Suche löschen...
01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 24.03.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-03-24
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110324012
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911032401
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911032401
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-03
- Tag 1911-03-24
-
Monat
1911-03
-
Jahr
1911
- Links
- Downloads
- Einzelseite als Bild herunterladen (JPG)
-
Volltext Seite (XML)
Nr. S3. los. Iaürysny. München fällt, fo muss ihn fein Gedächtnis merkwürdig im stich gelassen haben." 2« dieser Erklärung ist leider nichts von dem in dm» Akten des Ministeriums der auswärtigen An gelegenheiten vorhandenen Briefen des Barons d< Mathie» und des Papste» gesagt. Solange über deren Inhalt keine genügende Auskunft ge geben wird, ist, wie wir schon gestern adend aus führten. auf Beruhigung in Sachsen nicht zu rechnen. Deutsches Reich. * Leipzig. 24. Mürz. * Die Deutsche Resormpartei im Königreich Sachfen hat bisher nicht weniger als sünf Kandidaturen für die kommenden Reichstagswahlen aufgestellt. Zn Bautzen Kamenz kandidiert der bisherige Ab geordnete Gräfe wieder. Fortschrittlicher Gegen kandidat ist der Kaufmann Pudor. In Dresden- Neustadt ist dem eegenwärtigen Vertreter des Kreises Kaden lSoz.) Glaiermeister Wetzl ich geacn- übergestellt. Um das Mandat für Meiszen-Rtesa bewirbt sich der Schriftsteller Kurt Fritzsche. Zn Marienberg-Zschopau, dein ehemalsZimmermannschen Wahlkreis, der in der Nachwahl an den Sozial demokraten Göhre verloren ging, kandidiert E. Sauer: als oemeiniamer liberaler Kandidat ist dort auf gestellt Landtagsabgeordneter Brodaus (Vpt), und lürAnnaderg-Eidenstock ist zum Gegenkandidaten des bishertgen Abgeordneten Dr. Stresemann (Natl.). der ebenfalls von beiden liberalen Parteien nominiert ist. Rechtsanwalt Sch lech ter-Dresden ausgestellt. * Zur Landtagostichwahl in Leipzig-Land erlässt derBerband nationalgesinnter Vereine einen Ausruf, worin alle Mitglieder und Freunde des Verbands aufgefordert werden, in der Stichwahl dem konservativen Kandidaten Feller zum Siege zu verhelfen. Wie verlautet, soll von fortschritt licher Leite keine bestimmte Stichwahlparole aus gegeben werden. ' Die Handelsoertragoverhandlungen mit Japan. Wie der ..Znf." an hiesiger unterrichteter Stelle mit geteilt wird, ist die Aufnahme von Verhandlungen zwecks Neuregelung der handelspolitischen Verhält nisse zwischen Deutschland »rnd Japan im April i n B e r l i n zu erwarten. Die japanische Regierung beabsichtigt nicht, wie gemeldet wurde, eine Regie rungskommission die grösseren Städte Deutschlands bereisen zu lassen, deren Firmen am Handel mit Zapan wesentlich interessiert sind, sondern wird die Verhandlungen mit Deutschland direkt durch die Bot schaft in Berlin führen. Die Nachricht, das, sich Dele gierte aus Tokio nach Berlin begeben würden, um bei den Unterhandlungen tätig zu sein, bestätigt sich demnach nicht. Da der deutsch-japanische Handels vertrag im Zuli d. Z. abläuft, so dürfte eine ent sprechende Vorlage vorher vom Reichstage erledigt werden müssen, wenn die Verhandlungen zum Ziele führen. Zapanischerseits gibt man der Hoffnung Raum, dass dies gelingen wird. Die deutsche Regierung hatte bereits im Herbst den Wirt schaftlichen Ausschuss zusammenberusen. der sich in zweitägiger Sitzung mit der Neuregelung der han delspolitischen Beziehungen außer mit Schweden auch mit Japan beschäftigte. Es wurden damals die For derungen