalliberale Forderung, hoffentlich kommt er jetzt zur Durchführung. Tatsache ist, daß man außerordentliche Werte an Natron im ost afri kanischen Schutzgebiet gefunden hat. Ich bitte dringend, der Gründung von tropenhygienischen Znstrtuten näherzutreten. Staatssekretär v. Lindequist: Zn Ostafrika bestehen jetzt dreizehn Lehrerstellen, von denen .zehn etatsmäßig sind. Zn der Besoldung stehen sich die Lehrer ent sprechend ihren Kollegen in der Heimat. Für die an- aemessene Versorgung der alten Schutz- truppler trete ich stets ein, schon um den Pensionsfonds zu entlasten. Die Ablösung der Hütten st euer durch die Kopfsteuer ge schieht schrittweise. Vielfach ist die Kopfsteuer schon eingeführt. Den Landesverbänden stehe ich freundlich und sympathisch gegenüber. Die Bezirks räte hatten gewünscht, eine Wcrtzuwachssteuer einzu- jühren. Der Gouverneur stand diesem Vorschlag an sich sympathisch gegenüber, gegenwärtig hielt er ihn aber für verfrüht. Er schlug deshalb vor, für un bebautes Land eine zehnprozentige Steuer einzu führen. Ganz zum Abschluß ist diese Frage noch nicht gekommen. Die Wasserleitungsfrage ist noch nicht geklärt, weil noch kein einwandfreies Wasser gefunden, ist. Der Gründung einer Handelskammer und Be rufung von Handelssachverständigen stehe ich sym pathisch gegenüber. Die Handelsverhältnisse in Dar essalam waren vor zwei Zähren noch genügend. In zwischen ist die Schülerzahl allerdings gestiegen. Die Eisenbahnfrachten werden für Ausfuhrprodukte mög lichst niedrig bemessen werden. Was die Tarife der Ostasrikalinie betrifft, so werden wir Sorge dafür kragen, daß das Zuschlagwesen revidiert wird. Am Natronsee sind erhebliche Mengen Natron gefunden worden. Technisch und kauf männisch ist diese Sache allerdings noch nicht geklärt. Die Engländer haben im benachbarten englischen Ge biet zum Abbau eines kleineren Lagers eine Gesell schäft mit 26 Millionen gegründet. Wenn sich die Ab baufähigkeit unserer Funde herausstellt, dann wünsche ich, daß sich das nötig« Kapital dazu finden läßt. Die tropenhygienischen Institute werden weiter ge fördert werden. In Ostafrika und Kamerun sind kleine Ansätze dafür schon vorhanden. (Beifall.) Abg. Ledebour (Soz.): Ueber das Auffinden von Naturschätzen sind wir ebenso erfreut wie alle anderen Parteien. Unglaublich ist es, daß Dr. Dröscher diesen Ertrag von Natron auf 4 Milliarden schätzt, d. h. unter Zugrundelegung des Preises in Deutschland. Dem Gouverneur v. Rechenberg ein Loblied zu fingen, will ich unterlassen. Ein so ziald-mokratisches Lob bekommt diesen Herren nicht gut. Er scheint das Opfer eines Pflanzer au s b e « t e t u m s werden zu sollen. Abg Dr. Arendt sRpt.): Herr Ledebour wußte herzlich wenig oorzubringen. Das beweist, daß di« vielen Kämpf« in bezug auf die Kolonien einer friedlichen Stimmung Platz gemacht haben. Hätten wir die Kolonialpolrtik der Sozial demokraten befolgt, dann wär« das Land nicht er schlossen und Naturschätze könnten nicht gefunden werden. Eine besondere Bahn in das Natrongebiet ist nicht nötig, jedoch halten wir die Bahnweiter- führung für nötig. Ohne das Bahnsystem wären wir immer noch in der Defizitwirt- chaft. Die Pflanzertätigkeit muß gefördert werden; ie sind Pioniere der Arbeit und Kultur. Die