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01-Frühausgabe Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 08.03.1911
- Titel
- 01-Frühausgabe
- Erscheinungsdatum
- 1911-03-08
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-19110308018
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-1911030801
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-1911030801
- Sammlungen
- Zeitungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-03
- Tag 1911-03-08
-
Monat
1911-03
-
Jahr
1911
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Nr. S7. lOS. Jahrgang. wegung gesprochen, darunter mit Professor Küchler, dem Direktor de» Unterrichtrwesens in der Provinz Bengalen, und Professor ö. Dr. Rotz, in dem ich einen Kommilitonen fand, da er in Straßburg pro moviert hat, Professor Ihibaut ulro. Elfterer glaubt, datz die Ursache des Uebels in den Privaten . Colleges gelegen hat, wo ,s leicht war, den weist der Unzufriedenheit und des Aufruhrs unter di« jungen Leut« zu tragen, und er hofft von der inzwischen ein getretenen scharfen Neberwackuna dieser Institut« das Beste. Dr. Rotz vermutet al» Ursaä)« «Inen tieferen Grund, der bis auf das Jahr 1835 zurückaeht. Damals kam do» Bestreben aus, das Studieren und die Lektüre der einheimischen Literatur auf Kosten der englischen zu verdrängen. Lord Macaulay, die damals matzgebliche Persön lichkeit, satzte fein Urteil dahin »ujammen: der Wert der ganzen indischen und arabift>en Literatur reiche bei weitem nicht an den Wert eines einzigen Faches im Bücherschrank einer guten europäischen Bibliothek heran. Macaulays Ansicht drang durch und wurde di« Richtschnur für die Folgezeit. Unter der englischen Lektüre aber wurden die Bücher, die von Freiheit, Gleichheit und Brüderlich leit handelten, allmählich Lieblinge der Studenten, fanden immer weitere Verbreitung, und di« empfange nen Ideen wuchsen sich aus bis zur Propaganda der lat. Ich halte beide Ansichten für zutreffend und sich er gänzend. Die Beschäftigung mit indischer Philosophie und altindischer Literatur würde die Studenten, di« diesem Spezialstudium fernstehen, dem Verständnis und Bedürfnis des eigenen Volkscharakters näher bringen, und sie würden dann bei der Lektüre euro päischer sozialistischer Literatur erkennen, datz Vor aussetzungen und Schlußfolgerungen für ihr Volk und ihre Verhältnisse unzutreffend sind. Ein« Förderung d«r orientalischen Studien b«i den Studierenden aller Fakultäten, und daneben eine gute Uebcrwachung der privaten Institut«, wo das Unkraut leicht gesät werden kann, außerdem auf- klärende Vorlesungen und die Verhütung eines zu starken Andrangs zum Studium, um das weiter« An wachsen eines herumlungernden unzufriedenen Stu dentenproletariats zu vermeiden, das auf Anstellung im Etaatschient lauert, dürften Mittel sein, das Uebel allmählich zu bessern. Zentrum unü Seitliche Gemein- lrürgerlchalt. So leidenschaftslos und sachlich scharf ist das Zentrum in diesen Tagen der konservativ-kleri kalen Zusammenarbeit selten beurteilt worden, wie von Dr. Ad. Harnack in der Nr. 8 der „Deutschen Wacht". Derselbe Kirchenhistoriker, der am Anfang der Bülowblockzeit zwischen Haupt- und Stichwahl di« Aufsehen erregende Kaisergeburtstagsrede im Jahre 1907 hielt, in der er auf die Möglichkeit einer An näherung des „Protestantismus und Katholizismus in Deutichland" hinwies, betont jetzt, datz die „neuesten Forderungen des römischen Katholizismus" diesem Annäherungsprozeß „die größten Schwierig keilen bereiten" und meint: „Geradezu wie die A u f f o r d e r u n g zu einem Kulturkampf, jedenfalls als schlimme Friedensstörung, müssen einig? . der letzten päpstlichen Kundgebungen