formuliert, die infolge der Aufstellung des neuen japanischen Zolltarifs für notwendig erachtet wurden. Sic wurden dann der japanischen Negierung zur Gegenäusserung übermittelt. * Nachklänge zum Profefforenftreit. Die ..Nordd. Allg. Ztg." schreibt: In einem Teile der Presse wird noch immer an der Behauptung festachalten, dass das Kultusministerium an den Angriffen gegen die Professoren Wagner, von Schmollen und Sehring Leipziger während ihres Streites mit Professor Bernhard beteiligt gewesen sei. Der Munster hat dies bereits im Abgeordnetenhau.es mit grösster Ent schiedenheit bestritten und Beweise gefordert. Was otsher dafür voraebracht wurde, ergab sich als be langlos. Auch Professor Bernhard erklärte, ihm sei nicht das mindeste von einer Beteiligung des Mi- nisteriums an der Preßpolemik bekannt. Professor Hinneberg hat die bekannte Erklärung veröffent licht, als hätte er sich den Unwillen des Ministeriums durch den Versuch zugezogen, die Presse gegen Pro fessor Bernhard zu beeinflussen. Dem Minister blieb sonach nichts weiter übrig, als Professor Hinneberg im Abgeordnetenhaus von sich abzuweiscn. * Reichstagsersatzwahlen. Die Reichstagsersatz wähl im ersten hessischen Wahlkreise ist die 41. Ersatz wahl des Reichstags in der lausenden Legislatur periode gewesen. Das Gewinn- und Verlust konto der Parteien stellt sich wie folgt: Die Kon servativen verloren 3 Mandate an den Liberalismus, di« Antisemiten 2 Mandate an die Sozialdemokraten, l an die Nattonallibcralen, das Zentrum eins an die Nationalliberalen, die Nationalliberalen L an die Sozialdemokraten. 1 an das Zentrum, die Freisin nigen 2 an die Sozialdemokraten. Die Sozialdemo kraten gewannen st Sitze, die Nationalliberalen 3, der Freisinn 2 Mandate. * lieber Eietzen-Nidda schreibt die „Köln. Ztg ", das grösste nationalliberale Organ Les Reiches, folgendes: „Zn dem Verhalten der Gießener Nationalliberalen offenbart sich ein solches Maß von Selbstüberwindung, nationalem Gefühl und Disziplin, daß ihnen niemand die Anerkennung für den Beweis dieser Tugenden versagen kann. Tine andere Frage ist aber, ob Liese Tugenden der Gießener zur Nachahmung ausfordern, ob di« Nationalliberalen im Reiche das Verhalten ihrer hessischen Partei genossen verstehen und billigen. Da würde man die Volks st immung gründlich verkennen, wenn man nicht sagte, daß einer großen Zahl der Wähler im Reiche das stramme Eintreten für den Antisemiten im Znteresse des nationalen Rufes der Partei überflüssig erscheint, weil die Partei nicht solche Gewaltkuren zu machen braucht, um ihren robusten nationalen Charakter zu beweisen, daß aber Lie Selb st acht ung der Partei dieses bedingungslose Abschwenkenzuden An tisemiten geradezu verbieten mußte. Zn Gießen hat der Nationalliberalismus gezeigt, daß man politische Tugenden so übertreiben kann, daß sie menschlich unverständlich und zu Untugenden werden können. Der nationale Politiker mit libe ralem Herzen hätte in Gießen unseres Erachtens nichts anderes machen können, al» „Gewehr bei Fuß" Li« radikalen Gegensätze gegeneinander toben lasten. Ergriff er ein« Partei, so mußte er eine Schuld auf sich laden." Das ist eine glänzende Verteidigung der ersten Stichwahlparole der Gi«ßener National liberalen, die weithin das größte Aufsehen erregen dürfte. * Für die wahltaktische Einigung der Liberalen plädiert in warmen Worten auch die Fortschrittliche „Weserztg." Sie zählt verschiedene Gründe dafür auf und sagt am Schlüsse: „Bedarf cs noch eines Grundes für die Notwendigkeit einer Verständigung der