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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 19.03.1911
- Erscheinungsdatum
- 1911-03-19
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191103191
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19110319
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19110319
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1911
-
Monat
1911-03
- Tag 1911-03-19
-
Monat
1911-03
-
Jahr
1911
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Bezugs-Preis ur L«p,ia und Loron« durch »tt«r» Trä,«r und Lrxdiirur, S»«l »äaltch m< pau« grdrachl: UU »> nvaall., r.78^N ortnrliidrt Bet unirrn Fililr» ». Au» nuhmeuellen »dgeholir 7d r.LL uierteliLhrl. Lurch dir Rotz: l»»«h«ld reuiildiund« und der deutsche» »»Ionien vlerreliäi>r>. rt.Sv «F, monatl. l^i« autichi. dssldeüellgcld. ferner m Belgien, Ttnemark, den ronaulluare», Ilulien. Lureindur^, tliiederlanb«, «or» loe««n Oesierreich Ungarn, «udlanb, Schweden, Schweiz u. Spanien. In allen übrigen Lraaren uur direkr durch di« iLt>chLii»u«Ue de» «takte» erht.llich. La« Leipziger Tageblatt rricheinl Lurai täglich. Sonn. u. geicrlag» nur niorgen«. «kv»nn«uienl-Lnna!>me: AuguttusplatzK, bei unirren Trägern, Filialen, Spediteuren und Annahmestellen. >ow»e Postämtern uns Bries lrigern. Sinzetvertau ssprei« der Morßen- au»gabe 1V der r-dend:u«gade s »h. MpMerTagMaü Handelszeitung. Amtsblatt -es Aales und -cs Aolizeiamles -er Lla-t Leipzig. Anzeigen-Preis M I»je»ar« «u» tieipzl, uns Um,,»u>- ! di» S^ipaltrne S0 mm breit» Betttze l. 2d di« 74 mm br»tt« ««Name,eil« l »an «»märt« LV ch, SteNamen l.20 Inserat« »an Bebäeden >» amtlichen Tei di« 74 »» drrit« Vetid^il» «v «eichältt-n^igen mir P atzvorschriiren nur « der Ubendautaad« im Preu« erüökt. »iabart nach Taris. Beilaaegebüdr c> ». Lausead «gv. Lost gebühr. ,'ttsterteüt« Snlträa« kSnnen mcht zurück a«z»g«n «erden. Für da« Ürtcheliien au d«mmatt«n Tagen n»d Plätzen wird kein: Garantie übernommen Luzei,en. Annahme r Nugustusplatz > b«, sämtlichen Filialen u. allen Annoncen »rpeditioaen de« In» und Ausland««. Redaktion «ad Geschäftsstelle: Iahanniegasse ». Fernsprecher r l4«V!ä I4üt», 14LM Saupt-Filtale Lresdrn: Seestrage 4, l (Teleptzou 4v-l.. Nr. 78 Sanniag. üen lS. Mürr lSll. Das Wichtigste. * Im Grundstück Demmeringstraße 36 in Leipzig-Lindenau wurde gestern abend um Uhr die Arbeitersehefrau Poetzfch er mordet aufgesunden. iS. d. bes. Art.) * Für nächsten Montag steht die Aussperrung von 50 Prozent der Arbeiter in der Chemnitzer Metallindustrie bevor. (S. Dtschs. R.) * Der Reichstag beschäftigte sich auch am Sonnabend noch mit der Beratung des Etats des Neichsamts des Inner n. sS. Reichslagsbericht.) * Von offiziöser Seite werden die übertriebe nen Wünsche des reichsländischen Lan tz e sa u s s ch u s s e s für die Reform der Verfassung von Elsaß-Lothringen zurückgewiesen. (S. d. bes. Art.) * Die Hamburger Polizei verhaftete am Sonn abend einen Engländer und vier Ham burger wegen Spionage. sS. Dtschs. R) Delbrücks Ressort. Verschiedene Reichstagsabgeordnete haben im Verlauf der grasten sozialpolitischen Debatten, die schon über eine Woche währen und noch einen Teil der neuen Woche beanspruchen dürften, darüber geklagt, dast die sozialreforme rische Arbeit stillstehe, und Herr Delbrück hat das eifervoll in Abrede zu stellen versucht. Er hat auf Zahlen verwiesen, auf die Gelder, die in der Versicherungsgesetzgebung jahraus, jahrein angelegt würden, und auf die ohne Frage stattliche Anzahl der Entwürfe, die der Verabschiedung harrten. Und er hat dennoch nicht ganz recht gehabt. Aber auch die Ankläger waren nicht völlig im Recht; denn sie schoben alle Schuld auf