wirken, mögen " sie auch nicht so g.ineinr sein''.. „Essteht trübe zurzeit in deutschen Landen; gelähmt ist die freudige Arbeit zahlreicher Katholiken, in ^schlimme Verlegenheit ist der Staat gesetzt und dem Protestantismus ist der Katholizismus noch um einen erheblichen Grad fremder geworden." Und nun sagt Harnack aus solcher Empfindung heraus, ohne sie zu nennen, den konservativen Politikern, di« nach der Methode der v. Heyde- brand und Hahn nicht müde werden, von der „gemein samen christlichen Weltanschauung" zu reden, um den evangelischen Wählern ihre zentrumsfreundliche GMMche SMütebilüer. Von Otto Flake (Straßburgs. III. Mülhausen. An den paar großen und den vielen kleinen elsäss.schen Städten gemessen, die alle io voll architek tonischer Schönheit, voll landschaftlicher Reize, voll grauer Vergangenheit sind, ist Mülhausen ein Stief kind, ein Emporkömmling, wenn man will. Denn das Alter allein tut es nicht — Mülhausen gehört schon zu den zehn elsässischen Reichsstädten —, son- tern die innere Bedeutung, die geistige, soziale, poli tische Regsamkeit. Nichts von den vorbildlichen Kämpfen Straßburgs um ein kraftvolles Bürgertum, von seiner Protestantenkultur, von allen seinen Schick, salen; nichts von Kolmars sanfter Mystik oder von seiner Richterkultur; nichts auch von Schlettstadts Reichtum an Reformationsköpfen — es mutz auch zu der Zeit noch, als es in die Schweizer Eidgenossen schaft eingetreten war, ein merkwürdig nüchterner, kunstloser und schwungloser kleiner Ort gewesen sein. Und doch erlangte kein anderer, selbst Straßburg nicht, eine größere Bedeutung, nicht bloß für die materiellen Zustände des elsässischen Landes, sondern vor allem für die kulturellen Verhältnisse, die geistig-soziale Struktur, die Lebensauffassung. Das elsässische Familieuwesen ist von hier ausge- gange», desgleichen die französische Richtung, die der Lebensstil und die politischen Neigungen des elsässi schen Volkes einschlugen. Als im 17. Jahrhundert der große Aufschwung des Bürgertums kam, produzierte Mülhausen den größten Teil der ungeheuren und be wunderungswürdigen Energien, die das Elsaß so vorwärts brachten. Man könnte ohne besondere Kon struktion sagen, daß die gestaltende Kraft, die Mül hausen in der sonst überall so schöpferischen Resorma- tionszeit vermissen läßt, nach 200 Jahren plötzlich nur um so unwiderstehlicher durchbrach und, da sie sich nicht mehr der protestantischen Lebensformung zuwenden konnte, neue, modern« Arbeitsgebiete suchte. Die Zugehörigkeit zur Schweiz bewahrte Mül« Hausen vor dem Schicksal der deutschen Städte, deren einst so blühender Bürgerstolz in den Jahrhunderten der absoluten Fürstengewalt auf, tiefst« Niveau her- untergedrückt wurde, und rettete ihn in die moderne Zeit hinüber: während er sonst überall erst nach der Mitte des 19. Jahrhunderts erwachte, regte er sich Leipziger Politik schmackhaft zu machen, beherzigenswerte Worte über solche schwere Täuschungen. Die Wirk lichkeit der Dinge zeigt „zw?i Kulturkreise, zwischen denen eine Kluft befestigt ist". Und weshalb will sich dies« Kluft nicht schließen, weshalb können wir nicht „gemeinsam dem Staate geben, was des Staates ist"? Weshalb können wir nicht „gemeinsam alle» da» pflegen, was Staat und Gesellschaft zu ihrer Ge. sundheit nötig haben"? „Weil es im Politi schen ein« konfessionelle Partei gibt!" „Solange ein« solche vorhanden ist", meint Harnack, „und sie den Gläubigen einbildet, zur vollen Kirch lichkeit gehöre auch, daß man als Staatsbürger kirch licher Parteimann sei, fehlt die erste Grundlage zum konfessionellen Frieden der Staatsbürger und zur ge meinsamen Arbeit für das Staatswohl." Das sind ähnliche