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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.03.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110308018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911030801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911030801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-03
- Tag 1911-03-08
-
Monat
1911-03
-
Jahr
1911
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Leutlcher Reichstag. 141. Sitzung. T. Verl»». 7. März. (Priv -Tel.) SttmmungsvUü. Die Militäretatberatung neial dem Schlüsse zu, nur noch Tempelhofer Feld, dann hat Heermgen Ruh, und Krätk«, der Herr des Post wesens, muß sich auf der Auskunftsbank neederlassen. Der Saal ist mäßig besucht, die allgemeine Tribüne dagegen und die Bundesratsloge fast übervoll. Zu nächst kommen zwei Mitglieder der Fortschrittlichen Volkspartei zu Wort. Äbg. Dove behandelt die etatsrechtliche Seite des großen Grundstücksverkauss, wobei er sich aus das Gutachten Labands stützt, der ein Genchmigungsrccht des Reichstags annimmt. Abg. Wiemer bringt dann die Sorgen und Wunsche der Stadt Berlin vor. Seme Worte sind ge mäßigt und zurückhaltend, Er weis; wohl, daß in diesem Hause keine Mehrheit für Berlin vorhanden ist. Er legt den Hauptwert auf den Hinweis, daß Berlin leistungsfähig genug wäre, um einen Be bauungsplan nach wirklich modernen Grundsätzen mit viel Lust und Licht durchzuführen. Ist es nur ein rhetorisches Mittel, oder glaubt er ernstlich daran, daß eine Einflußnahme Berlins auf das schon ver kaufte Gelände immer noch möglich ist? Jedenfalls meint der Redner, es seien noch jetzt Vereinbarungen mit der Gemeinde Tempelhof und mit dem Kreise Teltow durchführbar. Wir glauben das nicht. Hoffen macht in diesem Falle zum Narren. Abg. Erz berger (Ztr.) läßt keinen Zweifel darüber, wie die Mehrheit des Reichstags denkt. Auch er sucht die Schärfe zu vermeiden, aber daß der Verkauf rechts gültig^ und Berlin nichts mehr zu erwarten habe, steht für ihn fest. Gegen eine Verständigung zwischen Verls, und F^mpelhofer Feld hat er nichts einzuwen den, nur gehe das dem Kriegsminister nichts an. Abg. Richthofen (Kons.) äußert sich ähnlich. Für Berlin kämpfen Fischer, Ledebour und Wi«- mer, auf der Regierungsseite Kriegsminister von keeringen und Schatzsekretär AVermuth. Bei der Ab stimmung wird die von der Bolkspartei eingebrachtc Resolution, in neue Verhandlungen mit Tempelhof ejnzutrete», abgelehnt und die Resolution der Budget- kdmmission angenommen. Damit ist der Militäretat in zweiter Lesung bewilligt. Es folgt sodann die dritte Lesung des Gesetzes über die Friedenspräsenz stärke des deutschen Heeres. Das Gesetz wird ohne Debatte angenommen. Morgen: Postetat. Sitzungsbericht. Am Bundesratstische: Kriegsminister von Heeringen und Staatssekretär Wermuth. Präsident v. Schwerin-Löwitz eröffnet die Sitzung 2 Uhr 17 Min. Die Beratung des Militäretats wird bei den Einnahmen Verkauf des Tempelhoser Feldes fortgesetzt. Vizepräsident Dr. Spahn rügt zunächst aus Grund des Stenogramms mehrere Zwischenrufe, die am Freitag voriger Woche vom Abg. Huö getan worden waren. Abg. Dove (Fortschr. Vpt.): Di« Frage, ob der Verkauf des Tempelhofer Feldes rechtsgültig ist, ist noch nicht geklärt. Sowohl in der Tages- presse wie in der juristischen Fachpresse gehen die Ansichten darüber