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Leipziger Tageblatt und Handelszeitung : 25.02.1912
- Erscheinungsdatum
- 1912-02-25
- Sprache
- Deutsch
- Vorlage
- SLUB Dresden
- Digitalisat
- SLUB Dresden
- Rechtehinweis
- Urheberrechtsschutz 1.0
- Nutzungshinweis
- Freier Zugang - Rechte vorbehalten 1.0
- URN
- urn:nbn:de:bsz:14-db-id84535308X-191202254
- PURL
- http://digital.slub-dresden.de/id84535308X-19120225
- OAI
- oai:de:slub-dresden:db:id-84535308X-19120225
- Sammlungen
- Saxonica
- LDP: Zeitungen
- Zeitungen
- Strukturtyp
- Ausgabe
- Parlamentsperiode
- -
- Wahlperiode
- -
-
Zeitung
Leipziger Tageblatt und Handelszeitung
-
Jahr
1912
-
Monat
1912-02
- Tag 1912-02-25
-
Monat
1912-02
-
Jahr
1912
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BezugS-Prei- jük L«tP»ta und L»e«tt« durch uns»r» Teiiaer und Spedtteur« 2« al tialtch in, bau, -ebrachi: so Pt. monatig 2.7S Mk. «terullährl. Bet un>«rn Älial«n ». Rn» „tmestellen abaetz»it: 7» P». »ouaU^ r.rs»n. »tettellLhrl. Dur« dl« P»I«: .nnerhalb Deulschtand» und der deutichen Rolenien vierteljahrl. »,« «k„ monatl. 1LI> Lil. auefcht. Poftbekellaeld. Kerner in Belgien, Dänemark, den Donouftaalea. Italien, Lurembuia. Niederlande, Nor wegen, Österreich. Ungarn. Nutzland. Schweden, Schwel, u. Span,en. In allen übrigen Staaten nur direkt durch dt» TelchSst,stell« de, Blatte, erhältlich. Da, Lei»,i,er Tageblatt «rlcheint 2mal täglich, Sonn» u. Fetertag, nur morgen». «bonnement-Rnnahme: Iohauat^aN« S, bei «nleren Trägern, Filialen, Spediteuren und Ännahmeftcllen. iowi« Postämtern und Briefträgern. lktat«lo«rkauf,pr,i» 10 Pf» MMtr T agMM » . - ,s14«S2 Macht.»»««.») . s14 E lNacht.nfchl»» Lel.-AMl.U4Mr HltNVeiAKkITUnA. Eel.-Anschl.U4M3 Amtsölatt des Aales und des Nolizeiamtes der Stadt Leipzig. Anzeigen-Preis für Inserat« au, l!«tp,tg und Umgebung die lfpaltigePetitietl«»Pf dirNeklame» »ell« I Rtt' «»" au,wärt, AI Pt. Neklamen llv Mk^' Inierai« von Behörden im amt- lichen Teil dt« Petttreil« S0 Pf Gelchäst.an,eigen mit Plahoorfchrttten ' ,m Breil, erhöht Rabatt na« Tarif. Betlagegedähr Gelamt» auilag« L Mk. p Taulend ettt. Postgebühr, letlbeilag« höher. Fefterteilte «usträar könne» ni-t>t jurück» gezogen werden, Kür da, tirichelnen an bestimmten Tagen und Platzen wird «etn» Garantie übemommen. Anzeigen»Annahme: Iodanni.galle 8, bei iämtltchen Filialen u. allen «nnonren» Grpedttionen des In» und Auslandes Drmk und Beile, -,u Kifcher L klurltea Inhaber: Paul Rieften. Medalti.n und Gelchäftoftell«: Iohannisggif« 8. Haupt-Fillalr Dresden: Eeestratze l, l lirlephon <6211 Nr. 102. Sllnning, üen cs. Februar ISI2. tos. Zstzrgsng. 42 Seiten iE- Unsere gestrige Abendausgabe umfaßt 10 Seiten, die vorliegende Morgennummer 32 Seiten, zusammen Dss Wichtigste. * Der Kaiser wird im Herbst dieses Jahres dem König von Sachsen in Dresden einen Besuch abstatten. (S. Letzte Deo. Seite 3.) * Vom Reichsgericht wurde die Revision, die der Rittergutsbesitzer Becker gegen dos Ur» teil des Landgerichts Stettin eingelegt hatte, verworfen. (S. des. Art. Seite 2.) * Die große Berliner Frauen - Ausstel - lung „Die Frau in Haus und Beruf" wurde gestern im Beisein der Kaiserin feierlich er öffnet. (S. K. u. W. Seite 2.) * Der polnische Dichter Henryk Sicnkic - wicz schreibt einen neuen Roman, in dessen Mittelpunkt die Leipziger Völkerschlacht stehen wird. (S. K. u. W. Seite 3.) * Zwei italienisch« Kriegsschiffe brach ten am Sonnabend vormittag vor Beirut ein türkisches Kanonenboot und ein türkisches Torpedoboot zum Sinken und beschossen so dann den Konak. * Thcateranzeichen siehe Seite 29 und 30. SblÄieü von VismarL? —n. Noch wollen sich die Verärgerten aus ihrer Festung nicht heranstreiben lassen. Sie ist gar zu schön