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Hisv «vsrükrtt AI SenivUroiL): »L8 Lnäe von ^It^n-Kuscli l. Alispan begleitete mich auf die Gänsejagd. Wir tranken ani Brunnen warmes, leicht salziges Wasser und setzten »ns, um auszuruhcn. Weit am Horizont schlängelte sich eine Rauchwolke. „Das eiserne Kamel ist gelaufen", sagte nachdenklich Auspan, nachdem er eine Weile den Lokomotivrauch beob achtet hatte. „Hast du es in der Nähe gesehen?" fragte ich. „Das eiserne Kamel? So nahe wie dich Damals noch als Altyn-Kusch mit ihm kämpfte." „Wer ist denn das?" „Hast du nicht von Altyn-Kusch gehört?" Und während wir die Mittagsruhe hielten, erzählte mir Auszsan die Geschichte. Ich erwartete, eine alt« Le gende zu hören — aber das Alter der Geschichte von Altyn-Kusch zählt nach Monaten, nach der Zeit seit der Eröffnung des Turksib — der turkestan-sibirischen Eisen bahn. U. „Das eiserne Kamel läuft sehr schnell", erzählten uns die Leute, die vom Irtyjch-Flutz kamen — aber es gibt ver schiedene Schnelligkeit. Auch der Ochse läuft schnell, wenn man eine gute Peitsch,« in die Hand nimmt, aber auch das schlechteste Pferd überholt ihn. Die Schnelligkeit des eiser nen Kamels hatte niemand gesehen, aber in der ganze» steppe gab es niemand, der Tschalpan nicht kannte. Tschnl- van war der kühnste Djigit in der ganzen Steppe, und seinen Ruhm verdankte er Altyu-Kujch, was so viel wie goldener Vogel" heitzt. Nein, Altyn-Kusch war schneller als ein Vogel. Vom Ansehen war Altyn-Kusch nicht einmal schön. Klei», suchsfarben, mit langer, verfilzter Mähne halte er nicht die schönen Formen. die ein edler Nenner zeigt. Ohne die Eigenschaften von Altyn-Kusch zu kennen, könnte man gleichgültig an ihm vorbeigehen. Noch vor fünf Jahren kannte Altyn-Kusch nicht die unterjochende Hand des Menschen. Tschalpan hatte den Renner aus den Samalkul-Steppen gebracht, wo bis jetzt Herden von wilden Pserden über die Ebenen jagen. Wie es ihm gelungen ist, die Fangschlinge um den Hals des mitztrauijchcn Hengstes zu werfen — das erzählte Tschalpan nicht, aber als er mit der Beute zurückgekommen war, mutzte er noch einen ganzen Monat seine zerschlagene Schulter kurieren- Ebenso lange hatte er mit der aus gerenkten Hand zu tun. als er Altyn-Kusch zuzureiten be gann. Die Steppen lagen schon in tiefem Schnee, als er zum erstenmal auf Altyn-Kusch von einem Aul ins andere ritt, und im nächsten Frühjahr nach dem ersten Rennen sagte ihm der reiche Essen-Bey: „Ich gebe dir dreihundert Hammel. Gib mr Altyn- Kusch." Tschalpan lächelte und schüttelte den Kopf. „Zu wenig? Nimm ättl), ein Kamel und zwei meiner Renner dazu . . ." „Latz sie lwi dir, Bey", antwortete der Djigit: „Die .Hamel und die Nenner. Wenn du mir sogar deine Frauen dazu gibst, so werde ich Altyn-Kusch doch nicht sort- geben . . ." Es geschah aber auch so: Tschalpan schläft und hört plötzlich jemand schreien in der Steppe — schreit wie vor dem Tode. Da hatte Altyn-Kusch ausgeschlagen, denn es gab viele Reiter, die ihn aufzäumen wollten . . . Schön war es, aus der Ferne zu sehen: Tschalpan reitet auf Altyn-Kusch. Man sah nicht den Reiter, nicht das Pferd: nur ein dunkler Punkt, der sich mit Windes eile bewegt. Und nun sollte der unvergleichlickze Renner sich mit dem eisernen Kamel an Schnelligkeit messen. Das lebendige Kamel ist schwer und plump — soll das eiserne schneller als der Wind sein? III. An diesem Morgen rvaren die Steppen bunt von den farbenfrohen Kleidern der Kirgisen, die zu der Station pilgerten, von der aus das nie gesehene eiserne Kamel seinen Lauf beginnen sollte. Manner, Frauen, Kinder kamen von allen Seiten. Es war kaum zu glauben, datz die leblose, wüste Steppe soviel Leute birgt. Aber vielleicht wird Tschalpan auf das Wettrennen verzichten? Die Russen erzählten, datz das eiserne Kamel sehr schwer ist, aber surchtbar schnell rennt. Sehr schnell... „Latz. Djiglit", rieten Vorsichtige Tschalpan: „Passe auf, wirbst noch Schmutz essen . ." „Schmutz essen" — das bedeutet vor Scham vergehen. Aber Tschalpan war zu sicher in Altyn-Kusch. Wie immer vor dem Nennen fütterte er den Hengst mit Weizen, der in Stutenmilch