auseinander. Wir verlangen, daß bei der Veräußerung des Tempelhofer Feldes das Öffentliche Interest« gewahrt werde. Zn Zukunft, namentlich beim Verkauf von Festungsterrain, muß uns die nötige Handhabe gelassen werden. Die R e. solution der Budgetkommission, in der verlangt wird, daß der Verkaufspreis für das Tempelhofer Feld durch di« Art der Bebauung dem Reiche nicht verkürzt werde, ist durchaus an- n e b m b a r. Abg. Dr. Wiemer (Fortschr. Vpt.) begründet die Resolution seiner Partei, den Reichskanzler zu er- suchen, im Interesse einer großzügigen, den Forde rungen des öffentlichen Wohles entsprechender? Be bauung des Tempell>ofer Feldes etwaige Bestrebungen bei Herbeiführung einer Verständigung zwischen den Beteiligten und der Stadt Berlin unter der Voraus- setzung zu unterstützen, daß das Verkaufsrecht für das Tempelhofer Feld dem Reiche nicht verkürzt werde. Redner führte aus: Die Resolution der Budget- kommission rennt offene Türen ein. Für den Kriegsminister ist allein das fis- kalische Interesse ausschlaggebend, und das Zentrum schließt sich dem an. sHört, hört!) Das öffentliche Interesse ist weder durch den Ver - kaufsoertrag noch durch den Tempelhofer B«- bauungsplan genügend gewahrt. Nur eine leistungsfähig« Gemeind«, di« nicht geschäftliche Rück sichten, sondern allein das öffentliche Wohl in den Vordergrund stellt, kann «inen derartigen Plan durch führen. Di« Vorwürfe, Berlin habe es an dem er- forderlich«« ernsten Willen fehlen lassen, entbehren jeder Begründung. Die Abneigung gegen den „W asserkopp Berlin" zeigt sich in dieser Frage recht deutlich. Dabei wird gairz übersehen, daß Berlin für di« Allgemeinheit bei weitem die größten Opfer bringt. Auch bei der Bebauung des Tempel hofer Feldes sollten alle spekulativen Momente aus geschaltet lverden. (Beifall links.) Abg. Erzüerger (Ztr.): Die Auffassung, daß der Verkaufsvertrag erst nach Zustimmung des Reichs- tages rechtsgültig sei, ist n i ch t haltbar. D«r Ab- schluß dieser Verträge ist im Nahmen der betreffenden Gesetze erfolgt. Irgend ein Gesetz ist verletzt worden. Für di« Zukunft wäre ein« andere gesetz lich Grundlage erwünscht, und der Bundesrat sollte baldigst ein Etatbewirtfchaftungsgesetz vorlegen. Angesichts der Größe des Objektes hätte dem Reichs tage Gelegenheit gegeben werden sollen, sich zu äußern. Daß man Berlin niemals ein Entgegenkommen ge zeigt habe, trifft nicht zu. Solange das Tempelhoser Feld nicht bebaut werden durfte, sträubte sich Berlin wegen der Chaussee-Unterhaltungskosten. Jetzt aber, wo es einen Gewinn daraus ziehen will, beklagt es sich über Zurücksetzung. Wenn Tempelhof und Berlin üch einigen können, dann haben wir keinen Anlaß, de» Wünschen Berlins entgegenzutreten. Ob Berlin lasser bauen würde als Tempelhof, ist zweifelhaft. (Beifall im Zentrum.) Abg. Frhr v. Richthofen (Kons.): Der Ton der lreutigen Versammlung ist erfreulicher gegenüber der Stimmung in der Öffentlichkeit. Der Resolution der Buogetkommission stimmen wir zu. Die in der fortschrittlichen Resolution geforderte Re- vikion der abgeschlossenen Verträge ist nicht angängig. Kommt eine Verständigung zustande, so haben wir nichts dageaen einzuwenden. Abg. Fischer (Soz): Der gesunde Menschenverstand muß doch verlangen, daß, wenn di« «tatsmäßigen Ein- nahmen zu genehmigen sind, der Reichstag auch dabet mitzureden