mit Schießscharten und großen Ausfallstorön, mit gotischen Türmen und Türm chen ausstaffiert. Noch tönen die Worte des Starrsinns und der Hartnäckigkeit, der Recht haberei und der Selbstgefälligkeit. Noch hört man von Vertrauenskuudgebungen für die „be währten Führer" in einem Stile, dessen sich die Byzantiner der sonst so verspotteten Duodez fürstentümer von dazumal nicht zu schämen brauchten. Aber schon beginnt die Parteihochflut zu verlaufen, schon droht den Unentwegten das Gespenst der Langeweile, schon hört man das Murren derer, die diese Dinge müde sind. Ganze Systeme hat der Parteigeist auf gebaut. Die politischen Dinge werden nicht mehr aus sich selbst, aus den Bedürfnissen der Ge genwart und des Volks heraus beurteilt. Sie werden in Beziehung gesetzt zu Vorgängen nnd Theorien der Vergangenheit. Die englische Bedrohung vom Juli 1911 war sicherlich ein neues Ereignis. Wohl noch nie, seitdem ein Reich deutscher Nation im Herzen Europas besteht, ist ihm von den Bewohnern des britischen Insel landes in dieser schroffen Weise entgegengetreten worden. Es läge nahe, daß sich das deutsche Volk zur Abwehr aufrafft und sich eine Position zu schaffen sucht, die, nur durch ihr Vorhan densein, ohne eine feindliche Tat oder auch nur ein scharfes Wort dem englischen Minister des Aeußern die Lust nimmt, je wieder mit unserm Abgesandten in London so zu sprechen, wie im Juli 1911. Es gilt, die Rüstung zu vervollstän digen, und es gilt, dafür das Geld herbeizu schaffen. Aber die Parteien treten an diese Auf gaben nicht unmittelbar heran. Um die gegen wärtige Haltung der Parteien zu verstehen, muß man das Jahr 1909 mit der Reichsfinanzreform kennen und dazu muß man wieder die Auf. lösung des Reichstages von 1906 und die folgen den Jahre verstehen. Auch bei den Liberalen ist die Voraussetzungslosigkeit, die sie in der Wissenschaft rühmen, nicht zu spüren. Der Weg zu den politischen Dingen geht auch bei ihnen durch ein scholastisches System von Be hauptungen, Auffassungen und Anklagen hin durch, die in der Vergangenheit wurzeln. Es ist «in Ausfluß politischer Heuchelei, wenn ab und zu die gegenwärtige Zerrissenheit der Parteien auf das Konto des Volkes gesetzt wird. Sie fällt den parlamentarischen Führern zur Last. Der sogenannte Blockbruch der Konservativen — wir stellen im folgenden nur fest und fällen kein Urteil — beruhte durchaus auf einem Entschlüsse der konservativen Frak tionsführer; die Ablehnung der gesamten Reichsfinanzreform durch die Nationalliberalen rvar lediglich das Werk der nationalliberalen Fraktion; die Verschärfung der Gegensätze würde auch weiterhin durch Kundgebungen der Führenden veranlaßt und bezeichnet. Die scharfen Aeußerungen eine- Herrn v. Köller, eines Herrn v. Hcydcbrand und der parteiamtlichen „Konservativen Korrespondenz" mögen vielen Konservativen in Stadt und Land zunächst über raschend und zu weitgehend erschienen sein; aus der liberalen Seite waren es ebenfalls die Füh rer, die mit Kundgebungen der Unversöhnlich keit hervortraten. Und dazu kain die ungezählte Scl>ar der Parteisekretäre, die auf beiden Seiten die scholastische Lehre weiterverbreiteten; sie haben in Hunderten von Versammlungen und Hunderttauicndeu von Dructsätzen die Parteilehre den Hörern und Lesern eingchänuuert; für ihre Tätigkeit ist aber niemand anders verantwort lich als die Führer, auf deren Winke sie han delten. Cs wäre eine Kleinigkeit gewesen, die Parteibcamten „zurückzupfeifen". Keines der scholastischen P a r t e i systeme kann sich auf einen der Heroen des alten oder neuen Deutschlands berufen. Wer sich eines der Hellen Gestirne am Himmel des neuen Deutsch lands zum Leitstern für das eigene Leben gewählt hat, sei es der alte Kaiser