die Regierung, und so liegen die Dinge in Wahrheit nicht. Es gibt ja Opti misten, die von der gegenwärtigen Session noch allerlei erwarten. Wir gehören nicht zu ihnen und — was uns sympathisch berührt, weil Ehr lichkeit immer Sympathie erweckt — der Herr Staatssekretär auch nicht. Er hat vernehmlich genug den Zweifel durchklingen lassen an der Möglichkeit, alle vorliegenden sozialpoli tischen Gesetze, als da sind: Reichsversicherungs ordnung, Arbeitskammergesetz, Novelle zur Ge werbeordnung und Heimarbcitsgesetz, noch im gegenwärtigen Reichstag durchzudrücken. Zum mindesten werden die Entwürfe des Arbeitskammer- und des Heimarbeits gesetzes ihre Erledigung nicht finden. Nun wird nach dem Schuldigen geforscht. Manche erklären: weil die Regierung diese Dinge mit allerlei reaktionären Zutaten bepackt hat. Das ist doch nur zum Teil richtig. Einzelne reaktionäre Züge wird freilich ein jedes sozial politische Gesetz tragen. Denn jedes Gesetz muß, bevor es dem Bundesrat vorgclegt wird, das preußische Staatsministerium passieren, und hier sorgen immer ein paar Ministerien, am zuver lässigsten das preußische Ressort des Innern, dafür, daß etwas Polizeiluft, ein Zug von Aengstlichkeit und Scheu vor jeder freieren Betätigung in diese Gesetze hineingcwoben wird. Darüber hat schon Graf Posadowsky zu klagen gehabt, der doch einen stärkeren Willen und mehr Gewicht einzusetzen hatte als Herr Delbrück. — Diese Widerstände lasten als unwill kommenes L'weäcium iuvoutarü natürlich auch auf seinem Nachfolger. Aber bei einigen dieser Gesetze steht es doch so, daß die Regierung schon mit sich reden ließe und ganz gern ein Mehr an Zugeständ nissen brächte. Aber Parteien, die zur Mehr, heitsbildung erforderlich sind, wollen diese Zu geständnisse nicht. Beim Entwurf zur Rege lung der Heimarbeit z. B. würde die Regierung durchaus nicht abgeneigt sein, der Einsetzung von Lohnämtern zuzustimmen. Aber da machen Parteien, die sonst das Gesetz zu tragen bereit' sind, einfach nicht mit. Und so wird, obschon es eine Schmach ist und eine Versündi gung an dieser schlechtest gestellten und zer mürbtesten aller Arbeiterschichten die Heim arbeit auch hinfort ungeregelt und ungeschützt bleiben. Aber weder die Regierung noch die Parteien können allein für die Langsamkeit in der Er ledigung sozialpolitischer Aufgaben verantwort lich gemacht werden. Wir müssen schon noch etwas tiefer gehen und finden dann, daß hier und da eine gewisse Müdigkeit, solch« Arbeiten zu verrichten, sich breit zu machen be ginnt. Diese Stimmung ist zweifellos durch die unerfreuliche Art gefördert worden, in der man von gewissen Seiten durch Reden und Reso lutionen, durch systemlose Weitschweifigkeit und durch unbekümmertes Drauflosfordern, statt planmäßiger Konzentration im Reichstage seit Jahren das Interesse an der sozialpolitischen Betätigung totzuschlagen sich bemüht hat. Andere Motive saßen tiefer. Ungefähr ein Jahrzehnt, etwa seit der zweiten Hälfte der neunziger Jahre bis gegen Ende der Aera Posadowsky waren diese Dinge von einer starken Strömung in der Nation getragen worden. Man glaubte an die sozialpolitische Arbeit und hatte ehrliche Freude an ihr. Seither haben, wie das immer sogeht, andere Empfindungs reihen die früheren abgelöst. Man hat sich in weiten Schichten darauf besonnen, daß das Hemd einem näher sitzt als der Rock; eigene Nöte, wirkliche und vermeintliche, machten sich bemerkbar und verringerten das altruistische Streben. Und zu den Handwerkern, deren Klagen uns seit Dezennien — wenn man so will: seit dem Handwerkerparlament der vier ziger Jahre — vertraut sind, gesellten sich Detaillisten und Privatangestellte mit ihren Beschwerden und Schmerzen. Auch