Gedanken, wie sie in der letzten Sitzung des Reichstages vor Weihnachten Abg. Evrrling dem Zentrum als Antwort aus die Angriffe der Abgz. Gröber und Erzberger ausföhrte und die ihm so un- qualifizierbare Anrempelung.'n des Abg. Kreid und der „Kreuzzeitung" cinirugen. Und säst mit denselben Worten wie der vorgenannte nationalliberalc Red ner, nur schärfer im Ton, fährt Harnack fort: „Nun behauptet zwar das Zentrum immer wie der, cs sei keine konfessionelle, sondern lediglich eine politische Partei, aber diese Behauptung wird durch die Tatsachen Lügen gestraft. D e Existenz des Zentrums hält die Staats bürger auseinander, die, wenn cs nicht vorhanden wäre, in den natürlichen, politischen Gruppen Zu sammengehen könnten; cs entzieht den Konser vativen ausgezeichnete Elemente, die dieser Partei eine universale Haltung geben könnten und nicht minder den Liberalen. Es verewigt die Kirchen- jvaltunaaufei ne m Gebiet, wohin sie gar nicht gehört, erweitert also die Kluft, statt sie da durch in ihren Wirkungen . bzuschwächen, datz inan gemeinsame Aufgaben sucht." Dem folgt ein Kcul-nschlag des berühmten Gelehr ten mitten in den Tagen der konservativ klerikalen Freundschaft: „In diesem Sinne ist das Zentrum im tiefsten unpatriotisch, so mancherlei Verdienste es sich erworben hat, weil es das Vor urteil stärkt, datz es überhaupt kein Gebiet gibt, auf dem dor protestantische und katholische Staaisbürger Zusammengehen können." Die ultramontan« Presse wirb nun Harnack wieder mit Entrüstung unter die „Kulturkämpfer" werfen. Aber die Konservativen'? Averden sie das Mißtrauen wider den „liberalen" Theologen aufwecken, um seine ernsten Mahnungen in ihren Kreisen wirkungslos zu machen? Oder wer den sie durch den hochstehenden und weitblickenden Gelehrten ein richtigeres Urteil über den gefährlich?« Bundesgenossen gewinnen, als die verblendete Zen- trumsliebr der ..Kreuzzeitung" und der „Deutschen Tageszeitung" ihnen einflötzt? DeuMes Reich. Leipzig, 8. März. ' Ein Konservativer Verein wurde in Mutzsche n am Sonntag in einer vom Rittergutsbesitzer 'Nau mann einberusenen Versammlung begründet. * * Der Kaiser traf an Borv der „Deutschland" am Dienstag vormittag 0 Uhr vor Helgo land ein und landete mit Gefolge um 10 Uhr im neuen Marinehafen Neben dem Badehause hatten die Kompanien der Matrosenartillerie sowie Vereine zur Begrüßung Aufstellung genommen. Der Kaiser besichtigte unter Führung des Oberbaurats Eckardt die Westmol« und die im Bau begriffene llserschutz- mauek,-- über die- Reg-ierungsbaunveistor. Verlohr Vortrag abstattete. Um 11'-.- Uhr erfolgte die Ab fahrt nach Bremerhaven. * Der Präsident des Reichsmilitärgerichts General der Infanterie v. Linden-Sudrn, der seit 1900 auf diesem Posten steht, aus den er als Nachfolger des Generals der Kavallerie v. Massow berufen wurde, beabsichtigt, demnächst in den R u h e st a n d zu treten. Als seinen Nachfolger bezeichnet man in unter- hier, ausgeruht und fortwährend durch Schweizer Blut ncugekräftigt, schon ein Jahrhundert vorher: 1746 gründeten drei Mülhauser Bürger, Samuel Köchlin, Johann Heinrich Dollfus und Johann Jakob Schmaltzer, die erste Kattundruckerei, und damit war die schlummernde Energie ansgelöst. Der bescheidene Kern wuchs, dehnte sich, sprengte seine erste Schale und befruchtete ringsum die Erde. Zu den Baumwolldruckereien kamen Spinnereien, zu diesen traten Färbereien, Gießereien, Papierfabriken, chemische Fabriken, und bald beginnen die Stamm fabriken das Land zu kolonisieren: in den wasser reichen Tälern des Oberelsasses, die sich alle als Ouertäler vom Nordsüdstock des Gebirgszuges nach der Ebene hinziehen und öffnen zu Thann, zu Logel- bach bei