Liberalen? Nun, so möge man auf die gestern bekannt gewordene Mobilmachung des Zen trums über ganz Deutschland und seinen innigen Herzensbund mit den Konservativen blicken. Der vereinigten Reaktion wollen die Liberalen ge spalten entgegentreten, weil sie sich über ein Dutzend Kandidaturen nicht verständigen können?" * Agrarischer Boykott. Der Hansabund hatte be reits im vergangenen Jahre auf die Tatsache eines weitverzweigten bündlerischen Boykotts hingewicsen. Zetzt schreibt uns der Hansabund: „Wieweit die Un verfrorenheit geht, mit der die Bündler boykottieren, Tageblatt. geht aus einem anonymen Brief hervor, den ein Land- wirt aus dem Kreise Homberg nach dem dortigen Kreisblatt an eine Firma in Homberg ^richte: hat. Zn diesem fordert er kurzerhand zum Boykott der Milglieder de» Hansavundes auf. Es ist wiederholt veröffentlicht worden, daß der Hansa bund seine betroffenen Mitglieder nicht im Stiche lasten wird. Zn diesem Zusammenhang muß aber aus die Feigheit einer derartigen anonymen Boykott aufforderung noch besonder» hingewicsen werden." * Die Hamburger Spionageaffäre. Das Wölfische Bureau verbreitet eine anscheinend von der Ham burger Polizei inspirierte 'Nachricht: Trotz der be stimmten Erklärung, dag die Behörden iin Interesse der Sache zurzeit noch nicht in der Lage sind, sich üver die Einzelheiten in der Spionagean- gelegenheit zu äußern, fahren einige deutsche Blätter, denen sich auch englische Zeitungen amchlreßen. fort. Einzelheiten darüber zu bringen. Diesem Trerben gegenüber muß nochmals mit aller En.jchiedenheit betont werden, daß solche Nachrichten, abgesehen von einigen schon bekannten nebenfäch- lichen Punkten, am freier Erfindung beruhen. Sobald ohne Gefährdung der Untersuchung Weiteres mitgeteilt werden kann, wird es der Oefseinlichkeit von den Behörden nicht vorenthalten werden. Bis dahin müssen sich auch die Berichterstatter gedulden. * Der Verfastungskonflikt in Mecklenburg. Da mit den mecklenburgischen Ständen eine Einigung über eine Aenderung der bestehenden Landesver fassung nicht erreichbar ist, verzichtet nach offiziöser Meldung der Landesherr auf die am 18. November vorigen Zahres herausgegebene Vor lage und behält sich betreffs einer weiteren Behandlung der Verfastungsreform freieste Entschließung vor. * Das Kamelreiterkorps in Deutschsüdwest. Der Ankauf von Kamelen für das Kamelreiter korps in Deutsch-Südwestafrika soll ein- gestellt werden. Es ist dies mit Rücksicht auf möglichste Einschränkung der Ausgaben angeordnet worden. Der Ersatz der Tiere, die für den Dienst nicht mehr brauchbar sind, soll nur durch Kamele er folgen. die in der eigenen Kamelzüchtcrei in der Nähe von Gochas, in Kallsontein, ausgezogen werden. Die in Aegypten angckauften Kamele haben sich übrigens sehr bewahrt und sind auch sehr schnell be funden worden, so daß man mit ihnen zufrieden ist. Das Kamelreiterkorps zählt ca. 120 Mann. Äuslrmü. Frankreich. * Ein Zwischenfall bei der Beratung des fran zösischen Hecresbudget». In der Vormittagssitzung der Kammer wurde am Donnerstag die Debatte über das Heeresbudget fortgesetzt. Vetoulle «Geeinigter Soz.) verlangte die Abschaffung der Uebung der Reservisten und Landwehr. Darauf kam es zu einem erregten Zwischenfall zwischen den Deputierten Colly lGeeinigter Sozi und den Mitgliedern des Zentrums, die Colly vorwarfen, daß er ein Anhänger der Desertion sei. Berteaux wies nach, daß die Uebungen notwendig seien. Sie könnten nur durch ein Grundgesetz aufgehoben werden. Betoulle bestand auf der Annahme des Zusatz- «ntrages. Die