Wilhelm, Bismarck, Moltke, Treitschke oder ein anderer: er leuchtet ihm nicht in sein enges Parteisystem hinein. Nur weil die Sterne verdunkelt wurden, konn ten die Parteidoktrinen entstehen. Nun hat zwar der eine Teil, der liberale, gerade kürzlich Bis marck für sich zitiert. Man hat sein Zeugnis zugunsten der Wahl eines Sozialdemokraten in den Reickstagsvorstand geltend gemacht. Dieser Versuch hat einen Abgrund voll Unehrlichkeit enthüllt. Wenn die ins Auge gefaßte Kundgebung der „Hamburger Nachrichten" aus dem Jahre 1895 auf Bismarck zurückgeht, woran zu zwei feln kein Grund vorzuliegen scheint, so wird durch den von den Blättern wiedergegebenen Inhalt jener Kundgebung vollkommen klar, daß Bis marck die Sozialdemokratie zur „Entwicklung ihrer ZukunftSpläne" nötigen und ih' die „Maske"vomGesichtreißen wollte. Nir gends in den Kundgebungen der Nationallibe- ralen.oder Fortschrittler ist aber dies als Mo tiv'der Wahl Bebels und SrheideMauns her vorgetreten. Gerade das Gegenteil hat sich gezeigt: das Bemühen, die Unterschiede zwi schen Bürgertum und Sozialdemokratie zu ver wischen, die Sozialdeinokraieu als harmlose Leute hinzustellen, die zu berücksichtigen nur billig sei, ihr früheres Verhalten zu beschönigen, Zukunfts möglichkeiten positiven Zusammenarbeitens zu er öffnen und so fort. Solange die Liberalen auf diesem Wege fort fahren, wird es mit innerer Ehrlichkeit und Wahr haftigkeit schwer zu vereinen sein, wenn sie den Alten aus dem Sachsenwalde oder den Jungen aus dem Parke von Babelsberg, der den preußi schen König von seinem Abdankungsplane ab brachte, für ihre Sache zitieren. Sie müssen ohne diesen Pfadfinder ihren Weg gehen. Der Liberalismus droht wieder vor- bismärckisch zu werden; er ist drauf und dran, das, was er von Bismarck gelernt hat, wieder zu vergessen. Bei einigen freilich sitzt die Anhänglichkeit an Bismarck und an seine voraussetzungslos deutsche Denkweise fester und tiefer, so etwa in der Gegend des Herzens. Die letzten Wochen haben es gezeigt. Sie haben auch gezeigt, daß diese Leute bereit sind, für das Bürgerrecht ihrer Anschauungen, im Liberalis mus zu kämpfen. Es muß sich nun zeigen, ob die gegenwärtige parlamentarische Führung des Libe ralismus derartige Anschauungen lediglich als lästiges Hindernis auf dem Wege einer skrupel losen und der Idee immer mehr entratenden, auf Verärgerung und Haß aufgebauten Taktik, die schließlich nur noch der Eitelkeit und Recht haberei der Führung dient, betrachtet, oder ob sie stolz ist, das kostbare Gut reiner nationaler Gesinnung verwalten zu dürfen. SsthMche Aukllcht über evsngeMche Schulen? Dom Konservativen Landesverein im Königreich Sachsen erhalten wir mit der Bitte um Abdruck folgende Zuschrift: Die Rechte des Schulvorstandes find im Dolks- schulaesetzentwurf nicht unwesentlich erweitert worden. Der Schulvorstand soll nicht bloß Verwaltungsorgan in äußeren Dingen der Schule sein, er hat auch neue wichtige und sehr tiefgreifende Rechte inbezug auf den inneren Schulbetrieb, ja sogar auf den eigentlichen Unterrichtsbetrieb erhalten. Es handelt sich dabei um Rechte, die zum Teil In halt der bisherigen, vom Entwürfe fallen gelaßenen Ortsschulaufsicht waren. So hat der Schulvorstand nicht nur die Sorge für die Beschaffung und Unterhal tung der Schulräum« und Schule,nrichtungen, sowie die Aufsicht über die Schulgebäude und über deren Ge brauch, er bat auch das wichtige Recht, Lehrmittel und Lehrbücher für die Schulen mit Genehmigung des Bezirksschulinspektors einzuführen, die Amts» führuna und das außeramtliche Verhalten de, Lehrer» zu beaufsichtigen und dem Lehrer selbst bei seiner Unter- richtsführung, vor allem bei der Schulzucht helfend MlienM-Ssterreichilcher Liedeslrühling. (Von unserem