Kolmar, zu Gebweiler, zu Münster, zu Mar- kirch und sonst überall bis ins unterelsässische Brensch, lal und bis Niederbronn und Jägertal, wo die alten Dietrichschen Hochofen und Eisenwerke neue Arbeit bekommen. Es ist eine ungeheure Arbeit geleistet worden. Im Technologischen Museum mutz man einmal durch die Sammlung von Kattunmustcrn gegangen fein, vielleicht in Begleitung eines der liebenswürdigen Herren vom Vorstand. Cie ist in historischer Ordnung angelegt und enthält die seltenen und kostbaren Proben der ersten Erzeugnisse, dann weiterhin Jahr sür Jahr ein Jahrhundert hindurch Mustsrstreifen und Musterbücher, an denen sich der Wandel der Mod« wie der Bedürfnisse verfolgen lässt. Kattun ist lein vornehmer Stoff, und so drängte die Entwicklung von den anfänglichen Bemühungen, die Tönung von Seiden- und Brokatstoffen zu erreichen, zur Massen produktion leichterer und billigerer Zeuge; aber darum ist di« Summe von Arbeit, Erfindungen. Ver besserungen nicht kleiner geworden, und die Organisa tion, die diese Riesenindustrie nach sich zog, ist für den Laien und flüchtigen Besucher die anziehendste Seite der Tatkraft, die hier schöpferisch wurde. Sie erstreckte sich auf zweierlei, auf die Erbauung der Arbeiterstadt und auf die Heranbildung eines Stabes höherer Hilfskräfte, als da sind: Zeichner, Graveure, Chemiker, Monteure und all die andern. Die Bei- spiele musterhafter Arbeiterstädte mit ihrer ganzen Folge gemeinnütziger Einrichtungen sind heute nicht mehr selten; der Ruhm der Mülhauser Fabrikanten war es, das Fundament humaner Billigkeit schon früh gelegt zu haben, und längst, bevor der Staat seine Pflicht erkannte und Gesetze zum Schutze der Ar beiterschaft anfstellt«, begegnen wir hier dem System, den Arbeiter in eigenen Vierteln oder Städten durch Tageblatt. richteten Kreisen den früheren Kriegsminister, jetzigen kommandierenden General des 7. Armeekorps in Münster General der Kavallerie o. Einem. * Parlamentarischer Abend beim Reichskanzler. Der jüngste parlamentarisckfe Abend sDie.rstag) versammelte etwa 80 Gäste bei dem Reichskanzler paare. Als einer der ersten war der frühere Justiz minister v. Schönstedt erschienen. Von den Staats sekretären wurden bemerkt Dr. Delbrück Krätke, Dr. Lisco, Kiderlen Wächter, von den preußischen Ministern Kriegsiminister v. Heeringcn, Minist-r tes Innern v. Dallwitz, Minister der öffentlichen Arbeiten p. Breitenbach, Handelsminister Sydow, Finanz minister Dr. Lentzc. Der Bundesrat war durch den wütttemdergifchen Finanzminister v. Keßler, den badischen Finanzminister Rhcinboldt, den bayrischen Ministerialdirektor Ritter v. Kohl, den sächsischen Geh. Rat Dr. Hallbauer. Unter den ge ladenen Reichvtaysabgeortnetrn befand sich auch Dr. Wagner lSachien). * Das preutzische Oberverwaltungsgericht über das politische „außerdienstliche" Berhalien der Beamten. Wie d-er „Ins." mitgcteilt wird, ist über die viel- umstritlene Frage, wie sich die Beamten in politischer Hinsicht „außerdienstlich" verhallen müssen, und ob eine politische Betätigung, die sich mit der bestehenden Staatsordnung nicht im Einvernehmen befindet, außerhalb des Dienstes gesetzlich zulässig ist, vor einiger Zeit durch «in lndrutsames Urteil des preußi schen Oberverwaltungsgerichts in folgender Weise entschieden worden: Das Oberverwaltungsgericht führte in seinem Urteil aus, datz es als eine Verletzung der den unmittelbaren wie den mittelbaren Staatsbeamten obliegenden Pflichten anzusehen sei, wenn der Beamte auch in seinem autzerdienstlichen Lterhalten gegen die amtliche Pflicht des Gehorsams und der Treue gegen das Staatsoberhaupt verstösst. Die gleiche Verletzung der Beamten pflichten ist aber