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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 15.03.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-03-15
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191103154
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110315
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110315
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
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Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-03
- Tag 1911-03-15
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Monat
1911-03
-
Jahr
1911
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Nr. <4. 105. Iühryany. einen Begriff, wenn man erfährt, daß man mit diesem Tuch die Erde am Acyuaior umspannen und kann einen Wey hinauf zum Monde und wieder zurück da mit belegen könnte. An dem Iutegeschäft haben drei deutsch« > Firmen bedeutenden Anteil. Die Firma Ernst hausen, deren 6oupU«ilhaber Schuler nom Kron prinzen hier im Auftrage des Kaisers zum kauf männischen Konsul ernannt wurde, verwaltet zwei Iutefabriken mit 35 000 Spindeln und 550 Web stühlen, in denen gegen 15 000 Arbeiter Bcschästimma finden. Täglich werden dort etwa 3 Kilometer Tuch gewoben und 130 000 Tücke sertiggestellt. Da in der einen Fabrik unter einem Dache das Spinnen der Jute, dann das Weben und die,vollkommene Fertig stellung des versandfähigen Tuchds und der Säcke vor sich geht, war ihr Besuch für den Kronprinzen be sonders lohnend. Kinder im Alter von 8 bis 10 Jahren, die aber aussehen wie unsere 5- und Ojäh- rigen, besorgen das Auswechseln der Spindeln, wenn sie mit (Varn vollgclausen sind. Sie kauern in Gruppen lnneinander, bis ein Pfiff des Aufsehers er tönt, der sie im schnellsten Laus an die stillstehcnde Maschine beranrust. Man sollte es nicht für möglich halten, mit welcher Schnelligkeit die kleinen Hand chcn die vollen Spindeln abncbmen, neue cinsetzen und die Garne einsädcln. Herr Schuler erzählte mir. daß er erstaunt ac wesen kei, welche genaue Kcnnntis der Kronprinz von der deutschen ?l r b e i t e r s ch u tz - und speziell Kinderschutz^esetzgebüng an den Tag gelegt hätte, als er sich über die Tätigkeit der Kleinen oufhiclt, die er für viel jünger hielt, als sie tatsächlich sind. Uebrigens wird in Kiiizc in der Provinz Bengalen eine neue Arbeitcrgesetzgebung in Kraft treten, die die Kinderarbeit bedeutend ein schränkt. Im Iutegeschäft herrscht eine sehr scharfe Konkur renz, und cs ist in ihm große Spezialkcnnntis er forderlich. Infolge sehr günstiger Konjunktur in den letzten Jahren hat nun Ucberprodukuon stattgefunden die durch Einschrn: kung der Fabrikation wieder au« das normale Mag zurückgeführt werden muß. Ein zweiter wichtiger Ausfuhrartikel Indiens sind Häute und Felle. Die Ausfuhr von Häuten liegt fast ausschließlich in deutschen Händen, was er klärlich erscheint, da Deutschland mit einem Werte von über 27 Millionen Mark bei weitem der beste Abnehmer ist. Allein an Kuhhäuten wurden im Jahre 1910 7 811 000 Stück ausgeführt. Die gleiche Monopolstellung wie bei der Jute nimmt Indien in der Ausfuhr von Schellack ein. Kalkutta versorgt die ganze Erde hiermit. Durch den Stich des Weib chens der Lackschildlaus in die Rinde dünner Zweig? bestimmter Bäume und Büsche tritt ein Harz aus, das die Brut des Insekts einhüllt und später ein trocknet. Aus diesem Harz wird durch Kochen und Kneten der Schellack gewonnen. Die Durchschnitts ausfuhr im Jahre beträgt 200 000 Kisten im Werte von je 200 tt gleich 10 Millionen Mark. Deutsche Firmen sind es hier, die einen Weltruf für ihre Schellackmarken besitzen Hauptabnehmer sind die Bereinigten Staaten: Deutschland kommt an dritter Stelle mit über 