hat, auf welche Weise dies« Einnahmen zustande kommen. Trotz der Erklärung des Kriegs ministers, daß kein« Verträge abgeschlossen würden, ohne den Reichstag zu befragen, ist der Erkauf doch ohne weiteres erfolgt. Da» Zentrum tritt dem Kriegsminister uneingeschränkt bei, un. bekümmert um sein« Haltung dem Staatssekretär Dernburg gegenüber, dessen Verträge mit Kolonialgesellschaften, die völlig analog diesen Per- kaufsoerträgen waren, für ungültig erklärt werden sollen. (Sehr richtig!) Daß Berlin früher die Eingemeindung abgelehnt hat, ist eine Folg« seiner kurzsichtigen Verwaltung. Die Eingemeiiidung wäre ein Akt der Pflicht gewesen. Das Interesse Berlins ist vom Kriegsminister gar nicht gewahrt worden. Für ihn war das Geschäft lediglich eine Geldfrage. Am selben Abend, als der Kriegs- Minister dem Berliner Magistrat mitte'.lte, zu Verhandlungen bereit zu sein, erteilte er die V o l l m a ch t z u m Abschluß des Kaufes an Tempelhof. (Lebhaftes Hört, hört!) Das ist doch ein unlöslicher Widerspruch. Wenn man Berlin einen Vorwurf machen kann, so ist es der, daß es nicht verstanden hat. rechtzeitig den Bebauungsplan ver- zulegen. Unglaublich ist der Kontrakt Temvelhofs mit der Deutschen Lank. Nur die Deutsche Bank hat Rechte, Tempelhof hat die Pflichten übernommen. Dann ist cs bei diesem neuen ,-lädiebau dringend notwendig, allen hygie nischen Anforderungen zu entsprechen, will man sich nicht eines Verbrechens an der Volksgesundheit schuldig machen. (Sehr richtig!) Wer den Reso lutionen zuftimmt, erkennt die Gültigkeit des Ver- kaufsvcrtrages an. Die Entschließungen des Krieas- ministers sind von hochgestellten Persönlich keiten, die an dem Spekulationsgeschäft interessiert sind, beeinflußt worden. Kriegsminister v. Heeringen: Mit Herrn Haber land haben wir niemals verhandelt, wie auch nie mals hochgestellt« Persönlichkeiten Einfluß auf unsere Entschließungen gehabt haben. Bei den Vorhand lungen haben wir uns lediglich von diesem all gemeinen Interesse leiten lassen. Eine Gartenstadt dort auf Kosten des Reiches anzulegen, litten wir kein Recht. Vom 1. April ab ist T e m p e l h o f Be sitzerin des Feldes. Einseitig den Vertrag ab- zuändern ist uns nicht möglich, das wäre ein Vertrauensbruch Tempelhof gegenüber. Die östliche Hälfte des Feldes ist aus militärischem Interesse nicht zu entbehren. Daß den Berlinern di« Lunge ge nommen werde, ist eine grenzenlose Ueber- treibung. Bei den ganzen Verhandlungen haben wir durchaus sachlich im Interesse des Reiches ge handelt, ohne jede Feindseligkeit Berlin gegenüber. Wir haben geradezu eine Engelsgeduld mit Berlin gehabt. Wir hätten gern mit Berlin ab- geschlossen, wenn uns die Möglichkeit dazu gegeben worden wäre. (Beifall.) Abg. Dr. Weber (Natl.): Durchaus geklärt ist die etatsrechtlich« Frage trotz der Ausführungen des Abg. Fischer nicht. Das Gutachten der bekannten und berühmten Autorität La band führt zu höckst eigentümlichen Konsequenzen, denen wir nur ent- gegentreten können, wenn endlich ein Gesetz über die Ausgaben und Einnahmen des Reiches zustande gebracht wird. Den Vertrag mit Tempelhof halten wir formell juristisch für unan fechtbar. Daran hallen wir fest, auch wenn wir für die Resolution Wiemer stimmen. Polemik gegen die Stadt Berlin liegt mir fern. Ob Berlin in allen Stadien richtig gehandelt hat, : illssen wir dem Urreil