ihnen wird mit Recht Gehör geschenkt, aber das er weiterte Arbeitsgebiet verlangsamt natürlich die Erledigung der einzelnen Arbeitsaufgabcn, und so kommen eben leider Stimmungen auf, die als sozialpolitische Müdigkeit zu deuten sind. Für eine solche Epoche ist Herr Delbrück der rechte Mann am Platze; ein Mann, nicht ohne Wohlwollen, aber ohne alle Begeisterung; einer von den vielen, denen man täglich in Gesell« schäft begegnen kann, die einem, sobald das .Gespräch darauf kommt, eifrig nickend be- (tätigen: gewiß, gewiß, Sozialpolitik muß sein, gber nicht zu viel, nicht zu viel! Herr Delbrück tut das Seinige, damit sozusagen die Maschine nicht stillsteht, aber wenn sie keine Kilometer schluckt und nicht Berge einreißt, wird er nicht gerade untröstlich sein. Indes ein anderer Reichsminister für Sozialpolitik wäre in diesen Zeitläuften kaum möglich. Eines schließt sich hier eben durchaus logisch an das andere an, und wer gewohnt ist, die mensch lichen Dinge nicht zu bejubeln oder zu beklagen, sondern sie zu begreifen, wird finden, daß alles im Grunde sehr gut zueinander paßt: das Parlament zum Staatssekretär und der Staats sekretär zur Sozialpolitik, die von beiden ge macht oder auch nicht gemacht wird. Reue Rüstungen üer Kurie. Unser römischer Mitarbeiter schreibt uns un- term 16. März: Acht Tage nach der Modernistendebatte im preußi schen Abgeordnetenhause ist man im Vatikan wieder oben auf. Auch wer diesen Kreisen fern stebt, könnte das Selbstbewußtsein der Herren Merry del Val, Vives y Tuty und Benigni nach dem Ton bemessen, den der letztere in den von ihm bedienten vatikanischen Organen anzustimmen für gut hält. Benigni, der bisherige Pressedirigent im Vati kan, rühmt sich allen gegenüber, die es etwa noch nicht wissen sollten, ganz offenkundig, daß seine Ent hebung von dem Posten noch lange nicht bedeute, daß er nun nichts mehr in Presseangelegenheiten zu sagen hätte! Im Gegenteil! Jetzt wird er sich — zum Aerger Preußens im allgemeinen und des Breslauer Kardinals im besonderen — erst recht bemühen, das Dezernat der Presse auf ein „höheres Niveau" zu heben, jetzt, wo er dank seiner Gönner Merry del Val und Ten. von zeitraubender Kleinarbeit ent hoben ist! Das verkündet nicht nur der dem Vatikan gern seine Dienste leistend« „Corriere della Sera", sondern auch einige römische antiklerikale (!) Blätter, deren Ausfrager bei Monsignore Benigni stets auf Verständnis rechnen können! Für die deutschen Kreise ergibt sich aus dem „Fall Benigni" folgende Nutzanwendung: Benigni halt und gilt auch heute noch bei der diplomatischen Ver tretung beim Vatikan und bei den auf gute Be ziehungen zu Berlin haltenden Bischöfen als Vater aller Schwierigkeiten und Handel sucher! Di« diplomatische Vertretung hat seinen Sturz nicht gesucht (es wäre auch vergeblrche Mühe gewesen!), sich aber gefreut, daß es deutschen klerikalen Kreisen scheinbar gelungen wäre, Benignis Macht- jpbäre einzuschränken. Daß er jetzt zu größerem An sehen gelangt ist, wird als Zeichen dafür aufgefaßt, daß der Schluß der Modernistendebatte im preußi schen Abgeordnetenhaus« den Vatikan zu einem neuen Vorstoß ermutigt hat. Und der wird aller Voraussicht nach in Kurze von sich reden machen. Herr von Bethmann Hollweg gab einen Schreckschuß ab. Aber nach dem ersten Schreck hat man im Vatikan die alte Ruhe und die alte — Kühnheit wiedergefunden! Ein zweites Mal will man sich nicht so leicht verblüffen lassen. Man ist im Vatikan offenbar von feiten des Zentrums informiert worden, daß Herr von Bethmann Hollweg nur ein Schein gefecht geliefert bat, um die unruhig gewordene protestantische Bevölkerung einzuschläfern und sich das Wahlgeschäft nicht