römischen Mitarbeiter.) Man weiß nicht, was noch werden mag! An gesichts der Depeschenkundgebungen des neuen öster reichischen und des alten italienischen Ministers des Auswärtigen, die es in alle Welt hinausgerusen haben, daß die Beziehungen zwischen den beiden be freundeten und verbündeten Reichen noch enger und intensiver werden sollen, muß jede Skepsis schweigen, Italien und Oesterreich, die beiden Länder, die man bisher als Erbfeinde zu betrachten gewohnt war, haben ihr Herz entdeckt. Die Erinnerungen an ver gangene Pein sind verblaßt, geschmolzen wie der Schnee vor der Sonne, die neues Leben aus früh lingsfrischem Boden emporsprießen läßt. Seit Menschengedenken hat man noch nie so herzliche Worte für den österreichischen Freund-Nachbarn in Italien aussprechen hören wie jetzt, wo Achrenthals Nachfolger, Herr von Berchthold, der liebe- und freundjchastsbedürftigen Nachbarin eine Erklärung abgegeben hat, die sie in f ö r m l i ch e E k st a s e ver setzt. Ist es der Rausch der echten Liebe, die hier in dem italienischen Blätterwalde aus den Kommen taren zu den Ministerkundgebungen zu eindruckvollem Akkorde emponchwillt, oder zeigt uns die Sensibilität südländischen Temperaments nur ein Strohseuer? Es ist schwer, in diesem Moment die rechte Antwort zu finden. Im nüchtern das Für und Wider wägen den Norden wird man trotz dieser Bedachtsamkeit schnell fertig sein mit dem Wort, das schwer sich handhabt in dem Munde derer, die Augenzeugen ita lienischer Art und Wesens sind. Italien ist bester als sein Ruf! Don manchem andern abgesehen, haben die offiziellen und mehr noch di« inoffiziellen Kreise in Wien die Empfindlichkeit der Italiener jahr zehntelang zu reizen nicht unterlasten, und dadurch keine Atmosphäre für ein« Verständigung geschaffen. Jetzt aber scheint die Periode der Mißverständnisse und Reibungen hinter uns zu liegen. Man laste also Vergangenes begraben sein und freue sich an der Freude Italiens, das seinem Nachbar mit aus gestreckten Armen entgegenkommt. Am offenen Grabe des stärksten Förderers des Bündnisses zwischen Oesterreich und Italien hat das Liebespaar den Schwur der Treue erneuert: das Gesicht dem Mittelmeer zugekehrt! Oesterreich hat — so ruft entzückt das nationalistische „Giornale d'Atalia" aus, das vordem so oft österreich feindliche Töne anschlug — auf dem afrikanischen Kontinent kein« mit den unseren kontrastierenden Interessen. Oesterreich kann ohne eigenen Schaden unsere Interesten in der Adria respektieren. Ge meinsam hat es mit uns das positiv« Intereste, die Mittelmeerstraßen freizuhalten, auf denen Oesterreich selbst zu At«m kommt." Das Mittelmeer und immer wieder das Mittelmeer kehrt in allen Betrachtungen der italienischen Presse mit so deutlichem Hinweis auf Frankreich wieder, und damit auch beaufsichtigend zur Seite zu treten. Zu dieiem Zwecke kann der Vorsitzende des Schulvorstandes oder ein von ihm beauftragtes Mitglied jederzeit dem Unterricht beiwohnen. Auch hat der Vorsitzende des Schulvorstandes beziehungsweise sein Stellvertreter das Recht, den Lehrer für einen Tag zu beurlauben. Vor allem aber übt der Schulvorstand die wichtigsten Rechte aus, die bei einer Schule überhaupt in Frage kommen können: d. s. die der Selbstverwaltung bei Besetzung der Lehrerstellen, also bei den Lehrerwablen! Aus dem Vorstehenden erhellt, daß der Schulvorstand der Entwickelung der ihm unterstellten Schule sehr wohl eine ganz bestimmte Richtung geben und den Geist und die Handhabung des Schul- und Unterrichtsbetriebes ganz wesentlich beeinflussen kann. Gegen alles dieses ist nichts einzuwenden, es folgt vielmehr aus der Natur der Sache, daß der Schulvorstand diese Rechte haben muß. Wohl aber muß es, besonders im Hinblick auf