der beteiligten Instanzen überlassen. Wenn cs oem Kriegsminister möglich wäre, eine Erweiterung der freien Straßen und Plätze zu erreichen, dadurch, daß er Len Wünschen bezüglich der Abtretung eines Streifens vom östlichen Teile des Feldes entgegen kam, so würde man das immerhin begrüßen können. Verhandlungen mit diesem Ziel würden wir aufs leb hafteste wünschen. Die W o h n u n g s v e r h ä l t- niss« Berlins sind insbesondere in den Hinter häusern und auf den Höfen keine günstigen. Hier ist es das Recht desNeichstags, aus «ine Besserung hinzuwirken, und die Pflicht auch der Reichsregierung, dabei mitzuhelfen. Wir wiederholen den Wunsch, daß der Kriegsminister trotz seiner ablehnenden Erklärung sich die An knüpfung neuer Verhandlungen ange legen sein iasse, denn Voraussetzung für jede Ver handlung zwischen Berlin und Tempclhof ist, nach dem abgeschlossenen Vertrage, di« Zustimmung des Kriegsministers. Staatssekretär des Rcichsschatzamtes Wermuth: Die große Mehrheit des Reichstages ist mit den ver bündeten Regierungen darin einig, Laß di« Rechts gültigkeit des Vertrages nicht von der Zustimmung des Reichstages abhängig ist. Daß die verbündeten Regierungen ihren etatsrechtlicheu Verpflichtungen nachgekommen sind, ist unbestritten: es ist bei G-e- legenheit des Nachtragsetats 1909 und den damaligen Erörterungen de» Kriegsministere geschehen. In welcher Weise das hier gewünschte Gesetz über die Einnahmen und Ausgaben des Reiches und den Rech nungshof Remedur in solchen Dingen schaffen kann, vermag ich nicht zu sagen. Ich mache weiter darauf aufmerksam, daß seit 1870 der Verkauf einer ganzen Reihe von Festungswerken erfolgt ist. Die hierbei erzielten Summen übersteigen beträchtlich die 72 Mil lionen, die bei dem Tempelhoser Felde in Frage kom men. Der Reichstag hat bei allen diesen Gelegen heiten irgendeine Einwendung zu erheben weder für nützlich noch für zulässig erachtet, noch ist kettens eines Gründbuchrichters oder Prozeßrichters eine Eintra gung abgelehnt worden, mangels der Genehmigung des Bundesrats und des Reichstags, und ich möchte lebhaft wünschen, daß nicht etwa die jetzt gepflogenen Erörterungen und die entgegenstehenden Rechtsgutach ten zu irgendeiner Veränderung der bestehenden Praxis führen möchten. Abg. Arendt (Rpt ): Einer Verständigung zwischen beiden Gemeinden würden wir mit Freuden zustimmen, wie es überlxmpt erwünscht wäre, zu einem Reichswohnungsgesctz zu kommen. Für den Reichstag und den Kriegsminister ist das Geschäft erledigt und rechtskräftig. Der Resolution der Kommission stimmen wir zu. Die fortschrittlich« Resolution ist überflüssig. Eine prinzipielle Ab neigung gegen Berlin besteht wohl nirgends. Daß Berlin das Tempelhofer Feld ohne Eingemeindung nicht gebrauchen kann, ist einleuchtend. Ein weiteres Entgegenkommen Berlin gegenüber wäre nicht mög lich, sollte nicht das Interesse des Reiches gefährdet werden. Dem Kriegeminister zollen wir voll« An erkennung für die Behandlung der ganzen Frage. (Beifall.) Abg. Ledebour (Soz): Wohl wär« nichts gegen «inen Verkauf «inzuwenden gewesen, wenn «in äußerer zwingender Grund Vorgelegen hält«: ein solcher lag aber nicht vor. Deshalb durfte der Reichstag nicht aushefchalt«t werden. Der Kriegs- Minister sollt« Fühlung mit der Stadtverwaltung nehmen, allerdings nicht in der Weise, daß er einen Brief an die