allzusehr zu erschweren. Der Vatikan hat volles Verständnis für die Röte de» deutschen Reichskanzlers und kann jetzt lustig unter dem Triumvirat Merry del Val. Vives y Tuty und Benigni das alte Schaukelspicl von neuem beginnen! Rus üem Leben Les Prinzen Mar von Sschlen. In der neuerschienenen illustrierten Zeitschrift für Kulturgeschichte und Kirchenpolitik „Die Musen" (Verlag für nationale Literatur, Berlin) veröffent licht Josef Leute einen langen interessanten Aus satz über den Prinzen Max von Sachsen. Der Verfasser ist ein geistlicher Studiengenossc des Prinzen unv schreibt u. a. folgendes: In dem Eichstätter Priesterseminar wurden wir eines Abenvs von dem Regens versammelt ^mo am Schlüsse üer Konferenz erzäqlte er, wie das Seminar einen gar hoben Gast bekommen werde: Seine König liche Hoheit Prinz Max von Sachsen werde als Alumnus eintrelcn. Wir wußten das große Geheim nis wohl schon längst aus Ser Tagespresse, aber nun erhielten wir unsere Verhaltungsmaßregeln für den Umgang mit dem Prinzen. Insbesondere wurde uns aufs strengste untersagt, Sen Prinzen anders als „Königliche Hoheit" anzureden oder die Kgl. Hoheit etwa über die Gründe seines Eintritts zu inter viewen. Leider, denn gerade das interessierte uns am meisten, lasen wir doch in Len Blättern von zarten Beziehungen zu einer nördlichen Prinzessin. Mit verschmitztem Lächeln begrüßten wir das Dementi üer Zentrumsblätter, der Prinz habe aus freier Neigung sich für den Priesterstand entschieden und das Gerede von den zarten Beziehungen sei müßiger Hofllatsch. Am andern Tag besuchte Bischof v. Leon rod das Priesterseminar, zu seiner Seite ein junger schlanker Mann, der kindlich verwundert die kahlen, weißgetünchten Wände der Korridore entlang schritt, deren Schmuck einzig ein paar alte, von der Zeit ge schwärzte Oelgemälde bildeten, von denen die Por träts der ersten Jesuitengenerale dem Königssohn ein Willkomm entboten. Bfichof Leonrod hielt etwa» auf Ehrerbietung und Achtung gegenüber einem adeligen oder fürstlichen Stammbaum. Zu dem Verfasser sa-te er einmal das Wort: Die höheren Kirchen stellen sollten eigentlich nur mit Adeligen besetzt werden. Das war echt mittelalterliche An schauung. Die Adeligen aber, die zu meinen Zeiten zu Eichstätt studierten, versprachen gerade keine außergewöhnlichen Leuchten der Hierarchie zu werden. Die meisten brachten es bis zum Landpsarrer, einzig Baron Zorn von Bulach rückte bis zum Weihbischci von Straßburg auf. Beim Abendessen hatten wir dann Gelegenheit, den Prinzen unter uns zu sehen. Mitten an der großen Hufeisentafel, die sich durch das ganze Re fektorium hinzog, hatte Prinz Max bei dem ent sprechenden Jahreskurse seinen Tischplatz bekommen. Ein wenig verwundert schaute der Prinz auf die ein fachen Zinnteller, aus denen wir aßen. Sbusnahms- weise genoß Prinz Max die Vergünstigung, daß auf seinem Teller Weißbrot serviert wurde, während wir nur schwarzes hatten. Diesen Vorzug schasste Prinz Max selbst ab, er wollte alles wie wir andern auch haben. In dem ersten Stock des geräumigen Gebäudes hatte Prinz Max ein nettes, in den Garten schauendes Zimmer inne. Es war bei uns üblich, die kurzen Freipausen, die nach dem Mittagessen und nach den Nachmittagskollegien trafen, in gemeinsamem Spazierengehen in dem Anstaltsgarten zu verbringen. Prinz Max schloß sich den Spaziergängern, die zu zweien oder dreien auf und ab wandelten, an und war in der Unterhaltung ein ganz gemütlicher, netter Charakter. Wir waren oft freilich um einen Ge sprächsstoff verlegen, doch Prinz Max war ein eifriger Frager. Ihn interessierte besonders die kirchliche Wissenschaft. Was wir an ihm bewunderten, war vor allem sein außergewöhnliches