auch darin zu erblicken, wenn der Beamte in der öffentlichen Erörterung politischer Fragen von einer sachlichen Behandlung der An gelegenheit zu persönlichen Angriffen übergeht, oder wenn er bei der Erörterung politischer Angelegen heiten und bei irgendeiner andern politischen Betätigung, die ihm keineswegs versagt ist, sich zu Handlungen Hinreitzen lätzt, die ihm das Vertrauen in eine gerechte und unparteiische Amtsführung ent ziehen. Wenn auch den unmittelbaren Beamten eine politische Betätigung durchaus frei steht, so bemerkt doch das Urteil des Oberverwaltungs gerichts, datz drittens eine Verletzung der amtlichen Dienstpflicht auch darin zu erblicken ist, wenn der Beamte die Bestrebungen einer politischen Partei fördert oder sich mit ihnen einverstanden erklärt, die nach ihrem Programm die Staatsverfassung und die gesellschaftliche Ordnung bekämpft. Aus diesem Urteil geht hervor, datz auch nach der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Beamte nicht die Berechtigung haben, die Bestrebungen der Sozialdemokratie durch Agitation oder persönliche Parteinahme zu unterstützen. * Die Matrikularbeiträge, die nach dem Reichs haushalts-Etat für 1911 zur Deckung der Ge samtausgaben des ordentlichen Etats von den Ein zelstaaten aufzubringen sind, belaufen sich, wie schon knrz mitgeteilt wurde, auf insgesamt 212 004 700 .st. Im Etat für 1910 waren hierfür 228 512 000 <tl an gesetzt, so daß die Summe der aufzubringcndcn Ma- trikülarbeiträge im neuen Etat um 16'/^ Millionen Mark niedriger ist als in dem für 1910. Der auf Preutzen entfallende Anteil betragt 131,86 Mil lionen Mark, d. h. 9,97 Milllönen Mark weniger als im Etat 1910, Bayerns Anteil beläuft sich aus 21,01 s— 2,06) Millionen Mark, Sachsens Anteil beträgt 1k,95 (----1,L1)-MilliontzG-Mark und der »ov Württemberg 7,82 (— 0,57) Millionen Mark. Die niedrigsten Beträge sind ihrer geringen Vevöl- kerungsanzahl entsprechend, von Reuß ältere Linie (249 981 .^l), Waldeck (209 349 .st) und von Schaumburg-Lippe (159 301 .st) aufzubringen. Den Matrikularbeiträgen im Gesamtbeträge von 212 Millionen Mark stehen an Ueber Weisun gen aus der Branntweinsteuer 163,49 Millionen Anzahlung und Abzahlung zum Eigentümer zu machen. In den Fach- und Fortbildungsschulen ferner wird der Nachwuchs von den oben genannten Hilfskräften hernngezogen. Talentierte Kinder der Arbeiter sind in ihnen in großer Zahl zu höheren Berufen gebildet worden, und wenn sich die Begabung eines jungen Mannes in der Zeichenschule von künstlerischer Stärke erwies, wurde und wird seiner Entwicklung kein Hindernis in den Weg gelegt. Mülhausen hat die meisten Maler und Zeichner des Elsasses hervor- gcbracht und besitzt in seinem Neuen Museum eine gute Galerie. Im empfehle den Besuchern der Mül hauser Einrichtunyen einen Rundgang durch die Zeichcnklassen: cs ist ein hübsches Bild, eines dieser ebendigen, dunkeläugigen Mädchen vor einer Staf- elei den Kohlenstift mit frischem, jungem Arme ühren zu sehen. Die Organisation und Pflege dieser Einrich tungen liegt in den Händen der schon 1825 gegrün deten Sociötö industrielle. In ihr verkörperte sich der tüchtige Geist dieser Fabrikanten, die sich, mag es auch patriarchalisch-selbstherrlich geschehen sein, hrer Pflichten bewußt wurden und über die Pflicht hinaus das Bedürfnis fühlten, eine Atmosphäre um sich zu schassen, die an die kraftvolle Stimmung freier Handelsstädte erinnert und ihr gleichkommt. Ge schichte, Wissenschaften, Kunst erfuhren eine systema- tische Pflege, und die oft nicht geringen Mittel zu Preisen, Sammlungen und Forschungen wurden stets aus eigenen Kräften aufgebracht. Es gibt auch neben den Industriellen von heute noch