0 Millionen Mark. Rohe Baumwolle, Oelsaalen und Reis sind die drei gröszten Ausfuhrgüter Indiens. Wir haben im Bericht V schon gesehen, daß Bombay der Hauptaussuhrhafcn für Baumwolle ist. Der Export im Jahre 1010 hatte einen Wert von 417 Mil lionen Mark. Deutschland ist nach Japan der he- deutei^ste Vlbiwhmer mit 1,358 000 L«t»-.im.Jahre 1009/10. Bon den Oelsaaten sind die wichtigsten Sorten Leinsaat, Raps Banmwollsamen, Sesam, Erdnüsse, Rizinussamen. Mohnsamen. Ihr Ausfuht- wert bezifferte sich 1909/10 auf 249^4 Millionen pariser Lrlek. Bor 50 Jahren: „Tannhäuser". — Zwei Kronzeugen: Saint-Säens und Masse- net. —Zwei Briefe von Berlioz. — Eine Tolstoi-Feier. — Gustav Mahler, von Rodin. — Di« Aristokratie der fran zösischen bildenden Kunst. Zur 50. Iahrfeier des T h e at e r s k a n d a l s. der die erste „T a n n h ä u s c r" - Aufführung umtobte, kündigte die Pariser Gröhe Oper für den 13. März 1911 Berdis „Rigolctto" an. Es gibt historische Daten, auch in der Kunst, über die man gern elegant hinweggeht. An diesem 13. März 1911 den Pilgerchor ertönen zu lassen, wäre eine zu ostensible Kund gebung gewesen. Die Kabalen, die 1801 „Tann häuser untergehen liehen, sind vielfach und ausführ- licbst geschildert worden. Zwei Kronzeugen des hoch, notpeinlichen Prozesses, der dem „schwäbischen Kompo nisten" gemacht wurde, leben noch: Saint-Saens und Masse net, die zwei Souveräne der zeit, genössischen französischen Munk, die jo vortrefflich die vciden Pole der galltsäzen Tonwelt illustrieren, den kühlen, gedankenreichen Klassizismus und den schwel genden Lyrismus der Troubadoure. Ein günstiger Zufall ließ den Schreiber dieser Zeilen die beiden Meister so verfchi.denen künstlerischen und persön lichen Charakters dicht beieinander treffen— im Vor jahre war s, im Schlosse de» Fürsten von Monaco, wo sie als Gäste zwei Kämmerlein in der hohen Burg der Grimaldi bewohnten. Saint-Saens, mit seinen 75 Jahren so lebhaft und energisch wie je zuvor, am Klavier die harmonische Unmöglichkeit einer Phrase aus der Straufzschen „Salome" nachweiscnd, Massenet, warm cingehullt, liebenswürdig, sanft und dann mit Leidenschlaft die Rollenauffassung seiner Darstellerin der „Therese" verteidigend. Beide erfüllt von Erinnerungen anWapner, der das grofze Fanal ihres Lebens gewesen ist, und den Zaint-Sai-ns nicht nur mehr als „das Alpha und Omega der Musik" betrachten will, mit Recht unzu frieden, daß man seinen neuen Opern in deutschen Landen nicht die Achtnngsausnahme bereitet, die seinem Können und seiner Vergangenheit gebühren. Daß Saint-Saens bei der französischen Tannyäuser"-Propagation nützlich mitwirkte, ist be kannt aus Wagners Selbstbiographi«. Es ist eine Freude, den Tondichter von „Samson und Dalila" über diese entschwundenen Tage reden zu hören; sein Gedächtnis ist von wunderbarer Klarheit. Was er aber nicht wühle sso grosze Kollegen wie Saint- Säens und Massenct wissen oft nicht viel Persön liches voneinander), war, dasz auch Masse net in Wagners schwerster Pariser Zeit eine kleine Rolle mitgespiclt hat — siebzehnjährig! —, daß der be- gnadete Komponist der „Manon" und des „Weither" telpzlyer Tsgedlstt. Mark. Raps ging zum großen Teil nach Deutschland, das der beste Konsument ist Die Reisaussuhr Indiens hat einen Wert von 213'/« Millionen Mark Hiervon entfallen 75 Proz. aus Birma, das politisch und wirtschaftlich zu Vorderindien gezählt wird. Unter den Völkern de» Westens nehmen wir Deutsche den größten Anteil mit einem Werte von 37^ Mil lionen Mark auf. Mit dem Reisgeschäft in Rangoon befassen sich ebenfalls einige grofze deutsche Firmen. Ausgefallen ist es mir, daß trotz der Rührigkeit der deutschen Kaufleute einem erheblichen Export artikcl, dem Tee, von