Frau eines Stadlrats schreibt. (Große Heiterkeit.) Die Bevölkerung muß darüber aufgeklärt werden, daß die B.Hörden nichts für das öffentliche Interesse tun. wenn sic nicht ungeheure Geldsummen dasür ein- sacken. Wir werden nur eine Resolution annehmen, die ein« Klärung der Rechtslage vorsieht und im übrigen das Volk aufklären. Kriegsminister ». -»«ringe«: ^)aß Berlin von uns sozusagen übers Ohr gehauen worden sei, wüt' ich auf das entschiedenste zurück Wir haben «ns Berlin gegenüber stet- entgegenkommend «zeig: nd stets durchaus sachlich verhandelt. (Beifall.) Abg. Dr. Wiemer (Fortschr. Vpt ): Ich bitt« Si«, unsere Resolucion anzunehmen, dadurch wird eine Verständigung ermöglicht. Damit schließt di« Debatte. Die Resolution der B u d ge t k o m m i sl i o n wird angenommen, di« der Fortschrittlick)«n Volkspartei abgelehni Die Einnahmen d«s Militäretats werden bewilligt. Die Petitionen werden entsprechend dem Antrig« der Kommission erledigt. Damit ist der Mili» äretat bewilligt. Es folgt sodann die dritte Lesung des Gesetzes über di« F r i e d e n s p r ä s« n z st ä r k e des deutschen Heeres. Das Gesetz wird ohne Debatte definitiv angcnomme n. Der Etat für das Reichsmilitär gericht passiert ohne Debatte. Daraus wird ein Vcrlagungsantrag angenommen. Nächste Sitzung Mittwoch 1 Uhr. Auf der Tages ordnung sieht der Postetat. Schluß gegen 8 Uhr. preußisches Abgeordnetenhaus Berlin, 7. März. (Tel.) Haus uud Tribünen sind gut besetzt. Am Minister tische Ministerpräsident o. B e t h m ä n n - H o l l w e g und Kultusminister v. Trott z u S o l z. Präsident v. Kröcher eröffnet die Sitzung 11 Uhr 15 Minuten. Die zweite Beratung Les Etats wird beim Kultusetat fortgesetzt. Zur Geschäftsordnung erklären Zedlitz (Freikons.j, Porsch (Ztr.) und Friedberg (Natl.), über den P r o f e j j o r e n st r e i t in der allgemeinen Debatte nicht sprechen zu wollen. Abg. v. Heydebrand: Wir begrüßen es mit Freude, daß die Mittel für geistige Arbeit und geistigen Fortschritt in diesem Etat verstärkt worden sind, besonders für das Elementarschulwesen. Ebenso ist es erfreulich, daß eine Million neu einge stellt worden ist für die F ü r s o r g e der schul entlassenen Jugend. (Bravo!) Die Aus gaben für geistige Zwecke betragen jetzt 260 Millio nen, gegen 110 Millionen im Jahre 1900. Das kann sich sehen lassen. (Bravo!) Kein Staat leistet darin ebenso viel, wie Preußen. Preußen leistet mehr, als sonst ein Staat in der ganzen Welt. (Sehr richtig! rechts.) Dabei ist Preußen nicht reich. Wir können mit Stolz sagen, daß es hier nicht zurückbleibt, sondern vorangeht. (Lebhaftes Bravo! rechts.) Die Lasten der Einrichtung tragen im wesentlichen die Besitzenden. (Sehr richtig! rechts.) Wir haben gegenwärtig eine ausgezeichnete Verwaltung des Kultusetats. (Bravo! rechts.) Die Frage de« Moderuisteneides gehört in erster Linie in das religiöse Gebiet. Es werden aber dadurch auch staatliche Interessen be rührt. Wir unterstützen die Auffassung des Ministers, der zunächst eine abwartende Stellung ein nimmt. Die Forderung, daß die L e h r e r, die den Modernisteneid leisteten, von dem Unterricht in Deutsch und Geschichte ausgeschlossen werden sollen, geht zu weit. Im Interesse des Friedens können wir nur wünschen, Laß sich eine der artige Praxis ändern möge. (Sehr richtig! rechts.) Wir wollen keinen Zweifel darüber