Sozialisten seien ebensogute Patrioten wie alle anderen. Das Volk werde zu allererst zu den Waffen greisen, um seine Freiheiten zu verteidigen. «Bestall auf der äußersten Linken.) Colly erklärte, die Sozialisten seien keine Anhänger der Desertion: sie wollten, daß die jungen Leute in den Kasernen blieben, um dort für den Antimilitarismus zu wirken. Wenn ein Soldat von einem Vorgesetzten /ttlttr-, März 19 l l. beschimpft »mb grschlagm» werde, solle er wieder schlagen. Kriegsminister Berteaux unterbrach Colly mit den Worten: „Ich tann nicht sagen lassen, daß Bürger in der Armee beschimpft und geschlagen werden. Wo geschieht das?" Colly er widerte: „Es geschieht alle Tage." Berteaux sagte zu Colly: „Ete irren sich im Lande." (Beifall auf verschiedenen Bänken und im Zentrum.) Colly behauptete, in Marseille beschimpfte ein Major seine Leute. Da» Amendement Betoulle wurde mit 146 gegen 118 Stimmen adgelehnt. Marokko. * Unterwerfung der aufrllhrerilchen Stämme. Aus Tanger w;rd gemeldet: Die aufrührerischen Beni- Mters und Scherarda» haben ihre Unter werfung unter der Bedingung angeboten, daß sic nur die bisherigen Abgaben zu leisten brauchen und dem Wachsen nur die gewohnte Anzahl von Soldaten zu stellen haben werden. Da die Annahme dieser Bedingungen sicher ist. werden die beiden Stämme baldigst Pardon erbitten. Türkei. " Die türkisch-französischen Verhandlungen. Die angekündigten Vorbesprechungen mit der franzö sischen Regierung über den mit dem Ab schluß der 25,- Millionen - Pfund - Anleihe kam dinierten Bau von Eisenbahnen mit einem Aus maße von 3300 Kilometern in der asiatischen und europäischen Türkei scheinen nunmehr in ein ent scheidendes Stadium zu treten. Die anatoliichen Linien sind: Samsun — Siwas. Siwas —Wan. Siwas — Erzerum sowie zwei Zweiglinien. In folge eines früheren Abkommens mit Rußland, nach dem russische Kapitalsten das Vorrecht für den Bau von Eisenbahnen in dem Becken des Schwarzen Meeres besitzen, werden diese Linien von der türkischen Regierung direkt mit Unterstützung des französischen Kapitals gebaut. In die Linien in der europäischen Türkei ist auch die Anschlußlinic an die bulgarischen Bahnen einbegriffen. — Der „Tanin" hebt die Bedeutung der mit Frankreich gleich nach dem Einvernehmen über die Bagdadbahn angeknüpften Verhandlung hervor und erklärt, auf selten der Türkei existiere kein Hindernis, daß der Vertrag noch in dieser Session der Kammer vor gelegt werde. preutzilches Abgeordnetenhaus Berlin, 23. März. Am Ministerttsche die Minister Lentze. v. Dallwitz und v. Trott zu Solz. Präsident v. Kröcher eröffnet die Sitzung 11 Uhr 15 Minuten. Nach kurzer Erklärung des Abg. Kreth sKons.) vor der Tagesordnung findet eine allgemeine B c. sprechung und die dritte Beratung de» Etats statt. Abg. v. Heydebrand (Kons.): Nach unserer Auf fassung ist die Vertretung Preußens im Bundesrat in der elsaß-lothringischen Verfassung s- frage ein Negierungsakt. der Ler Kontrolle der preußischen Volksvertretung unterliegt. Wir behalten uns vor, die Regierung zu gegebener Zeit zur Recht fertigung ihrer Haltung in dieser Frage aufzu fordern. Lurch die die Stellung Preußens im Bundesrar erheblich geschädigt wird. «Sehr richtig? rechts.) Die Regierung hat in dieser Frage einen Akt der Selbstverleugnung be gangen. Unser« Machtstellung beruht aber nicht auf Selbstverleugnung, sondern ist aufgebaut auf dem Prinzipder Autorität, (Sehr richtig! rechts.) Es erscheint mir schwer vorstellbar, welche Kon- Zessionen Preußen erhalten kann für Lie Schmäle- Fanny