deutscher Seite keine Aufmerk samkeit geschenkt wird. Die Ausfuhr 1909/10 belief sich aus 150 Millionen Mark. Der indische Tee, der übrigens am Himalaya (Dardschillinq) einheimisch ist, zeichnet sich durch ein besondere; Aroma aus und nimmt von Jahr zu Jahr an Beliebtheit zu. Rus sische Kaufleute haben sich dies schon zunutze gemacht und haben kstrr Niederlassungen geqründct. Die Ausfuhr nach Rußland ist in den letzten Iabren ganz bedeutend gestienen. Auch in Denstchlanb nimmt der Verbrauch an Tee zu. Wir beziehen ihn aber in- direkt, wahrend der Verdienst der Zmilchenbändler dem deutschen Kaufmann zub'llen könnte. Zahlen stoben mir hier nicht zur Veriönung. alnr ich mußte mich sehr irren, wenn es sich hier nicht um einen Millionenumlatz handelt Für Interessenten macht« ich nicht unerwähnt lösten, daß ich in. Cenlon er fuhr, daß von dort Tee in großen Mengen nach Cbina aebt, von wo er vermisch* oder nnvermiscyt als chine sischer Tee wieder ausaesiihrt wird Viell-icht wird Indien demnächst einen neuen Faserstofs ans den Markt bringen. Eine in den Wäldern massenhaft vorkommende Li^ne soll ihn liefern. Wie mir §>err Voigt, dcr Leiter der deut, scheu Firma Schröder. Smidt K Co, mittmlte tollen seit lanaer Zeit Nersuibe anaestellt worben sein, di« zcht gleickneitia mit der Erlangung einer Ko'-zess'on von der indischen Reoi?rnna zur alleinioen Ans- nutrnna bestimmter W"l^distrikte ihren Abschluß er reicht haben Interest"nien werden von der ge nannten Firma nähere Auskunft erlangen können. (Fortsetzung folgt.) Deutsches Kelch. Leipzig, 15. März. " Die „Deutsche Tageszeitung" spielt gegenüber unsrer Kulik der von ihr beliebten Gleichstellung des Modernistcneides und des Eides der evangelischen Theologen an verschiedenen Universitäten die Naive, indem sie crtlärt, daß sie ja den Wortlaut - e» evangelischen Eides gar nicht ausgegraben hab . Um die Priorität der Aus grabung hat sichs bei unserer Kritik aber auch nicht gehandelt, sondern lediglich um die allein von der „Dtsch. Tagesztg." vorgenommene Parallelstellung der beiden Verpflichtungsformeln. Wir bedauern, das Urteilsvermögen der „Dtsch. Tagesztg." zu hoch ein geschätzt zu haben, glauben uns aber ein Verdienst zu erweroen, wenn wir das für die „gemeinsame christliche Weltanschauung" so lebhaft begeisterte agrarische Organ daran erinnern, daß in der letzten Nummer der „Konservativen Monatsschrift" der Rostocker Professor Grüjzmacher, ein kirchlicher Mitarbeiterdcr „Kreuz zeit un g". a usgesprochen hat. man müße der katholischen Kirche „die Ver antwortung daiür überlassen, ob sie wirk lich dem Gewissen ihrer Priester die neue schwere Verantwortung des Antimodernisten- etdes auferlegen lann; wohl aber müssen wir dagegen Protest erheben, wenn auch den ' staatlich angestellten Professoren der Theo logie diese Schlinge um den Hals gelegt werden intimen Proben der Rocheschen „Tannhäu er"-Ueber- tragung beiwohnte und Wagner aus nächster Nähe kennen lernt«, daß er dann auch als — Pauken schläger im von Wagner dirigierten Orchester Tränen der Aufregung vergoß, da die Musiker sich wegen des deutschen Titanen in die Haare gerieten... Wenn Monsieur Massenct sagt: „Wagner ist so groß, so groß . . .!", will seine Gest« andeuten, daß er sich selbst daneben nur so klein, so klein fühlt . . . Seine wohlbekannte Bescheidenheit ist ein Beweis dafür, daß er größer ist, als er scheinen möchte. Auch Catulle Meno s, Vincent d ' Indy, Messager, die Richard Wagner nähcrlratcn, er zählten einmal ihrem Pariser Chronisten persönliche Erinnerungen an den Schöpfer des „Rings" — all diese», berühmten Leuten war die Gestalt Wagners ebenso wie jein« Werke merklich das große Erlebnis gewesen. Messager, der Direktor der