Ein- ührung der deutschen Währung ist dringend geboten. Beifall.) Staatssekretär Dr. ». Lindequist: Gouverneur v. Rechenberg ist ein sehr tüchtiger Beamter, und ihm ist der gute Zustand von Ostafrika zu danken. (Hört, hört!) Daraus, daß er nicht an Eisenbahnbauten herangeht, bis sich ihre Rentabilität herausgestellt hat, kann man ihm doch keinen Vorwurf machen. Zch muß dem geqenübettreten, daß Herr v. Rechenberq den weißen Ansiedlern feindlich gegen überstehe. Daß er gegen unsolide Unternehmungen vorgehl, ist be rechtigt. Die „Deulsch-Ostafrikanische Rundschau" hat irgendwelche Zuschüsse aus staatlichen Mitteln nicht erhalten. Abg. Ledebour (Soz.): Wir haben uns Be schränkungen auferlegt angesichts der Geschäftslage. Dies uns anders auszulegen, ist nicht sehr loyal. (Lachen rechts, Sehr richtig! links.) Daß Dr. Arendt seine angekündigte Beweisführung gegen Herrn v. Rechenberg nicht vorgebracht hat, nennt man Kneiferei. (Vizepräsident Dr. Schultz rügt diesen Ausdruck.) Abg. Erzberger (Ztr.): Herr Dr. Arendt hat keine Beweise geführt, sondern lediglich Anklagen erhoben. Abg. Dr. Arendt (Rpt.): Meine Anklagen richteten sich nicht gegen die Person des Gouverneurs, sondern gegen sein System, das sich gegen die demfkhen Pflanzungen richtet. Staatssekretär Dr. v. Lindequist: Dem Gouverneur v. Rechenberg ist zum Vorwurf gemacht worden, er sei ansiedler -, also deutschfeindlich. Die Tatsachen sprechen das Gegenteil. Der Plantagenbau hat sich unter ihm ganz vortrefflich entwickelt. Abg. Noske (Soz.): Herr v. Rechenberg wird des halb so scharf angefaßt, weil er die Eingeborenen als Menschen behandelt. Abg. Schwarze-Lippstadt (Ztr): Die Vorwürfe gegen den Gouverneur sind nicht berechtigt. Anderseits belegen di« Sozialdemokraten ihre Behauptungen am?, nicht mit Beweisen. Abg. Dr. Paasche (Natl.): Der Gouverneur hat der Plantagenentwicklung vielfach Schwierigkeiten gemacht. Abg. Noske (Soz.): Enthüllungen über ein« Miß wirtschaft des Herrn v. Rcchenberg sind nicht vor getragen worden. Abg. Dr. Stresemann (Natl.): Sollten unsere Kolonien jemals bei der Rohstoffproduktion in Be tracht kommen, dann muß die Entwicklung in ganz anderem Tempo gefördert werden. Di« Kritik ist deshalb durchaus angebracht. Abg. Erzberger (Ztr): Die Angriffe des Herrn Dr. Arendt sind immer noch nicht belegt worden. Wir wünschen, daß das Grundbuch in Ostafrika bald ein geführt werde. Daß der Gouverneur kapitalsschwache Unternehmer eher warnt als animiert, ist lehr ver ständlich. Bei genügender Kapitalskraft begrüßen wir die Ansiedlung: verhindert werden muß aber ein weißes Proletariat in den Kolonien. Staatssekretär Dr. v. Lindequist: Unter Umständen ist es ein Verdienst des Gouverneurs, wenn er vor Farm- oder Industrie-Unternehmungen warnt. (Sehr richtig!) Zch habe den Eindruck gewonnen, daß Herr v. Rechenberg solide Unternehmungen stets unterstützt. Nach weiteren Bemerkungen der Abgg. Schwarze- Lippstadt (Ztr.) und Dr. Semmler (Natl.) wird der Etat für Ostafrika bewilligt. Es folgt der Etat für Kamerun. Hierzu liegen einige Anträge der Freisinnigen vor, wonach der Betrag zur Bekämpfung der Lepra- und der Schlafkrankheit um 15 000 .N erhöht beim Ausgleichs fonds 15 000 und beim Bau von Erschließungs wegen 100 000 «.4t