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SüelheiL Rolanüs Schicklsl. 311 Roman von Mari« Bernhard. (Nachdruck v«rd»»rn.) vor mir steht, während ich die» schreibe, wie «in Frühltngsmärche» im Winter, ein ganz herrlicher Blumenstrauß . . . ein« große, große Sarve, fast nur aus zartesten Rosen und Maiglöckchen bestehend, — qonz unwahrscheinlich poetisch und duftig. Dies sehr kostbare Geschenk ist für mich abgegeben worden, während ich nicht daheim war, hat also nicht zurück gewiesen werden können. Der Bote, der es gebracht bat, ist ein Lehrling au» irgendeinem Laden gewesen, ohne Livree, ohne Firmenschild an der Mütze, er hat von einen« kleinen Zettel die Adresse heruntergelesen und ist sofort verschwunden, nachdem er seine teure Last abgesetzt hatte. Was soll ich tun? Was tonnen die armen, schonen Blumen dafür, daß ich ihren Geber errate und das; ich nicht gern etwas von ihm annehmen möchte! Ueberdies — Erraten ist nicht Wissen —, und nur wenn man weitz, genau weiß. kann man seine strikten Matzregeln treffen. Ich^ bin dem Grafen Warnsdorfs seit jenem Zusammentreffen iin herbstlichen Schncewald nicht mehr begegnet: allerdings bin ich auf allerlei Schleichwegen gegangen, auch auf solchen, die ich an und für sich nicht liebe, um ihm auszuweichen. Ver steh mich nur recht: der Graf als Mann bedeutet mir gar nichts — mir liegt nur fort und fort jene Bemerkung von ihm im Sinn, datz er mit dem Intendanten der Dresdner Hosbühne sehr intim sei, datz es ihm nur ein paar Worte koste, uin mir eine Empfehlung zu verschaffen, die Wege zu ebnen . . . Und ich will — ich will doch nicht! Ich beiße die Zähne zusammen, bleibe, wo ich bin, will den Winter durchhalten und den ersten Frühling, will mir jagen können: Du hast alle vier Jahreszeiten durchprobiert, du bist auf deinem Posten geblieben, wie dec tapfere Soldat, der ausharrt, ob er auch weiß, er setzt es schwerlich bis zum Ende durch! Ich unterrichte Kinder, trotzdem es unaufhörlich in mir sagt: Du bist keine Lehrerin kannst keine gute Lehrerin sein, weil du an dich selbst nicht glaubst, weil du nur mit dem halben — kaum mit dem halben Herzen dabei bist! Ich tue meine Pflicht, trotzdem ich jeden Augenblick fühle: „Du gehörst der Kunst!" Eine Sünde begehst du an ihr, der gött lichen. und an dir selbst, wenn du den Weg nicht gehst, den deine Begabung und deine brennende Lust dir weist!" O Günther, nur eine Stunde jetzt mit dir sein, in deine Augen sehen, deine Stimme hören, — dann wüsste ich, was zu tun! Jetzt — ich möchte es — ich wage nicht — ich weitz nicht! — Also einstweilen: feststehen — aushalten! — Gut, datz ich nicht daheim war, als die Blumen kamen! Dann hätte ich sie zurückschicken, ihren« Spender schreiben müssen, ich verbäte mir derartige Geschenke — das wäre dann wieder eine Art von Verbindung gewesen — eine Brücke — Nein — er hat es genau gewutzt, datz ich um die und die Stunde von Hause fort war — darum hat er die Blumen geschickt. Er wollte, ich solle sie be halten. Nun stehen sie da und hauchen mir den Früh ling ins Herz hinein und reden mir von dir . . . Du weißt es doch noch, datz deine erst« Blumengade an mich aus Maiglöckchen bestand . . . au» einem großen, prachtvollen Busch taufrischer Maiglöckchen, von einem seegriinen Seidenband zufammengehalten. Kaum konnte ich mit meinen beiden Händen den Strauß um spannen . . . und ich war glücklich über dies« Gabe . . . Noch einmal also: wegen des Grafen beunruhig« dich keinen Augenblick Wenn er nicht