Großen Oper und leinfühlig« Verfasser von „V/ronique", dirigiert alle Musikdramen Wagners selbst (und nur diese). Da er jetzt nach Monte - Carlo fuhr, um der Erstaus führung von „D<'jantre" beizuwohnen, mußte eine „Serie" von „Meistersinger" - Vorstellungen unter brochen urerden, und der Unterstaatssekretär der Schönen Künste tadelte diese Reise, die «ine solche Unterbrechung hcrbeigeführt hatte. ... „Tannhäuser" hat in Paris mehr als eine Revanche gesunden! Drei Briefe von Berlioz. die man heute wieder ausgrub, mögen dartun, welchen Weg dcr französische Wag- nerlanismus, der kein Snobismus ist, zurück ¬ gelegt hat. Die Franzosen haben Wagner seine haßerfüllten Angriffe nach 1870 verziehen — die Deutsck-en ver zeihen dem Andenken eines B.'rlioz die grösseren Ver irrungen von 1861. Zwei Monate vor dem Opern skandal schrieb der Schöpfer von „Fausts Verdamm nis" an seinen Sohn: „Man kann in der Oper nicht aus den Vor studien zu Wagners „Tannhäuser" herauskommen. Wagner bringt Sänger, Orchester und Chöre aus dem Häuschen. Man weiß nicht ein und aus mit dieser Musik. Die letzte Hauptprobe war, wie man sagt, fürchterlich und endete um 1 Uhr nachts. Schließlich muß man aber doch damit zu Ende kommen. Liszt wird kommen um die Sä,ule des Charivari» zu unterstützen. Ich werde nicht über „Tannhäuser" den Artikel schreiben. sBerlioz war der Musikkritiker de» „Journal des Debats" ) Ich bat d Ortrigue, die» au» sich zu nehmen. Man ist in unserer musikalischen Welt über den Skandal sehr erregt, den di« Aufführung des Tannhäuser" Her vorrufen wird; ich sehe nur wütende Leute; der Minister verließ letzthin eine Probe in einem Zorn... .1 Der Kaiser ist unzufrieden; und doch gibt e, einig« ehrliche Enthusiasten, selbst unter den Franzosen. Wagner ist augenscheinlich verrückt. Er wird, wie Iullien im vergangenen Jahr, auch an Gehirnerweichung sterben." soll." Grützmacher steht: sehr weit rechts und hatte ,n Rostock ein ähnliches Gelöbnis abzulegen wie_die Leipziger evangelischen Theologieproiessoren. Sein Protest gegen den jährlich zu wiederholenden Mo- dernistenetd läßt jedenfalls erkennen, daß er nicht im entferntesten eine Aehnlichleit oder gar an eine Ueberrtnsttmmung der beideneidlichenVerpflichtungen annimmt. Da» bleibt zur Freude der „Germania" nur dem Organ des Bundes der Landwirte Vor behalten. * Au» dem Reich»tagswahlkeeise Leipzig-Land. Der vom Verband der nationalgesinnten Vereine des 12. und 13. sächsischen Reichstagswahlkreises auf gestellte Reichstagstandidat Dr. A. Günther (Natl? sprach in vergangener Woche in einer Versammlung des Vaterländischen Vereins zu Naunhof und am Montag in dem Vaterländischen Verein zu Böhlitz- Ehrenberg. Der Redner verbreitete sich in beiden Versammlungen zunäck'st über die gegenwärtige poli tische Lage und über dieVorlagen.die der jetzige Reichs tag noch erledigen soll. Er bekannte sich zu demPro- gramm der nationalliberalen Partei,deren Forderungen er auf den Gebieten der Sozialpolitik, des Wcrt- ichaftlebens, des Verwaltungswescns und der kultu rellen Bestrebungen eingehend beleuchtete. Er sprach dann über seine Gegner, die Sozialoemokratie, das Zentrum und die Parteien, die das Zentrum unter stützen. Dcr Referent schloß mit einem Ausblick auf die Aussichten in dem Wahllreise Leipzig-Land. Er betonte an der Hand von Zahlenmaterial, daß bei energischer Arbeit der Erfolg auch in diesem Kreise nicht ausgeschlossen sei. Die Ausführungen des Kandidaten sanden in beiden Versammlungen leb haften Beifall. In Böhlttz-Ehrenberg schloß sich an den Vortrag eine anregende Debatte an. * Zur Ersatzwahl im 23. ländlichen Wahlkreis« wird uns geschrieben: Baumeister Unger-Molkau, der Kandidat dcr nat.