unsere Zeitlage sehr bedenk lich erscheinen, daß nach dem Gesetzentwürfe die Möglichkeit besteht, daß in den Schul vorstand evangelischer Schulen auch Angehörige anderer Kirchen und Bekenntnisse kommen können. Es ist also der gar nicht außer der Welt liegende, vielmehr unter der Herrschaft des geltenden Schul gesetzes erlebte Fall denkbar, daß die wichtigsten Rechte über die evangelische Schule in die Hände Andersgläubiger gelangen. Bei der verschwindenden Bedeutung aller übrigen Religionsaesellschaften kommen dabei in allererster Linie Katholiken in ^rage. Ohne daß damit auch nur in der geringsten Beziehung gegen unsere katholischen Glaubens genossen irgend etwas Abfälliges gesagt sein soll, muß jeder Evangelische gegen der artige Möglichkeiten ein ernstes Veto ein legen. Dies um so mehr, als der Schulgesetzentwurf hier den gesunden Grundsatz der Parität voll ständig verläßt, indem er den katholischen lwie allen anderen) Schulen das gewährt, was er den evangelischen versagt: In den Schulvorstand katho lischer Schulen dürfen nur Katholiken! Das ist auch selbstverständlich. Ebenso selbstverständlich aber sollte es sein, daß auch in die Vertretung evangelischer Schulen nur Angehörige der Landeskirche eintreten dürfen. Diese Lücke de» Schulgesetze» kann zu einer ernsten Gefahr werden. Wer die bewunderns werte Aktionskraft der katholischen Kirche kennt, die um so größer wird, je stärker die bedauerlichen Zerwürfnisse im evangelischen Lager werden,^ wer da weiß, .mit welcher Kraft und Schnelligkeit sie z. B. die österreichische Simultanschüle garn für sich erobert hat, die von manchen Seiten leider auch bei uns erstrebt wird, der kann sich keinem Zweifel darüber hingeben, daß jene Lücke ' zu einem Einfallstore gewisser Machtbestrebungen werden kann, wie sie z. B. zurzeit im Anträge auf Aufhebung des Iesuttengesetzes wieder zutage treten. Es müßte Sache aller bürgerlichen Par teien des Landtages sein, hier Abhilfe zu schaffen. Noch ist es Zeit! daß man in Paris schon einen schweren organischen Gehörfehler markieren müßte, wollte man auf das Liebesgcflüster des an den Gestoben ües Miltelmeers lustwandelnden Paares nicht achten. Um aber auch in dieser Beziehung nicht den geringsten Zweifel aus kommen zu lassen, führt des Ministerpräsioenten Giolitti Leiborgan, die „Stampa", gerade jetzt so schweres Geschütz gegen den Nachbar im Narowesten an, daß der Donner auch euren taubgeborenen Pa riser wecken müßte. In zwei Spalten wird da eine solche Fülle von Grobheiten und Invektiven gegen Delcassö und dessen — Vordermänner geschleu dert. daß jeder rechtschaffene Frantophobe seine Helle Freude an dieser Abkanzelung haben müßte. Doch selbst der verbissenste deutsche Franzosenhasser könnte auch in seinen ausschweifendsten Angriffen kaum so schwer zu Gericht gehen wie die ministerielle „Stampa", die den Pariser Herrschaften mit raffi nierten Bosheiten nachweist, daß Delcass,: es ge wesen, der indirekt den Dreibund gestärkt hat, der Spanien ins deutsche Lager getrieben und zum ärgsten Widersacher Frankreichs gemacht, der dem englischen Kriegsminister nach Berlin, den russischen Großfürsten nach Wien geführt hat, derselbe Delcasst', der üie Aufgabe hatte. Deutschland zu isolieren, statt dessen aber einzig und allein sein Vaterland isoliert hat. Wie dieser Pechvogel, der in seinem ganzen Mi nisterleben den Zickzackkurs steuerte und nur durch Widersprüche und Blender Scheinerfolge eiuheimste, schließlich dazu gelangte, Deutschlands Macht in Europa i m'm er mehr zu stärken, ist hier mit logischer Schärfe dargelegt. Aber schjj.'