überall Persönlich keiten von vollendeter Ausprägung, aber jene Gleich mäßigkeit im Typus des soliden, charakterfesten, stolz in seinen Grenzen verweilenden Handelsherrn oder Fabrikanten, die die Anfänge des Bürgertums charakterisiert, ist verloren gegangen. Eine leichte religiöse Färbung, eine altväterliche Schwere ge hörte dazu, und die Mülhauser Gesichter, die uns alle erhalten sind, waren mit ihren strengen Lippen, den starken Nasen, den ganzen massigen Dimensionen wahrhafte Charakterköpfe. Ahnenbilder republikani scher Bürgergeschlechter. Heute sind diese Gesichter verschwunden, wie ihre hohen, breiten Gestalten verschwunden sind, aber noch die (Generation, die unter Louis Philipp heranwuchs, brachte sie hervor, und es war einer meiner stärksten Eindrücke, als ich neulich bei einem Besuch in Mül hausen den wenigen Männern, die aus jener Zeit noch übrig geblieben sind, qegeniibertrat. Die zähe Lang, lebigkeit gehörte zu den Eigenschaften dieser starken mmwo-. 8. msrz rsn. Mark gegenüber, so datz 48,51 Millionen Mark un gedeckt bleiben. Dieser Betrag stellt für die Gesamt heit der Bundesstaaten eine Belastung von 0,709 983 140 auf den Kopf der Bevölkerung dar. Im einzelnen haben die Bundesstaaten je nach ihrer Heranziehung zu den Matrikularbeiträgen «inen höheren oder niedrigeren Satz zu zahlen. * Reich»tag»kandidaturen. Der Reichstagsab- aeordnete Basser mann hat sich am Sonntag in Saarbrücken als Kandidat den Wählern vor gestellt. Seine Programmrede fand außerordentlich starken Beifall. Nach der Rede erklärte Nechtsanwalt Eiersberg namens des Jungliberalen Vereins und de? Fortschrittlichen Volkspartei, daß in Berücksichtigung der Person Les Kandidaten von der Aufstellung einer weiteren Kandidatur durchaus nicht die Rede sein könne. — Am 5. März stellte der von allen liberalen Organisationen des Wahlkreises Traunstein sehr gut besuchte liberale Gautag in Trostberg den Hofkonditor Karl Schiffmann vo nReichenhall als liberalen Reichstagskandidaten auf. — In der Vertrauens männerversammlung der Zentrum spartet für den Wahlkreis Freising-Ingolstadt wurde mit erheblicher Mehrheit Kommerzienrat Nagler (München) als Reichstagskandidat nunmehr endgültig aufgestcllt. * Hcyl zu Herrnsheim droht. Die Nachricht, daß der Rerchstagsabgeordnete Dr. Stresemaun am 15. März für eine große nationalliberale Versamm lung in Mainz eine Erklärung gegen die „Wormser Ecke" angetündigt hat, ist der Heyl» scheu „Wormser Zeitung" stark in die Glieder ge fahren. Das Blatt bezweifelt die Richtigkeit der Nachricht und schreibt dann u. a.: „Sollte er (Stresemann) wirklich jenen Vorstoß gegen Worms angesagt haben und wahr machen wollen — wir lönnen es nicht glauben, da er es von Rechts wegen nicht tun könnte, ohne den Landesvorsitzenden zu fragen, und dieser nach unserer Ueberzeugung es nicht bil- liyen würde —, so wäre das ja gerade in Mainz kein Kunststück. Es würde aber dort doch lediglich eine Unterstützung der Kandidatur David und damit des für das Reich io entschieden abgelehn ten Eroßblockqedankens bedeuten. In« übrigen würde Stresemann die Verantwor tung für die wabrjcheinlich nicht ganz klei nen Folgen sich selbst zuzuschreiben haben." Diese Logik ist nicht zwingend; die „Wormser" seine Wahl Partei He>- ich mit der Motivic. inerten jedenfalls, daß ihre „Richtung" an Boden verliert und suchen sich nun durch derartige Ausfälle zu halten. Bezeichnend für die Erbitterung der Wormser ist die Tatsache, daß der Handelskammer syndikus Meesmann zu Mainz, einer der ange sehensten hessischen Nationalliberalen, seine Wahl in den Vorstand der nationalliberalen Partei Hel sens abgelehnt hat, ausdrück rnng, daß bei dem