abgesetzt werden sollen. Bei den Einnahmen des außerordentlichen Etats >"llen gleich falls 100 000 « abgesetzt werden. Abg. Noske (Soz.): Zn Kamerun haben die Unternehmer sich gegen die Eingeborenen zusammen, getan, um die Löhne möglichst niedrig zu halten. Aus Anlaß der Expedition nach Ermordung des Händlers Bretschneider haben sich die unhaltbaren Zu stände herausgestellt, die das Kreditwesen mit sich bringt. Den Eingeborenen wird der Kredit aufgedrängt. Später werden sie zum Raubbau auf Gummi genötigt gegen geringe Ent schädigung, so daß oftmals Hungersnot die Folge ist. Da sind derartige Mordfälle erklärlich. Abg. Dr. Goller (Fortschr. Vpt.) empfiehlt den Antrag seiner Partei. Erwünscht sei auch, daß in den dortigen Regierungsschulen den kleinen Neger kindern nur eine, und zwar die lateinische Schrift gelehrt werde. Der Etat wird unter Annahme der Anträge Dr. Goller nach den Beschlüssen der Kommission angenommen. Es folgt der Etat für Togo, der ohne Debatte erledigt wird. Es folgt dann der Etat für Slldwestafrika. Abg. Hausmann-Württemberg (Fortschr. Vpt.): Durch die Verordnungen des Rcichskolonialamts in Sachen der Nachoerzollung ist tatsächlich in schwebende Prozesse eingcgriffen worden. Die Rechtssicherheit ist dadurch erheblich erschüttert worden. Staatssekretär Dr. v. Lindequist: Hätte die Gegen partei obgesiegt, dann hätte niemand etwas gesagt. Jetzt, wo die Regierung Recht bekommen hat, ist es ganz etwas anderes. Jetzt fühlen sich die Kaufleute benachteiligt. Ministerialdirektor Dr. Contze: Materiell lag kein Grund vor, die Nachverzollung aufzuheben. Abg. Dr. Semler (Natl.): Wenn auch die Hal tung der Regierung nicht besonders glücklich ist, so geben wir in der Sache selbst dem Staatssekretär recht. Bezüglich der Militärlasten müssen wir die Wirkung des Bahnbaues abwarten, damit die Dis lokation durchgeführt werden kann. Dringend erforLerlich ist ein Wehrgesetz. Die Schulden der Kolonie müssen als eine südwestafrikanische Schuld betrachtet werden; die Reichsgarantie mutz jedesmal nur für das einzelne Schutzgebiet gelten. Abg, Schwarze-Lippstadt (Ztr.): Zn der Frage der Nachverzollung hat di« Verwaltung augenscheinlich nichteinwandfrei gebandelt. Abg. Dr. Arning (Natl.): Den Gesellschaften, die durch die Nachverzollung geschädigt worden sind, muß anderweitig entgcgengekommen werden. Abg. Ledebour (Soz.): Zch frage den Staats- sekretär, ob er diejenigen Verordnungen in Südwest aufheben wird, die im Anschluß an den Aufstand er lassen wurden, und nach denen den Hereros und verschiedenen Hottentottenstämmen di« Großvieh haltung nur mit Genehmigung de» Gouverneurs ge stattet wird, und sie Zwangsarbeiten verrichten müssen. Nach weiteren Bemerkungen des Abg. Dr. Goller (Fortschr. Vpt.) führt Abg. Dr. Wagner Sachsen aus: Zn der Frage der Nachverzollung tann man gegen die Kolonialverwaltunq eigentlich keine Vorwürfe erheben. Ob aus Billigkeitsgründen ein Nachlaß zu gewähren ist, muß die Kolonialverwaltung ent scheiden. Nach Ausführungen des Abg. Dove (Fortschr. Bpt.) schließt die Debatte, wird jedoch wieder durch eine Er klärung des Staatssekretärs ». Lindequist eröffnet. Dieser führt aus: Ein Enteignungsnetz für Südwest ist im Entwurf nahezu sertiggestellt. Zn Süüwest- afrika