den Deus ex lunckiaa spielen wollte — ich würde seiner nie ge denken! Und mutz ich nun weitererzählen von damals? Ich mutz! Auf halbem Wege stehen bleiben — das Wichtigste ungesagt lassen, das kann ich nicht! Zudem — ich lmbe nie von jener bösen, bösen Zeit und von den Personen, die neben mir darin mitspielten, zu dir anders reden mögen als in Andeutungen, obwohl gerade du das größte Anrecht aus volle Offenheit und Ausführlichkeit gehabt hättest. Aber du hast von diesem Recht keinen Gebrauch gemacht — du warst zu zartfühlend dazu, hattest mich zu lieb, wußtest, wie mich solche Miteilungen quälen mußten, — das hast du mir ersparen wollen. Aber wissen sollst du alles! Wie damals, um Schluß jenes Mittagsmahles, die hochgewachsene, überschlanke Gestalt des Doktor Alexander Steinbrecht ins Zimmer trat, da habe ich ihm mit dem vollen Interesse entgegengesehen, das ein sehr junges, enthusiastisches, für Kunst begeistertes Mädchen für einen vielgenannten Kritiker und Jour nalisten, einen berühmten Essayisten und Dichter übrig zu haben pflegt. Za — auch Dichter! Denn außer seinen gepriesenen, gefürchteten und vielbesprochenen Theaterrezensionen, seinen geistreichen Feuilletons uns kunsthistorische«« §kiz,zen hatte ich — das war mir jetzt erst eingefallen — auch einmal ein Bändchen Gedichte voi« Doktor Steinbrecht in die Hand bekomme«« eine verwegene und schwüle Lyrik, die ich wohl kaum verstand, die aber doch nicht ohne Eindruck au« mich gebliebe«« war. Noch nie hatte ich eine,« vielgenannten Künstler von Ruf und Namen nahebei gesehen . . . jetzt stand ein solcher in unserem Zimmer, wurde mir vorgestellt — ich würde ihn kennen lernen, — er würde wohl künftig im Hause bei uns verkehre,« . . . Grund genug für mich, mein volles Interesse zu er wecken, mich von meine,« unruheoollci« Gedanken, die allesamt uin meinen Vater und um seine zukünftige Lebensgefährtin kreisten, abzulenken. — Mein Held der Feder war weder jung noch schön, aber mit seinen« kurzgehaltenen braunen Haar und Spitzbart, mit seinem schmalen, feinen Gesicht und den müde und ver schleiert blickenden Augen sah er ungemein anziehend aus. Er hielt sich eil« wenig nachlässig, wirkte aber nichtsdestoweniger in seiner sorgfältig gewühlten Kleidung elegant und hatte feine, gutgepflegte Hände — an der Rechten trug er einen wundervolle,« Smaragd, in Diamantsplitter gefaßt. Seine Begrüßung mit unserer kleine,« Tafelrunde war sehr kordial. Man schien sich untereinander außerordentlich gut zu kennen, meinen Vater mit ein begriffen, von dessen Intimität mit dem berühmten Kritiker ich heute das erste Wort zu höre«« bekam. Aber was wußte ich denn vom Lebe«« und Treiben und von den Bekanntenkreisen meines Vaters! - Bella Wollgast drohte den« Neuangekommenen zuerst schel misch mit der geballten kleinen Faust — dann ober stand sie auf und reichte ihm beide Hände hin. „Bitten s um gnädige Straf', Doktor! So spät! Wo wir Ihrethalben den Sekt ausgefpart haben, weil'» geheißen hat, Sie kämen zum Dessert!" „Uno bin ich etwa nicht zum Dessert erschienen?" fragte der Angeredete mit leichtem Achselzucken und führte di« dargereichten Händchen eines um das andere bedächtig an die Lippen. „Sie wissen doch, Bella donna, ich habe zu tun, und der Beruf geht allen An nehmlichkeiten des Lebens voran!" „Aber ich feiere nicht alle Tage Verlobungsdiner!" war die rasche Antwort. „Nein — all« Tage nicht! Wie wollten selbst S i e das anfangen?" „Ich bitt' also, so ein seltenes Fest nicht mit