ßlich weiß man in Paris nicht erst seit heute, daß Italiens Feindseligkeit gegen die gallische Nachbarin noch tiefer wurzelt als seine junge Liebe zu Oesterreich. Daß die letztere die Ursache und Folge des Haffes gegen Frankreich ist, darüber wird man sich in Paris schon klar geworden sein, noch bevor man die Freuden jauchzer der rcgierungsoffiziösen „Tribuna" über die Botschaft gelesen hat. daß „die Beziehungen sich jeden Tag herzlicher und intimer zwischen den beiden be freundeten und verbündeten Ländern gestalten und sich konsolidieren werden." Worin diese Konsolidation bestehen wird, sagt der bisher so franzosenfreundliche ..Messaqgero" frank und frei heraus: der neue Dreibundvertrag wird neue Bedingungen enthalten, die der veränderten politischen Situation im Mittel meer Rechnung tragen werden. Um den Unterschied zwischen einst und fetzt noch augenfälliger zu machen, lassen die meisten Blätter unmittelbar hinter ihren Betrachtungen über das Thema Italien und Oesterreich die Berichte folgen, die von schweren Ausschreitungen gegen Italiener in Frankreich und in den französischen Kolonien sprechen. In Italien ist man höchst empfindlich, wenn man hört, daß ryan die armen Auswanderer draußen drangsaliert, weil man daheim weiß, daß auch der ärmste Schlucker in keinem Augenblick seine teure Heimat vergißt! Es ist darum nicht zu verwundern, daß hierzulande die Ministerkundqebungen als Demonstration auf gefaßt werden, als Demonstration nicht nur zur Be kräftigung des Dreibundes, sondern auch gegen Frankreich!— Der Lslksn unü üss kvmmenüe Frühjahr. —* Ein genauer Kenner der politischen Ver hältnisse am Balkan schreibt uns: Man ist daran gewöhnt, die auf dem Balkan herrschenden Verhältnisse als eine beständige Gefahr für den europäischen Frieden anzu sehen. In der Tat drängt dort alles einer Veränderung dec bestehenden Verhältnisse mit Macht zu, so daß ein Zustand der Ruhe immer nur als ein Provisorium ausgcfaßt wird. Wenn auch vieles von dem, was zur Beunruhigung der Gemüter beitrügt, politischen Intrigen und Machinationen zugeschrieben werden kann, so muß man dennoch erkennen, das; im allgemeinen die Lage auf der Balkanhalbinsel eine natürliche Folge der geschichtlichen Entwicklung ist. In der Türkei ist noch keineswegs dw Er innerung an die ehemalige Machtstellung des Reiches geschwunden. Jin Bewußtsein der ge genwärtigen Schwäche hat aber ein berechtigtes Gefühl der Unsicherheit Platz gegriffen. Sieht man doch, daß trotz allen Beteuerungen und Zusicherungen der Integrität des türkischen Rei ches ein Stück nach dem andern davon abgc- bröckelt wird. Tic Türken fühlen es, daß sie sich nur auf ihre eigene militärische Kraft (die allerdings auch heute noch achtunggebietend da steht) und auf die Unstimmigkeiten der andern Staaten verlassen können. In allen übrigen Balkan st aaten be steht die Hoffnung, daß früher oder später das eigene Gebiet durch Länder, die jetzt unter tür- kijcher Herrschaft stehen, vergrößert würde, keiner dieser Staaten fühlt sich saturiert. Es gibt zwar ein Königreich Serbien, ein Bulgarien, ein Montenegro, ein Griechenland, ein Rumänien. Aber Bulgaren, Serben, Rumänen und Griechen leben auich in Ländern, die zum türkischen Reiche gehören — und dorr leben sie nicht gut. Bon allen Seiten wird mit Erfolg daraus hinaus gearbeitet, daS Nationalgefühl der nichltürkischen Untertanen des Sultans zu heben. Die Hoff nungen der Türkcnfreunde, daß unter dem jung türkischen Regime der Staat sich konsolidieren würde, hat sich nicht erfüllt. Es ist ein sehr be denkliches Zeichen für die Lebensfähigkeit des Reiches, das; inmitten der Wirren eines ausge- rwungenen Krieges, der das Ansehen und den Besitzstand der Türkei bedroht, die Volksvertre tung durch kleinliche Verfafsungsstrei- tigkeiten die Lage noch schwieriger gestaltet,
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