sind eher zuwenig als zuvielPolizei- Mannschaften. Das betrübende Vorkommnis in Wilhelmsthal wäre bei dem Vorhandensein von ge nügender Polizei nicht möglich gewesen. Ungesunde spekulative Gründungen müssen möglichst verhindert werden. Die Viehhaltung der Eingeborenen in den früheren Ausstandsgebieten hat beträchtlich zu genommen. Die Heranziehung zur Arbeit erfolgt nur zur Beschränkung des Vaga bundierens. Abg. Ledebour (Soz): Meine Behauptung, daß ein Verbot zur Viehhaltung besteht, ist nicht ent kräftet worden. Durch solche Maßnahmen werden die Leute in den Dienst der Farmer getrieben; das ist Halbsklaverei. Zn der Spezialberatung bittet Staatssekretär Dr. v. Lindequist bei den Ausgaben, die von der Kommission gestrichenen Ortszulagen für die Beamten des Bezirks Lüderitzbucht (45 000 .<t) wieder herzustellen. Die schwierige Lage der dortigen Be amten, die ohnehin nur schwer in der Kolonie zu halten seien, erfordere dies. Der Posten wird jedoch gestrichen und der Etat nach den Beschlüssen der Kom mission verabschiedet. Es folgt der E t a t f ü r N e u - Guinea und die S ü d se e i n s e l n, der ohne Debatte bewilligt wird, ebenso der Etat für Samoa. Damit ist der Kolonialetat im ganzen erledigt. Nächste Sitzung Dienstag 12 Uhr. Auf der Tages ordnung steht der Etat der Verwaltung der R e i ch s - eisenbahnen und kleinere Etats sowie der des Reichsschatzamtes. Schluß 7 Uhr. »US üen KeichstsyskommMionen. Sprachenfrags und Eisenbahnen im Reichslandr. Die Beratung der Kommission über die Verfassung von Elsaß-Lothr.ngen begann mit 3 23 der Regie rungsvorlage, der ohne weitere Debatte mir großer Mehrheit angenommen wurde. Längere Verhand lungen veranlaßte dagegen die Beratung des 3 24 über die Eisenbahnen, dessen Strei chung sozialdemokratischerseits bean tragt worden war. Seitens der Regierungsoertreter wird eingewandt, daß in Elsaß-Lothringen dieWah - rung des militärischen Interesses eine unbedingte Notwendigkeit sei. Seitens eines militärischen Regierungsvertreters werden noch letzterer Hinsicht noch nähere Ausführungen gemacht. Seitens eines Vertreters des Zentrums werden Zweifel geltend gemacht, ob nicht Lurch die Fassung der Regierungsvorlage Bahnprojekte in die Rege lungsbefugnis des Reiches eingezogen werden, für die das Reich ein Interesse nicht habe. Die Bauten solcher Bahnen könnten der freien Entschließung Elsaß-Lothringens wohl überlassen bleiben, freilich werde die Abgrenzung dieser Zuständigkeit auch noch nicht voll durch den abgeändetten sozialdemokratischen Antrag getroffen, der an Stell« Leis oben bezeichneten und während der Verhandlung jurückoewgenen An trages trat und der in der Regierungsvorlage die ' Worte „die dem öffentlichen Verkehr dienen" ab ändern wollte in die Worte „die dem Fernverkehr dienen". Auch von anderer Seite werden diesem An träge Bedenken entgegengehalten. Bei der Ab. stimmung wird der abgeänderte sozialdemo kratische Antrag gegen 5 Stimmen abgelehnt. Die Beratung wendet sich hierauf einem von der Reichspartei gestellten Anträge auf Einfügung eines 8 2 In zu. Dieser Antrag lautete: „Die amtliche Sprache im Verkehr der Behörden und des Landtages und die Unterrichtssprache in sämtlichen Schulen des Landes ist die deutsche. Zn Volksschulen, in