so allgemeinen „Annehmlichkeiten des Lebens" durch einander zu bringen! " „Für Sie ist es doch ein« Annehmlichkeit und für alle Anwesenden, mich mit eingerechnet, sicher auch!" beharrte Doktor Steinbrecht, schüttelte meinem Vater und Tom dem Reimer freundschaftlich die Hand, tat die Tante Thöres mit einer flüchtigen Verbeugung ab und ließ sich dann mir in aller Form vorstellen, worauf er sich mir gegenüber neben dem Brautpaar niederlietz. Ich hatte sehr wenig Wein bis dahin getrunken, — ich halte noch keine Weinzunge, und aus unserem guten Bordeaux und Rüdesheimer machte ich mir nicht viel. Sekt aber trank ich sehr gern, und «nein Vater, der ihn auch sehr liebte, hatte bei allen Fest tagen darauf bestanden, datz «ine Flasch« davon auf den Tisch kam. Er hatte sich damit amüsiert, wie er schon beim zweiten Glase in eine animierte Stimmung geriet. — ich bekam durchaus keinen Rausch, ich wußte genau alles, was ich sagte und tat, aber ich ging ganz ans mir heraus, plauderte von allem, was mir eben in den Sinn lam. sah alles und all« in rosigen« Licht und fühlte mich von allgemeiner Menschenliebe durch- drungen, während die Liebe zu den Meinigen eine beirächiliche Steigerung erfuhr. — Meine Mutter aber wünschte nicht, daß ich Sekt bekam, sie bat mich immer wieder, bei einem Glase zu bleiben oder dem lbeiiuß ganz zu entsagen. Der Sekt war manch liebes Mal zum Zankapfel bei uns geworden. Daran dachte ich seist, als die Piropfen sprangen und der perlende Cr-'mant ros6 in den Kelche«« aufschäumte. Ich nippte, an meinem Glase, als das Wohl des Brautpaares nun auch in Sekt getrunken wurde, aber zur großen Verwunderung meines Nachbars, der mich sehr auf merksam bediente, trank ich nicht äüs und zog meine Kristallschale zurück unter dem Vorwand, Sekt bekäme mir nicht, und ich hätte heute ohnedies schon etwas Kopfweh. — Mein Vater war viel zu sehr mit seiner Braut beschäftigt, um mein Tun zu kritisieren, er sah teil« einziges Mal zu mir herüber. — War i ch dem Sekt gegenüber enthaltsam, so waren die anderen dies um so weniger. Der Eiskübel mit -en Flaschen stand seitwärts auf dein Serviertisch, die Bedienung war fortgeschickt worden, man versorgte sich selbst. Die Pfropfen sprangen, die Gläser wurden rasch nacheinander gefüllt — geleert — wieder gefüllt. Ei«« Trinkspruch jagte den anderen. Die Liebe — die Freundschaft — die Kunst — das Glück — die Gegen wart — die Zukunft — man kam kaum zu Atem, und das Kommando: „Die Gläser ergreifen!" ertönte bei nahe jäde Minute. „Belladonna" — so nannte man sie allgemein, selbst men« Vater tat es dann und wann — konnte ihren Mann beim Sekttrinken stellen, das sah ich als bald. Sogar meinem ungeschulten Beobachtungsver mögen drängte sich die Wahrnehmung auf, dies zarte, reizende Wesen müsse eine ganz uirgewöhnliche Uebung im Sektgenutz besitzen. Wie sie den flach geschliffenen Kelch zum Füllen hinhielt, Len Kopf hintenüberwarf und mit ein paar durstigen, vollen Zügen austrank, — wie sic das Glas zwischen Daumen und Zeigefinger zierlich hin und her drehte und dann rief: „Auf merken, ihr Herrn! Ich kann kein volles und mag kein leeres Glas vor mir stehen seh n!" und wie sie dann von neuem den Schaum mit den brennenden Lippen schlürfte und quecksilbern beweglich blieb, ohne doch irgendwie eine andere Wirkung des prickelnden Getränkes zu verraten . . . alles das gab mir die Ueberzeugung. ein Gelage wie dieses sei so gut wie ihr tägliches Brot. Dazu bemerkte ich, — inutzteich bemerken! — wie