lassen, daß wir den Staat «chützende Interessen mit der selben Ruhe und ohne Schärfe, aber auch ohne Schwäche vertreten. (Lebhaftes Bravo! rechts.) Die Regierung wird hier unserer Unterstützung sicher sein. (Lebhaftes wiederholtes Bravo! rechts.) Hieran schloß sich die bereits im gestrigen Abend blatt in ihrem Hauptteil von uns gemeldete Rede des Ministerpräsidenten v. Bethmann Hollweg. Der Schluß dieser Red« lautete: Der Staat wird sich gezwungen sehen, auf Geist liche, die den Modernisteucid geleistet haben, bet Soldanstellungen zu verzichten, dagegen die vereiis Angestellten in ihrer Stellung zu belassen. Die Gesandtschaft beim Vatikan hat uns wiederholt gute Hilfe geleistet. Ihre Aushebung würde auch die Interessen der katholischen Bevölke rung, die ihre Aufrechterhaltung wünscht, unberück sichtigt lassen. Allerdings kommt es den Gegnern der Gesandtschaft zugute, wenn von den guten Diensten der Gesandtschaft für die Aufrechterhaltung der guten Beziehungen jo wenig Gebrauch gemacht wird, wie es in der letzten Zeit vom Vatikan der Fall war. Die Vorstellung, daß die Negierung vor einer ernsten Auseinandersetzung mit Rom zurückgeschreckt ist, ist falsch. Ich erinnere daran, daß auch Fürst Bismarck im Kultur kampf seinen Frieden mit Rom geschlossen hat. Alle Parteien werden dem Naterlande den größten Dienst leisten, wenn sie bestrebt sind, alles zur Aufrecht erhaltung des Friedens zu tun, solange es ohne Minderung der Interessen des Staates und seiner Würde gesehen kann. (Lebhafter Beifall.) Abg. Dittrich (Ztr.): Ueber das, was der Herr Abgeordnete v. Heydebrand und der Herr Minister präsident von dem Verhalten der Kurie sagten, kann ich nicht sprechen. Das verbietet mir meine Stellung. Beite Herren Redner haben di« Ange legenheit in Ruhe und mit Sachlichkeit behandelt. Ich hoffe, daß die Besorgnisse über das Verhalten der Kurie aus ein Minimum reduziert worden sind. Der Modernismus bedroht in Italien die Grundlagen der katholischen Glau benslehre, in Wahrheit das Christentum selbst. Daraus ist das Eingreifen des Papstes zu erklären. Als sich die Agitation von Vereinen, Ver sammlungen und Broschüren steigerte, wurde der Antimodcrnisteneid gefordert, um der Gefahr zu be gegnen. Der Eid hindert nicht diewissen- sch östliche Tätigkeit. Die historische For- schungsmcthodc braucht unter dem Eid nicht zu leiden. Der katholische Geistliche kann den Unterricht in Geschichte und Deutsch weiler erteilen. Unsere Auffassung ist ebenso berechtigt, wie die andere. Man kann uns nicht aus der Welt schassen. Wir müssen lernen, uns gegenseitig zu achten und zu respektieren; so werden wir miteinander nur aus komme». Abg. ». Lampe (Natl.): Es bleibt nicht wünschenswert, daß katholische Geist liche in Deutsch und Geschichte unter richten, cs ist aber erfreulich, daß die Konserva tiven das Rechl der evangelischen Kirche des deut schen Volkes schützen wollen. Wir wollen jede Frage ausschalten, die einen neuen Kulturkampf herbei führen könnte, und wünschen, daß wir gegenseitig mit Vertrauen uns entgegenkommen können. Wir werden aber auf Angriffe der päpstlichen Kundgebungen nicht stillschweigen, und freuen uns deshalb, daß der Ministerpräsident in da» Spiel der Kurie hineingeleuchtet hat. Endlich einmal muß der politisck)« Verkehr aus hören, bei dem man sich auf die Angaben der andern nicht