denen über die Hälfte der ein- geschulten Kinder nur Französisch spricht, kann durch Anordnung des Statthalters das Französische für be- stimmte Fächer als Unterrichtssprache bis auf weiteres zugelassen werden. Zn den Volksschulen, in denen mehr als ein Viertel der eingeschulten Kinder nur Französisch spricht, ist das Französische Lehrfach auf allen Klassen. In allen übrigen Volksschulen wird das Französische weder als obligatorischer noch als fakultativer llnterrichtsqegenstand gewährt." Ein Vertreter der Reichspartei begründet diesen Antrag mit der Bemerkung, daß dadurch der Regie rung der Rücken gestärkt werden solle gegen Aspira tionen, wie sie seit Jahren auch in Anträgen des Lantesausschusses hervorgctreten seien. Es wird auf die frühere französische Praxis hingewiesen und darauf aufmerksam gemacht, daß die Lehrer des Landes sich gegen das Prinzip der Zwei sprachigkeit ausgesprochen haben. Es liege eine Gefahr vor, Laß die Regierung künftig solchen Be strebungen Widerstand nicht mehr entgegenzusetzen in der Lage sei, darum wolle seine Partei eine Siche rung. Ein sozialdemokratischer Vertreter meint, di« Zweisprachigkeit sei für Elsaß-Lothringen, als einem Grenzlande, mit Rücksicht auf den wirtschaftlichen Ver kehr eine praktische Notwendigkeit. Der Staats sekretär für Elsaß-Lothringen geht ausführlich auf die derzeitige Regelung des Sprachunterrichts in Elsaß- Lothringen ein, übergibt eine Karte, auf der das noch vorhandene französische Sprachgebiet, das sich ja eigentlich nur in Lothringen befindet, zu ersehen ist. Nur in 16 Prozentder Schulen könne das Fran zösische nicht entbehrt werden, weil man nur mit dieser Sprache die Kinder in di« Kenntnis des Deutschen einzuführen imstande sei. Auch dort sei der Unterricht des Französischen so geregelt, daß er all mählich in den Mittel- und noch mehr in den Ober stufen immer mehr dem Unterricht in der deutschen Sprache weicht. Diese fakultative Zulassung des Französischen sei ein« Notwendigkeit, und sowohl die gegenwärtige als auch jede künftige Regierung werde in dieser Beziehung gezwungen sein, ihre patriotische Pflicht zu erfüllen. Ein lothringisches Mitglied der Kommission wendet sich ebenfalls gegen den An trag der Reichspartei und betont, daß gerade in den Landesteilen, die jetzt noch die französische Sprache haben, der deutschen Verwaltung am wenigsten Schwierigkeiten bereitet würden. Staatssekretär Delbrück will ebenfalls dem Vorwurfe begegnen, daß di« verbündeten Regierungen di« deutsch-natio nalen Interessen nicht genügend wahren. Di« Regie rung besitze Energie genug, um Widerstand gegen un berechtigte Ansprüche zu leisten. Diese Berpflichtunug werde die Regierung, an deren Spitze der Kaiser stehe, ständig einlösen, und es bedarf daher der Ver ankerung der bisher von ihr befolgten Grundsätze in der Verfassung nicht mehr. Die Feststellung des be stehenden Zustandes sei auch um deswillen nicht rweämäßiq. weil sie unter Umständen einer künftigen Verbesserung hinderlich im Wege siebe Viel wirk samer wäre eine Kauiele in anderer Beziehung. Es wird in dieser Beziehung aus den gestrichenen Teil de» K 5 Absatz S über di« Gestaltung des Etatsrechts aufmerksam gemacht und dessen Wittrerherstellung gewünscht; dann könne