aufgeweicht war In Erwartung des Ren nens scharrte Altyn-Kusch ungeduldig mit dem Huf, und Tschalpan wartete auch, bis das eiserne Kamel eine Wolke Rauch in den Himmel stietz und durchdringend psisf. Im nächste» Augenblick ritz sich Altyn-Kusch, aus dem Tschalpan satz, vom Platz los . . . IV. Die Station bei den „Drei Brunnen" bildete das Ziel. Bis dorthin waren es 18 Kilometer. Auf dem ganzen Wege hatten sich Reitergruppen verteilt, um den Verlaus des Wettrennens zu beobachten. Auf den ersten fünf Kilometern überholte Altyn Kusch seinen Gegner bei weitem. Als ein gewiegter Reiter ver stand Tschalpan, datz das eiserne Kamel Kraft sür das Finish spart, er begann das Pserd zu zügeln und lietz sich einholen. Kopf an Kopf sausten sie dahin. Die Menschen aus dem eisernen Kamel schrien etwas, winkten mit den Mützen, aber der Djigit hörte nichts: seine ganze Ausmerk- samkeit war aus die runden Beine des eisernen Kamels konzentriert. Wurden die Umdrehungen schneller, so lietz er Altyn-Kusch freien Lauf, wurden sie langsamer, so zügelte er das Pferd. Aber nun begann das eiserne Kamel beschleunigt zu atmen und immer schneller zu lausen. Das war dem Djigiten ganz nach der Seele! Zu einer Linie wurde Altyn- Kusch, der Wind pfiss in den Ohren, wie ein Vogel slog das Pferd. Gräben. Löcher, Steine — man merkte nichts davon. Und der Gegner schnauft immer öfter und öfter. Ist er müde geworden? — Holla, das ist etwas anderes: je öfter er schnauft, desro schneller rollen seine Näder. Jetzt hat er Altyn-Kusch überholt. Tschalpan pretzt ihm die Schenkel in die Seiten, und sie sind wieder nebeneinander. Der Renner wird natz, der Wind reitzt von dem Mundstück weitze Flocken fort. Schadet nichts, Altyn-Kusch, es gibt doch in der Steppe niemand, der schneller ist als du. Gleich werden wir wieder nebeneinander lein . . . Aber was ist das? Das eiserne Kamel wirft ganze Wolken schwarzen Rauches in den Himmel und läuft schneller als der Wind davon. Das Folgende vollzog sich vor den Augen der Djigiten, die den Wettlaus versolgten. Dreiviertel des Weges waren schon zurückgelegt. Die Lokomotive war weit vorn, als Altyn-Kusch stolperte. Kurz danach mutzte er einen kleinen Kanal überspringen, der zum Ablaufen des Wassers ge graben war, und zum ersten Mal verlangsamte der Nenner seinen Lauf. Tschalpan hob die Peitsche — es war der erste und letzte Schlag, den Altyn-Kusch von seinem Herrn be kommen hatte! Der Hengst ging vor Empörung und Schmerz hoch. Mit einem schönen leichten Sprung nahm er das Hindernis, zeigte noch einmal, wozu er imstande war, und siel dann schwer, wie ein «»geschossener Falke auf die Erde . . . Als Tschalpan sich nach dem Sturz erhoben hatte, blickte er dorthin, wohin das eiserne Kamel gerannt war: nur schwarzer Rauch lag ani Horizont. Dann blickte der Djigit auf Altyn Kusch: das Pferd lag schwer atmend auf dem Boden. Kurzes Zittern lief über seinen Körper, der Schaum an dem Mundstück war rot gefärbt. Der Djigit näherte sich ihm, Altyn-Kusch drehte den Kopf zu dem Herrn und blickte ihn schmerzlich an. Tschalpan zog aus der Tasche einen alten Revolver und steckte die Mündung dem Hengst ins Ohr. Dann drehte er sich weg und drückte auf den Abzug . . . Er hat ihn noch am selben Tag begraben und legte drei Steine auf das Grab," schlotz Auspan seinen Bericht. Die Steppe schwieg. An der Grenze von Himmel und Erde entslanden Luftspiegelungen: ein See. Haine. Dann zog ein Streisen dunklen Rauches vorüber und blies alles weg. Wieder war der Zug durch die Stepe gerollt. „Wenn der Djigit darauf gehört Hütte, was man ihm vor dem Rennen gesagt hatte, wäre Altyn-Kusch noch heil, und er mützt« nicht Schmutz essen," sagte ich. „Ja, schade um den Reimer," antwortete Auspan. „Wir haben keinen solchen mehr in der Steppe. Aber was den Schmutz betrifft, das ist kein Unglück. Tschalpan atz nicht viel davon." „Wieso denn das?" interessierte ich mich. „Er ist schon jo ein Mensch. „Und ich werde doch den Nenner haben, der schneller als alle ist!" sagte er. ging aus die Station und bat den Mann mit der roten Mühe, ihm Arbeit zu geben. Und was glaubst du? So ist es auch geworden. Jetzt