-lib. Partei hielt in den letzten Tagen in Wachau, Marktleebera und Gros- pösna gutbesuchte öffentliche Wählerver sammlungen ab. Seine Programmrcde wurde von den Anwesenden allerorts mit Beifall aus genommen. In der anschließenden Debatte wies Herr Schindler die von gegnerischer — vor allem von sozialdemokratischer — Seite erhobenen Einwürfe entschieden zurück, ging des näheren auf die von dcr nat.-lib. Fraltion im sächsischen Land tage im Interesse der Allgemeinheit geleistete Ar beit ein und verwendete sich mit Wärme für die Wahl des Herrn U nger. — Von anderer Seite wird uns noch geschrieben: „Es ist bezeichnend, wie der konservative Kandidat, Herr Feller, immer wieder versucht, sich nicht als einen konservativen Partei mann darzustellen, sondern höchstens als Hospitant der Konservativen. Für wen Herr Feller kandidiert, geht auch daraus hervor, welche Redner hauvtiächlich für ihn eingetreten sind; es sind dies der tonservative Abgeordnete Herr Friedrich, der konservative Ritter gutsbesitzer Herr Dr. Seeger, Herr Töpfer, der bekannte Redner des Bundes der Landwirte, dcr konservativ - antisemitische Agitator Herr Fritzsche und der antisemitisch - konservative Agitator, Herr Dr. Hcnrici. Auch die Mehrheit jener Oetzicher Wähler verschiedener Parteien, die sich ursprünglich glauben machten, daß der Oetzscher Gemeindevorstand für den Ort Oetzsch als Abgeord neter etwa einen besonderen Wert haben könne, sind meist bereits zu einer anderen Ansicht gekommen. Was schließlich die Versammlungen in Gautzsch und Vöhlitz-Ehrenberg anbelangt, so ist es lostbar, zu erfahren, daß „lebhafter Beifall für Herrn Feller" den, Vorlrag gefolgt sei. Außer dem von auswärts mitgebrachten Troß (einschließlich des Herrn Fritzsche) waren in den Versammlungen keine 20 Böhlitz- Ehrenberger oder Gautzscher Herren anwesend, von diesen waren nachweislich die Mehrheit gegen Herrn Feller, und der Beifall rührte nur her — von den mitgebrachtcn Herren des Herrn Feller. Daß unter Nach der Premiere schrieb Berlioz an Mine. Massart: „O gütiger Gott!, welch' eine Vorstellung! Welch' schallendes Gelächter! Der Pariser zeigte sich gestern in neuem Lichte; er lacht« über den schlechten musikalijck)en Stil, er lachte über di: Schwindeleien einer Narrcn-Orchestration, er lacbte über die Naivitäten einer Hobo«: er begreift also endlich, daß es einen mujikalisck)en Stil gibt." Einige Tage darauf hieß es in einem neuen Brief an Louis Berlioz: „Die zweite Aufführung von „Tannhäuser" war schlimmer als die erste. Man lachte nicht mehr so viel, man war wütend, man pfiff, so laut man konnte, trotz der Gegenwart des Kaisers und der Kaiserin, di« sich in ihrer Loge befanden. Der Kaiser amüsierte sich. Auf der Treppe nannte man beim Fortgehen den unglücklichen Wagner einen Dummtopf, Unverschämten und Blödsinnigen. Wenn fortgesabren wird, wird die Vorstellung eines Tages nicht zu Ende gehen können, und alles wird damit "sagt sein. Die Presse macht ihm ein stimmig den Garaus. Was mich anbetrifft, so bin ich auf s grausamste gerächt." Auch Genies sind oft blind und taub in ihrem Haß Paris hat am heutigen Sonntag einem andern Genie, das lange in Frankreich schlimmer als verkannt — unbekannt war, die eklatant« Revanche gewährt: die Gedächtnisfeier für Leo Tolstoi im großen Amphitheater der Sorbonne, veranstaltet von dcr Liga der „Droits de l'Homme", erlebte einen solchen Mcnschenansturm, daß ein großes Polizeiaufgebot bald die Tore der Universität ver teidigen mußte. Unter den herrlick-en Fresken Puois de Chaoanncv saßen auf den Bänken Tausend« Intellek tuelle und Arbeiter demokratisch beieinander. Anatole France, von donnerndem Beifall begrüßt, pries von sehr lateinischem Standpunkt elegisch di« „Unität" im Werke des „Humanitätskolosscs". Früdöric Passy aber, der wohl Neunzigjährige, übte groß« Kritik am Enlfagungsprinzip Tolstois, um ihn darauf als Friedenspropheten auf das höchste Viedestal zu er heben. Russisch« Chöre und HolAinstrumentisten in Rationalkostümen trugen Volksweisen und Melodien Rachmaninows, Gretschaninows und Musiorgskis vor und krönten schließlich di« Bronzebüste Tolstois mit einem Kranz aus gold-elben Aehren. Studenten und Arbeiter der russstchen Kolonie in Paris haben sich unter Leitung Nagornows zusammengetan, um di« heimatliche Musik zu pflegen; sie verfügen über so wunderbare Stimmen und Instrumentalkünstler, daß ihnen jubelnder Beifall zuteil wurde. — Die Tolstoi-Büste stammt« von Aronson; sie ist die beste, die von dem Romancier geschaffen wurde. Eine der bedeutendsten, lebensvollsten Porträt büsten, di« uns aus der letzten Kunstepoche bekannt Mittwoch, IS. Mürz lSII diesen Umständen weder nationalliberale noch fort schrittliche Gegner es der Mühe für wert erachteten, den konservativen Darlegungen des Herrn Feller wieder entgegenzutreten, versteht sich von selbst." * * Auszeichnung. Dem bisherigen Kaiserlichen Botschafter in Tokio Wtrkl. Gey. Rat und Kammer herrn Dr. jur.Frhrn. Mumm v. Schwarzenstein sind anläßlich »eines Ausscheidens aus dem Reichs- dienst die Brillanten zum Königlichen Kronenorden erster Klasse verliehen worden. * Zur Errichtung von Keuchhustenheime« hat sichern Komitee gebildet, das nach einer Beratung im Kultus ministerium, die unter dem Vorsitz der Geh. Ober- medizinalrüte Prof. Kirchner und Dietrich über die Errichtung von Heilstätten für an Keuchhusten leidende Kinder stattfand, die Frage im prak- tuchen Sinne bearbeiten will. Es ist geplant, in nächster Zeit mit einem ausaearbeiteten Programm über die Errichtung von Keuchhustenheimen in den Ostseebädern an die Oeffentlrchkeit zu treten, und ferner wird der Allgemeine Deutsche Bäberverband in seiner Generalversammlung Anfang Ottober dieses Jahres in Dresden an sämtliche deutsche Bäder verbände eine Einladung zu einer gemeinsamen Be ratung der Frage ergehen lassen. Man will vor allem den unbemittelten Ständen hiermit helfen, nicht nur den Begüterten und dem Mittelstand«. " Die fortschrittliche Volkspartei des preußischen Abgeordnetenhauses hat zur zweiten Beratung des Kuitusetats beantragt, die Staatsregierung aufzu fordern, die notwendigen Maßnahmen zu treffen, um dicgeistlicheOrtsschulinspektionaufzuheben und mit tunlichster Beschleunigung die nebenamt liche Kretsschulinspektion durch die haupt amtliche zu ersetzen und hierfür in erster Linie im Dienst der Volksschule erfahrene Männer zu berufen. * Der Konflikt im Kürschnergewerbe. „DieTextil- Woche" meldet folgendes: Der Verband vereinigter Rauchwarenzurichterei. und FärbereibesiUer Deutschlands hat auf die Forderung des deutschen Kürschnerverbandes sowie des Fabrikarbeiterver bandes, in Zukunft die Löhne der Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen tarifmäßig zu regeln, beschloßen: Der Verband lehnt es ab, über diese Frage mit dem Kürschnerverbande zu verhandeln, er lehnt es ab, überhaupt in ein Vertragsverhältnis zu seinen Hilfs arbeitern und Arbeiterinnen zu treten und ist fest ent schlossen, solche, sofern sie dem Kürschnerverbande als Mitglieder angehören, nicht einzustellen. Infolgedessen beschickt der Unternehmerverband auch nicht die vom Kürichnerverdand vor dem Gewerberichter ange strebte Einigungsverhandlung. Dagegen hat der Verband vereinigter Rauchwaren.urichterei- und Fäibereibcsitzer Deutschlands, um zu beweisen, daß seine ablehnende Haltung nicht aus pekuniären Gründen erfolgt, Mtntmallöhne für Arbeiterinnen und Hilfsarbeiter beschlossen. Wenn auf Grund dieser Beschlüsse