man «in« solche Bestimmung, wie sie di« Reichspartei vor- schlag«, entbehren, di« zudem allerdings nicht ganz in den Rahmen der Verfassung passe. Der Vertreter der Reichspattei zieht jedoch nach dem Ergebnis der Be ratung den gestellten Antrag zurück und nimmt einen früher gestellten Antrag wieder auf, welcher lautet: „Die amtlich« Sprache im Verkehr der Behörden und des Landtages und die Unterichtssprache in sämt lichen Schulen des Landes ist di« deutsche. Zn Be zirken, wo es auf Grund amtlicher Erhebungen fest steht. daß über 50 Prozent der in den öffentlichen Schulen eingeschulten Kinder dem Unterricht in deutscher Sprache nicht folgen können, kann aus nahmsweise durch Anordnung des Statthalters der Gebrauch der französischen Sprache in den öffentlichen Volksschulen des betreffenden Bezirks bis auf weiteres zugelassen werden." Bei der nun folgenden Abstimmung wird jedoch dieser Antrag gegen 18 Stimmen der Konser vativen, der Nationalliberalen und der Reichspattei abgelehnt. Hierauf wird die Beratung vertagt. Die nächste Sitzung findet am nächsten Mittwoch statt. Der Kolonialetat in der Budgetkommission. Die Budgetkommission setzte die Beratung des Etats für «üdwestafrika fort. Vom Zentrum wird die Einrichtung eines Laboratoriums für Untersuchung von Mineralien angeregt, die Regie rung wird die Angelegenheit im Auge behalten. Die Ernährung der auf den Farmen beschäftigten Ein geborenen ist nach den Erklärungen des Staatssekre tärs und eines Mitgliedes der Dolkspattei, die die Verhältnisse aus eigener Anschauung kennen, gut und reichlich. Die beiden Referenten regen an, für das nächste Budgetjahr die Folgerungen aus den Bahn bauten für die Verminderung der Militärausgaben zu ziehen. Der Staatssekretär will diesem Wunsche nach Möglichkeit Rechnung tragen. Sehr günstig lautet Lex Bericht eines Regierungsvertreters über die Kamelzucht inSüdwest. In wenigen Jahren wird der ganze Remonte- bedarf gedeckt sein. Der Wunsch nach be deutenderer Reduzierung der Schützt r-uppe wird von verschiedenen Seiten lebhaft vertreten; von konservativer Seite werden dagegen Bedenken er hoben, man dürfe nicht zu weit gehen. Der Wort führer der Dolkspattei sucht di« Möglichkeit einer Herabsetzung nachzuweisen. Der ganze Norden sei Lurch die Kompanie in Okamjande gedeckt. Eine Ooambo-Frage existiere nicht. Man solle die beschäftigungslosen Bastarde von Rehoboth mög lichst bei der Polizei oder sonstwo verwenden. Die starke Besetzung des Ostens gebe doch keine Gewähr gegen Räubereien vereinzelter Hottentotten. Der Staatssekretär stellt das gewünschte Wehrgesetz für das Schutzgebiet in Aussicht; es wird ausgearbeitet. Die Titel der Militärverwaltung werden genehmigt, die Ausgaben für Lüderitz- bucht gestrichen. Ueber di« Diamanten frag« entspinnt sich wiederum eine Geschäftsakt» - nungsdebatte. Sie wird im Plenum. Las die Beratung des Kolonialetats begann, aus der Er örterung zunächst ausscheiden. Di« Eingabe wegen der bekannten Angelegenheit der Nachver - zollung wird zur Erwägung, eine Eingabe aus Kreisen der Textilindustrie wegen Förderung der Baumwollkultur in Südwest zur Be rücksichtigung überwiesen, desgleichen eine Eingabe des Kolonialwittschaftlichen Komitees um Errichtung von staatlichen