Lemalü. Zum 100 Geburtstage Fanny Lewalds (24. März). Sie ist schnell in Vergessenheit geraten, die arme Fanny Lewald, schneller noch vielleicht, als man an nehmen durfte, und war doch »u Zeiten ihres Lebens eine Gestalt in d«r deutschen Literatur, ja man kann sagen: eine Größe, die von den anderen literarischen Grüße,r der Zeit durchaus auf gleichem Fuße be handelt wurde. So weist denn auch ihr Freundes kreis eine Fülle von bedeutenden und inicrestanten Gestalten auf. denen sic zum Teil selbst literarische Denkmäler gesetzt hat. Zu den Dichtern, mit denen sie in näherer Be ziehung stand, gehörte vor allen Dingen Heinrich Heine, den sie in der schweren Zeit seiner unheil baren Krantheit in Paris häufig besucht Hot. Schon als sie ihn im Zähre 1848 in Gesellschaft Therese von Bacherachts, der bekannten Freundin Gutzkows, aus suchte, war es ein trauriger Anblick, der sich ihnen bot. Sich auf den Tisch stutzend und an ihm haltend, rief eine gebeugte, gelähmte Gestalt sie nnt den Worten an: „Mein Gott, wie haben Sie mich auf gefunden in dieser Zeit! Und Sie kommen zu mir und ich sehe so entsetzlich aus. Seit drei Tagen habe ich meinen Bart nicht können machen lasten, weil meine Nerven gar keine Berührung ertragen." „So schicken Sie uns fort, wenn Sic leiden!" sagten wir. „Nenn nein, bleiben Eie! Es freut mich, es er- lösten mich, es wird mich gesund machen." Als die Besucherinnen sich dann entschuldigten, daß sie sich nicht schriftlich angemeldet hatten, weil sie Heine Lie Mühe einer Antwort ersparen wollten, meinte der gerade anwesende Arzt. Heine habe gestern und heute «runden hindurch für die „Augsburger Zeitung" geschrieben! „Ach!" ries er, „ich kann nicht mehr schreiben, ich kann nicht, denn wir haben keine Zensur! Wie soll ein Mensch ohne Zensur schreiben, der immer unter Zensur gelebt hat. Aller Stil wird aufhören, alle Grammatik, alle gute Sitte! Zch fühle mich sehr un glücklich. sehr ratlos! Zch hoffe auch immer noch, es ist nicht wahr und die Zensur dauert fort." Er lachte hell und heiter, hielt sich aber dabei da» Gesicht, besten Muskeln immer zuckten, als ob das Lachen ihn schmerze. Als bei einem andern Besuche in Gegenwart Adolf Stahrs von Heines „Wintermarchen" und „Atta Troll' die Rede war. sagte Fanny, ein Wort oder ein Ausspruch von ihm habe ihr immer einen besonderen Eindruck gemacht. Er verlangte zu wissen, welcher es sei. „E, ist au» der Schilderung Luther» vor dem Reichstag, in dem Augenblicke, in welchem der Herzog von Braunschweig dem erschöpften Re formator di« Kann« Eimbccker Bier bringen läßt. Sie fügen der Erzählung des Vorganges die Worte hinzu: „Zch werde diele edle Tat dem Hause Braun schweig nie vergeßen!' Berd« Männer lachten und Heine fragte: „Aber was hat Zhnen denn daran so besonders gefallen?" „Es hat mir immer so de oaire en paire, so souverän geklungen!" entgegnete Fanny Lcwald. „Wie die Frauen Derartiges empfinden! Wie sie oft erraten, was wir selbst kaum in uns erkennen! Man sollte nicht sagen: vor populi vor dei — son dern Frauenstimme. Gottesstimme. Aber seien Sie bedankt dafür!" Zn ihren Erinnerungen erzählt Fanny Lewald auch eine höchst charakteristische Geschichte von dem alten Fürsten von P L ck l e r - M u s k a u. der eines Tages auf seinen eigenen Wunsch eingeladen war. um vei ibr den berühmten Königsberger Demo kraten Zohann Zacovy kennen zu lernen. Der Tag kam. Zacoby stellte sich ein — aber der Fürst blieb aus. Nm folgenden Morgen aber erschien er in aller Frühe, um sich zu entschuldigen: „Glauben Sie