der deutsche Kürschnerverband seine Forderung betr. der Hilfsarbeiter und Arbeiterinnen fallen lägt, ist der Unternehmerverband bereit, durch seinen Vorstand wegen Aufhebung der Sperre zu verhandeln. " Herr Reaierungsrat a. D. Martin und sein neuestes „Werk". Wie einige Zeitungen bereits mit teilten, ordnete das Amtsgericht Berlin-Schöneberg die Beschlagnahme des Manuskripts des vom Regie rungsrat a. D. Martin verfaßten Jahrbuches der Millionäre an. In dem eingeleiteten Ermitt lungsverfahren-wurde. der „Nordd. Allg. Ztg." zufolge, festgestellt, daß die von Martin im Manu skript angegebenen Zahlen über Vermögen und Ein kommen der angeführten Personen mit den in den Steuererklärungen, Vermögensanzeigen und Staats steuerlisten enthaltenen auch nicht annähernd über einstimmten, so daß der nach emem Zirkular der sind, ist jiin"st aus den Händen Auguste Rodins hervorgegcmgcn und wurde in der am Freitag er öffneten Exposition de Pcintres et de Sculpteurs in der Galerie von Georges Petit viel bewundert. Rodin hat Gustav Mahlers energischen, geist reichen Kopf in einer Bewegung nachgebildet, die dem Metall Wärme und Beredtfamkeit verleiht — man muß sich unwillkürlich den „übrigen Menschen" dazu denken, erblickt einen imaginären Taktstock, ein ganzes Orchester! Diese prachtvolle Tat Rodin» macht eine ganze Reihe seiner letzten genialen Späße wieder gut, mit denen er sich mitunter über seine allzu eifrigen Gläubigen lustig zu machen scheint. Auch nach dem Urteil einiger der ernstesten Künstler und Freunde des Bildhauers ist dieser „Gustav Mahler" eines der eindrucksvollsten und stärksten Werke Rodins. In dieser schlickst „Ausstellung von Malern und Bildhauern" genannten Vorfruhjahrs - Revue be gegnet man wirklich der Aristokratie der zeitgenössischen bildenden Künste in Frankreich. Nicht dem gärenden Element, sondern dem reifen. RenöMc-nard ist mit einer neuen bukolischen Landschaft vertreten, in der «r die Reihe seiner antik-griechischen Szenerien fortsetzt: klassische Stimmung, olympische Ruhe; prunkende Farbenharmonie in den Bäumen der Haine; ideal ge zeichnete Jünglinge und Hirten im Vordergrund, Wenn M/nard auch ost dieselbe Tonskala beim gleichen Motiv ausprobiert, geschieht es doch mit solcher Meisterschaft, daß man sich nicht müde sieht. — Von C h a r le s C o t te t, der für Juni «ine Ge samtausstellung vorbereitet, die ein Ereignis werden soll, gibt es eine „Prozession in Sainte-Anne-la- Palud , die wirklich malerisch anmutet; Tottet bleibt der Maler der Bretagne, wenn er auch den spanischen Kathedralen und dem Orient manch Geheimnis ab gelauscht hat. Seine Bretonen vor der Jahrmarkts schenke in ihren blauen, von Seeluft und Sonne ge blichene« Sonntagswämsen sind ein Kabinettstück. — Lucien Simon ist seinem Freund« Cottet wieder in die Bretagne gefolgt und hat mit seinem weniger kräftigen, aber sensitiveren Temperament di« Fischer und Bauern Armorica» in der Kirche und am Natio- nalfesttag untcrm Tanzzelt studiert; in letzterem, beim schwanken Schein der Petroleumlampen, haben die herumwirbelnden Paare etwas Diabolisches, der Lärm und Staub packen uns an der Kehle. — Gaston La Touch« hat eine Aktstudie „Erregter Schlaf" betitelt; die Schöne, di« sich da aus den Kissen ihres Wonnepfühls herausgewühlt, entzückt nicht minder als das Jarbcnschwelaen ihres Boudoirs; La Touch« bleibt der dekorative Pyrotechniker, als der er sich einen Weltruf geschaffen hat. Henri Martin, der Impressionist, tut es ihm in seiner Manier dies mal an Pracht der Couleurs nach: doch stellte er neben den dekorativen roten Verandagirlanden auch Por- träts seiner gewohnten glänzenden Technik aus. Oarl Ioskin.
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