Gedächtnis. Was er einmal gelesen hatte, das saß in seinem Kopse fest, und so kannte er in Bälde vielleicht das ganze Brevier und die Bibel auswendig. Bei seinen historischen Studien, die er später betrieb, kam ihm das gewiß sehr zustatten. An Wissen war Prinz Max dem Papste Pius X. sicher weil überlegen, als dieser ihn zum Widerruf zwang: da har der Schüler über dem Meister zu Gericht gesessen. So erlebt man's oft in der katholischen Kirche. Im Kolleg war Prinz Max überaus fleißig. Er hatte nicht wie andere Prinzen einen Adjutanten bei sich, der für ihn die Vorlesungen nachschried. Eifrig notierte er sich das Wissenswerte in seine Heft«. Prinz Max hatte eine Schrift, als ob er mit Zündhölzern schrieb«, dabei benützte er kein Löschblatt, sondern schrieb das Blatt einfach bis zur letzten Zeil« voll, wendete es um und schrieb weiter. Ich sah ihm manchmal zu. wie er die natürlich steif zusammengeklebten Blätter wieder zu trennen suchte, um di« Niederschrift der kostbaren Wissenschaft zu entziffern. Im Kollegbesuch war Königliche Hoheit außer ordentlich gewissenhaft. Geschwänzt hat er nie mals. Immer blieb er mit dem Gang des Kollegs auf dem laufenden, und es war bei den Spazier- gängen der Pausen «in beliebter Brauch des Prinzen, das Gespräch auf die Wissenschaft des Hörsaals zu bringen. So wurde Prinz Max ein etwas gefürchteter Gesellschafter, denn da hieß es seinen Mann stehen, wenn der Prinz das Ausfragen anfing. Er glaubte eben, in jedem Priefterkandidaten müsse ein Dr—s>: der Theologie stecken. Darum gab er uns manche Winke und Mahnungen, wenn er merkte, daß man das Lernen auf die leichte Schulter nahm. Da konnte Prinz Max seinen Gefährten auch ganz ernste Moral pauken halten. Besonder, konnte er es nicht ertragen, wenn einer der Alumnen di« Hausordnung nicht einhallen wollte, etwa zu lang« spazieren ging oder es über haupt an Eifer fehlen ließ. Da war er mit Ermah, 105. Jahrgang. nungen gleich b«i der Hand. Er hatte sich an eine äußerst peinliche Befolgung der Hausordnung ge wöhnt . . . Prinz Max war immer einer der ersten in der Hauskapelle, er begann sein Tagewerk mit eiserner Pünktlichkeit, da er an militärischen Gehorsam gewöhnt war. Der Ern st der wissenschaftlichen Arbeit und die schlichte Einfalt, in der Prinz Max sich in das täglich« Kommunitätsleben hineinfand, überzeugten uns bald von seinem heiligen Eifer für die gewählte Sache. Es war kein Welt schmerz um eine entschwundene Prinzessin, die ibn „ins Kloster getrieben" hätte, es war einfach Üer Wille, der katholischen Kirche zu dienen." Im weiteren Verlauf seiner Abhandlung kommt Leute auch auf die Differenz des prinzlichen Priesters mit der Kurie und auf dessen Unterwerfung zu reden. Wir lesen da: „Prinz Max war gewiß am meisten von dem Ain brausen Roms überrascht. An solche Folgen Haire er überhaupt nicht gedacht. Es wäre ihm im Traume nicht eingefallen, gegen die römische Kirch« etwas zu schreiben. Wir, die wir den Prinzen in seinen Studien näher kenne,, und ihn darum auch beurteilen können, müssen zugestehen, daß der Prinz peinlich be strebt war, das Wahre vom Falschen zu sondern Wenn er also die Taten früherer Päpste verurteilte, so geschah es einzig deswegen, weil er jene Taten als wirklich geschehen erkannte, und weil sein ehrlicher, gerader Sinn sich gegen das betrügerische Manipu lieren der Päpste gegenüber den Orientalen empörte. Das floß ihm als Frucht seiner Studien von selbst in die Feder. Historische Tatsachen aber werden nicht dadurch aus der Welt geschafft, daß man die Kunde von ihrem Geschchensein auf Befehl des Papstes widerruft. Die Kirchengeichichte läßt sich nicht mehr ungeschehen machen, nur sagen darf man nicht, wie sie