sie die drei vorhandenen Herren jetzt so vollständig in ihren Bann tat, daß sie keinen Blick von ihr wandten und nur noch für sie vor handel« zu sein schienen! Dies hat denn auch meine spätere Erfahrung vollauf bestätigt: Bella Wollgast wollte und mußte jedes männliche 2vesen—- mochte es ein linkischer Jüngling von siebzehn oder ein lebens- saltcr Genußmensch von sechzig Jahre«« sein! — an ihren Triumphwagen spannen. Die Männer sollten sich um sie und mit ihr beschäftige«« — und wahr haftig — es konnten ihrer drei öder zwölf zugegen sein ... sie verstand es, sie alle in Atem zu halten! — Mein Vater hatte die linke Hand seiner Braut gefaßt und küßte sie unaufhörlich, so sehr sich das Händchen zum Schein freizumachen strebte. Ihm funkelte«« die Augen, er hatte seinen Stuhl dicht, dicht an dei« seiner Braut gerückt und verzehrte sie mir den Blicken. Es tat mir weh, ihi« so zu sehen. Mein Tischnachbar, Ton« der Reimer, hatte die gesetzte, ver nünftige Unterhaltung mit mir längst aufgegeben, er lachte sehr viel und trieb Unsinn mit seiner Cousine, warf mit Brotkügelchen und Papierschlangen nach ihr, nahm, auf einen Wink ihrer Augen, der dicken Tante Theres, die schläfrig zu werden anfing und ausdrucks los, mit kleinen, zwinkernde«« Aeuglein, vor sich hin sah, das gefüllte Sektglas fort, trank es leer, drehte eine Narrenkappe aus seiner Serviette und setzte sic der schlaftrunkenen Tante auf den Kopf — kurz, er hatte eine«« kleinen Rausch und widmete sich nur seiner schönen Cousine. Der Gelassenste voi« den dreien war ohne Zweifel Doktor Steinbrecht. Er trank den Sekt wie Wasser herunter, sprach nicht sehr viel und beob achtete offenbar mit großem Interesse das Braut paar. Er hatte auch nur einen einzigen Toast aus gebracht, — den auf die Freundschaft! — der mir reichlich ironisch gefärbt erschien, ohne daß ich rech« zu sage«« gewußt hätte, woran dies lag. Es war wohl mehr der Ton der Stimme und der Gesichtsausdruck, der den Worten dies sarkastische Gepräge gab. Er behandelte „Belladonna" etwas von oben herab, aber schließlich war und blieb sie die einzige von uns allen, mit der er sich überhaupt abgab. Zu allen Tändeleiei« und Neckereien, die sie zum Vesten gab. hatte er cii« überlegenes, oft aber auch amüsiertes Lächeln — wie mai« sich über ein ausgelassenes Kind belustigt. (Fortsetzung folgt.) lek. 377S. «ee/z . .7670. SA. 04S2S sLnä im Oebraued. D5e rwLÜenlOOOO Mclcic/ur kkr. Elörfirn kt Locitcm^icircuttic/uietöea Sssruüll -radlattvv, Grtiainaische L«raste 17. Tel 2075. «-«« Obrrtnrnlchrer rrlvckriok Luorss dinwbenUnerLlerscbal« hült m«raen, Saantaa, den 26. März, nach», »o« '/,4 Uhr an ttzre llstvnpl-llßung t« »raste« »aal« des at. Geehrte Eltern und deren -naben werben hierzu ergebens« etngelaven. Hochachtungsvoll vdert«r«le-rer rrteelrtel» litoon« WM" Der Sammerkursu» beginnt a» 26., i» Elysium a» 28. April. Der Gaanadend» - U«terrtcht findet »am 6. Mat aa 1» Kreien statt. Di« Anmeldung neuer Schüler ine Liter von 6—S Jabren wird während der ersten Hebung»- stunden in de« Uehnng-sLlen erbeten. -w« llspsraiuren aa kuto-MLllLelll llllü SedlLllvdell —»»71 's ^Vir macken «iis Herren Automobilisten unck Okaulkeurv «iarauk aukmvrlcsam. «lass >vir kier nm Rlatrs eins eigene Ueparntur-Hd erleslntt unter I-eltung geschulter Spsriallcräktv unter kalten. Reparaturen uvercken soknellstens, billigst unel kack mein nisck ausgskükrt Vettnetung: steine. Ifflanö, l.eiprig, kerlinet Arasse 18. fvpnspksostsk' ßtk. 2873 unä 3987.