Landeskreditanstalten 'Eine Eingabe des Bundes der Industriellen um Anstellung von Handelsbeiräten geht an die Regierung als Material. Beim Reichskolonialamt werden zwei Kanzleisekretäre gestrichen. Die Kurpfuscherkommisfion. Die Kurpfuschettommission verhandelte über den 3 4, der den nichtapprobierten gewerbsmäßigen Heilbeflissenen untersagt, Arzneien abzugeben oder ihre Kunden an einzelne Bezugsstellen zu verweisen. Schissahrtsabgabeakomm isfion. Di« Schiffahrtsabgabenkommission setzte die Be ratung über den Elbbau-Verband fort. Von einem nationalliberalen Abgeordneten wird auf di« Nachteile, die der Kleinschiffahtt drohen, hingewiesen. Der Redner wendet sich gegen die Einnahmeberechnung von 5,5 Millionen Mark auf einer bis 1920 angenommenen Verkehrssteigerung, die er als Milchmädchenrechnung bezeichnet. Ein preußischer Baurat legt dar, daß der Elbstrom jedes Zahl in seinem Laufe bis zur Havel denselben Strich aufweise, und daß es sich darum handle, durch Baggerung dem Strome den richtigen Lauf zu geben Ministerialdirektor Peters verliest eine Eingabe des Schiffsreeders Tonn-Magdeburg von 1892, in der um Schaffung einer Mindesttief« von 1,25 Meter im Schiffahrtsinteresse gebeten wird. Ein fort schrittlicher Abgeordneter aus Sachsen äußert Zweifel, ob es angängig sei, di« vorgeschlagenc Mindesttiefe zu garantieren. Der Redner frckqt an. ob beabsichtigt sei, Talsperren im oberen Saaletal bei Hohenwarte mit einem Stauinhalt von etwa 150 Millionen Kubikmeter anzulegen. Die bei Neidenwerda geplant« Talsperre solle etwa 100 Millionen Kubikmeter Raum bekommen, sic solle mit einem Elektrizitätswerk verbunden werden, sie würde zur Vermehrung des Aufschlagwassers für etwa 50 größere Mühlemoerke und andere Betriebe beitragen, auch würden dadurch die jetzigen un genügenden Fahrwafferverhältnisse für die Schiffahrt wesentlich verbessert. Geh. Oberbaurat Ding- kautzer erwidert, daß im preußischen Ministerium der öffentlichen Arbeiten keinerlei Projekte für Tal sperren im oberen Saalegebiet ausgearbeitet worden seien. Bon fortschrittlicher Seite wird vorgeschlagen, bezüglich der E l b e sich mit der österreichischen Regierung in Verbindung zu setzen. Hinsichtlich der Verkehrssteigerung weist der Redner darauf hin, daß bei der vor etwa zehn Jahren erfolgten Neueichung der Schiffsgefäße eine nominelle Steigerung derselben um 25 Prozent stattfand, und daß es natürlich ver kehrt sei, hieraus etwa Schlußfolgerungen für einen entsprechend höheren Verkehr schließen zu wollen. Die Abstimmung ergab die Annahme der Regie rungsvorlage mit 14 gegen 12 Stimmen. Der fortschrittliche Antrag, der bereit» bei A 1 an genommen worden war, die Saaleregulierung bis Weißenfels auszudehnen und statt Schiffs gefäße mit 400 Tonnen solche mit 600 Tonnen fahren zu lassen, wurde nunmehr abgelehnt. preußisches AbgearLnetenhaus Berlin, 24. März. Am Ministertisch«: Handelsminister v. Sydow. Präsident ». Kröcher eröffnet di« Sitzung um 10 Uhr 15 Min. Auf der Tagesordnung steht di« Fortsetzung der driften Beratung de» Etat», Titel .Bergetat". Abg. Hafstnamr (Soz.): E» wird uns von der Rechten immer vorgeworfcn, daß wir zu viel redeten Wenn wir erst di« Minister an d«r Kandare
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