in Wirklichkeit aussieht. Das ist das Resultat des prinzlichen Kanossa ganges. Wie nun die Sache auch weiter sich ent wickeln mag, das eine steht fest: Mit der Karriere des Prinzen in derHierarchie ist es jetzt vorbei. Männer, die in der Hierarchie mit oder gegen Rom es zu etwas dringen wollen, müssen au, härterem Holze geschnitzt sein." Sine oMMle Warnung an üen reichs- . IsnüMen Lanüessuslchutz. Die „Nordd. Alla. Zig." schreibt: „Der elsatz lothringische Landesausschuß hat Don nerstag einen Antrag angenommen, der in bezug auf die Verfassungsreform eine Reihe radikaler For derungen aufstellt, über deren Unannehm barkeit sich auch die Urheber dieses Antrages keinem Zweifel hingeben dürsten. Wenn die elsaß- lothringischen Elemente, die dem Lande die Unzu friedenheit und sich den Agitationsstoff erhalten wollen, diesen Radikalismus noch kräftig schüren, um die Vorlage zu Fall zu bringen, so mag das taktisch verständlich sein. Allen denen, die prinzipiell mit dem von der Regieruna vorgeschlagenen Weg ein verstanden sind, wird aber die Spur einer solchen Taktik nicht verborgen bleiben können. Nachdem der Bundesrat unter entschiedener Ablehnung der auf einen lebenslänglichen Statthalter und selbständigen Bundesrat gerichteten Anträge die Verleihung von drei Bundesratsstimmen an Elsaß-Lothringen vor geschlagen hatte, könnte man Erwarten, daß die große Bedeutung dieser Verleihung von jedem, der die weitere Entwickeluna des Reichslandes zu größerer Selbständigkeit ehrlich wünscht, richtig gewürdigt würde. Voraussetzung für ein günstiges Resultat der weiteren Beratung der Verfassungsreform ist aber, daß Wünsche, die über die Gesetzesvorlage der ver kündeten Regierungen hinausgehen, zurückge stellt werden. Die Bedeutung solcher das Budget recht, die Erste Kammer und das Wahlrecht betreffen den Wünsche steht in keinem Verhältnis zur Bedeu tung dessen, was die Elsaß-Lothringer nach den Vor schlagen der Reichsleitung erlangen wollen. Es unter liegt keinem Zweifel, daß der Versuch, Sonderwünsche zu vollführen, auf den entschiedenen Wider st a n d der verbündeten Regierungen stoßen und das Scheitern der Vorlage zur Folge haben würde. Die Verantwortung für diesen Ausgang, der die Entwickelung des Reichslandes zur Selbständigkeit auf lange hinaus in Frage stellen müßte, fällt da nicht den verbündeten Regierungen zu. Wenn Politik der Sinn für das Mögliche und die Gabe ist, Wesentliches von Unwesentlichem zu unter scheiden, so wird «in Politiker das Wesentliche, das heute möglich ist, nicht durch das Unmögliche, das unwesentlich ist, gefährden können. Das sollten die aufrichtig an der Derfassungsreform interessierten Elsaß-Lothringer bedenken und, anstatt den Bogen zu Überspannen, umgekehrt dahin wirken, daß den Par teien im Reichstage, die in gemeinsamer Arbeit mit der Regierung das Reformwerk zustande bringen wollen, die erforderliche Zurückhaltung in ihren Anträgen nicht erschwert wird." — Das ist deutlich, war aber sehr notwendig. Deullckes Reich. Leipzig, 18. Marz * Für die bevorstehenden Wahlen zur Landes synode ist nach Meldung der Regierungsblätter der 10. Mai als Wahltermin festgesetzt worden. Für die Wahlbezirke >Xk und IX st (Leipzig-Stadt ist Bürgermeister Roth, für den Wahlbezirk X (Leipzig- Land) Amtshauptmann von Nostitz-Wallwitz zum Kommissar bestellt worden. * Ein« Reform de« Referendarexamen«, dte jetzt in Preußen viel besprochen wird, wird in Sachsen vorläufig nicht als erforderlich angesehen, da hier über da« Refereüdarexamen besondere Vor- schriften bestehen. * Zum Lohnknmpf in der Chemnitzer Metall industrie. Am Freitag abend fanden in Chemnitz
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