verlassen kann und jedesmal eine schriftliche Bestätigung verlangen muß. (Sehr richtig! link» ) Ein Geistlicher, dem durch einen ständig sich wieder holenden Eid das wissenschaftliche Rückgrat gebrochen wird, kann nicht Dozent werden. Dies widerspricht der Verfassung. Di« Regierung hat ihre Pflicht nicht getan. da sie zu spät eingegriffen hat. Zur Beurteilung der Frage, ob die Fakultäten aufzulösen seien oder nicht, müssen wir wissen, wieviele Professoren den Ei) ge leistet haben. Wichtiger ist die Frage Les höheren Schulwesens, wo die Kurie keine Zugeständnisse gemacht hat. Es handelt sich hier um die Frage, ob der 2 t a a r H e r r in seinem Hause bleiben soll. Wir wollen den Frieden, werden aber nicht dulden, daß die grund legenden Ansprüche des Staates auf die schule preis gegeben werden. Der Kurie gegenüber müssen wir eine Politik der Energie und der Tat einschlagen. (Beifall bei den Nationalliberalen.) Abg. v. Kardorff (Freikonj ): Wir sind mit den Ausführungen des Ministerpräsidenten durchaus einverstanden, und hoffen, daß die ernste und feste Sprache den erforderlichen Eindruck auf die Kurie machen wird. (Beifall rechts.) Mircn beizeiten energische Töne angeschlagen worden, so wäre d«r S i l v e st e r b r i e f des Papstes uns e r - spart geblieben. Wir wünschen, daß die katho lischen Fakultäten bestehen bleiben. Was den Unter richt der geistlichen Lehrer betrifft, so halten wir über kurz oder lang im Interesse der evangelischen Kinderanstalten und der Geistlichen eine reinliche Scheidung für geboten. Die Bestimmungen be treffs Versetzung und Entlassung von katho lischen Geistlichen bedürfen einer Aenderung, da der Willkür des Bischofs zuviel Spielraum gelassen ist. Wir wollen einen konfessionellen Frieden, aber keinen faulen Frieden, der darin besteht, daß die Staatsregierunq immer einen Schritt zurückweicht. Wir wollen hoffen, daß die heutige Verhandlung dazu beiträgt, Mißver ständnisse zu beseitigen und den Frieden zu fördern. (Beifall rechts.) Abg. Funck (Freis.): Es erscheint zweifelhaft, ob die zurückhaltenden Erklärungen des Ministerpräsidenten diejenige Beruhigung im Lande Hervorrufen, die erwartet wird. Bei der Besprechung der Enzyklika befleißigten sich Konservative und Zentrum einer großen Zurückhal tung. Das Verhalten der Konservativen trug Früchte, indem in Rom die Auffassung erweckt wurde, daß das Zentrum wieder die regierende Partei sei. Deshalb sind auch die Konservativen in gewissem Sinne an dem Vorgehen des Vatikans mitschuldig. Die Aufrechterhaltung der G e s a n d 1 s ch a f t beim Vatikan ist ein dauerndes Canossa. Wir wollen auch den Frieden, aber der konfessionelle 5iader wird nicht beseitigt werden, ehe eine scharfe Abgrenzung der Kompetenzen von Staat und Kirche erfolgt und unsere Forderung am An erkennung der staatlichen Oberhoheit über die Kirche erfüllt wird. (Beifall links.) Abg. Stqchel (Pale): Der Modernisteneid ist eine innere Angelegenheit der katholischen Kirche. Die Hetze gegen den Cid ist erklärlich. Man ärgert sich über die Macht der katholischen Kirche. Diese Macht will man brechen. Hierauf wurde die Weiterbcratung auf Mittwoch, 11 Uhr vormittags, vertagt. Schluß der Sitzung nach 4 Uhr. Tsgesüironik. Berlin, 7. März. (Tödlich verunglückt.) Der achtjährig« Sohn Robert des iilKrkmeisters Schulhauser wurde beim Spielen auf der