mir, auf mein Wort, ich war aus dein Wege zu Zhnen! Aber — schließlich bin ich umgedreh! — aus Mißtrauen!" „Gegen Zacoby?" „Gort bewahre, gegen mich selber!" Und nun er zählte er. er habe soviel Rühmliches von Zacoby gehört, daß ihm dieser schon im voraus gefallen habe: ^.Zch war gewiß, er würde mich mit seiner ruhigen tlvcrsc kaptivieren. Davor hatte ich Furcht! Da Hobe ich mir gesagt: Geh' ihm lieber aus dem Wege! Denn wenn er dich gewinnt, wenn du ihn auch so bedeutend findest, wie Varnhagen und wie so viele andere, so platzest du einmal bei erster Gelegenheit damit am unrechten Orte heraus, machst dir Ungelegenheit — und ja — ich bin bequem geworden! Zch bin zu feig zu Kontroversen . . Eine sehr hübsckie Geschichte erzählt Fanny Lcwald aus ihrem Verkehr mit Liszt. Man war eines Tages auf der Altenburg zum Besuch der Fürstin Wittgenstein gewesen; als man wieder aufbrach, harte cs in Strömen zu regnen begonnen. Es war aber nur ein kleiner Zweisitziger Wagen vorhanden, in dem nur eben Raum für Frau Lewald und Therese von Bachcracht, die ein pompöses Schleppkleid trug. Als die beiden Frauen in dem Wagen untergebracht waren, machte Liszt Anstalten, ebenfalls einzusteigen. „Das ist ja unmöglich!" riefen beide ans. „Sie können sich hier nicht unrerbringen." „Was he.ßt Zhr pas monen de se surrer l» de- dans?" entgegnete er laut lachend. „Wenn S,e einen großen Pudel hätten, wäre schon Platz für ihn!" und rasch hincinspringend setzte er sich, seine Füße unterschlagend, wie ein Türke auf den Boden nieder und rief: „Nun stellen Sie sans gcne ihre vier med- lichen Füße auf mich: dabei werden Sie sich wunder bar befinden, und ich werde vor dem schrecklichen Regen sicher sein." L. k. Kunst unü Wistenfchüst. d. Beim zweiten Leipziger Bachsest. das vom 20. bis 22. Mai 1911 statlfindct, werden neben der Zobannispassion folgende auf einem Bachfest bisher noch nicht gehörte Chorwerke 'vr Aufführung ge langen: „Traucrode", „Der Himmel lacht". „Himmel- fahrtsoratorium", „Sie werden ans Saba alle kommen". p. Das 18. anhaltische Musikfest wird, wie jetzt endgültig festgesetzt ist, Sonnabend und Sonntag, den 13. und 14. Mai d. I., im Kurhaussaale in Bern burg stattfinden. Zur Aufführung gelangen: nm ersten Tage: zum Gedächtnis am Franz Liszt, in deßcn 100. Geburtsjahre wir stehen, besten sinfo nische Dichtung ..Festklänge", sowie sein 13. Psalm, ein schönes Werk für großes Orchester. Chor nnd Tenor - solo: serncr Richard Stranß' «ymphonia Domestika. Am zweitenTage werden arstgesührt Beethovens Neunte Sinionie. Richard Strauß' „Wanderers Sturm lied" (sechsstimmiger Chor und großes Orchester), Sologesänge, nnd rum würdigen Schluß die Schluß szene aus den „Meistersingern". — Mil den aus- sührenden Solisten schweben zurzeit noch Verhand lungen. Der Chor fetzt sich zusammen aus dem Bachverein-Köthen, der Singakademie-Dessau, dem Zähningschen Gesangvereine Zerbst und dem Gesang vereine Bernburg. Das Orchester stellt die Dessauer Hoikapclle. Die Leitung hat wieder Hoftapellmerster Mikorey übernommen. * Eine berühmte Gemäldesammlung, die des Kommerzienrats Sturm in München, eine der be deutendsten Pnvatmmmlungcn des Kontinents, lommt dort Mitte Oltober in der Galerre Helbing zur Versteigerung. Die Kollektion umfagl nur Arbeiten hervorragender Meijler wie Böcklin, Def regger, Dietz, Israels. Fritz August von Kaulbach. Mar Klinger. Ludwig Knaus. Leibl, Leijttlow. Lenbach, Mar Liebermann. Munkacly, Schreyer, Segantini, Sprtzwcg, Stuck, Thoulow, Hans Thoma, Wilhelm Trübster, Uhde und