reitet Tschalpan auf dem eisernen Kamel, füttert es mit Kohlen. Und man erzählt, er wird es schon bald am Zaum halten . . ." HaZoäie im Variete / vv^ Iiggie und Irin, die „beiterzogenen Schimpansen der Welt", sahen zu Tisch. Iiggie lieh sich die Wasser la rasse reiche», Jim schabte »och mit dem Messer aus dem Teller — die viel belachte Szene dauerte heute dreiviertel Minute langer. Der altere Schimpanse, Iiggie, wurde nervös, sein Meister schien nicht bei der Sache zu sein. Beim zweiten Klopfen auf die Stuhllehne erschrak der Dompteur Andor neben ihm zusammen, nahm Glas und Teller in Empfang und zog Jims Kelte l straffer. Das hieh: „Beeile dich!" Iiggie kletterte vom Stuhl, er ! durste ohne Kette arbeiten und muhte die Fahrräder au der j Kulisse vom Boy in Empfang nehme». Wieder blieb eine ltveile das Signal zum Aufsitzen aus — was ging mit dem Meister vor? Der Schimpanse beobachtete seinen Herrn mit der Tker- schlagenheit des dressierten Tieres, er bemerkte eine Unsicher heit im Wesen des Dompteurs, und ihm entging nicht jenes leise Lächeln dort unten im Halbdunkel einer Loge . . . Dann fuhren Jim und Iiggie Rad, muhten sich ausklei den, waschen, ins Bett legen. Immer war Jim störrisch und verbissen, er folgte unwillig dem Gefährten, der gern aus Lustgkeit eigene Kunst».' ersann und noch im Fallen de- Vorhanges Kuhhüude in den Saal warf. Abend sitz Abend tätschelte der Meister „seinem" Iiggie lobend den Kopf — Jim verkroch sich dann schnell . . . Das Klatschen brandete an die Rampe, Jim zog sich er- bwt in die Garderobe zurück, Iggie ging stolz und ungefesselt neben ihm und dem Menschen. Der Dompteur schien die Gegenwart der Tiere vergehen zu haben. Er stieg die Treppe zum Garderobenraum empor. Iiggie gab einen leisen pfeifenden Laut von sich, aber auch der wurde überhört. Sie wurden besonders angeklcidet sür di« Heimfahrt in den Zoo, wo ein warmer Käsig sür sie gemietet wa-r. Der Dompteur sprach kein Wort. In seinem regungs losen Gesicht lächelte etwas, d,»s den Tieren in den vielen Jah ren ihres Zusammenlebens mit ihm nie begegnet war, das sie auch nicht zu deuten vermochten: das Lächeln meieichlichen Glucks. — Einige Abende vergingen ähnlich. Der Herr blieb unauf merksam bei den Vorführungen und selten verwandelt in allen Stunden, die er auf die Dressur wenden muhte, eine Dressur, die eigentlich ein Lehrspiel zwischen Menich und Tier schien, obue Gervalt des Menschen, ohne Tücke des Tieres Die lusti gen Unterhaltungen, mit denen man früher neu« Trick» aus- arbeitele, gab es nicht mehr. Wenn nur alles einigermagen geklappt lhxte, blieben sie allein in ihrem geheizten Käfig bis Von den Arbeits- losenunrnhen in Irland Die brennenden Reste einer Holzbarrikade der Anführer. — Der Auirukr der Arbeits losen in der Hauptstadt von Nordirland l Ulster! wuchs sich zu einem Bürgerkrieg aus. :!(M> Polizisten verstärkt durch Infanterie, standen in stundenlangem Kampf mit lütM Arbeitslosen. zur abendlichen Fahrt ins Variete. Jim schlich und kletterte gereizt umher, Iiggie hockte in einer Ecke und starrte durch da» Glas aus neugierige Augen, unter denen er vergeblich die sei nes Herren suchte. Schmerz, dumpf und tierisch, frag sich in ihre witternde Instinkte, unbegreiflich und fremdartig. Am vierten Abend nach der ersten erstaunten Beobachtung Iiggies eilte sein Herr in grohcn Sprüngen die Garderoben« treppe hinauf, uul>edacht an Jims Kette zerrend. Der Ge- gualte fauchte wütend. Iiggie war gerade nachgekleltert, als Andor zum erste» Riale den Geiährten stl Kcg Der Dompteur kam erst zur Besinnung, da er sich aus einigen Kratzwunden bluten sah und schall dann den „bösen und unartigen" Jim, um Iiggie zu loben. Noch rollte der Geschlagene die Augen, lieh sich aber willig in die Kabine jähren. Iiggi« versuchte den Bruder zu trösten — da horchten beide aun in der Neben kabine, dem llmkleideraum Andors, sparch der Dompteur und ihm antwortete eine Frauenstimme, deren Ton mehr zu lagen hatte, als ihre Wort« Zugaben. Iiggie erkannte in den Wor ten Mac Andors jene Zärtlichkeit, jenen stolzgebenden Zu spruch, der ihm sonst nach jeder Vorstellung als freundschaftlich