Kleinbahn an der Forststraße von einer Kipplore erfaßt und starb kurz darauf. Hamburg, 7. März. (Der sprechende Hund.) Das erste Erscheinen des berühmten sprechenden Hundes „Don" vor dem Hamburger Publikum ge staltete sich zu einem großen Erfolge. Am Sonnabend und Sonntag war die Ernst-Merck-Hallc des Zoologischen Gartens von annähernd 5000 Per sonen besucht. Gleich die ersten, den Abonnenten und Aktionären des Gartens reservierten Vorführungen am Sonnabendabend, die von etwa 2000 Personen besucht waren, lösten wahre Beifallsstürme aus, als der Hund, der sehr gut disponiert war, seine bekann ten Worte: „Don", „Hunger", „haben", „Kuchen", „Ruhe" immer wieder so deutlich zu Gehör brachte, und mit jo klangvoller Stimme, daß sie bi.- in die entferntesten Ecken des großen Saales, der sich nicht gerade durch gute Akustik auszeichnei, genau verstan den wurden. München, 7. März. (Der Prinzregent) überwies der Stadtgemeind« 10 000 Ü zur Verteilung an besonders bedürftige A r m e an seinem Geburts tage. Ostheim, 7. März. (Bluttat.) Der Tagelöhner P. Heck brachte seinem Stiefsohn L. --t o ck im Ver laufe eines Streites mit einem Beil eine klaffende Bru st wunde bei. Der Täter ist flüchtig. Innsbruck, 7. März. (Bei dem gestrigen L a w i n e n u n g l ü ck) in der Nähe von Kuehfai ist der bekannte Touristenwirt Hell verunglückt. Seine drei Begleiter konnten sich rechtzeitig in Siä)erhcit bringen; die Leiche ist noch nicht geoorgen. Paris, 7. März. (Vatermord aus Hab gier.) Ein OOjähriger Beamter der Staatswest bahn, namens Hamet, geriet auf seinem in der (Oegend von de Mans gelegenen Pachthof mit seinem 26jährigen Sohn Henry wegen einer Geldangelegen heit in Streit. Der Sohn zog plötzlich einen Revolver und gab drei Schüsse gegen den Hopf des Vaters ab. Der alte Mann brach tot zusammen. Der Sohn eilte darauf zum Arzt und forderte diesen auf, den Tod seines Vaters zu konstatieren. Er erzählte dem Arzt, daß sein Vater Selbstmord verübt habe. Der Arzt erkannte jedoch, daß Mord oorlag, und erstatten: Anzeige. Pest, 7. März. (Der Roman einer Büfett mamsell.) Das junge Leben der kleinen Hilfs schauspielerin Anna Kö, die vor einigen Tagen den fünffachen Millionär Stefan von Bamberger heiratete, ist ein wahrer Roman, wie er nicht schöner erdacht werden könnte. Anna Kö ist eine geborene Bauerndirne, und ihr Vater war knapp bis zur glänzenden Vermählung seiner Tochter Bahnwäcbtsr. Als Anna Kö zuerst nach Pest kam, um einen Dienst zu suchen, ging es ihr so schlecht, daß sie zwei Nächte hindurch als Büfettmamsell in einem Nachtlokal dienen mußte, um ein paar Kronen zu erwerben und den Hunger zu stillen. Der Schauspieler Gyözö entriß das schöne, aufgeweckte Mädchen der gefährlichen Nm. gebung und erwirkte durch seine Fürsprache ihre Aus. nahm« in di« Theaterschul«. D«r junge Millionär Bamberger lernte sie kennen und liebte sie mit dem ersten Blick. Die Familie des Millionärs bot alles auf, um das Paar zu trennen; eines Tages erschien ein Abgesandter der Familie bei Anna Kö und legte ihr 200 000 Kronen in knisternden Banknoten auf den Tisch als Preis für ihre Entsagung. Alles umsonst. ititevarifehe Anzeigen. We öüeker mä Likelmstm liefert prompt Illeeln 8«I>»ickt, Buchhandlung, Universt- Gttitr.L2 24. llataIoneu.Arobenummeraarati-.Tel.S8l8. »»ti«
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