Geiste, der innerhalb der Partei führung herrsche, für ihn und seine Ansicht kein Platz sei. Meesmann ist ein entschiedener Gegner des Zusammengehens der Nationalliberalen nirt den Bündlern. Auch hat er die Wirksamkeit Heylz und seiner Getreuen als eine schwere Gefahr für den Gesamtliberalrsmus bezeichnet; er ist vielmehr für ein Zusammengehen mit der Fortschrittlichen Volkspartei. * Das neue Wertzuwachssteuergesetz vom 14. Fe ¬ bruar 1911 findet eine für alle Beteiligten brauch bare Erläuterung durch den Abgeordneten Richard Müller-Fulda in einer soeben im Verlag von Bachem in Köln erschienenen Schrift. (Preis 80 Pf.) . - * Ein Arbeitskampf in Siidweftafrika ist, wie ver schiedene Privatdepeschen nach Berlin melden, ausge brochen. Die deutschen Beruirte«. der Bahn baufirma Bach st ein L Koppel forderten, indem sie der Firma vorwarfen, datz sie über die Lebensmittelpreise in Südwestafrika irreführende Angaben gemacht habe, eine Lohnaufbesse rung von 30 v. H. Die Beamten ersuchten die Firma weiter, die antideutschen, nichtakademischen tschechischen Bauleiter zu entlassen. Die Firma antwortete auf diese Forderungen mit der Rasse, und ich wurde mir bewußt, datz die Jugend nur eine Vorbereitungszeit ist im Leben — des Menschen? nein, aber in dem des Mannes. Wer heute mit dreißig Jahren sich noch fern von seinem Ziele sieht, wird ungeduldig, wenn er sich nicht gar wie in der Tat so viele am Ende seiner Energie fühlt — fange mit dreißig an und frage mit sechzig, was du erreicht hast; alle starken Persönlichkeiten brauchten Zeit und die Fslge der Jahrzehnte, um ihr Lebens werk auszubreften. Heute freilich ist es nicht nur die Verfeinerung der Urkraft, die dieses Mülhauser Patriziat vor das Problem ihres Fortbestandes stellt, sonderiz es sind auch die politischen Verhältnisse. Der Krieg führte nicht nur ungeheure Geldkräfte, die nach einigen Beurteilern sich der Milliarde nähern, aus dem Elsaß — nicht auf einmal, sondern im Laufe der Jahre, als die Filialen auf der französischen Seite der Vogesen zu entstehen begannen, sondern er entführte auch die Söhne und Schwiegersöhne über die Grenze, und seit die Familienunternehmungen in Aktiengesellschaften verwandelt wurden, ist eine ganze Reihe Fremder, vor allem Schweizer, in die Lücken getreten. Ein stolzes und originales Bürgertum ist hier also dem Verschwinden geweiht. Wir sahen schon, datz von der Stadt Mülhausen wenig zn erzählen ist, wenn wir Wert auf ein inter essantes Städtebild legen, wie es Straßburg unc, Kolmar bieten. Sie hat nur ein bemerkenswertes Ouartier, den Rebberg. Ein bewaldeter Aus läufer des Jura reicht bis an den Bahnhof heran, und auf seinem breiten Abhang entstand das Wohnviertel der reichen Familien, voll von Gärten und Villen, voll von gesunder Luft, von Drosselgesang, von Blumen. Hier entstand auch der Zoologische Garten, der einzige Elsaß-Lothringens und eine der glück lichsten Schöpfunaen dieser Art überhaupt. Er ist in die Natur gebettet, selbst ein Stück Natur. Zwischen zwei Hügeln senkt sich eine sanfte Welle mit weitem Blick auf Wälder und andere Höhen, und darüber zerstreuen sich die Behausungen der Tiere. Die Rehe wohnen mitten im natürlichen Buchenwald, und nur das Drahtaitter erinnert, datz es gefangene Tiere sind. Mit leiser, diskreter Hand ist die Natür lichkeit umgemodelt, es ist eine vorbildlich« Anlage, istat man sich sattoeschen an den Sprüngen der Känguruhs, an den Kunststücken der Seelöwen, dann schreitet man hinauf zur Terrasse des Restaurant« und stört der Musik »u. immer den Blick hinunter und hinüster zur weiten Szenerie der Wälder, der Miesen, der Hügel.
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