vieler anderen * A:i» Fritz von Uhdes Nachlaß, der mit all seinem reichen Besitz an Kunstwerken eigener nnd fremder Hand jetzt aufgelöst wird, ist soeben eines der bemerkenswertesten Bilder nach Berlin gelangt. Ein Berliner Kunstmaler erwarb das bekannte Bild des damals 32jährigen Liebermann, den kleinen Iesns unter den «christgelehrten, aus dem Jahre 1879. Das Bild ist in der Berliner Sezession zu sehen. Der Verkaufspreis betrug 40000 * Zum KN. Geburtstag Karl v. Perfalls haben einige rheinische Schriftsteller eine Festgabe heraus gegeben (Verlag der Aubeldruck-Anstalt Köln-Linden- thal). Außer Beiträgen, die über Perfalls schöpferische und kritische Tätigkeit handeln, sind in diesem Buch auch Beitrage von Pcrsall selbst enthalten. Am An fang steht eine kleine Sclbstbiographie des Dichters und Kritikers. Den Schluß bilden beinahe 30 Seiten Aphorismen, die aus Karl v. Perfalls Schriften ausgewählt sind. (:> Der Urlaub des Hofopernsängers Scmbach der ibm von der König!. Generaldirektion auf die Dauer eines Jahres erteilt worden ist, hat zu mannigfachen Erörterungen in der Presse Anlaß gegeben. Herr Sembach teilt nun infolgedessen nnt. daß er sich in der Kaskelschen Oper „Der Gefangene der Zarin" überanstrengt hatte und sich Schonung auferlegen mußte. Er ist aber völlig wiederher gestellt. Den einjährigen Urlaub will Herr Sembacki zu einem Studium dei Jean de Reszke in Paris verwenden. r. Lüppcrtz-Konzert. Zugunsten der Hinterbliebenen des Opernsängers Lüppertz veranstalten die Solo Mitglieder der Leipziger Oper und das Gewandhaus Quartett am 31. Mürz in der Alberrhallc einen Kon erlabend. (Der Vorverkauf beginnt am Sonn abcndnachmittag bei Klemm und Pölich. Alles Nähere siebe Inserat.) I. Wertvolle Frühdrucke, große Seltenheiten der Rcformationsliteratur, Werte der Theologie und Philosophie des 10. Jahrhunderts, gelangen nach deni vorliegenden Aultionskatalog am 30. u. 31. März im Antiquariat von Oskar Weigel in Leipzig. Königstraße, zur Versteigerung. Am 28. u. 29 Mär; werden zahlreiche Werte aus allen Wissenschaften versteigert, darunter ebenfalls bemerkenswerte Selten heiten. dt. Hockschulnachrichten. An der Universität Je na sind d'e Piivatdozenten Dr. E. Frev für Parma lologie und Toxikologie und Dr. R. Mare für physikalische Chemie zu außerordentlichen Professoren ernannt worden. — Profestor Dr. Jonathan Zenneck in Ludwigshafen, früher Ordinarius für Physik an der Technischen Hochschule in Braunschwei-, ist zum matmäßigen Professor der Physik an der Technischen Hochschule in Danzig als Nachfolger von Professor Wien ernannt worden. — Der Privatdment für Physiologie an der Universität Rostock Profestor Dr. H. Winterstein wurde als Nachfolger von Pro fessor Naael auf den Lehrstuhl des gleichen Fachs be rufen. — Die Universitäten Paris. Upsala. Glasgow und Edinbonrg sowie die Niederländische Akademie der Wistemchaften werden zu der vom 1. bis 3. August stattfindendcn Feier des lOOjädrigen Bestehens der Breslauer Universität Vertreter entsenden — Der Privardozent für Meteorologie in Innsbruck Dr. H. von Ficker wurde zum außerordentl chen Professor an der Universität Graz ernannt. — Die Universität Bern beabsichtigt eine handelswissen- schastltche Professur einrurickten. — Der französische Historiker Gabriel Monod, Profestor für allgemeine Geschichte und geschichtliche Methotik im Kolleg de Francs in Paris tritt von seinem Lehramte zurück, um sich seinen wissenschaftlichen Arbeiten zu widmen.
- Aktuelle Seite (TXT)
- METS Datei (XML)
- IIIF Manifest (JSON)